Filippo Brunelleschi und die Kuppel der Florentiner Kathedrale Santa Maria del fiore - Karlheinz Lappler - E-Book

Filippo Brunelleschi und die Kuppel der Florentiner Kathedrale Santa Maria del fiore E-Book

Karlheinz Lappler

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Beschreibung

Als gelernter Goldschmied wagt sich Filippo Brunelleschi in das Fachgebiet der Architektur und konstruiert ein noch nie dagewesenes Bauwerk: eine zweischalige Kuppel für die Florentiner Kathedrale. Er begleitet den Bau über 28 Jahre mit Neuerungen im Bereich des Ingenieurwesens durch Entwicklung von Hebezeugen, Transportmitteln und Mauer-techniken. So entstand in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein sichtbares Zeichen, das die Stadt überragt. Eine verbissene Konkurrenz bis zu widerlichen Feindseligkeiten durchzog das Leben zweier Florentiner Künstler dieser Zeit.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

1

Ein heißer Tag neigt sich dem Ende zu. Nur wenig Abkühlung bringt der Platz am Fluss an dem sich zwei junge Männer niedergelassen hatten.

Piero Bardini und Francesco Balbi. Zwei langjährige Freunde, setzten sich nebeneinander auf die Steinstufen am Ufer des Arno, dessen Wasser ruhig an ihnen vorbeizog und unter dem Ponte Vecchio in der Dunkelheit der Brückenbögen verschwand. Gerade hatte noch eine dunkelgraue Wolke den Nachthimmel verdeckt, als eine Windböe den Blick auf den Vollmond, der über den Häusern am gegenüberliegenden Lungarno-Ufer nun hell erstrahlte, für einige Minuten freigab.

»Eigentlich wäre es jetzt Zeit sich schlafen zu legen«, brummte Francesco, »ich bin schon seit dem frühen Morgen auf den Beinen.«

»Ja, du hast zwar Recht«, meinte Piero nach einem langen, verträumten Blick in Richtung der Mondscheibe, »aber bei diesem Mond kann ich kein Auge zu tun, da ist es in meiner Kammer fast so hell wie bei Sonnenschein.«

»Meine Kammer hat das Fenster zum Innenhof unseres Palazzo hinaus. Daher ist meine Kammer auch sehr ruhig«, bemerkte Francesco kühl.

»Dann bleiben wir noch eine Weile, obwohl ich die aufsteigende Kälte schon verspüre.«

»Außerdem treiben sich noch belastende Gedanken in meinem Gehirn herum.«

»Was plagt dich denn so an so einem schönen Abend? «

»Was hast du vor?«

»Ich selbst habe nichts vor, aber mein Oheim hat vor, mich nach Rom zu schicken.«

»Und warum sollst du nach Rom?«

»Lernen, ich soll noch etwas lernen!«

»Aber, du hast doch schon deine Lehrzeit beendet.«

»Ja, aber das genügt meinem Oheim nicht. Ich habe Goldschmied bei meinem Vater gelernt. Und nun soll ich mir einen Überblick bei römischen Baumeistern verschaffen.«

»Als wenn es bei uns nicht auch fähige Baumeister gäbe.«

»Das schon, aber meinem Oheim haben es die antiken Bauformen angetan.«

»Solltest du nicht einmal deinem Vater im Geschäft nachfolgen?«, fragte Piero erstaunt.

»So war es früher einmal gedacht, aber mein Bruder, der eine kirchliche Laufbahn einschlagen sollte, hat es sich zum Leidwesen meines Vaters anders überlegt. Er wird eine Goldschmiedetochter heiraten und das Geschäft übernehmen.«

»Und du hast dich darauf eingelassen?«

»Ich bin der jüngere! Außerdem war Goldschmied nicht mein erster Berufswunsch!«, sagte Francesco nicht ohne eine gewisse Erleichterung«.

»Mal sehen, was aus uns noch werden wird. Wer weiß, was für uns vorherbestimmt ist.«

Eine Weile saßen die beide im Schweigen verharrend am plätschernden Wasser des Arno. Der leichte Wellenschlag an das Ufer wirkte beruhigend.

»Also wenn du jetzt schon gehen willst, dann sehen wir uns morgen. Treffpunkt am Baptisterium!«, sagte Piero in die sich ausbreitende Dunkelheit hinein.

»Vor welcher Türe?«

»An der, die auf den Dom weist, wie immer, klar?«

»Einverstanden!«

»Und was machst du?«

»Ich habe noch einen Brief von meinem Vater abzugeben«, gab er zurück.

»Wem musst du heute noch einen Brief bringen?«, fragte neugierig Francesco.

»Der Brief ist für den „capomaestro“ Brunelleschi«, war die Antwort von Piero.

»Für den Dombaumeister?«, wollte sich sein Freund vergewissern.

»Klar, genau für den!«, sagte bestätigend Piero.

»Na, dann bis morgen«, antwortete kurz Francesco, der noch am Ufer sitzengeblieben war und weiter in den sich verdunkelnden Himmel sah.

Piero erhob sich, strich seinem Freund leicht über die Schultern und kraulte dessen lockigen Haare und sagte: »Gut, bis morgen dann!« Er entfernte sich einige Schritte, drehte sich kurz um und winkte seinem Kumpan noch zu, bevor er hinter einer Ecke in eine dunkle Gasse verschwand.

2

Piero war in eine schmale Seitengasse abgebogen und steuerte auf das Lokal zu, in dem häufiger die Bauarbeiter, die am Dom beschäftigt waren, zusammenkamen. Sein Vater verkehrte dort nie, denn ein reicher Wollhändler wie Tomaso Bardini traf sich mit den anderen seiner Zunft im Zunfthaus der Wollhändler, der Arte del Lana. Piero war zwar auch Wollhändler geworden, aber er fühlte sich bei den Bauleuten wohler. Außerdem hatte er noch einige Jahre vor sich, bis er in die Fußstapfen seines Vaters treten und das Wollgeschäft als seinen Beruf nennen konnte.

Die Wirtsstube der Taverne war für diese Zeit noch sehr gut gefüllt. Der füllige, kräftige Wirt versperrte ihm den Weg und wollte ihn erst gar nicht weiter in das Lokal hereinlassen. Doch er erkannte schnell, dass es sich um den Sohn des Signore Bardini handelte, eines der einflussreichsten Männer der Tuch- und Wollhändlerzunft, die seit einigen Jahren die Verantwortung übernommen hatten und über das Geschick des Dombaues bestimmten.

»Ach, du bist es, Piero, noch unterwegs zu dieser späten Stunde?«, fragte der Wirt.

»Heute will ich noch nicht nach Hause. Außerdem habe ich noch etwas zu erledigen. Ich such mir ein freies Plätzchen, und du Giovanni bringst mir einen Krug von deinem Hauswein. Aber unverdünnt.«

Der Wirt grinste, um sein Verständnis kund zu tun.

Piero schaute sich nach einem Platz um und entdeckte in einer Ecke den freien Platz auf einer Bank an dessen Ende ein alter Mann saß. Genau den hatte er gesucht und auf Anhieb gefunden. Piero setzte sich an den Tisch und sagte:

»Ist es gestattet, Alter?«

Der Alte sah nur kurz auf und brummte: »Wenn du mich in Ruhe lässt, meinetwegen. Es ist ja ein Wirtshaus, in dem jeder Platz nehmen kann, nachdem ihn der Wirt hereingelassen hat!«

Dann wandte sich der Mann wieder dem Brot zu, das vor ihm in einem Körbchen lag. Er zupfte nur die Krume aus der dickgeschnittenen Brotscheibe, legte den knusprigen Rand wieder zurück in den Korb und tunkte das Stückchen Brot in seinen Kelch, der vor ihm stand. Er hob das Brot wieder heraus, ließ es ein wenig abtropfen und schob es in seinen fast zahnlosen Mund, wie es Piero genüsslich beobachte.

»Lassen Sie es sich schmecken. Viel zu kauen gibt es da nicht«.

Ohne hochzublicken brummte der Alte: »Ich sagte doch: Ich möchte meine Ruhe haben!«

Wie junge Menschen nun einmal sind, hielt sich Piero nicht an diese Anweisungen.

Er deutete auf die Brotreste, die mittlerweile zu einem kleinen Turm aufgestapelt waren und fragte: »Darf ich mir davon etwas wegnehmen, wenn Sie es selbst nicht mehr essen wollen? Schade um das Brot, wenn der Wirt es wegwirft oder an ein Tier verfüttert. Bei mir meldet sich nämlich der Hunger«.

Der alte Mann blickt nun zum ersten Mal auf und sah dem Jungen aus wässrigen Augen ins Gesicht.

»Ganz schön frech sind die jungen Burschen heutzutage«, bemerkte er.

Sein Gegenüber grinste nur.

»Wie heißt du eigentlich, Bursche?«, wollte der kauende Alte nach einer kurzen Pause wissen.

»Ich heiße Piero Bardini, mein Vater ist Antonio Bardini, und ich habe in seinem Auftrag einen Brief für Sie abzugeben.«

»Dann ist dein Vater einer der Zunftmeister der Tuchhändler.«

»Ja, ich war schon als kleiner Junge bei den Dombauleuten und habe meinen Vater oft dorthin begleitet.«

»Es waren viele Arbeiter hier beschäftigt«, sagte der sich an die Vergangenheit zurückerinnernde alte Mann. »Du bist also der Sohn von Bardini. An dich kann ich mich leider nicht so recht erinnern, aber an deinen Vater schon«.

»Ich habe das Bild des „capomaestro“ noch gut im Gedächtnis. Allerdings mit einer dunkleren Haarfarbe«, lachte Piero. »Sie sind es doch, oder?«

»Ja, ich bin der Filippo Brunelleschi. Die meisten rufen mich „Pippo“!«

»Dann kann ich Ihnen jetzt schon den Brief meines Vaters übergeben. Hier, bitte!«

»Gib schon her«, brummte der Alte und streckte seine Hand aus. »Was da wohl wieder geschrieben steht«.

Der junge Mann zog unter seinem Umhang den gefalteten und gesiegelten Brief hervor und reicht ihn dem Alten.

»Wie vertreiben Sie Ihre Zeit heute? Jetzt, wo Sie Ihr großes Projekt, den Bau der Kathedrale fast abgeschlossen haben«, sagte Piero und begann unvermittelt ein Gespräch.

»Wenn du es genau wissen willst: Der Bau einer neuen Kirche hat mich über Jahre beschäftigt. Die alte Kirche Santa Reparata war verfallen, und die neue Kathedrale sollte so prächtig und eindrucksvoll wie nur möglich werden. Der Grundstein war bereits 1296 gelegt worden. Der Glockenturm war von Giotto di Bondone entworfen und 1359 vollendet worden. Nur die Pestepidemien von 1348, 1363, 1374, 1383, 1390 und 1400 warfen die Bauvorhaben immer wieder zurück. In diesen schwierigen Zeiten hatten Giovanni di Lapo Ghini und Neri di Fioravanti Entwürfe für die Kathedrale angefertigt. Lange lief die Auseinandersetzung zwischen den beiden. Der eine, Giovanni, wollte durch Strebepfeiler die Kräfte auffangen, wie es bei den gotischen Kathedralen in Frankreich und Deutschland der Fall war. Der andere wollte die auftretenden Kräfte der Kuppel durch eiserne Ketten, die um die gesamte Kuppel herumliefen, auffangen.

Eine Kuppel, die das Bauwerk krönen sollte, war unstrittig und wurde als heiliges Dogma als unumstößlich fixiert. Das Modell, das Giovanni di Lapo Ghini anfertigte, stand im Seitenschiff des Langhauses für alle vor Augen.

Nachdem ich bereits 1404 erstmals von der Florentiner Dombaukommission um ein statisches Urteil gebeten wurde, gab ich 1417 ein Gutachten über die geplante Kuppel des neuen Florentiner Doms ab.«

Der maestro stoppte seine Erklärungen und sah den Jungen prüfend an.

»Bist du noch weiter interessiert, was ich erzähle?«

»Ja doch, maestro?«, bestätigte Piero schnell.

»Doch vorher, im Jahr 1402 wollte man die Türen des Baptisterium, von denen nur die des Pisano fertig war, in dieser Art gestalten. Dazu sollte ein Wettbewerb den fähigsten Künstler ermitteln. In Florenz wurden alle Entscheidungen seit alters auf diesem Wege entschieden.«

»Wie ging dieser Wettbewerb der Künstler aus?«, wollte der junge Mann nun wissen.

»Es waren viele Handwerker, vor allem Goldschmiede herbeigeeilt. Von der Menge der Bewerber hatte die Zunftoberen sieben ausgewählt: drei Florentiner und vier aus anderen toskanischen Orten. Sie erhielten eine Geldsumme vorab, unter der Bedingung, dass jeder vor Ablauf eines Jahres eine Bronzetafel zur Begutachtung vorlegen müsse. Es wurde die Größe der Tafel von 45 x 38 Zentimeter und das Thema vorgegeben: Die Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham wurde als Szene genannt Das steht im Alten Testament, im ersten Buch Mose, Genesis. Das weiß ich noch genau« erinnerte sich der Alte. »Hier konnten sich die Bewerber in der Darstellung der Figuren und der umgebenden Landschaft beweisen. Hochrelief und Flachrelief spielten eine gewisse handwerkliche Rolle.«

»Sie wissen doch sicher noch, wer außer Ihnen noch unter den Bewerbern war!«

»Wie sollte ich das vergessen! Es waren Lorenzo Ghiberti, Donato di Niccolò di Betto Bardi und Lorenzo di Bartoluccio, der eigentlich Nencio di Bartolo bzw. Bartoluccio hieß, aus Siena Jacopo della Quercia und sein Schüler Niccolo d’Arezzo, Francesco Valdambrina und Simone da Colle. Alle erhielten vier Bronzeplatten mit einem Gesamtgewicht von 35 Kilogramm und wir gelobten durch unseren Eid die Vorgaben der Zunftoberen der Tuchhändlerzunft einzuhalten.«

»Mein Vater hat mir erzählt, dass Lorenzo auf den Rat und die Mithilfe seines Vaters gebaut hatte.«

»Nicht nur das. Er lockte andere Handwerker und Leute von der Straße in seine Werkstatt und hörte ihre Vorschläge und Kritiken an.«

»Ja, er war sehr ehrgeizig und wollte den Wettbewerb unbedingt gewinnen.«

»Was ihm auch geglückt ist!«, gab der Junge frech zurück. »Das hatte mir mein Vater erzählt.«

»Und warum? Als Donato und ich sehen, dass Lorenzo so viel Energie in den Auftrag gelegt hatte, besprachen wir uns und waren uns einig, dass Lorenzo den Auftrag übernehmen soll.«

»Ihr habt sehr selbstlos gehandelt. Das ist nicht zu erwarten gewesen. «

»Ganz so glücklich, wie es schien war das nicht. Wir haben uns doch darüber geärgert.«

»War das der Anlass, dass ihr beide, Sie und Donatello, nach Rom gegangen seid?«, wollte Piero genauer wissen.

»Nicht nur deswegen! Schwamm drüber! Wir haben an den alten Bauwerken der Römer viel gelernt. Die gemeinsam mit Donatello unternommene Studienreise nach Rom lenkte meine Aufmerksamkeit zunehmend auf die Baukunst. Ich war ja ein gelernter Goldschmied.«

»Aber hier in Florenz wurde am Dom gebaut«, sagte Piero.

»Ja, zwischenzeitlich war der Tambour in den Jahren 1410 bis 1413 erbaut worden. Seine Wände waren viereinhalb Meter dick, um später das Gewicht der geplanten Kuppel tragen zu können.«

Piero hörte aufmerksam zu, er wollte den maestro bewusst nicht unterbrechen.

»Im Mai 1417 zahlte mir die Domopera zehn Fiorinen für meine Zeichnungen der Kuppelbaupläne auf Pergament.«

Da der Zuhörer nur erstaunt schwieg, fuhr der maestro fort:

»Dann im Dezember 1418 fand die Begutachtung meines Modells statt, das ich Mithilfe von Donatello und Nanni di Banco erstellt hatte. Es hatte eine Kuppel mit sechs Meter im Durchmesser und eine Höhe von vier Meter. Die Zunftmeister konnten also das Modell begehen und von innen bestaunen.«

»Die Zunftmeister trafen in der Folge weitere Entscheidungen:

Als Nachfolger von Giovanni d’Ambrogio, dem alten „capomaestro“ wurde Battista d’Antonio am 16. April 1420 berufen. Und dazu zwei weitere „capomaestri“ wurden ernannt:

Lorenzo Ghiberti und ich! Zwei „provveditori della cupola“, die Bauleiter für die cupolone, die große Kuppel.«

»Nicht zu glauben!«, platzte Piero heraus. »Das kann doch nicht wahr sein!«

»Ihr könnt euch vorstellen, wie schockiert ich war, ich und mein Konkurrent, wir waren Gegner, als es um die Türen des Baptisteriums ging, 18 Jahre zuvor! Nun sollten wir plötzlich Partner sein!«

»Wie waren den die Zuständigkeiten bei diesem Bau aufgeteilt?«, wollte Piero wissen.

Der maestro musste dem Jungen viel erklären: »I quattro provveditori (o ufficiali) della cupola“, die vier „provveditori“. bzw. Beamten, der Kuppel waren dagegen vier Mitglieder der „Arte della Lana“, der Wollweberzunft, die gewählt wurden, um mit besonderer Sorgfalt und Kontinuität die komplexen Fragen zu verfolgen, die gerade in den ersten Jahren mit dem Kuppelbau zusammenhingen. Sie traten neben die normalen Aufsichtsbeamten der Opera, die ebenfalls von der Zunft gewählt wurden, die „operai“. Die „provveditore“ waren außerdem für die Verwaltung der Bauhütte verantwortlichen Lohnempfänger, die beauftragt waren, sich um die Bestellungen und Lieferungen zu kümmern und ganz allgemein die Beschlüsse der „operai“ in die Tat umzusetzen.«

Beim Zuhörer wuchs die Spannung merklich, obwohl die vielen Begriffe, die der maestro in das Gespräch gebracht hatte, sie gleichsam überforderte.

»Dass noch weitere capomaestri hinzukamen, Giovanni da Prato als Gehilfe für Lorenzo! Anscheinend traute man dem Goldschmied und Bronzegießer die Aufgabe nicht so recht zu!

Dass Giovanni da Prato zwar mit einem kleinen Betrag abgefunden wurde, aber seine Vorschläge von den Zunftoberen ignoriert wurden, sagt alles!«, ereiferte sich der alte Mann. »Und noch Battista d’Antonio, der Assistent des aus Altersgründen ausgeschiedenen Giovanni d’Ambrogio.«

»Das zeugte nicht von großem Vertrauen in Sie, maestro«, sagte Piero.

»Wenn schon. Letztlich bekam ich einen verdienten Vorschuss ausbezahlt.«

»Nachdem am 20. Dezember 1418 den Preisrichtern das zustehende Honorar ausbezahlt worden war, erhielt ich am 11. Juli 1419 und Ghiberti am 11. August 1419 gleichfalls Belohnungen für unsere Modelle.«

Der maestro war in seiner Erzählung so gespannt wie damals.

»Nun konnte endlich mit dem Bau begonnen werden, jedenfalls mit den Vorbereitungen«, fuhr der maestro fort.

»Am 30. April 1420 wurden die Vorbereitungen zum Mauern getroffen, am 15. Juni 1420 wurden die Macignosteine für die große Kuppel angefahren. Macigno ist der Sandstein, der heute als „pietra serena“ bekannt ist und der in den Hügeln nördlich von Florenz bei Fiesole, Vincigliata und Settignano gebrochen wurde. »Am 28. Juni 1420 wurden acht Lehrbogen aus Tannenstämmen für die große Kuppel gefertigt, am 9. Juli 1420 wurde Eisenzeug als Verbindungsmaterial für die große Kuppel geliefert.«

»Da war schon viel Wasser den Arno hinunter geflossen«, lachte Piero.

Der maestro berichtete unbeirrt weiter:

»Jetzt konnte endlich der Kuppelbau am 7. August 1420 nach dem langen Wettbewerb beginnen. Es wurde in acht Teams von Maurern gleichzeitig gearbeitet. Aus Zeitgründen durften die Arbeiter nicht von den Gerüsten herabsteigen, dafür hatte ich zwischen den Kuppelschalen eine Kantine eingerichtet. Der Tambour hatte jetzt eine Höhe von 52 Metern.

Am 31. Oktober 1420 wurden u. a. 120 Ellen der erwähnten Macignoquadern für die Verbindung des Kuppelgesimses angefahren. An der Planung des Neri di Fioravanti von 1367 vor allem an der Zweischaligkeit der Kuppel durfte in der Folgezeit nicht mehr gerüttelt werden«, sagte mit deutlicher Betonung der maestro.

»Ich denke bei unserem nächsten Zusammenkommen steigen wir erst richtig in die Geschichte ein, wenn du willst.«

»Natürlich will ich«, sagte Piero erfreut.

3

Das Gewitter, das über die Hügel des Chianti-Gebietes nach der Arnostadt herauf gezogen war, entlud sich in heftigen Schauern über die staubigen Straßen und Plätze. Die Menschen flüchteten unter die hervorragenden Dächer der Häuser und in die Toreingänge. Nach kurzer Zeit erschien die Sonne wieder an blauen Himmel. Das geschäftige Treiben vor den Geschäften der Händler wurde wieder aufgenommen und die Handwerker, die vor ihre Bodegas getreten waren, blinzelten in die strahlende Sonne. Rasch waren die grauen Pflasterplatten der Wege wieder abgetrocknet, nur wenige Pfützen waren darauf noch übrig geblieben.

Piero wagte sich unter den bogenförmigen Hauseingänge eines Palazzo, in die er nach dem Einsetzten des Regens geflüchtet war, wieder auf die Straße. Die „portones“ sind monumentale Eingänge der Palazzi, welche die Häuser dominieren. Die sie einrahmenden Quader wirken teilweise abschreckend auf fremde Besucher.

Der Weg zum Lokal der Dombauarbeiter war nicht weit. Das Lokal war um die Mittagszeit nahezu leer, da die Arbeiter ihre Pause auf dem Gerüsten des Domes verbrachten auf die sie die Speisen und Getränke mit hoch genommen hatten, um nicht die Leitern des Gerüstes hinunter und wieder hinaufsteigen zu müssen.

Der Wirt freute sich über einen Gast, von dem er wusste, dass er durch seine Familie zu den wohlhabensten der Stadt gehörte.

»Komm nur herein, Piero«, lächelt der Wirt freundlich. »Heute ist noch viel Platz. Aber ich denke, du sitzt gerne beim maestro. Du weißt ja, wo er seinen Stammplatz hat.«

»Buon giorno, Giovanni, was hast du heute für uns gekocht?«, wollte Piero gleich beim Eintreten in die Trattoria wissen.

»Bist du schon so hungrig, dass du heute gleich nach dem Essen erkundigst?«, fragte der Wirt.

»Ja, denn die die Mittagszeit ist schon fast vorüber. Der plötzliche Regen hat mich dadurch etwas aufgehalten«, entschuldigte sich Piero.

»Heute gibt es Ribollita!«, sagte mit deutlicher Bestimmtheit der Wirt.

»Meine Frauen in der Küche haben alles schon seit Stunden fertig!«

»Gut, dann bring mir doch einen Teller und dazu Brot«, bestellte Piero.

»Gut, sofort. Brot steht immer auf dem Tisch, das weißt du doch.«

Pietro steuerte auf den Tisch zu, an dem der maestro saß und seine Suppe löffelte«.

»Buon giorno, maestro. Posso prendere un posto vicino a Lei?«

Der maestro schaute nur kurz unmerklich auf.

»Ah, der junge Herr sucht schon wieder ein Gespräch mit mir. Aber erst esse ich meine Suppe!«

Er griff wieder nach einem Stück Brot und entnahm die weiche Krume und legte die Kruste wieder zurück.

Da der Wirt die Suppe für Piero brachte, der gleich eifrig den Löffel hineintauchte und umrührte, erstarb das Gespräch am Tisch vorübergehend.

»Schmackhaft, die Suppe!«, meinte Piero.

»Hmm«, brummte der maestro, nur diesen Ton von sich gebend.

Der Wirt lehnte an der steinernen Säule, die neben der Tischreihe das Gewölbe des Raumes abstützte. Es belustigte ihn zu zusehen, wie sich die beiden Männer, das Brot teilten, denn Piero griff immer zu den Brotkrusten, die der maestro zurückgelegt hatte.

»Knuspriger Rand«, bemerkte Piero jeweils zwischen zwei Löffeln Suppe und einem Bissen Brot.

»Hmm«, war vom maestro zu hören, »wer‘s beißen kann!«

»Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen, maestro, das Brot teilen zu dürfen«, sagte Piero, doch der maestro reagierte darauf nicht.

Piero hatte schnell gegessen. Fast gleichzeitig schoben die beiden Männer ihre Teller zur Tischmitte. Der maestro wischte sich mit einem Tuch, das er aus seiner Hose gezogen hatte, über den Mund und trocknete einige Suppenreste aus seinem Bart auf. Der Alte nahm seinen Becher und hob ihn den Jungen nun richtig anblickend leicht in die Höhe. Auch Piero nahm seinen Becher in die Hand, hob ihn hoch und prostete dem maestro freundlich zu. »Salute«, rief Piero.

»Hmm«, knurrte der maestro.

Beide tranken aus ihren Bechern. Dann trat ein kurzes Schweigen am Tisch ein.

»Gegessen haben wir nun gut«, sagte nun der Alte.

»Trinken tun wir aber noch etwas«, sagte der junge Mann dazu.

»Wenn Sie, maestro, noch Zeit haben, können Sie mir über den Fortgang des Dombaues etwas erzählen.«

»Zeit habe ich viel. Und wegschicken will ich dich auch nicht«, antwortete der maestro.

»Ist es also richtig, dass als Sie nach Florenz zurückgekehrt sind, der Bau schon auf eine Höhe von über 50 Metern angewachsen war?«, begann Piero sein Interesse.

»Die Voraussetzungen und Pläne dafür lagen ja schon seit Jahrzehnten vor. Die Verantwortlichen hatten sich an die Vorgaben von Francesco Talenti und Giovanni di Lapo Ghini vom 30. August 1367 zu halten. Es wurden am 19. November 1367 alle Pläne und Modelle der anderen Bewerber vernichtet.«