Feuer - Schatten der Liebe - Coreene Callahan - E-Book
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Feuer - Schatten der Liebe E-Book

Coreene Callahan

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Beschreibung

Hackerin Ivy Macpherson ist verzweifelt. Das FBI verdächtigt sie der Cyberspionage, und sie hat keine Möglichkeit ihre Unschuld zu beweisen. Auf der Flucht vor den Behörden gerät Ivy an Tydrin – einen geheimnisvollen Mann mit einer gefährlich erotischen Ausstrahlung. Nicht ahnend, dass Tydrin ein jahrhundertealter Drachenkrieger ist, nimmt Ivy seine Hilfe an und gerät dabei in ein kompliziertes Geflecht aus Macht, Leidenschaft und Magie ...

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Seitenzahl: 198

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DAS BUCH

Der mächtige Drachenkrieger Tydrin lebt mit seinem Clan versteckt in den schottischen Cairngorms. Seit zwanzig Jahren verlässt er jeden Winter an einem bestimmten Tag seine Höhle, um zu einem Friedhof in Aberdeen zu fliegen, und dort die Grabstätte eines menschlichen Paares zu besuchen, dessen Tod er verursacht hat. Bei einem seiner Besuche dort begegnet er der jungen Hackerin Ivy Macpherson aus den USA, die auf der Flucht vor dem FBI ist. Ihr ehemaliger Boss Adam Worth hat Computerspionage begangen und Ivy bei den Behörden angeschwärzt. Tydrin ist sofort von der jungen Frau fasziniert. Als auf dem Friedhof plötzlich Beamte auftauchen, um Ivy festzunehmen, zögert er nicht lange, rettet Ivy vor deren Zugriff und bringt sie in ein weiteres Geheimversteck seines Clans. Dort entwickelt sich eine leidenschaftliche Beziehung zwischen den beiden, die jedoch nicht ahnen, dass sie ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit miteinander verbindet …

DIEFEUER-SERIE:

Erster Roman: Tödliches Verlangen

Zweiter Roman: Verborgene Sehnsucht

Dritter Roman: Gefährliche Begierde

Vierter Roman: Verhängnisvolle Liebe

Fünfter Roman: Stürmisches Begehren

Sechster Roman: Flammendes Herz

Siebter Roman: Schatten der Liebe

DIE AUTORIN

Coreene Callahan arbeitete nach ihrem Psychologiestudium zunächst als Innenarchitektin, bevor sie beschloss, sich ausschließlich ihrer großen Liebe zu widmen: dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie in Kanada.

Weitere Informationen zu Autorin und Werk erhalten Sie unter:

www.coreenecallahan.com

www.twitter.com/HeyneFantasySF

@HeyneFantasySF

COREENE CALLAHAN

Schatten der Liebe

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

FURY OF A HIGHLAND DRAGON

Deutsche Übersetzung von Katrin Reichardt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 04/2020

Redaktion: Uta Dahnke

Copyright © 2015 by Coreene Callahan

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design

unter Verwendung von shutterstock/Halay Alex

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-25014-0V001

www.heyne.de

Für Großvater.

Danke für die vielen Geschichten.

Du hast die Leidenschaft für Schottland in mir geweckt.

Schon damals habe ich es geliebt,

und ich liebe es auch heute noch.

1

CAIRNGORMS,

Schottische Highlands

Tydrin stand hoch oben auf der Klippe, die er am liebsten mochte, und beugte sich vor, um über den Rand zu spähen. Die Strahlen des Mondlichts fielen auf verwitterte Felswände, hüllten blanken Stein in sanftes Licht, stahlen sich tief in schmale Spalten, strebten dem Herzen des Berges entgegen. Er kniff seine lichtempfindlichen Augen zusammen, um sie vor dem grellen Leuchten zu schützen, und starrte in die Tiefe hinab, die die meisten als Weg in den sicheren Tod erachteten. Senkrecht abfallend. Eine Kaskade aus Eis und Schnee. Über tausend Fuß nichts als Felsen, die ihre schartigen Zähne fletschten.

Nett.

Schön.

Ein ordentlicher Sturz ins Chaos.

Das angemessene Ende für jemanden, jedoch nicht für ihn selbst. Zu springen würde keine Erlösung bringen und schon gar nicht ungeschehen machen, was er getan hatte. Die Vergangenheit nicht auslöschen.

Selbstvorwürfe ballten sich in seiner Brust zu einem Knoten zusammen, grausam und scharf, und Schmerz, dieses Ziehen der Fäden in seinem Innern, durchdrang ihn. Nicht sonderlich überraschend. Die Jahreszeit war der Auslöser dafür. Schon wieder. Wie immer. So unausweichlich wie der Wechsel der Gezeiten veränderten sich auch die Jahreszeiten, wurden die Nordwinde zu den arktischen Stürmen aufgepeitscht, die ihm nun die Haare ins Gesicht bliesen. Tydrin schüttelte den Kopf und strich sich die dunklen Strähnen aus den Augen. Am liebsten hätte er alles verdrängt. Der siebte Januar. Er verabscheute dieses Datum. Hasste seine jährliche Wiederkehr. Verzweifelte schier daran, dass die Monate stets so rasch vergingen und ihn unaufhaltsam dem Winter und der Abrechnung entgegenzerrten.

Buße. Erzwungene Wiedergutmachung. Schuldgefühle, die niemals abnahmen, ihn nie zur Ruhe kommen ließen.

Tydrin blickte zu den aufziehenden wirbelnden Sturmwolken empor und schob die Hände in die Vordertaschen seiner Lieblingsjeans. Den großen, gähnenden Eingang einer Höhle im Rücken, stellte er sich an seinen üblichen Platz, die nackten Füße bequem in ausgetretenen Vertiefungen platziert, die Schulter an die Felswand gelehnt. Eis drückte gegen seinen Arm. Die Kälte weckte seine Drachenhälfte, schärfte seine Sinne, während er ins Leere hinausstarrte. Ins Nichts. In das wirbelnde Schneetreiben der Mitternacht und die Schönheit des Schlupfwinkels in den Bergen, den er mit den anderen Mitgliedern seines Clans teilte.

Drachenblütige, verborgen in der Wildnis der schottischen Highlands. Direkt vor der Nase der menschlichen Gesellschaft. Inmitten einer Berggruppe, die zwar ein beliebtes Touristenziel war, in der es aber auch unwirtliche Gebiete gab, in die sich kaum jemand verirrte. Tydrins Mundwinkel hoben sich. Cairngorm, wie eine wunderschöne Bestie, eingebettet in zerklüftetes Gelände mit Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts.

Ein großartiges Zuhause. Das perfekte Versteck für Seinesgleichen.

Geschwärzt von der Zeit, schneebedeckt und verklüftet vom rauen Klima, erhoben sich die einzelnen Gipfel und gingen in Täler über, fielen zu nackten Felswänden ab, nur um wieder dem Himmel entgegenzustreben, als wollten sie die Hand Gottes berühren. Er schnaubte verächtlich. Gott. Von wegen. Was für ein Schwachsinn. Glaube. Hoffnung. Das Bedürfnis, an eine übernatürliche Macht zu glauben, die von oben auf ihn herabblickte und die ganze Welt – und alles in ihr – in seiner Hand hielt. Abgrundtiefer Ekel hinterließ einen üblen Geschmack in seinem Mund. So lächerlich. Mehr als dämlich. Das Dogma hatte den Beigeschmack von Dummheit – von archaischen Glaubensvorstellungen innerhalb uralter Parameter, die längst ihre Macht verloren hatten.

Eine Schande, in vielerlei Hinsicht.

In diesem Moment hätte er allerdings durchaus ein bisschen Glauben gebrauchen können. Einen Hauch dessen, was die Menschen so hochachteten.

Doch obwohl er es versuchte und spürte, wie sich Hoffnung in ihm regte, kam nichts. Keine explosionsartige Erleuchtung. Und auch kein bisschen Vergebung. Gram drückte sein Herz zusammen. Tydrin knirschte mit den Zähnen. Das harsche Geräusch hallte in seinem Kopf wider, durchbrach die Stille, vergrößerte seinen Kummer, legte ihm seine Schuld zu Füßen. Warum konnte Lucifer ihn nicht niederstrecken, damit er es hinter sich hatte? Würde es niemals aufhören? Würde er jemals in der Lage sein, damit abzuschließen? Er wollte es. Sehnte sich danach zu lernen, wie man das anstellte, wie man die Geschichte dort zurückließ, wo sie hingehörte, begraben in der Vergangenheit, aber …

»Du bist immer noch hier?« Die tiefe Stimme drang aus dem hinteren Teil der Höhle zu ihm.

Tydrin spannte sich an. Oh Mann. Typisch sein Pech. Mit der Einsamkeit war es damit wohl vorbei. Seufzend sah er sich über die Schulter um. Augen in blassem Violett erwiderten seinen Blick. Tydrin unterdrückte ein Knurren und betrachtete den Mistkerl, der den Mumm hatte, sich von hinten an ihn anzuschleichen. »Ja.«

»Ich dachte, du wärest längst fort.«

Die Bemerkung bewirkte, dass sich ihm das Herz zusammenzog. Er hätte wirklich längst fort sein sollen. Hätte Drachengestalt annehmen und sich in die Luft erheben sollen, um den alljährlichen Ausflug zum Menschenfriedhof zu unternehmen. Dass er noch immer hier auf der Klippe herumstand, sagte mehr als jede Erklärung, die er hätte vorbringen können. Doch Furcht und die Aussicht, Buße tun zu müssen, konnten einen Mann ausbremsen. »Du hast falsch gedacht.«

Cyprus, der Befehlshaber des schottischen Clans, hob eine Augenbraue. »Du bist mit den Gedanken ganz woanders, was?«

Er zuckte nur mit den Schultern, nicht gewillt, weiter Öl in die Flammen zu gießen. Sein älterer Bruder brauchte nicht noch mehr über die Schuld zu hören, die ihn plagte, und er hatte ohnehin keine Lust, darüber zu reden. Darum vollführte er, statt zu antworten, einen Kurswechsel, lenkte die Unterhaltung auf das einzige Thema, von dem er wusste, dass es das Interesse seines Bruders von ihm ablenken würde. »Hast du etwas von Vyroth gehört?«

Cyprus’ Augen schimmerten in der Dunkelheit, als er sich aus den Schatten löste und ins Freie hinaustrat. Das Mondlicht fiel auf sein Gesicht, beleuchtete seine aristokratischen Züge. Trügerisch, in vielerlei Hinsicht. Klar, sein Bruder sah königlich aus – und spielte diese Rolle auch hin und wieder –, doch jeder, der diesen Mann kannte, wusste, wie er wirklich war. Cyprus mochte beherrscht wirken, doch er war auch auf die herrlichste Art und Weise tödlich, wurde, wenn es die Situation rechtfertigte, zum eiskalten Killer – genau wie die anderen Mitglieder des Clans.

Mit einem harten Glanz in den Augen blieb Cyprus neben ihm stehen. »Kein Wort bisher. Der kleine Scheißer. Toller Zeitpunkt, um einfach so zu verschwinden.«

Tydrins Lippen zuckten amüsiert in Anbetracht der Beschimpfung. Vor allem, weil die Bezeichnung klein so überhaupt nicht zu Vyroth passte. »Bist du versucht, ihn, wenn er wieder nach Hause kommt, deswegen zur Rede zu stellen?«

Cyprus schnaubte. »Ich hätte nichts gegen einen Kampf einzuwenden, und mein Zwillingsbruder enttäuscht in dieser Hinsicht nie.«

Das war allerdings wahr. Sehr wahr sogar, denn, nun ja … Wenn Cyprus die Bösartigkeit verkörperte, dann tat Vyroth das gleich hoch drei und dazu noch mit zehn multipliziert. Ja, die beiden mochten dem Aussehen nach identisch sein, doch obwohl sie sich vor der Geburt eine Gebärmutter geteilt hatten, waren sie dennoch nicht gleich. Die Zwillinge hatten grundverschiedene Persönlichkeiten: einer war die Nacht, der andere der Tag. Dank seiner Standhaftigkeit und Ausgeglichenheit war Cyprus eine glänzende Führungspersönlichkeit, die jedem einzelnen Mitglied des Clans genau die Stabilität und Orientierungshilfe bot, die es brauchte. Und Vyroth? Tydrin hätte fast verächtlich geschnaubt. Herrje, der Mann war ein Musterbeispiel an Unberechenbarkeit. Dazu kam noch ein ordentlicher Schuss Unzuverlässigkeit, gemischt mit einer miesen Gesinnung und … ganz genau. Da gab es nichts schönzureden. Vyroth machte, was er wollte, immer schon – und der Rest der Welt konnte ihm gestohlen bleiben.

Was eine gute Erklärung für seine Abwesenheit in den vergangenen Wochen abgab, oder?

Vyroth scherte sich nicht ums Protokoll und verschwand stets sang- und klanglos. Ohne Bescheid zu geben. Ohne Verabschiedung. Hinterließ nichts als Stille und ein leeres Zimmer. Cyprus und er erwarteten es schon gar nicht mehr anders. Sie konnten die Ruhelosigkeit des Mannes verstehen, sein Verlangen loszuziehen, die Welt zu erkunden, eins zu sein mit seiner Drachenhälfte. Doch der aktuelle Trip, zu dem Vyroth aufgebrochen war, beunruhigte Tydrin. So lange fortzubleiben war untypisch für seinen Bruder. Einige Tage – höchstens eine Woche? Kein Thema. Aber einen Monat, ohne auch nur ein einziges Wort? Er runzelte nachdenklich die Stirn. Nein. Eine derart unverhohlene Missachtung passte nicht zu Vyroths üblichem Modus Operandi.

»Irgendwelche Anhaltspunkte?«

»Vyroth ist noch immer zu weit weg von hier, ich kann ihn derzeit nicht finden, aber …« Sein Bruder ließ die Schultern kreisen, um die verspannten Muskeln zu lockern. »Ich kann ihn spüren. Er ist noch am Leben.«

»Gut.« Tydrin atmete erleichtert auf. Die Behauptung seines Bruders war einleuchtend. Die Zwillinge standen sich näher als andere Geschwister und verfügten über ein besonderes Band. Diese kosmische Verknüpfung, gepaart mit der identischen DNA, ermöglichte es Cyprus, sich über große Distanz mit der Lebensenergie seines Bruders zu verbinden. Eine praktische Fähigkeit. Eigentlich sogar die denkbar beste, wenn man bedachte, wie oft Vyroth spurlos verschwand. »Gib mir Bescheid, falls er Kontakt aufnehmen sollte.«

Cyprus nickte. Dabei bildete sich zwischen seinen Augenbrauen eine tiefe Falte.

»Bis später.« Jetzt hieß es abheben. Er konnte es nicht mehr länger aufschieben. »Erwarte mich nicht vor dem Morgengrauen zurück.«

Tydrin stieß sich von der Wand ab und trat näher an den Rand der Klippe. Er spürte den kalten Stein unter seinen Fußsohlen. Er achtete nicht auf die frostige Kälte. Die Körpertemperatur rangierte bei ihm als Feuerdrachen ohnehin immer jenseits von heiß. Was bedeutete, dass er meistens mit nacktem Oberkörper herumlief. Auch diese Nacht bildete in der Hinsicht keine Ausnahme. Seine nackte Haut dampfte, als er die straffen Muskeln anspannte und sich bereit machte zu starten. Es wurde Zeit, Drachengestalt anzunehmen und sich in die Lüfte zu erheben. Sich vor dem zu drücken, was getan werden musste, brachte nichts. Das wusste er aus Erfahrung. Ein ums andere Mal hatte er versucht, auf diesen jährlichen Ausflug zu verzichten.

Vergebens.

Seine Selbstvorwürfe ließen nicht zu, dass er alles einfach ignorierte. Man konnte es einen Impuls nennen. Man konnte es einen Zwang nennen. Man konnte es seinem Pflicht- und Ehrgefühl zuschreiben. Der exakte Grund war unerheblich. Er musste den Opfern seine Ehrerbietung erweisen. Diese kleine Respektsbekundung war eine hervorragende Mahnung, erinnerte ihn an seinen Kontrollverlust, sein Verbrechen und an die Auswirkungen von Jähzorn.

»Hey, Tydrin?«

Als er den besorgten Tonfall seines Bruders hörte, verkrampfte sich Tydrin. Er ballte die Hände zu Fäusten und wartete darauf, dass Cyprus weitersprach. Er wusste, was jetzt kommen würde. Der alte Streit, in jedem Jahr neu. Denn egal, wie oft er es Cyprus auch erklärte – der verstand es einfach nicht. Stattdessen lieferten sie sich eine Runde nach der anderen in der ewig gleichen Auseinandersetzung.

»Es wird Zeit, es hinter dir zu lassen, Bruder«, sagte Cyprus, und sein Ton war so vernünftig, dass Tydrin ihm am liebsten den Kopf abgerissen hätte. Die Fäuste geschwungen, Schaden angerichtet und seinen Bruder dafür, dass er sich einmischte, in den Boden gestampft hätte. Wieder mal. »Mann, es kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Und die zwanzig Jahre, die du damit zugebracht hast, dich selbst zu bestrafen, sind zwanzig Jahre zu viel.«

Das stimmte nicht.

Er verdiente es, bestraft zu werden. Ein ums andere Mal. Wieder und immer wieder. Für das, was er getan hatte – wenn nötig, für immer. Ein Menschenpaar lag tot und kalt im Grab. Das war schon schlimm genug, aber das mit dem kleinen Mädchen war noch grauenvoller. Das kleine, unschuldige Wesen, das einer glücklichen Zukunft mit liebevollen Eltern beraubt worden war. Es war seine Schuld. Hundertprozentig sein Tun. Dieses Kreuz musste er nun für immer tragen.

Tydrin atmete einen Schwall eisiger Luft aus. Die weiße Wolke hing vor seinem Gesicht. Er schüttelte den Kopf. So viel Zeit war vergangen, und noch immer nagte die Schuld an ihm, nahm ihm seinen Selbstwert, bis nur noch Reue und das starke Gefühl von Verantwortlichkeit übrig blieben.

Jung und dumm. Eine gute Beschreibung – zumindest damals hatte sie noch auf ihn gepasst. Doch heutzutage, nach jahrelangem Training, wusste er vieles besser und verstand mehr. Er konnte verhindern, dass sein jähzorniges Temperament hochkochte, indem er tief durchatmete und einen anderen Pfad wählte. Einen, der zu einem friedvollen Ergebnis führte, und nicht in Chaos und Mord endete.

»Tydrin«, murmelte Cyprus. »Bruder, bitte – lass es gut sein.«

Tydrin antwortete nicht. Stattdessen sprang er von der Felskante. Ohne dem Fluchen seines Bruders Beachtung zu schenken, stürzte er im freien Fall den schartigen Felsen entgegen. Ein scharfer Wind blies ihm die Haare nach hinten. Der Geruch der Mitternacht verschmolz mit einem Hauch von Heidekraut und besänftigte ihn mit dem Duft der Highland-Moore. Auf halbem Wege verwandelte er sich, Hände und Füße wurden zu Klauen, sein Körper streckte sich unter schwarzen Schuppen mit purpurfarbenen Spitzen, und das Summen der Magie floss durch seine Adern. Mit weit ausgebreiteten Flügeln zog er eine enge Kurve. Ein strammer Nordostwind hob seinen massigen Leib in die Höhe, verlieh ihm Auftrieb. Er schoss zwischen zwei vertikal verlaufenden Felswänden empor. Schiefergestein splitterte, stürzte von einer Felskante hinab. Das Geräusch echote über die Berggipfel, wurde bis in die Täler hinabgetragen, während er einen Looping flog, sich in einen Tarnzauber hüllte und dann nach Osten abdrehte.

Eine halbe Stunde später schoss er über die Stadtgrenze hinweg. Ins Herz von Aberdeen hinein. In eine geschichtsträchtige Stadt, in deren Vergangenheit es von sich bekriegenden Clan-Chiefs und inkompetenten Königen nur so wimmelte. Es war der Ort, den er als sein Zuhause bezeichnete. Doch während er die menschenleeren Kopfsteinpflasterstraßen betrachtete und dabei den tiefschwarzen Windungen des River Don folgte, fragte er sich zum ersten Mal, ob das überhaupt stimmte. War das wirklich sein Zuhause? Tydrin runzelte die Stirn. Er wusste es nicht mehr. Vielleicht machte Vyroth es richtig. Vielleicht würde ein Tapetenwechsel auch seine Qualen vermindern, ihn heilen. Vielleicht würde eine Trennung genug Klarheit bringen, um das heftige Gefühl von Verlust zu beseitigen, das ihn Nacht für Nacht überkam, an einem schlaflosen Tag nach dem anderen.

Er schlug eine scharfe Kurve ein und erhöhte die Geschwindigkeit. Eisige Luft rauschte über seine Schuppen hinweg, brachte Linderung, während unter ihm die hellen Lichter der Straßenlaternen zu leuchtenden Streifen verwischten. Der Geruch von Torf stieg auf, Rauch kräuselte sich aus gemauerten Kaminen. Er ließ die wirbelnden grauen Schwaden hinter sich, wurde langsamer, glitt über die Ziegeldächer der kleinen Cottages, die westlich der Stadt lagen, hinweg. Fast geschafft. Noch eine Minute und …

Ah, da war er … Der Ursprung seiner Unruhe. Sein jährliches Ziel: Nellfied Cemetery, der letzte Ort, an dem er sich aufhalten wollte und von dem er sich doch, wie er wusste, nicht fernhalten konnte.

Der Friedhof war durch Mauern in drei Bereiche geteilt und lag still und dunkel vor ihm. Die skelettartigen Äste der Bäume waren so reglos wie der Rest der Welt um ihn herum. Er flog eine Schleife. Seine Nachtsicht ermöglichte es ihm, auch noch kleinste Details zu erkennen. Nicht, dass Tydrin das nötig gehabt hätte. Er kannte diesen trostlosen Ort wie seine Westentasche. Hatte sich jeden Quadratzentimeter eingeprägt: jeden einzelnen bleichen Grabstein, jeden gekiesten Weg und den offenen Bereich jenseits eines Halbkreises aus Nadelbäumen, wo er bevorzugt landete. Er faltete seine Flügel zusammen und stürzte durch die kalte Luft nach unten. Seine Klauen kamen mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Gefrorene Grashalme knisterten protestierend, ehe sie unter seinen großen Pranken plattgedrückt wurden. Er grub seine rasiermesserscharfen Krallen in die Erde und betrachtete aufmerksam die Schatten. Er kniff die Augen zusammen. Nanu. Seltsam, aber …

In seinem Nacken kribbelte es.

Seine bereits angespannten Muskeln strafften sich noch etwas mehr. Er neigte den Kopf und lauschte angestrengt. Nichts. Kein einziger Laut, sondern nur eine merkwürdige Vibration in der Luft. Tydrin sammelte seine Magie, hielt sie einen Augenblick fest und ließ sie dann auf einen Schlag los, als würde er ein Netz auswerfen. Sein Echolot deckte die gesamte Umgebung ab, da er nach der Quelle der Störung suchte. Zwischen seinen Schläfen summte es plötzlich. Tydrin bleckte geräuschlos die Zähne. Verflucht. Schwierigkeiten. Er konnte sie nicht identifizieren, wusste jedoch, dass sie sich gleich jenseits des dichten Grüppchens von Nadelbäumen befanden.

Irgendwo in unmittelbarer Nähe der Grabstätte, die er zu besuchen beabsichtigte.

Er verwandelte sich vom Drachen zurück in einen Menschen und rief seine Kleidung herbei. Jeans und Lederjacke … erledigt. Schwere Kampfstiefel an den Füßen … auch erledigt. Aufgestachelte, brodelnde Sinne … auch abgehakt. Alle Systeme startklar. Er war bereit loszulegen. Mit leisen, gleichmäßigen Schritten schlug er einen Bogen nach rechts ein, auf den Rand der Baumgruppe zu, und machte sich auf die Jagd nach der Bedrohung.

»Es tut mir leid. So, so leid.« Die geflüsterten Worte schienen seine Wirbelsäule entlangzukriechen. Unbehagen und noch etwas anderes – ein Etwas, das er nicht einordnen konnte – verwirrten seine Instinkte. Wieder hörte er das Raunen. Zwischen Tydrins Augenbrauen erschien eine tiefe Furche. Das war die Stimme einer Frau. Einer Frau, in deren Sprechrhythmus keine Spur eines schottischen Akzents auszumachen war. »Ich hätte schon früher kommen sollen, aber … Es tut mir leid. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber ich konnte bisher nicht … nicht … Oh, Mann. Das ist viel schwerer, als ich erwartet hatte.«

Die stockende Entschuldigung machte ihn stutzig. Neugier trieb ihn, näher heranzugehen. Unfähig, dem Drang zu widerstehen, trat Tydrin hinter dem Grüppchen von Nadelbäumen hervor und …

Blieb wie angewurzelt stehen.

So groß war seine Verblüffung, dass sein Zwerchfell plötzlich wie gelähmt zu sein schien und der nächste Atemzug nicht gelingen wollte.

Die Füße wie festgenagelt am Boden, starrte er die Frau an. Er blinzelte, um klarer sehen zu können. Nichts. Keine Veränderung in seinem Sichtfeld feststellbar und – verdammte Scheiße. Das konnte nicht sein. Er bildete es sich nur ein. Fantasierte sich das Unmögliche zusammen. Doch ganz egal, wie oft er sich zwang, sich neu zu konzentrieren, änderte sich nichts. Sie blieb, wo sie war, direkt vor ihm, kniend auf dem Boden, den Kopf gesenkt, die Hände auf den Oberschenkeln. Ihre unterwürfige Pose brachte ihn ganz aus der Fassung, hielt ihn einen Augenblick davon ab, klar zu denken.

Tydrin schüttelte den Kopf.

Durch die Bewegung kamen seine Gehirnzellen wieder in Fahrt und … Gute Güte. Unglaublich. Sie war real. Sie war nicht nur eine Ausgeburt seiner Fantasie. Genauso wenig wie die glühende Wärme, die sie umgab wie ein Saum aus Gischt. Ihre leuchtend hellblaue Aura brachte die unmittelbare Umgebung dieser Frau zum Strahlen. Ihre Lebensenergie summte, seine Drachenhälfte erwachte, und eine gefährliche Kettenreaktion kam in Gang. Abgrundtiefer Hunger packte ihn. Sein Körper wurde lebendig. Sein Verstand trübte sich, nahm nichts mehr wahr außer ihr. Lange rote Haare, die zu einem unordentlichen Knoten geschlungen waren. Sie rutschte näher an den Grabstein heran. Murmelnd brachte sie eine weitere Entschuldigung hervor und begann damit, den Granitsockel des Steins zu säubern. Diese Aufgabe übernahm er normalerweise. Immer an diesem Tag, jedes Jahr, wenn er wieder hierherkam. Doch im Moment scherte er sich nicht um seine Buße.

Oder darum, den Verstorbenen seinen Respekt zu zollen.

Durch ihren Anblick stand er völlig neben sich und konnte nur noch einen einzigen Gedanken fassen: eine Frau mit hoher Energie, hier … im Herzen von Aberdeen.

Tydrin runzelte nachdenklich die Stirn. Verfluchte Scheiße. Er steckte in Schwierigkeiten. Bis zum Hals, versank immer tiefer und hatte keine Ahnung, wie er seine Reaktion kontrollieren sollte. Was zu erwarten war. Er war noch nie zuvor einer Frau mit hoher Energie begegnet, geschweige denn so nahe gekommen, dass er sie hätte berühren können. Frauen mit hoher Energie waren für die Drachenblütigen so etwas wie Einhörner, die seltensten Wesen überhaupt. Frauen, deren Verbindung zum Meridian – dem elektrostatischen Band, das den Planeten umgab und alle lebenden Wesen nährte – so kraftvoll war, dass die Männer darum kämpften, sie zu besitzen. Ein durchaus archaisch anmutendes Verhalten, aber … hmm, Baby. Jetzt, da sie gerade mal drei Meter von ihm entfernt war, konnte er diesen Trieb nachvollziehen. Ein biologischer Drang schob ihn vorwärts, hob seine Füße, drängte ihn, näher heranzugehen. Sie zu berühren. Zu schmecken. Herauszufinden, wie es sich anfühlte, wenn sich diese Unmengen von Energie an seine Haut pressten.

Sein Blick klebte förmlich an ihr. Er machte einen zweiten Schritt. Dann noch einen.

Der Mund wurde ihm wässerig.

Tydrin schluckte, lehnte sich gegen das wilde Verlangen auf, kämpfte um Kontrolle, versuchte, seinen fehlgeleiteten Trieben Vernunft beizubringen. Doch Logik zeigte keine Wirkung. Ebenso wenig wie Drohungen. Keine große Überraschung. Jetzt, da sein Drache sich auf sie eingeschossen hatte, war die Zeit für Verhandlungen vorbei. Erregung trat in den Vordergrund, erhöhte die Einsätze, ließ sein Herz hämmern und seinen Körper vor Begehren pochen.

Wieder bewegten sich seine Füße ohne sein Zutun.

Gefrorenes Gras knirschte unter den Sohlen seiner Stiefel.

Das harsche Geräusch ließ ihn innehalten.

Er holte tief Luft in der Hoffnung, dass eine zusätzliche Dosis Sauerstoff seinen aussetzenden Verstand vielleicht wieder in Gang bringen würde. Kalte Luft rauschte in seine Lunge. Sein Hirn meldete sich zurück und stopfte ihm gleich eine ganze Schaufel voll Vernunft rein. Einen Plan … Er brauchte einen Plan, und zwar sofort. Bevor er noch eine Dummheit beging – wie beispielsweise, diese Frau zu Tode zu erschrecken. Nicht gerade die beste Vorgehensweise, um ihr näherzukommen … und, oh, wie sehr er sich danach sehnte, weil … Oh ja. Jetzt, da er sie gesehen hatte, wollte er es wissen. Wissen, wie sie schmecken würde, wie sie sich in seinen Armen anfühlen würde, wie es sich anfühlen würde, von derart kraftvoller Energie genährt zu werden. Die Vorstellung stachelte ihn noch mehr auf. Ein Prickeln der Erregung überlief seinen Rücken. Tydrin verstärkte seine Selbstkontrolle. Er wollte die Frau nicht erschrecken. Denn wenn er das tat, würde sie augenblicklich die Flucht ergreifen, und er hätte seine Chance vertan.

Was bedeutete, dass ihm zwei Möglichkeiten blieben.