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Ein warmherziger Vater-Tochter-Roman von der großartigen Gudrun Mebs! »Mausi« – Maja kann es nicht leiden, wenn ihr Vater sie so nennt. Und auch nicht, dass sie ihn »Daddy« rufen soll. Sie hätte viel lieber einen richtigen Papa. Einen, der ihre Kleidergröße kennt und weiß, welche Bücher sie mag. Als die beiden im Urlaub statt in einem todschicken Ferienhaus unverhofft in einer verfallenen Waldhütte landen, müssen sie sich zusammenraufen. Und das funktioniert eigentlich richtig gut. Ach ja, Maja sitzt in Max, ihrem Rollstuhl. Und ist ein ganz normales Mädchen. Wie aus »Mausi« und »Daddy« Maja und Papa werden, davon erzählt Gudrun Mebs mit Tiefgang und erfrischender Leichtigkeit.
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Seitenzahl: 104
Gudrun Mebs
Ferien nur mit Papa
Mit Bildern von Catharina Westphal
FISCHER E-Books
Papa kommt! Ich würde mal sagen, das rufen die meisten Kinder jeden Tag auf der ganzen Welt. Und die, die das nicht rufen, die haben halt keinen Papa oder bloß so einen, der nur immer mal wieder bei ihnen auftaucht. Zu denen gehöre ich. Warum diese Papas nur die Immer-mal-wieder-Papas sind, wissen bestimmt die meisten Kinder. Zu denen gehöre ich nicht.
Wahrscheinlich haben meine Mama und mein Papa es mir mal erklärt, vielleicht war’s auch nur die Mama. Ist egal, ich hab’s vergessen. Kann sein, dass ich da auch noch viel zu klein war und nix kapiert hab. Und kapieren oder nicht kapieren, es hätte ja sowieso nichts geändert.
Mit Mama alleine leben, das hat ja auch Vorteile. Sie kümmert sich nur um mich und ist nicht abgelenkt von einem Papa.
Wir quatschen viel zusammen, nur über Papa quatschen wir nicht, es ist ihr lieber so.
Und immer darf ich bei ihr schlafen, wenn ich will. Ich will ziemlich oft. Papa im Bett würde das bestimmt nicht erlauben, meiner jedenfalls nicht, da bin ich sicher. Papa hat Nähe nicht so gern, und damit meine ich nicht nur Kuscheln und so. Darum wohnt er ja auch nicht bei uns.
»Papa« sage ich auch nur, wenn ich an ihn denke. Wenn er uns besuchen kommt, muss ich Daddy sagen, er findet das schick. Ich hab mich dran gewöhnt. Und auch daran, dass ich bei ihm »Mausi« heiße und nicht Maja. Ist Mausi schicker als Maja?
Schick sein ist für Daddy wichtig, sein Auto ist schick, er ist schick immer in Anzug mit Krawatte. Frisch geputzte Schuhe unten, frisch geputzte Brille oben. Die Geschenke, die ich kriege, die sind auch sehr schick. Teure T-Shirts in bunten Farben, bloß die Größe haut oft nicht hin. Zu groß oder zu klein. Ich heb sie trotzdem auf.
Manchmal kriege ich Bücher, die ich schon längst gelesen habe, weil die für Kleinere sind. Das kann er ja nicht wissen, er kennt ja meine Büchersammlung nicht. Ich lese die dann einfach noch mal. Einmal hat er mir einen Plüschi geschickt, so ein Schmusetier. Ein Panda mit Kulleraugen, und quietschen kann der auch.
Mama hat die Augenbrauen hochgezogen, gesagt hat sie aber nichts. Sie sagt nie was zu den Daddy-Geschenken. Ich hab schon gemerkt, den Panda fand sie unpassend. Ich nicht, auch wenn ich den nicht zum Schmusen brauche, da reicht die Mama.
Den Panda hab ich trotzdem immer bei mir, auch wenn er jetzt nicht mehr quietschen kann, ich hab ihn wohl zu oft quietschen lassen. Aber die schicken knallroten Turnschuhe von neulich, die passen wirklich ganz genau, die sind echt schön! Auch wenn ich sie eigentlich gar nicht brauchen kann, zum Laufen meine ich. Ich zieh sie trotzdem an, wenn ich im Max durch die Gegend rollere. Max, mein Rollstuhl, macht alles, was ich will, der ist mein Freund. Und so einen Freund braucht man doch unbedingt, wenn die Beine futsch sind wie bei mir. Die haben noch nie gewusst, wie Laufen geht. Müssen sie auch nicht, meine Beine sind die Räder von meinem Max.
Heute kommt Daddy, heute darf ich endlich mal wieder rufen: »Papa kommt!« Er hört’s ja nicht.
Immer wieder guck ich auf die Uhr, immer wieder rollere ich zum Fenster und wieder weg und wieder hin, und es dauert so endlos wie immer, bis es endlich klingelt.
Schon bin ich an der Tür, schon hab ich sie aufgerissen, und prompt stößt Max an Daddys Knie. So was Blödes!
»Ein stürmischer Empfang, Mausi, das weiß ich zu schätzen«, sagt Daddy und grinst ein bisschen schief, »mein Knie vermutlich weniger.« Er reibt an seiner Hose herum, hat Max da jetzt was kaputtgemacht? Aber Daddy winkt ab, zum Glück. Ich krieg einen Klaps auf den Kopf und Mama einen Klaps auf die Schulter, ganz so wie immer. Dann aber nicht mehr. Sonst geht’s immer gleich ins Wohnzimmer mit Geschenk zu Tee und Keksen. Heute nicht.
»Nur ein Minütchen, Mausi«, sagt Daddy und winkt Mama in die Küche, die Tür geht zu. Und ich hocke davor und muss mich wundern. Ich höre sie reden, Daddy redet viel, Mama wenig. Was reden sie denn da, warum darf ich da nicht dabei sein? Reden sie über mich? Das muss es sein. Ist das jetzt gut oder schlecht? Also, wenn meine Beine zappeln könnten, dann würden sie jetzt zappeln.
Aber da geht die Küchentür schon auf. Daddy grinst und nickt mir zu, in Mamas Gesicht kann ich nicht lesen, sie schiebt mich schnell ins Wohnzimmer. Daddy lässt sich in den Sessel fallen, er grinst immer noch, das ist doch schon mal gut. Mama hebt mich aus dem Max zu sich aufs Sofa, und jetzt sehe ich es, sie lächelt auch. Das ist noch besser … Ja, und jetzt kommt’s! Nämlich eine Riesen-Überraschung! Daddy will mit mir verreisen, zum ersten Mal, übers Wochenende und noch länger!
Nur Mausi und Daddy, und Mama hat’s erlaubt, Mama kommt nicht mit. Das Ferienhaus ist schon gebucht, todschick mit allem Drum und Dran und mitten im Grünen und Swimmingpool natürlich und Tennisplatz und Ponyreiten für Kinder und Restaurant vom Feinsten, da schlagen sich Daddy und Mausi die Bäuche voll, und im entzückenden Ferienhaus Fernseher, Stereoanlage, Computer, alles da, und im Mausi-Zimmer ein entzückendes rosa Himmelbett, und Daddy wird mit einem Drink am Swimmingpool faulenzen und dann den Tennisschläger schwingen, und für Mausi ist gesorgt, Mama muss sich keine Sorgen machen, es wird sich medizinisch geschultes Fachpersonal um Mausi kümmern, alles im Preis inbegriffen, er hat sich extra erkundigt, und braungebrannt und fit und prächtig erholt, wird Mausi pünktlich wieder abgeliefert, und ja, noch was, Daddy und Mama sind sich einig, keine Telefonate, so was fördert nur das Heimweh, völlig unnötig, stimmt doch, Mausi? Freut sich die Mausi? Ist die Überraschung gelungen, Mausi? Mausi nickt … Aber bei der Maja purzeln die Gedanken voll durcheinander.
Doch, da ist schon so was wie Freude dabei, aber die muss erst noch wachsen, das ging jetzt alles so schnell und ist so furchtbar neu.
Daddy freut sich auf jeden Fall, seine Augen hinter der Brille glitzern richtig, und er lacht und klapst mir aufs Knie. Ich lache zurück und nicke und nicke, das geht ganz leicht. Dass ich keine Krankenschwestern brauche, sage ich ihm aber nicht, das kann ich denen ja dann selber sagen. Dass Mama in der Überraschung nicht vorgekommen ist, das kratzt irgendwie … Das sag ich ihm aber auch nicht!
Aber »Danke, Daddy, ich freu mich ganz doll«, das sage ich, und es fängt schon an, ein bisschen zu stimmen.
Daddy ist dann ziemlich schnell verschwunden, vorbereiten, packen und so weiter, und morgen holt er mich ab, pünktlich um die Mittagszeit. Schon morgen!
Mama und ich haben noch lange auf dem Sofa gesessen, ich fass nach ihrer Hand. »Mama, bist du traurig, weil du nicht mitdarfst?« »Ach wo«, sagt Mama, »im Gegenteil, ich freue mich. Dann bin ich dich doch mal ’ne Weile los!«
Wenn Mama und ich so wie jetzt zusammen auf dem Sofa sitzen, dann können wir gut miteinander reden, es ist nämlich das Sei-ehrlich-Sofa. Da darf man nicht schwindeln. Aber heute funktioniert es nicht. Ich hab sie gefragt, ob sie sich Sorgen macht, dass Daddy nicht gut auf mich aufpassen könnte, er ist es ja nicht gewohnt. Sie hat ein bisschen zu schnell den Kopf geschüttelt.
Mich hat sie gefragt, ob ich sicher bin, kein Heimweh zu kriegen, ob mit oder ohne Telefonanruf. Ich hab ein bisschen zu schnell genickt.
Nee, heute wird das nichts mit dem Sei-ehrlich-Sofa, das haben wir beide gemerkt.
Und so haben Mama und ich beschlossen, vermissen dürfen wir uns, aber nicht so, dass es weh tut. Hand aufs Herz und abgemacht! Mama hat mich feste geknuddelt und meine faulen Beine gestreichelt und dabei hab ich gedacht, ob das auch Daddy kann? Ich glaub ja eher nicht …
»Hol meinen Rucksack, Mama!«, hab ich gesagt und bin in den Max gerutscht, »da packst du alles rein, was ich dir sage.«
»Zu Befehl, junge Frau!«, hat Mama gesagt und mich in mein Zimmer geschoben, »weißt du, was ich am meisten vermissen werde? Deinen schaurigen Kommandoton!«
Aber zum Glück hat sie dabei gelacht.
Ich hab ja gedacht, heute Nacht werde ich überhaupt nicht schlafen können. Da ist zu viel im Kopf, was da hin und her wetzt. Ferien mit Papa, wie wird das sein? Geht Ponyreiten überhaupt mit meinen lahmen Beinen? Sind da auch noch andere Kinder? Hoffentlich! Mit Kindern hab ich nie Probleme, die finden meinen superschnellen Max toll, und wenn sie mal selber rollern wollen, dürfen sie das auch. Sie wollen oft. Bloß die Erwachsenen, die gucken oft so mitleidig, oder sie gucken ganz schnell weg. Ob das dem Papa peinlich ist? Hat er deshalb extra von den Krankenschwestern erzählt, die auf mich aufpassen sollen? Im Swimmingpool muss man mich ein bisschen festhalten, Mama kann das, Papa auch?
Trau ich mich, ihm zu sagen, wie er’s machen soll? Stimmt das wirklich mit dem rosa Himmelbett? So was gibt’s doch bloß im Film. Hat Mama auch mein schönstes Blümchenkleid eingepackt? Ich wälze mich hin und her, die Nacht ist viel zu kurz für so viele Gedanken.
Aber dann muss ich doch eingeschlafen sein, heute morgen jedenfalls war der Plüschi-Panda ganz platt.
Aber jetzt! Jetzt geht’s endlich los. Mein Rucksack steht schon an der Tür und ich auch im Max. Mama rennt noch hin und her und hat richtig Kummer-Augen. Ich nicht, ich warte. Und alle Nachtgedanken haben sich zu einem Kitzeln in meinem Bauch verwandelt, und das heißt Freude.
Da hupt’s auch schon, Daddy ist da!
Und jetzt geht alles husch, husch. »Reisefertig, Mausi?«, ruft er und schnappt sich meinen Rucksack. Mama trägt mich die Treppe runter, dann schleppt sie meinen Max. Ich werde auf den Rücksitz gepackt, Max verschwindet im Kofferraum.
Daddy sitzt schon am Steuer, fummelt an Knöpfen und Schaltern herum und flucht leise vor sich hin. Da funktioniert wohl was nicht. Heißt das, wir können jetzt doch nicht fahren? Heißt das, die Daddy-Ferien sind geplatzt? Hab ich mich zu früh gefreut? Aber da dreht sich Daddy zu mir um:
»Das dämliche Navi hat seinen Geist aufgegeben, das kann ich vergessen. Pfeif drauf, ich habe die Wegbeschreibung bestens im Kopf, Mausi! Alles an Bord? Können wir?«
Ja klar, wir können! Aber wo ist die Mama? Krieg ich keinen Abschiedskuss? Da sehe ich sie, sie stopft noch irgendwas in den Kofferraum, aber dann ist sie bei mir und bückt sich durchs Fenster zu mir rein, der Kuss ist ziemlich nass, und ich glaub, ihre Augen auch … Sie flüstert noch schnell:
»Schick mir ’ne Postkarte, Maja, versprochen?« Na klar mache ich das, ich nicke. Daddy hupt, Mama ruft:
»Gute Reise, amüsiert euch, passt auf euch …«
Da fährt Daddy auch schon los, Mama winkt und winkt und wird immer kleiner.
Ob sie auch noch winkt, wenn sie unser Auto längst nicht mehr sehen kann? Ich winke nämlich immer noch hin zur verschwundenen Mama. Krieg ich jetzt etwa schon Heimweh? Also nee, Maja, jetzt wird nicht rückwärts gedacht, sondern vorwärts. Hin zum Ferienhaus! Aber gut wär’s schon, wenn ich hier meinen Panda hätte … Aber der steckt im Rucksack hinten im Kofferraum. Tut er doch, oder? O nein, tut er nicht! Jetzt fällt’s mir wieder ein, der liegt ja noch in meinem Bett, den haben wir vergessen.
Ich muss seufzen, der Seufzer war wohl ziemlich laut.
»Alles okay dahinten?«, fragt Daddy, Blick stur geradeaus. Er muss sich konzentrieren, wir fahren schon in Richtung Autobahn, und dahin wollen viele Autos.
»Alles okay«, sage ich, weil’s auch stimmt. Wenn ich mal auf Mama verzichten kann, dann klappt das auch beim Panda. Hoffentlich …
Daddy am Steuer gibt Gas, wir sind schon auf der Autobahn.
»Jetzt legen wir mal ’nen Zahn zu!«, ruft er und mit einem »Ferienhaus, wir kommen!«-Ruf braust er los, und wie! Überholt alle Autos, die langsamer sind als wir, weil das »gemeingefährliche Schleicher« sind. Hupt Laster weg, die kriegen ein »mach dich vom Acker, du störst« verpasst. Ich hab nicht gewusst, dass Daddy so ein Raser ist und dass es ihm solchen Spaß macht. Mir aber auch! Links und rechts flitzen Wäldchen vorbei, dann Häuser, dann Wiesen, dann wieder Wäldchen, wutsch wutsch und weg.