Feuer - Dunkle Seele - Coreene Callahan - E-Book
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Feuer - Dunkle Seele E-Book

Coreene Callahan

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Beschreibung

Restauratorin Elise Woodward ist jung, hübsch, verdammt gut in ihrem Job – und trotzdem ständig pleite. Gerade als sie glaubt, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne, wird sie in einen brutalen Bandenkrieg zwischen zwei verfeindeten Drachenclans gezogen und von dem ebenso attraktiven wie rüpelhaften Drachenkrieger Cyprus als Geisel festgehalten. Zu ihrer eigenen Sicherheit, wie er behauptet. Zunächst ist Elise ängstlich, dann genervt und schließlich fasziniert von dieser fremden Kultur, von deren Existenz sie keine Ahnung hatte. Und Cyprus' erotische Ausstrahlung trägt ebenfalls einiges dazu bei, dass Elise schließlich gar nicht mehr nach Hause gehen will ...

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DAS BUCH

Restauratorin Elise Woodward ist jung, hübsch, verdammt gut in ihrem Job – und trotzdem ständig pleite. Gerade als sie glaubt, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne, wird sie in einen brutalen Bandenkrieg zwischen zwei verfeindeten Drachenclans gezogen und von dem ebenso attraktiven wie rüpelhaften Drachenkrieger Cyprus als Geisel festgehalten. Zu ihrer eigenen Sicherheit, wie er behauptet. Zunächst ist Elise ängstlich, dann genervt und schließlich fasziniert von dieser fremden Kultur, von deren Existenz sie keine Ahnung hatte. Und Cyprus’ erotische Ausstrahlung trägt ebenfalls einiges dazu bei, dass Elise schließlich gar nicht mehr nach Hause gehen will …

Die FEUER-Serie:

Erster Roman: Tödliches Verlangen

Zweiter Roman: Verborgene Sehnsucht

Dritter Roman: Gefährliche Begierde

Vierter Roman: Verhängnisvolle Liebe

Fünfter Roman: Stürmisches Begehren

Sechster Roman: Flammendes Herz

Siebter Roman: Schatten der Liebe

Achter Roman: Dunkle Seele

DIE AUTORIN

Coreene Callahan arbeitete nach ihrem Psychologiestudium zunächst als Innenarchitektin, bevor sie beschloss, sich ausschließlich ihrer großen Liebe zu widmen: dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie in Kanada.

Weitere Informationen zu Autorin und Werk erhalten Sie unter:

www.coreenecallahan.com

www.twitter.com/HeyneFantasySF

@HeyneFantasySF

COREENE CALLAHAN

Dunkle Seele

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der Originalausgabe

FURY OF SHADOWS

Übersetzt von Katrin Reichardt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 08/2020

Redaktion: Uta Dahnke

Copyright © 2017 by Coreene Callahan

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe

und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-25860-3V001

www.heyne.de

Für alle, die glauben, dass sie es nicht schaffen können – nur Mut.

Ihr könnt es ganz bestimmt schaffen.

1

EDINBURGH,

Schottland

Der Geruch von Blut hing schwer in der Nachtluft, vermischte sich mit den Nebelschwaden, die über den regennassen Straßen waberten. Langsam breitete sich der Gestank in der kopfsteingepflasterten Royal Mile aus. Cyprus, der durch einen Unsichtbarkeitszauber verborgen war, musterte die verlassene Straße von seinem Beobachtungsposten auf einem Dach aus. In den mit Abfall gesäumten Gassen lagen keine Leichen. Nicht ein einziger bewusstloser Mensch war zu sehen. Nicht auch nur die kleinste Blutspur, der er hätte folgen können.

Zumindest noch nicht.

Aber das würde sich ändern. Der üble Gestank war ein untrügliches Anzeichen dafür. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er den Tatort entdecken würde … und aus der Vogelperspektive einen Blick auf das Gemetzel werfen könnte. Schulterzuckend schüttelte er seine Flügel, rutschte ein Stück nach links und spähte über den Dachvorsprung. Seine Nachtsicht aktivierte sich. Seine Augen begannen zu leuchten. Ein blassviolettes Glühen breitete sich aus, überzog alles auf seinem Weg und ermöglichte es ihm, im Dunkeln zu sehen und die finsteren Schatten genau zu durchforschen. Mit maximal geschärften Drachensinnen stimmte er sein Radar feiner ab. Ein Fußgänger bog in die High Street ein. Die dumpfen Schritte hallten durch die Stille. Während Cyprus die Skyline der Stadt weiter im Blick behielt, beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie der ahnungslose Mensch eine kurze Treppe hinauftrabte. Ein Schlüsselbund klirrte, als der Mann die Tür des Hauses aufschloss, das an einer der belebtesten Straßen von ganz Edinburgh lag.

Eine totale Touristenfalle.

Aus der ganzen Welt strömten Besucher hierher, um die Royal Mile entlangzulaufen und die Burg auf dem Felsen zu besichtigen. Ihre Herrlichkeit zu bestaunen. Ein Stück Geschichte zu erleben. Und sich an den blutigen Schlachten zu ergötzen und den mutigen schottischen Kriegern, die sie ausgetragen hatten.

Cyprus blickte nach Süden. Schon hübsch, dieses Edinburgh Castle. Die angeleuchteten dicken Steinmauern erstrahlten wie ein Leuchtfeuer in der Finsternis. Der Anblick beflügelte die Fantasie und bildete einen schönen Hintergrund für eine weitere lange Nacht. Er schüttelte den Kopf, riss sich vom Anblick der Burg los und unterdrückte ein genervtes Knurren. Was für ein verfluchter Schlamassel. Seine Mission hätte eigentlich simpel sein sollen, doch nun war er gezwungen, Geduld zu haben, während der Abtrünnige, den er jagte, in einer betriebsamen Menschenstadt mit ihm Verstecken spielte.

Mit zusammengebissenen Zähnen bewegte er sich weiter zur Seite, um eine Ecke herum. Dabei hielt er den Blick fest nach unten auf den Boden gerichtet. Die Spitzen seiner Krallen schabten über die Mauer. Nichts. Noch immer keine Spur von diesem Mistkerl … oder den Toten.

Vor Verärgerung verspannten sich seine Muskeln. Er kämpfte gegen seine Ungeduld an, ließ die Schultern kreisen. Seine schimmernden schwarz-weißen Schuppen gerieten in Bewegung, trafen aufeinander und verursachten dabei ein leises Klicken. Auch die scharfkantigen Stacheln auf seinem Rücken fielen mit ein und klapperten leise in der Stille. Cyprus verspürte einen Anflug von Unbehagen. Diese ganze Sache sah schwer nach einem abgekarteten Spiel aus. Einer wohldurchdachten Falle, die nur einem einzigen Zweck diente: ihn aus Aberdeen fort und in eine Stadt zu locken, in der er sich nicht gut auskannte und die ihm obendrein nicht besonders gefiel.

»Und so wird der Jäger zum Gejagten.« Sein Atem kondensierte in der eisigen Winterluft, stieg in weißen Ringen von seinen Nüstern auf. »Clever.«

Zumindest wiegte sich der Mistkerl in diesem Glauben.

Doch der Abtrünnige hatte einen entscheidenden Punkt außer Acht gelassen. Cyprus überließ niemals etwas dem Zufall. Stattdessen pflegte er, alles zu planen und seine eigenen Ränke zu schmieden. Das erklärte, weshalb er diesen Abstecher in den Süden unternommen hatte, nicht wahr? Sobald er bemerkt hatte, dass der fremde männliche Drache in sein Revier hineingeflogen war, hatte er beschlossen, genau das zu tun, was sein Feind wollte. Er hatte sich dumm gestellt, sich von dem Unbekannten führen lassen und war dessen Spuren bereitwillig gefolgt. Und wozu das Ganze? Er schmunzelte. Einfach so. Weil er genug davon hatte, dass sich eine ereignislose Nacht an die andere reihte. Weil er schlichtweg Lust auf einen ordentlichen Kampf mit Zähnen und Klauen hatte.

Er kauerte sich wie eine Katze zusammen und machte dann einen Satz auf das Dach des nächsten Gebäudes. Beim Sprung über die schmale Gasse blitzte unter ihm kurz der gähnende Abgrund auf. Sein scharfkantiger Schwanz peitschte durch die Luft. Seine Schuppen klickten. Der Wind frischte auf und rauschte durch die Bäume, die an den verlassenen Gehwegen Wache schoben. Er landete mit einem dumpfen Laut und lief die Dachkante entlang, ganz auf die Straße unter ihm konzentriert. Seine Krallen schabten vernehmlich über die Schindeln des Daches und störten die Stille.

Doch diese Geräusche waren unerheblich. Und sie waren auch nicht weithin hörbar. Dafür sorgte er mit einem gemurmelten Befehl, der den unsichtbaren Schild verstärkte, der seine Anwesenheit vor den Menschen wie auch vor anderen Drachenblütigen verbarg. Er kniff die Augen zusammen und spähte leicht genervt über die Kante zu zwei sich kreuzenden Gassen hinab. Zum gefühlt tausendsten Mal.

»Komm raus. Komm raus, wo immer du bist.« Er zog die Lefzen hoch, entblößte die beiden Reihen zackiger Zähne in seinem Maul. »Ich will spielen.«

Seine Stimme drang zischend zwischen den Fangzähnen hervor. Die Einladung hing schwerelos in der eisigen Luft. Doch die Hoffnung, dass jemand sie annehmen würde, erfüllte sich nicht. Stattdessen herrschte weiterhin Stille. Cyprus krümmte seine Klauen. Verflucht noch mal. Der Mistkerl war schlau. Oder er hatte die Hosen voll. Das eine oder das andere, aber … genau ließ sich das erst feststellen, wenn er den Krieger, der in sein Territorium eingedrungen war, zu Gesicht bekam. Sein dreistes Vorgehen beunruhigte ihn. Alle Drachenblütigen wussten, dass sie sich von Schottland fernzuhalten hatten. Das Land, der Himmel, die Berge und Seen – verdammt, alles, jeder Winkel, jeder einzelne Grashalm – gehörten seinem Clan, und jeder, der die Grenze überschritt, musste mit Konsequenzen rechnen.

Mit sofortigem Tod durch eine Drachenklaue.

Er mochte den Klang dieser Worte. Wollte ihnen nur zu gern Taten folgen lassen. Doch solange der Abtrünnige die Straßen der Stadt als Versteck nutzte, konnte Cyprus ihn nicht aufspüren, ohne dabei beträchtlichen Schaden zu verursachen. Das störte ihn prinzipiell nicht – oder zumindest nicht sehr. Schließlich blühten die Menschen durch Leid erst richtig auf. Aus einem unerfindlichen Grund liebte diese Rasse es, zu zerstören und anschließend wiederaufzubauen, also … ja. Mit nur einem einzigen Feuerball könnte er einen kompletten Häuserblock dem Erdboden gleichmachen, ihn in Schutt und Asche legen, neue Jobs schaffen und die Wirtschaft ankurbeln. Einatmen. Ausatmen. Krach, bumm. Ganz simpel. Keine große Sache, solange er dabei keine Menschen tötete. Höchst befriedigend. Keine Schuldgefühle. Das perfekte Verbrechen.

Cyprus schnaubte bei dem Gedanken daran. Dabei stob brennende Säure aus seinen Nüstern und erhitzte die Luft, während er auf das nächste Dach sprang und …

»Gibt’s irgendwas?«

Die Frage erklang in seinem Kopf. Cyprus nahm sie an und öffnete die mentale Verbindung zu seinem Ersten Offizier. »Bisher nicht.«

Wallaig knurrte ungehalten. »Legt der Wichser es tatsächlich darauf an, dass wir ihm die ganze Nacht hinterherjagen?«

»Sieht ganz danach aus.«

»Herrgott«, fluchte Wallaig leise und unüberhörbar gereizt. »Der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, um die ganze Nacht vom Unterschlupf fort zu sein.«

Die Bemerkung ließ Cyprus mitten im Schritt verharren. Er runzelte die Stirn. »Warum?«

»Rannock macht Haggis zum Frühstück. Ich möchte wieder zu Hause sein, wenn …«

Durch die mentale Verbindung konnten sie ein Würgen hören. »Wie widerlich. Ich hasse Haggis.«

»Schnauze, Levin«, blaffte Wallaig und richtete seinen Zorn statt gegen ihre Jagdbeute nun gegen seinen Clanbruder. »Wag es ja nicht, seine Kochkünste zu beleidigen. Wenn du seine Gefühle verletzt, dann macht er uns in Zukunft keinen …«

»Na, hoffentlich«, sagte Levin. »Dieses Zeug riecht nach Kotze und …«

»… schmeckt noch viel übler«, beendete Kruger murmelnd den Satz seines besten Freundes.

»Ach, denk doch, was du willst, aber …« Wallaig verstummte, ließ die Gewaltandrohung einige Sekunden unausgesprochen in der Luft hängen. »Wenn du mir die beste Mahlzeit seit Wochen versaust, dann sorge ich dafür, dass du beim nächsten Mal durch einen Strohhalm isst.«

»Dafür müsstest du mich erst mal erwischen, alter Mann.«

»Welpe«, entgegnete Wallaig mit so tiefer Stimme, dass es nicht mehr mörderisch, sondern schon satanisch klang. Doch Cyprus durchschaute ihn. Hörte aus jeder einzelnen fiesen Silbe heraus, wie sehr sich der Erste Offizier amüsierte. Auch wenn Wallaig der Clanälteste war, wusste er allzeit einen guten Kampf zu schätzen – mit Worten oder anderweitig. »Ich reiße dir die Krallen aus und nagele damit deinen erbärmlichen Hintern am Boden fest.«

Levin schnaubte.

Cyprus grinste. Diese Drohung war nicht neu. Wallaig gelobte mindestens einmal wöchentlich, einem von ihnen die Krallen zu ziehen. Diese Gewaltandrohungen waren die Art dieses alten Mannes, »Ich liebe dich« zu sagen. Cyprus schüttelte den Kopf und versuchte, das Gezänk seiner Krieger zu ignorieren – und Wallaigs Versprechen, dass er Levin wie eine Kröte ausnehmen und ihm anschließend seine eigenen Eingeweide ins Maul stopfen würde –, und konzentrierte sich stattdessen wieder auf die Suche. Vielleicht drüben bei der Kirche? Der Blutgeruch wurde immer stärker, je näher er der St. Giles Cathedral kam – heiligem Boden, gehalten von Priestern und vergessenen Propheten.

Sein Blick fiel auf die kronenförmige Turmspitze der Kirche. Die High Kirk of Edinburgh war umgeben von goldenem Licht, das sie erstrahlen ließ und das Kopfsteinpflaster der Gassen und den großen Platz vor dem Portal der Kirche sanft beleuchtete. Cyprus sprang knurrend zum nächsten Gebäude, den Blick fest auf die steinernen Mauern der Kathedrale gerichtet. Der beißende Geruch vergossenen Blutes, den der frische Wind zu ihm trug, wurde nun deutlich stärker. Cyprus stieß ein urtümliches, wütendes Fauchen aus. Verfluchte Scheiße. War dieser Mistkerl tatsächlich so verkommen? Hatte er Menschen auf heiligem Boden mit in den Kampf hineingezogen?

Die Frage ging ihm weniger als eine Sekunde im Kopf herum, bevor …

Schockiert erstarrte er an der Stelle, an der er gelandet war.

Cyprus hielt den Blick wie gebannt auf den Vorplatz gerichtet und schnappte entsetzt nach Luft. Eine Sekunde verstrich, dann eine weitere, ehe er das volle Ausmaß des Gemetzels begriff. Mochte die Göttin ihm beistehen. Überall lagen tote Menschen. Enthauptet und mit abgetrennten Gliedmaßen. Eine Spur aus Körperteilen erstreckte sich vom Fuß der Statue in der Mitte des großen Platzes bis zur Treppe, die in die Kirche führte. Wie eine abartige Fährte. Oder der Anfang eines menschlichen Puzzles mit viel zu vielen Teilen. Er wollte eigentlich nicht nachzählen, aber … Verdammt. Diesem blutigen Massaker mussten mindestens fünf – vielleicht sogar sechs – Menschen zum Opfer gefallen sein.

»Heilige Muttergottes«, flüsterte er. »Was für ein Dreckskerl.«

Wallaig verstummte mitten in einer Beleidigung. »Cyprus?«

»Was ist los?«, fragte Kruger und war mit einem Schlag so hoch konzentriert, dass Cyprus es selbst aus drei Meilen Entfernung noch spüren konnte. »Was siehst du?«

»Tote Menschen … überall«, erwiderte er, seine Stimme nur noch ein heiseres Krächzen. »Oder zumindest das, was noch von ihnen übrig ist.«

»Was, zum Teufel, soll das bedeuten?«, knurrte Levin.

Cyprus hörte in seinem Kopf Schuppen klicken.

»Wir sind unterwegs.«

»Nein, Wallaig. Bleibt, wo ihr seid.«

Der Erste Offizier fluchte.

Cyprus knurrte warnend und schwang sich, den Blick fest auf die menschlichen Opfer geheftet, über die Dachkante. Eiskalte Luft rauschte zwischen seinen Hörnern hindurch. Knapp zwei Meter über dem Boden verwandelte er sich vom Drachen in einen Menschen. Noch im Fallen ließ er seine Kleidung erscheinen. Jeans, T-Shirt und seine Lieblingslederjacke hüllten ihn warm ein, als seine Füße, die in Stiefeln steckten, auf Stein landeten. Er erhob sich aus der Hocke, blickte sich in beide Richtungen um, suchte die Straße nach Menschen ab. Im Augenblick war niemand zu sehen. Das ließ nur einen Schluss zu: Bislang hatte noch niemand das Blutbad bemerkt. Was bedeutete, dass er handeln musste … und zwar sofort. Bevor doch noch jemand vorbeikam, die Polizei alarmierte und ihn dadurch zwang, von hier zu verschwinden.

»Bleibt auf euren Posten, aber haltet euch zum Einsatz bereit.« Er wollte den Feind nicht verschrecken. Sobald sich seine Krieger in die Lüfte erhoben, würde der Abtrünnige die Energie seiner Clanbrüder spüren und die Flucht antreten. Das taten Feiglinge immer, wenn sie es mit einem überlegenen Gegner zu tun bekamen, also … Nein. Es war besser, sich bedeckt zu halten, bis er den Abtrünnigen in die Klauen bekam. Cyprus verließ den Gehsteig und überquerte die Straße. »Ich sehe mir das mal genauer an.«

»Herrgott noch mal«, grollte Wallaig, dem dieser Plan offensichtlich nicht gefiel. Oder die Tatsache, dass er außerhalb der Drei-Meilen-Zone warten musste – weit genug entfernt, um nicht vom Feind entdeckt zu werden, und zugleich zu weit fort, um eingreifen zu können, falls etwas passierte und es plötzlich schwerwiegende Probleme gab. »Junge, pass bloß auf dich auf.«

»Ist der Abtrünnige weg?«, fragte Kruger und ließ die Knöchel knacken, sodass man es durch die mentale Verbindung hören konnte.

Cyprus schüttelte den Kopf, obwohl ihn die anderen natürlich nicht sehen konnten. »Er ist noch da … irgendwo. Ich rieche ihn. Möglicherweise hält er sich in der Kirche auf.«

Eigentlich war er sich dessen sogar sicher.

Er konnte den Scheißkerl jetzt wittern. Ganz eindeutig. Es gab keinen Grund, in dieser Hinsicht an seiner Drachenhälfte zu zweifeln. Mit jedem seiner Schritte wurde die Geruchsspur stärker. Während er den Vorplatz überquerte, die Statue eines längst verstorbenen Dukes passierte – und dabei über amputierte Arme und Beine stieg, abgetrennten Köpfen mit ausgefranstem Halsstumpf und verstümmelten menschlichen Rümpfen auswich, mit den Stiefeln durch Pfützen aus menschlichem Blut lief –, wurde ihm schlagartig die Sinnlosigkeit dieses Massakers klar. Unbändiger Zorn packte ihn, brannte ein Loch in sein Herz und weckte in ihm das mörderische Verlangen, jeden, der ihm in die Quere kam, zu vernichten.

Seine Drachenhälfte schäumte vor Wut, wollte aus ihrem Käfig heraus.

Cyprus kam diesem Wunsch nach und ließ in dem Moment, in dem er die Treppenstufen zur St. Giles Cathedral erreichte, den Killer in seinem Inneren von der Leine. Er spurtete die Treppe hinauf, nahm immer drei Stufen auf einmal. Wie konnte dieser Bastard es wagen, auf Cyprus’ Territorium unschuldige Menschen zu töten? Er selbst mochte die menschliche Rasse zwar auch nicht besonders, doch trotzdem standen die Menschen, die innerhalb seiner Grenzen lebten, unter seinem Schutz … auch wenn sie es nicht wussten. Darum war es nun an ihm, für Vergeltung zu sorgen. Der Tod dieser Menschen musste gerächt und damit ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Niemand durfte in sein Gebiet eindringen. Der Abtrünnige hatte gerade sein eigenes Todesurteil unterzeichnet. Jetzt musste er diesen Kerl nur noch aufspüren und die Hinrichtung vollstrecken.

2

Elise Woodward marschierte mit stürmischem Schritt den Gehweg entlang. Dabei geriet sie auf dem unebenen Pflaster vor dem fünfstöckigen Mietshaus ins Rutschen. Sobald sie sich wieder gefangen hatte, packte sie den Türgriff und riss die Tür auf. Die uralten Angeln quietschten bedenklich, und die Bleiverglasung klirrte in ihrem schartigen hölzernen Rahmen. Elise ignorierte das Geräusch, packte ihre Umhängetasche und durchquerte im Laufschritt den Eingangsbereich. Den Aufzug, an dessen Türen ein fleckiges Schild mit der Aufschrift »Außer Betrieb« klebte, würdigte sie keines Blickes, sondern rannte daran vorbei, direkt auf die Treppe zu. Ihre Schuhsohlen klackerten auf den gesprungenen Bodenfliesen. Die Geräusche ihrer Schritte wurden von der niedrigen Decke zurückgeworfen und hallten in dem kleinen Raum wider. Ihr Herz passte sich dem Rhythmus an, hämmerte wild in ihrer Brust, während sie immer zwei Stufen auf einmal nahm.

Schwer atmend bog sie um die Ecke zum nächsten Treppenabsatz, dem fünften Stock entgegen. Dabei schlug sie mit der Hand gegen das Geländer. Fast da. Noch dreißig Sekunden, dann wäre sie zu Hause. Stünde mit dem Schlüssel in der Hand vor ihrer Wohnungstür. Von da an blieben ihr noch … Elise warf einen Blick auf die Uhr und verzog missmutig das Gesicht. Mist. Weniger als fünf Minuten, um sich umzuziehen, sich ihre Sachen zu schnappen und wieder hinaus in die Nacht zu hetzen.

Andernfalls würde sie zu spät kommen.

Zu ihrem allerersten Kundengespräch.

Dass es sich bei ihrem potenziellen Auftraggeber zufällig um einen Priester handelte, spielte keine Rolle. Egal, wie gottesfürchtig oder nachtragend er auch sein mochte, zu spät blieb zu spät.

Der abgewetzte Teppich wellte sich unter ihren Füßen, als sie vor der Wohnungstür stehen blieb. Unter der erbsengrünen abblätternden Farbe kamen mehrere weitere unterschiedliche Farbschichten zum Vorschein, wie bei einem dieser bunten, kugelförmigen Lutscher, wenn man sie aufbrach.

Elise kramte den Schlüssel aus ihrer Tasche hervor und holte tief Luft. Beim Ausatmen steckte sie den Schlüssel ins Schloss. Der metallene Bart des Schlüssels hakte, wollte sich nicht vorwärtsschieben lassen. Kopfschüttelnd kämpfte Elise mit dem Schloss. Oh ja. Ihr Zuhause war wirklich entzückend. So heruntergekommen, dass selbst die Farbe aufbegehrte und sich von der Tür pellte, sodass ein Teil der Zahl Siebzehn, die in der Mitte des Türblatts angeschraubt war, verdeckt wurde.

Elise drehte den Schlüssel mit Nachdruck im Schloss, drückte den Türgriff herunter und …

»Es wird auch höchste Zeit, dass du nach Hause kommst.« Wie ein Pfeil zischte ihr die Stimme mit dem starken frankokanadischen Akzent entgegen. Sie kam aus der Küche, die sich in der hinteren Ecke der Wohnung befand. Elise spähte hinüber. Amantha, ihres Zeichens Konditorin in einer beliebten Bäckerei in der Innenstadt, stand an dem Hackklotz, der als Kücheninsel fungierte, und wirkte mit ihren eins zweiundfünfzig Körpergröße wie eine Backfee. Elises beste Freundin – und Mitbewohnerin – trug eine rote Schürze mit pinkfarbener Paspelierung und der aussagekräftigen Aufschrift: »Du willst mir helfen? DANN VERSCHWINDE AUS MEINER KÜCHE!«

Elise las die Warnung, während sie die Tür zuzog, und sah Amantha dabei fragend an. »Läuft es nicht gut?«

»Dämliches Soufflé. Als ich es aus dem Ofen geholt habe, ist es zusammengefallen«, beklagte sich ihre Freundin verärgert und funkelte verdrossen die Backform an, die neben ihr auf einem Abkühlgitter stand.

Elises Lippen zuckten.

Amantha kniff die Augen zusammen. »Lach, und du stirbst.«

Elise hob kapitulierend die Hände.

Ihre Freundin sah sie fest aus ihren dunkelbraunen Augen an und stellte geräuschvoll eine türkisfarbene Rührschüssel auf die Arbeitsfläche. Dann zückte sie einen pinkfarbenen Schneebesen und wies mit ihm auf die Uhr, die im Wohnzimmer zwischen zwei Fensterbögen hing. »Du bist spät dran, El. Du schaffst es niemals rechtzeitig zu deinem Termin, wenn …«

»Ich weiß, ich weiß.« Sie nahm die Tasche von der Schulter und warf sie schwungvoll auf das Zweiersofa. Die Ledertasche landete auf den abgewetzten purpurnen Polstern, während Elise bereits den Bistrotisch umrundete und zu dem kurzen Korridor rechts neben der Küche joggte. Sie kämpfte mit den Knöpfen ihres Mantels, rauschte an dem schmalen Kühlschrank vorbei, bog in ihr Schlafzimmer ab und kickte sich die Schuhe von den Füßen. »Ich wurde bei der Arbeit aufgehalten.«

»Von einem Buch?« Amantha, die jetzt einen knallgrünen Tortenheber in der Hand hielt, war ihr gefolgt und erschien nun in der offen stehenden Tür. »Oder sitzt dir mal wieder Attila die Nonne im Nacken?«

Fast hätte Elise laut gelacht. Attila die Nonne? Ernsthaft? Dr. Scott war die Chefin ihrer Abteilung im National Museum of Scotland, wo sie für die Konservierung und Restaurierung seltener Bücher und Dokumente zuständig war. Ihre Vorgesetzte war zwar sehr penibel – fast schon zwanghaft –, aber davon abgesehen eigentlich ganz in Ordnung. Obwohl … Elise runzelte nachdenklich die Stirn … Mit Nonne lag Amantha womöglich gar nicht so weit daneben. In den sechs Monaten, die Elise nun schon in dem Museum arbeitete, war ihre Chefin nicht ein Mal ausgegangen. Kein einziges Date. Himmel, diese Frau verbrachte so viel Zeit im Restaurierungslabor, dass sich Elise nicht sicher war, ob sie überhaupt jemals nach Hause ging.

Oder außerhalb der Bibliothek mit den seltenen Büchern auch nur ein Haus oder eine Wohnung hatte.

»Heute wurden Objekte für eine neue Ausstellung geliefert«, erklärte Elise und warf ein Tanktop auf das Doppelbett, das in ihrem kleinen Zimmer an der hinteren Wand stand. »Ich habe alle Kisten ausgepackt, um mich zu vergewissern, dass auf dem Transportweg nichts beschädigt worden ist.«

»Also, du hast noch …« Amantha zog das Handy aus der Schürzentasche. Die Hülle, in der es steckte, war mit wild durcheinanderwirbelnden gestreiften Pfefferminzbonbons bedruckt. Sie warf einen Blick auf das Display. »… drei Minuten, um dich umzuziehen und wieder aufzubrechen. Wenn du nicht, wie versprochen, bis zehn dort bist, schließt Father Matthew womöglich ab.«

Elise, die inzwischen nur noch Unterwäsche trug, schlüpfte in ihre Designerjeans. Obwohl die Hose im Sonderangebot gewesen war, hatte sie immer noch zu viel Geld dafür ausgegeben, aber … na ja … was soll’s. Sie hatte einfach nicht daran vorbeigehen können. Lächelnd zog Elise den Reißverschluss zu. Sie saß so schmeichelhaft. Und war superbequem. Dunkelblau. Perfekt für jede Gelegenheit. Genau richtig für ein entspanntes Treffen mit einem neuen Auftraggeber.

Himmel, sie hoffte, dass alles gut gehen würde.

Sie wollte diesen Job. Das zusätzliche Einkommen wäre natürlich auch erfreulich, aber Father Matthews Okay zu bekommen – und damit die Möglichkeit, an die Sammlung uralter Bücher in der Bibliothek von St. Giles heranzugelangen – war noch viel bedeutsamer als Geld. Sie brauchte diese Referenz für ihren Lebenslauf. Ein Empfehlungsschreiben dieses Priesters würde ihr helfen, den einzigen Vollzeitjob in der Buchrestaurierungsabteilung des Museums zu bekommen. Derzeit war sie eine von insgesamt vier Praktikanten, die sich um die Stelle bewarben. Dank ihres abgeschlossenen Studiums der Museumswissenschaften – mit Schwerpunkt Buchrestauration – hatte sie durchaus eine Chance. Aber mit weniger als einem Jahr Berufserfahrung? Sie dehnte die Hände. Mit weniger Zeit im Job hatte man geringere Aussichten auf eine Einstellung. Elise seufzte. Manchmal war die Welt einfach mies.

Genau wie die drohende Aussicht, wieder nach Hause zurückzumüssen.

Bei dem Gedanken daran wurde Elise blass.

Nicht dass sie etwas gegen Ottawa hatte. Es war eine schöne Stadt. Sie war dort aufgewachsen, aber … nein, danke. Die Vorstellung, mit eingekniffenem Schwanz nach Hause zurückzukehren – als lebendiger Beweis dafür, dass ihr Vater doch recht gehabt hatte – wurmte sie gewaltig. Sie war jetzt unabhängig und alleine viel besser dran. Sie hatte viel zu hart und viel zu lange darum gekämpft, sich von ihrem überkritischen Vater zu befreien. Sie würde ihren Traum, eines Tages die leitende Buchrestauratorin des National Museum of Scotland zu werden, niemals aufgeben.

Nicht für ihren Vater. Und schon gar nicht für Gus Whittaker … diesen überheblichen Volltrottel.

Mit finsterer Miene griff Elise nach ihrem Lieblingspullover mit dem V-Ausschnitt. Die magentafarbene Kaschmirwolle blieb beim Über-den-Kopf-Ziehen kurz an Elises tief sitzendem Haarknoten hängen. Gus. Sie rümpfte die Nase. Was war das überhaupt für ein Name? Ein erbärmlicher Name. Nervig. Ohne eine Spur von Rechtschaffenheit – genau wie der Mann, der ihn trug. Oh Gott. Immer, wenn sie an diesen arroganten Mistkerl dachte, hätte sie sich am liebsten eine mittelalterliche Streitaxt aus der Ausstellung geschnappt.

Gus ging tatsächlich davon aus, dass er den Job praktisch schon in der Tasche hatte. Er war sich so sicher, dass der Museumsdirektor ihn für die Position auswählen würde, dass er nie Überstunden machte oder anderen Praktikanten half. Elise wollte ihn zwar sowieso nicht in ihrer Nähe haben, aber trotzdem …

Elise richtete die Ärmel des Pullovers und zog die Bündchen zurecht. Gus ging ihr mit seiner Überheblichkeit dermaßen auf die Nerven. Dieser rattengesichtige Idiot brauchte dringend einen Dämpfer für sein Ego und einen Tritt in den Hintern … allerdings nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Bevor sie sich einen Schal um den Hals wickelte, blickte Elise noch kurz zur Decke auf und beschwor den Gott der Vergeltung, den rattengesichtigen Whittaker heimzusuchen und ihm zu verpassen, was er verdiente. »Ich hoffe, du hörst mir zu.«

Amantha verdrehte die Augen. »Sind wir etwa abergläubisch?«

»Nur ein bisschen«, erwiderte Elise schulterzuckend. »Um etwas zu bitten schadet ja nicht.«

»Dann mach das, aber setz dich dabei bitte in Bewegung.« Amantha deutete mit der Kante ihres iPhones auf sie. »Los.«

»Jep.« Elise stieg in ihre Stiefel, schlüpfte in den Mantel und schob sich, während sie noch den Mantelkragen zurechtzupfte, an ihrer Freundin vorbei zur Tür. »Ich rufe dich an, wenn ich fertig bin.«

»Gut und … oh, Mist. Fast hätte ich es vergessen. Warte noch kurz.«

Elise schaute auf halbem Weg durchs Wohnzimmer über die Schulter zurück. »Was denn?«

Amantha holte eine braune Papiertüte vom Kühlschrank und warf sie ihr zu. »Für Father Matthew.«

Elise fing die Tüte und zerknautschte sie dabei ein wenig. »Muffins?«

»Cranberry-Aprikose. Frisch aus dem Ofen.« Amanthas dunkle Augen funkelten, als sie Elise zuzwinkerte. »Seine Lieblingssorte.«

Elise empfand plötzlich tiefe Dankbarkeit. Ihre beste Freundin war wirklich toll. Amantha wusste ganz genau, wie wichtig es für sie war, einen guten Eindruck bei Father Matthew zu machen. Elise lächelte ihrer Freundin zu. »Du bist einfach eine Wucht.«

»Du sagst es«, erwiderte Amantha und grinste übers ganze Gesicht. »Aber jetzt nichts wie los und … viel Glück!«

»Ich brauche kein Glück. Schließlich bin ich mit Muffins bewaffnet. Er hat keine Chance.«