Lieben lernen. Alles über Verbundenheit - bell hooks - E-Book

Lieben lernen. Alles über Verbundenheit E-Book

bell hooks

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Beschreibung

»Frauen, die sich für die Liebe entscheiden, müssen klug, waghalsig und mutig sein.« Ein großartiges Plädoyer für die Macht der Liebe Liebe(n) geht uns alle an. Unsere Sehnsucht und Suche nach Liebe hören nie auf. Egal wie alt wir sind. Warum fällt es uns dennoch so schwer, den wahren Stellenwert der Liebe gesellschaftlich anzuerkennen? Weshalb verharren so viele Menschen in Beziehungen, die schon lange nicht mehr liebevoll sind? Wieso stoßen vor allem ältere Frauen mit ihrem Liebesbedürfnis an Grenzen? Wo kollidieren Geschlechterrollen mit Erwartungen? Was hat der Feminismus damit zu tun? Wie hat die feministische Bewegung unsere Vorstellung von Liebe beeinflusst und verändert? Und inwieweit stecken wir bei Liebesdingen alle in patriarchalen Denkmustern und Machtstrukturen fest? Mit souveräner Offenheit begegnet die renommierte Literaturwissenschaftlerin bell hooks diesen Fragen. Jenseits aller Dogmen und Schuldzuweisungen entwirft sie eine neue Kunst des Liebens; basierend auf Freiheit, Selbstliebe und echter Verbundenheit. »Meisterhaft. Für alle Frauen (und Männer), die sich Gedanken über die Liebe machen, ist dieses Buch ein Valentinstaggeschenk.« Los Angeles Times »Die Vision einer Welt, in der die Liebe zur Macht durch die Macht der Liebe ersetzt werden kann.« Time Out New York

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Seitenzahl: 311

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel communion. The Female Search for Love bei William Morrow, einem Imprint von HarperCollinsPublishers, New York.

Deutsche Erstausgabe © 2002 by Gloria Watkins © 2022 für die deutschsprachige Ausgabe by HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Published by arrangement with William Morrow Paperbacks, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC

Covergestaltung von Deborah Kuschelnach dem Originalentwurf von Mumtaz Mustafa Coverabbildung von flovie / Depositphotos E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783365000205

www.harpercollins.de

Widmung

Für euch alle, die ihr mit mir im Kreis der Liebe tanzt –

für Anthony, mit dem zusammen ich mich drehe und drehe und drehe

Motto

Bei jeder Zusammenkunft ist ein Eros anwesend, der zudem heilig ist. Wir müssen nur der Geschichte und dem Echo des Wortes nachspüren, mit dem wir religiöse Erfahrungen beschreiben. Das sanskritische Wort satsang, das sich mit »Treffen« übersetzen lässt, bedeutet »göttliche Versammlung«. In der englischen Sprache ist das Wort common (»alltäglich«) über das Wort communicate (»kommunizieren«) mit communion (»Gemeinschaft«) verbunden. In einem Zustand der Gemeinschaft zu existieren heißt, sich des Wesens der Existenz bewusst zu sein.

– Susan Griffin

Vorwort

Die Seele strebt nach Verbundenheit

F rauen reden über Liebe. Wir lernen von Kindheit an, dass Gespräche über die Liebe geschlechtsabhängig, ein Frauending sind. Unsere Besessenheit von dem Thema beginnt nicht mit dem ersten Schwarm oder der ersten Verliebtheit. Sie ergibt sich aus der Erkenntnis, dass Frauen weniger geschätzt werden als Männer, dass wir, egal wie gut wir sind, in den Augen der patriarchalen Welt letztlich niemals gut genug sind. In der patriarchalen Gesellschaft markiert uns unsere Weiblichkeit von Anfang an als wertlos oder als nicht wertvoll, und daher dürfte es niemanden überraschen, dass wir lernen, uns als Mädchen, als Frauen am meisten darum zu sorgen, ob wir der Liebe würdig sind.

Da wir mit ehrgeizigen, kritischen Müttern aufwachsen, mit Vätern, die wir nie wirklich zufriedenstellen können, oder als »Papas perfektes kleines Mädchen«, das so große Angst davor hat, dessen Anerkennung zu verlieren, dass wir sogar aufhören zu essen und heranzuwachsen, weil wir sehen, dass Papas Interesse nachlässt, weil wir sehen, dass er Frauen nicht liebt, sind wir uns, was die Liebe angeht, unsicher. Um uns Papas Liebe zu bewahren, müssen wir uns mit aller Macht an der Mädchenhaftigkeit festklammern. Alle Mädchen lernen in jungen Jahren – wenn nicht von ihren Eltern, dann von der Umgebung, in der sie aufwachsen –, dass sie sich das Recht, geliebt zu werden, verdienen müssen – dass »Frausein« an sich nicht gut genug ist. Das ist die erste Lektion, die jede Frau in der Schule der patriarchalen Denkweisen und Wertvorstellungen lernt. Sie muss sich die Liebe verdienen. Sie hat kein Anrecht darauf. Sie muss »brav« sein, um geliebt zu werden. Und was »brav« bedeutet, bestimmt immer jemand anderes, jemand Außenstehendes. In ihrem Essay »Dancing on My Father’s Shoes«, in dem sie über ihre Beziehung zu ihrem Vater schreibt, schildert Patricia Ruff auf herzzerreißende Weise, wie sie den Glauben daran verlor, Liebe verdient zu haben, wertgeschätzt zu werden: »Meine Mutter erzählte mir, dass er als Erstes eine Tochter gewollt habe und überglücklich war, als er mich bekam. Daher war ich nicht darauf vorbereitet, als mir mein Prinzessinnenstatus unvermittelt genommen wurde, ganz abrupt, wie eine Seite, die aus einem Notizbuch gerissen wurde. Irgendetwas passierte, doch niemand erklärte es mir. … Ich konnte meine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen und hatte keine Worte für die Wut und den Schmerz, die seine plötzliche Unerreichbarkeit in mir auslösten.« Da Ruff befürchtete, dass ihre jüngere Schwester die gleiche emotionale Zurückweisung erleiden könnte, schlug sie vor, den Vater gemeinsam zu konfrontieren: »Wir platzten ins Schlafzimmer hinein und warfen uns auf unseren verblüfften Vater, der stocksteif blieb und kein Wort sagte, während wir weinend auf ihm lagen, nach ihm griffen, ihn festhielten und nicht loslassen wollten. ›Daddy, bitte nimm uns in den Arm, sag, dass du uns liebst, wir lieben dich, wir brauchen deine Liebe‹, flehten wir.« Meist ist es das Gefühl, von den Eltern zurückgewiesen oder verlassen zu werden, das eine Leere erzeugt, die für Frauen zum Antrieb wird für die verzweifelte Suche nach Liebe.

Im Kleinkindalter fühlen sich Mädchen oft zutiefst geliebt, doch wenn wir einen eigenen Willen und unabhängige Ansichten entwickeln, stellen wir fest, dass sich die Welt von uns abwendet, dass wir als nicht liebenswert gelten. Das ist die Erkenntnis über das weibliche Schicksal, die Madonna Kolbenschlag in ihrem Werk Lost in the Land of Oz zum Ausdruck bringt: »In einer gewissen, grundlegenden Weise hat man uns allen Liebe und Bemuttertwerden vorenthalten – wenn nicht Liebe selbst, dann das Gefühl, geliebt worden zu sein. Zu wissen, dass wir geliebt wurden, reicht nicht aus; wir müssen es spüren.« Wie können Mädchen an der Überzeugung festhalten, dass sie geliebt, wirklich geliebt werden, wenn sie überall erleben, wie Weiblichkeit verachtet wird? An ihrer Weiblichkeit können sie nichts ändern, also versuchen sie, sich anzupassen, sich als der Liebe würdig zu erweisen.

Da uns der Glaube vermittelt wird, dass wir uns über Beziehungen zu anderen definieren, fangen Frauen früh an, jenseits ihres eigenen Herzens nach Liebe zu suchen. Wir lernen schon als Mädchen, dass der Ursprung der Liebe außerhalb unseres Vermögens liegt, dass wir von anderen geliebt werden müssen, um Liebe zu erfahren. Denn als weibliche Wesen in einer patriarchalen Gesellschaft können wir nicht selbst über unseren Wert bestimmen. Was wir gelten und ob wir der Liebe würdig sind oder nicht, wird immer von anderen festgelegt. Ohne die Möglichkeit, Selbstliebe zu praktizieren, schauen wir auf andere, damit sie uns als liebenswert befinden; wir sehnen uns nach Liebe und suchen danach.

Obwohl die feministische Bewegung die schon in der Kindheit einsetzende Entwertung der Frau kritisierte, änderte sie nichts daran. Mädchen von heute wachsen in einer Welt auf, in der sie ständig hören, dass Frauen dieselben Rechte hätten wie Männer, doch in der Kindheit gibt es trotzdem keinen richtigen Platz für feministisches Gedankengut und dessen Umsetzung. Mädchen kämpfen heute noch genauso gegen sexistische Rollenbilder an wie schon vor der Frauenbewegung. Obwohl gewisse Ausprägungen des Feminismus diesen Kampf hier und da unterstützen, fühlen sich die meisten Mädchen ausgeliefert, weil es verwirrend ist, in eine Welt hineingeboren zu werden, in der die Befreiung der Frauen einen gewissen Raum zugewiesen bekommen hat und das Patriarchat die Mädchen trotzdem weiterhin fest in seinen Fängen hält. Wie ausgeprägt diese Gefangenschaft ist, zeigt die unter Mädchen aller Klassen und Ethnien verbreitete Angst, nicht geliebt zu werden.

Innerhalb der patriarchalen Kultur bekommt das Mädchen, das sich in seiner Herkunftsfamilie nicht geliebt fühlt, eine weitere Chance, seinen Wert zu beweisen, wenn es sich um die Liebe von Jungen und Männern bemüht. Jugendliche Schwärmereien, obsessives Verlangen, das zwanghafte Streben nach männlicher Aufmerksamkeit und Anerkennung sind Verweise darauf, dass ein Mädchen der Bestimmung seines Geschlechts nachkommt und sich zu einer Frau entwickelt, die ohne Mann nicht sein kann. Egal ob heterosexuell oder homosexuell – das Ausmaß, in dem ein Mädchen nach patriarchaler Anerkennung strebt, bestimmt darüber, ob es wert ist, geliebt zu werden. Das ist die emotionale Ungewissheit, der alle Angehörigen des weiblichen Geschlechts in der patriarchalen Gesellschaft ausgesetzt sind.

Daher sind Frauen von Anfang an verwirrt, was das Wesen der Liebe angeht. Da uns fälschlicherweise vermittelt wird, dass wir Liebe dort fänden, wo das Weibliche als unwürdig gilt und ständig entwertet wird, lernen wir früh vorzugeben, Liebe sei wichtiger als alles andere, obwohl wir in Wahrheit wissen, dass das Wichtigste selbst im Kielwasser der feministischen Bewegung doch eigentlich die patriarchale Anerkennung ist. Die meisten von uns Frauen haben von Geburt an Angst, verlassen zu werden, nicht geliebt zu werden, sollten wir die anerkannten Grenzen überschreiten.

Bedingt durch unsere frühe Besessenheit davon, andere um den Finger zu wickeln und ihnen zu gefallen, um uns unseres Wertes zu vergewissern, verlieren wir uns im Streben danach, akzeptiert, beachtet und begehrt zu werden. Unser Reden über die Liebe war bis hierher vor allem ein Reden über Begehren. Die feministische Bewegung hat in weiten Teilen nichts daran geändert, dass Frauen von Liebe besessen sind, und sie hat uns auch keine neuen Sichtweisen der Liebe aufgezeigt. Sie hat uns erklärt, dass wir besser dran wären, wenn wir aufhörten, über Liebe nachzudenken, wenn wir unser Leben so führten, als spiele Liebe keine Rolle, da wir sonst Gefahr liefen, Teil einer zutiefst verachteten Kategorie von Frauen zu werden: eine »Frau, die zu sehr liebt«. Die Ironie bestand natürlich darin, dass die meisten von uns nicht zu sehr liebten, sondern gar nicht. Wir waren emotional bedürftig und sehnten uns verzweifelt nach Anerkennung (durch Partner*innen), die unseren Wert, unsere Bedeutung, unser Recht, am Leben zu sein, untermauerte. Dafür waren wir bereit, alles zu tun. Als Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft waren wir keine Sklavinnen der Liebe – die meisten von uns waren und sind Sklavinnen der Sehnsucht, auf der Suche nach einem Meister, der uns befreit und für sich beansprucht, weil wir keinen Anspruch auf uns selbst erheben können.

Der Feminismus barg das Versprechen einer Kultur, in der wir frei sein und Liebe finden könnten. Doch dieses Versprechen hat sich nicht erfüllt. Viele Frauen sind bis heute verwirrt und fragen sich, welchen Stellenwert die Liebe in unserem Leben einnimmt. Nicht wenige von uns trauen sich nicht, Liebe als »bedeutsam« anzuerkennen, aus Angst davor, von Frauen verurteilt und verachtet zu werden, die innerhalb des Patriarchats zu Macht gekommen sind, indem sie ihre Emotionen verdrängten und sich den patriarchalen Männern anglichen, die wir einst als kalt und hartherzig kritisiert haben. Der auf Macht ausgerichtete Feminismus ist nur eine Masche, die uns Frauen Patriarchen spielen und uns so tun lässt, als würde die angestrebte und erlangte Macht uns befreien. Da wir keine großen Werke geschaffen haben, die Mädchen und Frauen neue und visionäre Betrachtungsweisen der Liebe aufzeigen, haben wir mit Ende zwanzig und Anfang dreißig den Aufstieg einer Generation von Frauen erlebt, die jedes Streben nach Liebe für eine Schwäche hält und den Blick ausschließlich auf Machtgewinn richtet.

Das Patriarchat hat Liebe immer schon für die Aufgabe der Frauen gehalten, für eine niedere und minderwertige Tätigkeit. Und es hat sich nicht darum geschert, wenn Frauen an der Liebe scheiterten, da die patriarchalen Männer überaus bereit waren, Fürsorge anstelle von Liebe und Unterwerfung anstelle von Respekt zu akzeptieren. Wir haben keine feministische Bewegung gebraucht, um uns vor Augen zu führen, dass Frauen sich deutlich häufiger mit Beziehungen, zwischenmenschlicher Verbundenheit und Gemeinschaft beschäftigen als Männer. Das trainiert uns das Patriarchat an. Doch wir brauchen eine feministische Bewegung, die uns immer wieder daran erinnert, dass es im Kontext von Unterdrückung keine Liebe geben kann, dass die Liebe, nach der wir streben, unerreichbar ist, solange wir gefangen und nicht frei sind.

In meinem ersten Buch alles über liebe habe ich sorgsam darauf geachtet, immer wieder darzulegen, dass Frauen nicht von sich aus mehr Liebe empfinden als Männer, sondern dass wir dazu angehalten werden, das Lieben zu lernen. Das ist der Grund dafür, dass wir Frauen nach Liebe streben und uns eingehend mit dem Thema auseinandersetzen – und uns unseren Ängsten stellen, nicht genug zu lieben und geliebt zu werden. Die Frauen, die uns am meisten über das Wesen der Liebe vermitteln können, sind die Vertreterinnen der Generation, die durch den feministischen Kampf und feministisch geprägte Therapieformen gelernt haben, dass der Schlüssel zur Liebe die Selbstliebe ist.

Wir – Frauen, die lieben – gehören einer Generation von Frauen an, die die patriarchalen Paradigmen überwunden hat, um uns selbst zu finden. Um wirklich zu uns selbst zu finden, mussten wir eine neue Welt erschaffen, in der wir es mutig wagten, das kleine Mädchen in uns hervorzulocken und es in einem Leben, in einer Welt willkommen zu heißen, wo es vom ersten Tag an geschätzt, geliebt und für unendlich wertvoll befunden wird. Die Liebe zu diesem Mädchen hat eine Wunde in uns geheilt, die uns oft dazu verleitet hat, an den falschen Orten nach Liebe zu suchen. Viele von uns erlebten im mittleren Alter einen wunderbaren Augenblick des Innehaltens, in dem wir anfingen, über die wahre Bedeutung von Liebe in unserem Leben nachzudenken. Auf einmal erkennen wir, wie wichtig Liebe ist, nicht die alten, patriarchalen Versionen der »Liebe«, sondern eine tiefer verstandene Liebe, eine transformative Kraft, die jedem Menschen die Verantwortung und die Zuständigkeit für das eigene spirituelle Wachstum auferlegt.

Wir haben erlebt, dass keine Frau frei sein kann, ohne erst zur Liebe gefunden zu haben. Unser Streben nach Liebe hat uns die volle Bedeutung von Gemeinschaft erfassen lassen. Susan Griffin schreibt in The Eros of Everyday Life: »Der Wunsch nach Gemeinschaft ist körperlich. Es hat nicht nur strategische Gründe, dass im Kern jeder Bewegung für einen gesellschaftlichen Wandel die Versammlung stand. … Diese Treffen waren für sich genommen die konkrete Umsetzung eines Verlangens, das im Zentrum menschlicher Träume steht – des Verlangens, uns in einer Gemeinschaft zu verorten, das Überleben zu einer gemeinsamen Aufgabe zu machen, die Verbindung zueinander und zur Erde, die uns ernährt, zu ehren.« Die in Liebe verbundene Gemeinschaft, nach der unsere Seele strebt, ist die heroischste und göttlichste Mission, der sich ein Mensch verschreiben kann.

Dass Frauen in eine patriarchale Welt hineingeboren werden, die uns erst dazu auffordert, nach Liebe zu suchen, und uns dann Hindernisse in den Weg legt, ist eine der fortwährenden Tragödien des Lebens. Es ist an der Zeit, dass die Älteren unter uns die Mädchen und jungen Frauen retten und ihnen eine Vision der Liebe aufzeigen, die sie auf ihrer Reise trägt. Das Streben nach Liebe als Suche nach dem wahren Ich ist befreiend. Alle Frauen, die es wagen, ihrem Herzen zu folgen, um diese Form der Liebe zu finden, tragen damit zu einer kulturellen Revolution bei, die unsere Seele heilt und uns den Wert und die Bedeutung der Liebe in unserem Leben erkennen lässt. Und obwohl die romantische Liebe ein wichtiger Teil dieser Reise ist, ist sie mittlerweile eben nur noch das: ein Teil unserer umfassenden Bemühungen, liebevolle Beziehungen zu knüpfen und Kreise der Liebe zu erschaffen, die zum Wohlbefinden aller Frauen beitragen.

lieben lernen handelt von unseren Bemühungen um wahre Liebe und unseren Erfolgen. Das Buch versammelt die Erkenntnisse von Frauen jenseits der dreißig und darüber hinaus, die erst im mittleren Alter die Liebe entdeckt haben, Frauen wie mir, die in jüngeren Jahren bis weit in die zwanziger hinein durch die Wüste des Herzens geirrt sind und als Suchende auf dem Weg der Liebe neue Sichtweisen, heilende Einsichten und berauschende Erfahrungen fanden, und lässt uns am Wissen dieser Frauen teilhaben.

Es legt Zeugnis ab, auch über die Freude, die wir Frauen verspüren, wenn wir dem Streben nach Liebe wieder seinen rechtmäßigen, heroischen Platz in der Mitte unseres Lebens einräumen. Wir sehnen uns danach, geliebt zu werden, und wir sehnen uns danach, frei zu sein. lieben lernen legt dar, wie wir diese Sehnsucht stillen können. Indem das Buch die Qualen, die Kämpfe und die Mühen aufzeigt, die wir Frauen auf uns nehmen, um die Angst vor dem Verlassenwerden und dem Verlust zu überwinden, wie wir verletzte Leidenschaft hinter uns lassen und unsere Herzen öffnen, hält es uns dazu an, uns immer wieder an den Ort zu begeben, an dem wir glücklich sind, um zu feiern und in den Kreis der Liebe einzutreten.

Eins

Altern, um zu lieben, und es lieben zu altern

Ich unterhalte mich jeden Tag mit Frauen über die Liebe und das Altern. So ist das mit über vierzig. Das Tolle daran ist: Alle sind sich einig, dass es heute schöner ist, alt zu werden, als je zuvor. Das Alter hat seine Höhepunkte und Vorzüge. Und es hat seine Tücken. Doch für viele Frauen ist die Tatsache neu, dass die Schwierigkeiten uns nicht unbedingt zu Boden drücken. Und wenn doch, dann verharren wir nicht unten, sondern stehen wieder auf und fangen von vorn an. Das ist Teil der Magie, der Macht und der Freuden des mittleren Alters. Selbst wenn das Lästern über den Feminismus so alltäglich geworden ist wie Gespräche über das Wetter, haben wir dem Feminismus, der Frauenbewegung oder wie auch immer wir es nennen mögen, alle eine Menge zu verdanken. Er trug dazu bei, den Blick der Frauen zu verändern. Vielen von uns setzt das Älterwerden jetzt weniger zu, weil die früheren Erzählungen, die uns weismachten, dass das Leben mit dreißig oder vierzig vorbei sein und wir uns in geschlechtslose Zombies verwandeln würden, die die ganze Zeit über unaufhörlich tratschen und tratschen und allen in unserer Umgebung das Leben schwer machen würden, auf dem Müll gelandet sind. Daher spielt es keine Rolle, dass die feministische Bewegung ihre Schwächen hat – sie trug dazu bei, dass wir alle uns von diesen Erzählungen verabschiedet haben. Und damit meine ich wirklich uns alle.

Wir denken jetzt anders über das Altern, und wir denken anders über die Liebe. Als die feministische Bewegung dafür sorgte, dass sich die Welt für Frauen langsam veränderte, und alles deutlich gleichberechtigter wurde als je zuvor, waren es eine Zeit lang die Frauen, die ohnehin über eine gewisse Macht verfügten – durch ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Bildung oder herausragende, nicht von der Hand zu weisende Begabungen –, die »mitmischten« und »profitierten«. Diese Frauen zählten zur feministischen Avantgarde. Oft verfügten sie über außerordentliche Fähigkeiten oder zeigten überragende Leistungen. Während der Feminismus diesen Frauen zum Aufstieg verhalf, versagte er oft darin, das Leben der Unmengen von normalen Frauen in irgendeiner Weise zu verbessern. Viele Errungenschaften der Frauenbewegung drangen nicht bis zur Masse durch, doch das Umdenken beim Thema Altern schon. Durch seine Kritik am sexistischen Körperbild brachte der Feminismus neue Schönheitsideale hervor und zeigte uns, dass füllige Körper sinnlich, Bäuche wunderschön und Haare unter den Armen und auf den Beinen verführerisch sein können. Er schuf neue Möglichkeiten der Selbstverwirklichung für uns, sowohl im Arbeitsleben als auch in Liebesbeziehungen.

Da wir Frauen unsere Meinung über das Altern geändert haben und es nicht länger negativ betrachten, hat sich auch unsere Einstellung zur Bedeutung der Liebe im mittleren Alter geändert. Das bestätigt sich in Beth Benatovichs Interviewsammlung What We Know So Far: Wisdom Among Women auf nachdrückliche Weise. Geradezu prophetisch erklärt die Schriftstellerin Erica Jong: »Ich glaube, dass wir im Augenblick eine Art spirituelle Revolution erleben – die Art Revolution, die Wegbereiterinnen entstehen lässt. … Älteren Frauen wird wieder ihre althergebrachte Rolle als Weissagerinnen und Ratgeberinnen zugewiesen. … Das ist der große Wandel, der sich in unserer Zeit ereignet. Da wir nun auch jenseits des bildschönen Körpers nach Inspiration suchen, sind wir gezwungen, die zweite Hälfte unseres Lebens umzudeuten, neue Wege zu finden.« Trotzdem haben alternde Frauen noch mit genügend Problemen zu kämpfen. Doch was sich verändert hat, ist vor allem der konstruktive Umgang damit, der Frauen jeden Alters, aller Klassen und Ethnien verbindet. Offene, aufrichtige Gespräche darüber, auf welch vielfältige Art und Weise der Auszug der Kinder, der Tod von Eltern oder Partner*innen und/oder der zutiefst tragische Tod eines Kindes seelisches Chaos in unserem Leben anrichten können, haben uns geholfen. Der Austausch über diese Probleme wäre fad und banal, wären da nicht die kreativen Ansätze zum Umgang mit dem Altern, sowohl für Frauen in den mittleren Jahren als auch jenseits der sechzig. Der Mut, sich für das Abenteuer zu entscheiden, ist das, was das Leben heutiger Frauen von dem der meisten Frauen vor der feministischen Bewegung unterscheidet. Welch ein Kontrast besteht zwischen den Frauen, die ihren Brustkrebs stillschweigend durchlitten, und den Frauen von heute, die offen darüber sprechen und ihren Körper auch nach der Abnahme einer Brust stolz und liebevoll als intakt, vollkommen und attraktiv betrachten. Die Lyrikerin Deena Metzger ruft die Schönheit der einbrüstigen Frau kühn auf einem Poster aus. Die Gesellschaftswissenschaftlerin Zillah Eisenstein erzählt in Man-Made Breast Cancers ganz offen ihre persönliche Geschichte mit dem Brustkrebs. So verändern Frauen mittleren Alters die Welt.

In der aufregenden Frauenwelt, in der ich aufwuchs – einer großen Familie mit lauter Urgroßmüttern, Großmüttern, Großtanten, Tanten, Töchtern und ihren Kindern –, lernte ich früh, dass das Altern viele Freuden bereithalten würde. Die Frauen in unserer Umgebung sprachen über das mittlere Alter, als handle es sich um das verheißene Land. Wie wunderschöne Schlangen würden sie zur entsprechenden Zeit kühn ihre Haut abwerfen und eine neue ausbilden – eine stärkere und schönere als je zuvor. Etwas in ihnen würde zu neuem Leben erweckt. Sie würden wiedergeboren und eine neue Chance erhalten. Bei diesen Frauen handelte es sich um arme Frauen, die in eine Welt ohne ausreichende Verhütungsmittel hineingeboren worden waren, eine Welt, in der eine Abtreibung tödlich enden konnte, psychologisch oder körperlich. Es waren Frauen, die die Wechseljahre als eine Art Übergang aus der Sklaverei in die Freiheit betrachteten. Bis dahin fühlten sie sich oft gefangen. Dieses Gefühl wiederum teilten sie mit Frauen aller Gesellschaftsschichten. Selbst Frauen, die allein und enthaltsam lebten und finanziell auf eigenen Füßen standen, mussten ständig Angst haben, dass all dem durch sexuelle Nötigung ein Ende bereitet werden könnte. In dieser Welt war eine Frau, die keine Kinder mehr bekommen konnte, einfach freier – und das mittlere Alter somit eine magische Zeit.

Oh, wie gern ich zuhörte, wenn meine Mutter und ihre Freundinnen sich über die Freuden der »Lebensveränderung« austauschten! Sie benutzten niemals das Wort »Menopause«. Wie intuitiv klug! Hätten sie sich die medizinische Bezeichnung für diese Veränderungen im mittleren Alter zu Herzen genommen, wären sie vielleicht gezwungen gewesen, sich mit den negativen Aspekten zu befassen, die in diesem Wort mitklingen – dem massiven Verlust, den es heraufbeschwört. Stattdessen hatten sie ihre eigene Sprache, eine subtile, verführerische, geheimnisvolle, freudige Ausdrucksform für die Veränderungen, die das mittlere Alter mit sich bringt. Das spüre ich heute, gleich einem wohlriechenden Dunst, dessen Duft mir gefolgt ist und mich jetzt einholt. Ich bin da. Ich nehme die Zeichen wahr. Ich befinde mich mitten in der Veränderung.

Für meine Mutter, ihre Freundinnen und viele andere Frauen, die sie niemals kennenlernen sollte, war der Eintritt ins mittlere Alter etwas Aufregendes, weil er bedeutete, dass sie nicht mehr ihre gesamte Zeit darauf verwenden mussten, sich um andere zu kümmern. Endlich hatten sie Zeit für sich. Der Mangel an freier Zeit – Zeit, die mit Nichtstun verbracht wird – hatte sie ihr ganzes Leben lang geplagt. Und so freuten sie sich auf Tage, an denen sie Zeit im Überfluss hätten. Tage, an denen sie ihre Aufmerksamkeit auf Zerstreuung und Ruhe richten und die Arbeit vergessen könnten. Wenn ich Mutter und ihren Freundinnen zuhörte, überlegte ich nie, wie ich mir mein Leben im mittleren Alter vorstellte; ich vertraute einfach blind darauf, dass es schöner sein würde als je zuvor. Obwohl ich auch das Zuvor schon genoss, würde ich das mittlere Alter doch noch mehr genießen. Was ich damals nicht wusste, war, dass die mittleren Jahre auch die Zeit sein würden, in der ich alles überdenken sollte, was ich über Frauen und Liebe gelernt hatte.

Die meisten Texte von Frauen über das mittlere Alter handeln von der Menopause, als sei sie das einzige »Ereignis« jener Jahre. Das stimmt nicht. In dieser Zeit passiert so viel, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Die Frau ist seit dem Tag ihrer Ankunft auf der Erde der Herzschlag aller Dinge gewesen, nur dass die meisten dieser Dinge nicht durch sie oder zu ihrem Vergnügen geschahen. Was uns Frauen heute am mittleren Alter so magisch anzieht, ist vor allem, dass wir dann diejenigen sind, die über das Geschehen verfügen – wir entscheiden, wann und wie etwas passiert. Den Großteil unseres Lebens über sind wir in Sachen Liebe dem Weg gefolgt, den die patriarchalen Wegbereiter für uns vorgesehen haben. Wir haben uns trotz Enttäuschungen und Verletzungen den Vorgaben gefügt und ohne Widerspruch und Kritik hingenommen, dass Liebe im Kontext der Dominanz möglich sei. Heute, eine feministische Bewegung und viel Liebeskummer später, wissen mehr Frauen als je zuvor, dass Liebe und Dominanz nicht zusammenpassen – wo das eine ist, kann das andere nicht sein. Für einige von uns hat diese Erkenntnis noch mehr Kummer bedeutet. Da Dominanz immer noch an der Tagesordnung ist, wollen Frauen, insbesondere Frauen, die sich einen Mann zum Partner wünschen, wissen, wie sie lieben und geliebt werden können. Das ist eine der großen Fragen, die dieses Buch behandelt.

Als ich anfing, mit anderen Frauen über dieses Buchprojekt zu sprechen, lautete die häufigste Frage, ob Liebe für Frauen mittleren Alters eigentlich noch genauso wichtig sei wie für jüngere. Sehr viele Frauen, mit denen ich mich darüber unterhielt, hatten wie ich nie über das mittlere Alter nachgedacht; wir hatten geglaubt, unseren dreißigsten Geburtstag nicht einmal zu erleben. Das hing mit unserer enormen Angst vor dem Erwachsenwerden, eine erwachsene Frau zu werden, zusammen. Wir wollten für immer Mädchen bleiben. Als Mädchen hatten wir das Gefühl, Macht zu haben. Wir waren stark, leidenschaftlich und selbstbewusst. Doch irgendwie löste sich diese Macht mit dem Eintritt in das junge Erwachsenenalter langsam auf. Darüber gibt es heute faszinierende Studien. Sie zeigen, dass kleine Mädchen sich oft als stark, mutig, kreativ und mächtig empfinden, bis sie sexistischen Botschaften ausgesetzt sind, die diese Überzeugungen untergraben und sie bestärken, sich an das konventionelle Bild von Weiblichkeit anzupassen. Dafür müssen die Mädchen Macht aufgeben.

So hat sich das Älterwerden traditionellerweise für die meisten Frauen angefühlt – nach Machtverlust. Und mit ihm kam die Angst davor, für immer ungeliebt und allein zu bleiben. Heute sind das mittlere Alter und die Jahre danach nicht nur eine Zeit, in der wir uns die Macht zurückerobern können, sondern auch eine Zeit, um endlich wahre Liebe zu erleben. Frauen diskutieren mehr als je zuvor darüber, wie schwierig es ist, Macht zu haben in einer Welt, in der sich zwar vieles verändert hat, die aber immer noch patriarchal geprägt ist. Somit verfügen wir über große Freiheiten in einer Welt, die unsere Freiheiten noch nicht vollständig akzeptiert. Das führt zu neuen Problemen, mit denen die meisten Frauen in der Vergangenheit nicht zu kämpfen hatten. Schauen wir uns doch nur an, wie viele unserer Eltern über fünfzig Jahre lang verheiratet waren oder sind, obwohl die Frau leidet und unglücklich ist. Doch die Welt, in der sie aufwuchs, lehrte sie, dass dies eben das Schicksal einer Frau sei. Heute hingegen können Massen von Frauen – Frauen, die sich selbst nie als Feministinnen bezeichnen würden und vielleicht sogar glauben, dass die feministische Bewegung keinerlei Auswirkungen auf ihr Leben hat – Beziehungen beenden, wenn sie misshandelt werden, unglücklich sind oder sich vielleicht einfach nur ungeliebt fühlen. Solche Trennungen ermöglichen ihnen, vielleicht doch noch einmal Liebe zu erfahren. Die ältere Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet-Generation hatte und hat häufig ein zynisches Verhältnis zur Liebe.

Ich erinnere mich bis heute daran, wie sehr meine Mutter litt, als mein Vater sie eine Zeit lang ganz besonders schlecht behandelte. Er hatte immer schon Affären gehabt, aber nun war sein Verhalten einfach nur noch verrückt und terroristisch. Die beiden waren damals seit fast zwanzig Jahren verheiratet, und ich stand kurz vor dem Highschoolabschluss. Ich weiß noch, wie ich Mutter mit der ganzen Anmaßung und dem wilden Mut einer Jugendlichen in den späten Sechzigerjahren dazu drängte, Vater zu verlassen. Und ich habe nie vergessen, wie traurig und müde ihr Gesichtsausdruck war, als sie sich zu mir umdrehte und mit leiser Stimme sagte: »Wer würde mich denn noch wollen?« In jugendlicher Verwunderung war ich völlig verblüfft über diese Antwort; in meinen Augen war meine Mutter ein ganz wundervoller Mensch. Also fragte ich: »Was soll das denn heißen?« Meine Mutter erklärte mir mit kummervoller und zitternder Stimme, dass sie den Höhepunkt ihres Lebens bereits überschritten habe, dass sie viele Kinder habe und Männer solche Frauen nicht begehrten. Das war eine der schmerzhaftesten Lektionen über Liebe und Herzensqualen, die ich als Mädchen im Schoß des Patriarchats lernte.

Mir wird ganz warm ums Herz, wenn ich sehe, dass selbst Frauen, die sich in unglücklichen Langzeitehen gefangen fühlen, heute zumindest wissen, dass es Auswege gibt, dass es eine Welt um sie herum gibt, die ihre Teilhabe und ihre Existenz wünscht. Auch wenn einzelne Frauen nicht glauben, dass das auf sie zutrifft, zeigt ihnen das Beispiel anderer Frauen doch, dass es so ist. Das ist wichtig. So haben Frauen ein Vorbild vor Augen, egal ob sie sich für eine Veränderung entscheiden oder nicht. Die Tatsache, dass viele Frauen sich jetzt ganz offen für Partner*innen beider Geschlechter entscheiden, bedeutet, dass älter werdende Frauen eine Vielzahl von Vorbildern haben, die nach Gemeinschaft – sexuell oder auch nicht – suchen, Frauen, die der Liebe nachgehen.

Als Kind der Fünfzigerjahre wurde ich in eine Welt hineingeboren, in der galt, dass eine Frau heiraten und dann für immer verheiratet bleiben sollte. In jenen Tagen glaubte jeder, den ich kannte, an die Worte »bis dass der Tod uns scheidet«. Außerdem war es eine Welt, in der die Menschen jeden Sonntag in die Kirche gingen und die Bibel sehr ernst nahmen. Doch gegen Ende meiner Teenagerzeit – in den späten Sechzigern – war alles infrage gestellt worden: die Bedeutung der Ehe, die Stellung der Kirche. Es war die Zeit der großen Rebellion. Die Welt stand plötzlich kopf. Nichts war mehr gewiss. Ich selbst war eine überzeugte Verfechterin des Ungehorsams, doch da ich mich gleichzeitig sträubte, alle Werte meiner Erziehung aufzugeben, versuchte ich mit beiden Welten zu jonglieren. Ich wollte keine staatlich beglaubigte Ehe eingehen, aber an der Überzeugung festhalten, dass Beständigkeit und ein Bekenntnis zueinander wichtig waren. Ich wollte keinen Ehemann, aber einen Lebensgefährten. Ich lehnte alle Konzepte von Liebe ab, die klangen, als seien wir ihr wehrlos ausgeliefert und hätten keine Wahl, und betrachtete sie stattdessen als einen bewussten und gewollten Akt.

Die feministische Bewegung lehrte mich, Vorstellungen von Liebe zu hinterfragen, die uns Frauen dazu animieren, eine Opferrolle anzunehmen oder uns auf masochistische Weise angsteinflößenden, patriarchalen Männern zu unterwerfen. Sie lehrte mich, dass ich mein Verlangen nach Partnerschaft nicht unbedingt nur auf Männer ausrichten musste – wir können auch romantische Beziehungen mit Frauen eingehen. Das war harter Tobak für eine junge Baptistin aus den Südstaaten, die in einem strengen Haushalt aufgewachsen war, aber ich sog alles auf und versuchte die nötigen Veränderungen vorzunehmen. Meine Strategie für ein glückliches Leben bestand darin, die guten Aspekte der alten Lebensweise beizubehalten und sie mit den besten Elementen der neuen Ansichten zu kombinieren. Das war in der Theorie gut, in der Praxis aber sehr schwierig, und ich scheiterte oft daran. Am schmerzhaftesten war es, wenn es um Liebe ging.

Der radikale Feminismus forderte Frauen von Anfang an auf zu hinterfragen, warum wir von der Liebe so besessen waren. Einige extreme Aktivistinnen drängten uns, die Liebe zu vergessen und uns der Macht zuzuwenden. Liebe war etwas für Opfer, Macht für Siegerinnen. Doch ich hielt ohne Scham an meinen Vorstellungen einer erfüllten romantischen Liebe fest, die mir als Mädchen vermittelt worden waren. Als Kind war ich begeistert gewesen, als Barbie einen Gefährten namens Ken bekam. Endlich konnte ich mit den beiden wirklich ein normales Leben nachspielen. Und selbst als der Feminismus alle Poren meines sechzehn Jahre alten Körpers durchdrang, wollte und glaubte ich immer noch an eine Glücklich-bis-ans-Lebensende-Beziehung für Barbie und Ken – für mich und meinen Auserwählten.

Auch nach mehr als zwanzig Jahren als Feministin und Aktivistin bin ich heute noch genauso besessen von der Liebe wie damals, als ich meiner Barbiepuppe den neuen Ken vorstellte. Es war in der Tat eine arrangierte Ehe. Mit Barbie und Ken in der Hand konnte ich eine Welt der beständigen Liebe erschaffen, eine Welt, in der die Paarbeziehung das Herz öffnete und den Geist beflügelte. Ich konnte das Paradies erschaffen. Die Fantasievorstellungen von wahrer Liebe und perfekter Beziehung, die ich Barbie und Ken erleben ließ, bildeten die Grundlage für meine eigene Suche nach Liebe. Ich lebte in einer Welt, in der meine Großeltern mütterlicherseits fast achtzig Jahre lang verheiratet waren und meine Eltern offensichtlich vorhatten, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen (obwohl mir schon als kleines Kind klar war, dass sie und andere Paare wie sie nicht unbedingt eine erfüllte Liebesbeziehung führten). Das Thema Erfüllung beschäftigte mich sehr. Ich wollte unbedingt verstehen, wie Liebe funktionieren konnte.

Dieses Verlangen, die Liebe zu verstehen und zu erleben, verfolgte mich von der Kindheit bis ins Erwachsenenleben; es war meine große Passion. Als ich emotional heranreifte, veränderte sich das Wesen meiner Besessenheit. Nachdem ich mich dem Feminismus zuwandte, verloren meine Ansichten über die Liebe zunächst ihre heterosexistische Prägung. Ich erkannte langsam, dass es viele Wege zur Liebe gab und einer davon darin bestand, zu lieben. Außerdem war ich mir jetzt sicherer als zuvor, dass wir Frauen unser ganzes Leben lang die Freuden der Liebe genießen können. Deshalb wollte ich ein etwas persönlicheres Buch über die Suche der Frauen nach Liebe schreiben, vor allem über die Bedeutung dieser Suche im mittleren Alter.

In meinem ersten Buch, alles über liebe, ging es um die Bedeutung und die Praxis der Liebe im allgemeineren Sinne. Das vorliegende Buch ist eine persönlichere Beschreibung dessen, wie sich mein Blick auf die Liebe im mittleren Alter veränderte. Indem ich meine Suche nach wahrer Liebe nachzeichne, schaue ich mir an, auf welche Weise die Auswirkungen der feministischen Bewegung das Leben von Frauen für immer verändert haben, wie die Bewegung breite, zuvor versperrte Wege hin zur gesellschaftlichen Gleichstellung mit Männern eröffnet hat. Frauen haben mehr Freiheit als je zuvor, und trotzdem ist nicht klar, ob diese Freiheit uns den Zugang zur wahren Liebe erleichtert hat. Es ist nicht klar, wie diese Freiheit das Wesen der Romantik und der Partnerschaft verändert hat. Manche von uns waren verheiratet oder verbleiben weiterhin in lebenslangen Ehen und/oder Partnerschaften. Viele von uns sind finanziell unabhängig. Etliche von uns haben keine Kinder. Und es gibt mehr Singlefrauen als je zuvor, die den Eintritt ins mittlere Alter allein erleben. Nur selten wird auf eine Weise über unsere Sehnsucht nach Beziehung, nach Liebe gesprochen, die unser Leben realistisch abbildet.

Bis vor Kurzem gab es in Bezug auf unser Schicksal, was romantische Liebe und Beziehungen angeht, nur wenig Diskussion, zumindest jenseits der gängigen Ansicht, dass jede alleinstehende, heterosexuelle Frau über dreißig wahrscheinlich für immer allein bleiben wird. Gott bewahre, wenn sie bis zu ihrem vierzigsten Geburtstag immer noch keinen Mann gefunden hat. Und als sich die Massenmedien diese Ansicht aneigneten und es als Propaganda nutzten, um den Frauen damit Angst einzujagen, war das eine unterschwellige, indirekte Form antifeministischer Gegenreaktion. Diejenigen von uns, die sich eher auf Bildung, Karriere und – geben wir es zu – das Geldverdienen konzentrierten, um finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, empfanden das Bombardement mit Botschaften wie der, dass wir mit größerer Wahrscheinlichkeit bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen als einen Partner zu finden, als Warnung. In dem Film Schlaflos in Seattle versuchen alle Menschen im Umfeld der von Meg Ryan verkörperten Hauptfigur, sie dazu zu bringen, sich Sorgen zu machen und in Panik zu verfallen, weil sie nicht verheiratet ist. Beim Anblick von Statistiken, die besagen, dass ihr ein Leben allein bevorsteht, wird sie trotz ihres ansonsten glücklichen Lebens nervös. Diese Statistiken dienten als Drohung und sollten uns Frauen dazu drängen, uns lieber wieder darauf zu konzentrieren, einen Mann zu finden und zu halten – das habe schließlich unsere Hauptsorge zu sein.

Als ich diese unheilvolle Warnung vernahm, kämpfte ich gerade mit der Entscheidung, ob ich den Mann in meinem Leben verlassen sollte oder nicht. Wir waren seit mehr als zehn Jahren zusammen, aber ich war mit unserer Beziehung nicht zufrieden. Er hatte kein Interesse an persönlichem Wachstum und emotionaler Offenheit. Obwohl er für die Gleichberechtigung im Arbeitsleben eintrat, ging er in unserem Sexualleben davon aus, dass meine Hauptaufgabe darin bestünde, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Wie viele andere Frauen hatte auch ich verinnerlicht, dass ich vielleicht keinen anderen Partner mehr finden würde. Das trug neben anderen Befürchtungen wahrscheinlich dazu bei, dass ich die Beziehung länger fortführte, als ich es hätte tun sollen. Doch irgendwann unterlagen meine Ängste meiner Sehnsucht nach Freiheit, Selbstverwirklichung und Liebe. Für mich bedeutete das Ende der Beziehung nicht, dass ich die Liebe aufgab, sondern dass ich mir die Freiheit verschaffte, wirklich nach Liebe zu suchen – dass ich mir die Chance gab, wieder zu lieben. Also ging ich. Und es fühlte sich gut an. In dieser Beziehung hätte ich niemals Liebe erfahren. Sie zu beenden eröffnete mir zumindest die Möglichkeit darauf.

Die Liebe sollte uns als Frauen mittleren Alters genauso wichtig sein wie als Mädchen, als staunenden Teenagern auf der Suche nach wahrer Liebe und der perfekten Beziehung. Denn danach suchen wir bis heute. Nur wenige von uns haben die ersehnte Liebe gefunden. Das Besondere des mittleren Alters besteht darin, dass viele von uns nun mehr über die Bedeutung der Liebe wissen; wir wissen, was es heißt, zu lieben und geliebt zu werden. Wir haben mehr Erfahrung.

Die meisten von uns haben Liebeskummer erlitten. Der Schmerz hat uns geöffnet – hat uns die Möglichkeit gegeben, aus unserem Leiden zu lernen –, um uns auf die verheißene Liebe vorzubereiten. Wir wissen, dass die Liebe da ist. Manche von uns warten noch darauf. Wir sind uns sicher, dass wir wieder lieben werden. Und wenn es so weit ist, wissen wir, wird diese Liebe Bestand haben. Außerdem sind wir uns darüber im Klaren, dass wahre Liebe mit Selbstliebe beginnt – diese Erfahrung haben wir mit der Zeit gemacht – und dass die Suche nach Liebe uns immer wieder an den Anfang zurückführt, zum Spiegel unseres Herzens, wo wir unser weibliches Selbst voller Liebe betrachten und daraus neue Kraft schöpfen können.