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Margarethe Alb

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Beschreibung

Syringa ist hoffnungslos verliebt. Und zwar seit mehr als zweihundert Jahren, was selbst für eine Dryade ziemlich verrückt klingt. Denn ihr Angebeteter hat sie vor eben dieser Zeit verlassen, um ohne sie, die durch ihre Natur an die Heimat gebunden ist, durch die Welt zu ziehen. Syri hat sich daran gewöhnt, allein zu sein und den ehrenwerten Wolfsritter Johannes von der Wallenburg einzig aus der Ferne anzuschmachten. Nur die alte Otter Schosch leistet ihr tagtäglich Gesellschaft, da diese sich zwischen den Wurzeln von Syringas heimischem Fliederstrauch angesiedelt hat. Aber im Jahre 1510 kehrt Johannes plötzlich auf die heimische Wallenburg zurück und die Gerüchteküche beginnt zu brodeln. Von einer Braut aus dem fernen Orient berichten die Weiber. Syri trägt es mit Fassung, bis zwei wildfremde Wölfe die so lebenswichtigen Ableger ihres Fliederstrauches zerstören. Als dann noch ihr Strauch an sich zum Sterben verdammt wird, bricht ihre ganze Welt zusammen. Der Band ist der Auftakt zu einem orientalischen Abenteuer. Der zweite Teil -Fliederblütenregen- Der Dschinn im Spiegel vervollständigt die turbulente Geschichte um Syringa vom violetten Flieder.

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Margarethe Alb

Fliederblütenregen

Fernweh

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Titelei

Margarethe Alb

 

 

 

 

Fliederblütenregen

 

Band 1

 

Fernweh

 

 

 

 

 

 

© 2018 Margarethe Alb

Autor: Margarethe Alb

Umschlaggestaltung, Illustration: Osanna Stephan

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig

 

Worum geht es hier eigentlich?

 

Syringa ist hoffnungslos verliebt. Und zwar seit mehr als zweihundert Jahren, was selbst für eine Dryade ziemlich verrückt klingt. Denn ihr Angebeteter hat sie vor eben dieser Zeit verlassen, um ohne sie, die durch ihre Natur an die Heimat gebunden ist, durch die Welt zu ziehen. Syri hat sich daran gewöhnt, allein zu sein und den ehrenwerten Wolfsritter Johannes von der Wallenburg einzig aus der Ferne anzuschmachten. Nur die alte Otter Schosch leistet ihr tagtäglich Gesellschaft, da diese sich zwischen den Wurzeln von Syringas heimischem Fliederstrauch angesiedelt hat.

Aber im Jahre 1510 kehrt Johannes plötzlich auf die heimische Wallenburg zurück und die Gerüchteküche beginnt zu brodeln. Von einer Braut aus dem fernen Orient berichten die Weiber. Syri trägt es mit Fassung, bis zwei wildfremde Wölfe die so lebenswichtigen Ableger ihres Fliederstrauches zerstören. Als dann noch ihr Strauch an sich zum Sterben verdammt wird, bricht ihre ganze Welt zusammen.

Dieser Band stellt den Beginn eines orientalischen Abenteuers dar. Gemeinsam mit „Der Dschinn im Spiegel“, dem zweiten Teil, erlebt Ihr die Höhen und Tiefen des Dryadentums. Vielleicht. Eventuell.

Und außerdem erfahrt Ihr, warum „Verwurzeltsein“ nicht automatisch bedeutet, an einen Ort gebunden zu sein.

 

 

Bevor es los geht

 

Syringas Geschichte wäre nichts ohne das Thomasturnier, welches ihr vorangestellt worden ist. Dieses findet nach wie vor alljährlich zur Thomasnacht, kurz vor Weihnachten, statt. Also, nur, dass ihr Bescheid wisst, wenn es auch in eurer Gegend einmal knallt und rumpelt.

Die dazugehörige Kurzgeschichte ist für einen Sammelband des Bundesamtes für magische Wesen entstanden, in dessen Diensten auch ich stehe. Daher bedanke ich mich schon einmal bei Carmilla de Winter, welche diese Erzählung für das Amt in liebevoller Kleinarbeit lektoriert hat. Jawohl.

 

 

Das Thomasturnier

 

Cernunos verdrehte die Augen mit den schlitzförmigen Pupillen. Seine gespaltene Zunge schnellte aus dem mit spitzen Zähnen bewehrten Maul und er schnupperte.

Die beiden Spitzen dieses empfindlichen Organs erfassten sofort, worauf er hier gestoßen war. Der Gestank war einfach nur als ekelerregend zu bezeichnen. Dämonen. Es gab nur wenige Wesen auf dieser Welt, die einen schrecklicheren Geruch ihr Eigen nennen konnten.

Die gewaltige Otter schüttelte den Kopf.

Seit seiner ziemlich überstürzten Flucht aus seinen heimatlichen Gefilden im Norden verstand er die Welt nicht mehr. Hier war irgendwie alles anders. Die wohlgeordneten Gefüge der magischen Gemeinschaft schienen einfach nicht zu existieren. Oder wann hatte man jemals Flammendämonen mit den Himmelswesen zusammen gesehen? Und Achtung vor einem mächtigen Wesen wie ihm schien auch keiner zu haben, da sie ihn in seinem Felsspalt einfach ignorierten. Was dem Fass den Boden ausschlug, war er doch ein leibhaftiger Gott.

Cernun runzelte die Stirn, als er die Fakten für sich korrigierte. Man hatte ihn zumindest als solchen verehrt.

Hier, in der neuen Heimat, hatte er nichts. Gar nichts.

Nicht einmal den allermickrigsten Anhänger, der sich vor seiner Hoheit verneigen wollte.

Aber der Mangel an Gefolgschaft oder eben Anbetungsbereiten hinderte einen Cernunos noch lange nicht daran sich einzumischen, oder es doch zumindest zu genießen, wenn sich die lokalen Bewohner der Unterwelten gegenseitig an die Gurgeln gingen. Dämonen waren das Übel seiner alten Welt gewesen und warum sollte es hier anders sein? Und wenn sich direkt vor seinen Augen solch ein wahrhaft amüsantes Schauspiel anbahnte, würde er es doch genießen dürfen. Jawohl.

Draußen vor dem Felsspalt, in welchem sich der einsame Exkönig verborgen hielt, standen drei in Schwarz gekleidete Männer und stritten mit einer ganz in unschuldiges Weiß gehüllten Jungfer. Aber vermutlich täuschte die Farbe nur über die wahre Art ihres Wesens hinweg, denn auch sie roch für Cernuns Zunge eindeutig nach Dämonie.

Die Otter rollte sich zusammen, legte den Kopf bequem auf einer der Windungen seines Leibes ab und bereitete sich auf einen gemütlichen Abend vor.

Zu dieser Jahreszeit war es für den Gestaltwandler von Natur aus schwierig, sich schmerzfrei zu bewegen, denn die Kälte machte ihm zu schaffen. Aber ein klein wenig Spaß ließ er sich trotzdem nicht entgehen. Er tastete mit der Spitze seines Schwanzes nach seinem mageren Vorrat an getrockneten Mäusen. Wenn er sich schon dieses Spektakulum ansah, dann brauchte er auch einen kleinen Happen dazu. Etwas zum Knuspern.

 

Cernun liebte es, Menschen bei ihren Turnieren zuzuschauen. Es war aber auch zu putzig anzusehen, wenn diese sogenannten Ritter sich mit ihren Schwertlein zu schneiden oder den niedlichen Lanzen aufzuspießen versuchten. Am witzigsten fand Cernun allerdings diese Blechkleider, mit welchen die Männer sich zu schützen suchten. Als ob diese zu etwas Nütze wären. Ein gepflegter Schuppenpanzer und ein gut gefüllter Giftzahn waren eindeutig die bessere Wahl, um ein Jahr wie das fast vergangene 1274 zu überleben.

Aber was sich vor seinen Augen abspielte, war etwas so viel Amüsanteres. Ein Dämonenturnier war ihm noch nie untergekommen und Cernun plante, es zu genießen.

Er ließ die trockene Maus von seinem Maul baumeln, indem er sie am Schwanz zwischen den Zähnen hielt, und spähte nach draußen. Die drei dunklen Dämonen waren offenbar kurz davor, der hellen Jungfrau an die Wäsche zu gehen. Also, nicht was „Mann“ denken könnte, nein, sie ballten die Hände zu Fäusten, dass kleine Flammen daraus hervor stoben und knirschten mit den Zähnen.

„Nein, meine Lieben, dieses Jahr lasse ich mich nicht auf euer Spiel ein.“

Einer der Schwarzen, der ganz offensichtlich der Anführer der Gruppe war, trat so dicht vor das Weibsstück, dass sich ihre Nasen fast berührten.

„Du wirst uns nicht die Thomasnacht versauen, Federchen. Glaub nur nicht, dass wir auf eine wie dich angewiesen sind.“

„Und ob ihr das seid.“ Sie schob ihn resolut mit beiden Händen zurück. Dabei ergoss sich ein Schwall Wasser über die drei schwarzen Männer und die Flämmchen an deren Händen erloschen.

„Ohne meine Hilfe seid ihr doch aufgeschmissen. Entweder ich erstelle heuer die Regeln oder das Turnier fällt ins Wasser.“

So ein dämlicher Mist.

Cernun hielt förmlich die Luft an. Wenn es jetzt zu regnen anfangen würde …

Es begann natürlich umgehend zu schütten, als hätte der Donnergott sein Bad ausgegossen. Der mit einer dünnen Schneeschicht überzuckerte, gefrorene Boden verwandelte sich während eines kurzen Lidschlages Cernuns zu einer gefährlich glänzenden Eisbahn.

Der kleine Machtkampf der Dämonen begann ihm, trotz der Kälte, so richtig Freude zu bereiten und er zog, in Erwartung eines gepflegten Blutvergießens, seinen Körper noch einige Windungen enger um sich.

 

„Damian, du wirst jetzt sofort einen Schritt zurücktreten.“ Limats Augen waren zu Schlitzen zusammengepresst. Sogar dieser dämliche Dämon musste doch begreifen, dass mit ihr momentan kein lustiges Kirschenessen möglich war. Nicht, dass es zu dieser Jahreszeit Kirschen gegeben hätte. Vielleicht einige Kirschblüten in den Stuben der ahnungslosen Menschen, aber sonst waren nur kahle Äste verfügbar. Sie trat einen Schritt nach vorn, bis der Anführer der Schwarzen schief grinste, aber gehorsam zurückwich und sich sogar fast bodentief vor seinem himmlischen Gegenpart verneigte. So gefiel es ihr schon um einiges besser. Die Dämonen des Feuers sollten es nie vergessen, dass sie Limat brauchten, um die Tradition aufrecht zu erhalten. Wenn die federige Dame diese auch nur zu gern abgeschafft hätte. Limat wusste allerdings auch, dass Damian ihre Befindlichkeiten so kurz vor dem Turnier egal waren.

Er würde seinen Wettkampf durchziehen, koste es, was es wolle, galt es doch, seinen Ruf als der Meister aller teilnehmenden Dämonen zu erhalten.

Die weiße Frau sah es ihrem Gegenüber nur zu deutlich an. Damian spürte offensichtlich in seinem Rücken unkontrollierte Hitze aufsteigen. Was wohl bedeutete, dass Ragnan und der riesenhaft groß gewachsene Lohan, seine flammenden Mitstreiter, langsam aber sicher ungeduldig wurden. Limat verkniff sich ein Grinsen und rieb stattdessen geschäftig die Hände gegeneinander. Jeden Augenblick wären die Flammenläufer gargekocht und würden nach ihrer Pfeife tanzen.

Immerhin drohte die längste Nacht des Jahres anzubrechen und noch immer war keine Entscheidung gefallen. Das einzige, was fiel, war der Regen, der gerade alles und jeden mit einer glänzenden Eisschicht überzog. Bei diesem Wetter würde es in einer schlitternden Katastrophe enden, wenn die Spiele begännen. Sie legte den Kopf erwartungsvoll schief, als Damian sich im Nacken kratzte. Ein Rauchkringel stieg auf, wo er die schmutzige Haut mit seiner Kralle verletzt hatte und Limat beschloss, dass ihr Gegenüber soweit war. Sie holte tief Luft und sah ihm in die Augen.

„Lass uns einen Vertrag schließen, Flammenmann.“

 

Cernun hörte wohl gerade nicht richtig. Dämonen schlossen niemals Verträge mit diesen Himmelswesen. Er richtete sich auf, um ja kein Wort des wundersamen Schauspiels zu verpassen. Damian schob gerade seinen Fingernagel in ein Ohr und versuchte, das Ohrenschmalz herauszukratzen. Sein Mienenspiel wechselte zwischen Resignation und dem Willen, der Weißen zu widerstehen. Der Dämon zuckte zusammen, als die Weiße glockenhell auflachte. Wahrscheinlich schädigte ihr Lachen dessen Gehör nachhaltig. Cernun schüttelte sich jedenfalls mit vom Schmerz verzerrter Miene. Trotzdem konnte er nicht umhin, Limat heimlich zu bewundern, als diese noch näher an den Dämon herantrat und ihm den spitzen Zeigefinger in die Brust bohrte.

„Nimm an, oder vergiss es.“

Offenbar war Damian doch noch in der Lage, zu hören, denn er antwortete ihr prompt.

„Was willst du?“ Damians Knurren ließ Eis von den Ästen der Buche über ihnen rieseln.

„Wenn ich bei eurem sinnfreien Wettkampf den Richter gebe, begleitest du mich zur Hollenacht und trägst mein Gepäck in der Nacht der heiligen Mutter.“

 

Cernun legte sich in seinem Versteck einige weitere Knabbermäuse in Position. Das versprach ein wunderbares Spektakel ganz nach seinem Geschmack zu werden.

 

Damian qualmte eindeutig vor Wut.

„Vergiss es.“ Er wandte sich ab und wurde von seinen Mitstreitern doch fest an Ort und Stelle gehalten. Während die gerissene Jungfer ihre Fingerspitzen über das glitzerklare Eis am Stamm der Buche, an welche sie gelehnt stand, streifen ließ, waren die Dämonen fast auf dem Siedepunkt ihres Wesens angekommen.

Gleich würde es geschehen und Cernun zog eine weitere Maus in sein Maul, ohne die Vier aus den Augen zu lassen.

Gleich.

Oh ja, bitte.

Dann ließ er diese enttäuscht fallen.

 

Die Begleiter des Wortführers schoben ihren Chef mit vereinten Kräften nach vorn und dieser atmete seufzend eine Stichflamme aus.

„Also gut, Limat. Ich werde deine Säcke schleppen. Aber mit der Holle will ich nichts zu tun haben. Niemals.“

„Und ob du das wirst.“

„Nein! Ich. Werde. Mich. Niemals! Auch. Nur. In die. Nähe. Begeben.“

Damian verschränkte die Arme vor der Brust. Einige Ascheflöckchen rieselten zu Boden.

Limat trat nun ihrerseits näher und stützte die Fäuste in ihre schmalen Seiten.

„Und ob du das wirst. Entweder du begleitest mich zur Wilden Jagd oder ich verschwinde hier und jetzt.“

„Vergiss es.“

Cernun verdrehte die Augen. Er konnte nicht zulassen, dass das Spielchen beendet schien, bevor es noch richtig begann. Stöhnend streckte die große Schlange sich in die Länge, kroch aus dem trockenen Felsspalt in die eisesglatte Kälte und wechselte die Gestalt.

„Majestät, verschwindet.“ Limat wedelte mit der Hand und der große, in vergangenen Zeiten sogar als Gott verehrte Herr der Nattern und Ottern rutschte einfach so aus und schlug längelang auf den gefrorenen Boden.

Cernun zischte auf. War es denn noch nicht schrecklich genug, dass er sich in einem Felsspalt zu verstecken gezwungen war?

Das dreckige Kichern der Flammenmänner ließ in ihm eine Hitze aufwallen, die ihm seit dem Tod seiner geliebten Gemahlin nicht mehr untergekommen war. Der Waldboden unter ihm begann sogar abzuschmelzen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und strich über den kahlen Schädel.

Limat hob warnend eine Hand.

„Haltet den Mund, Cernunos. Ich will hier kein Wort hören, das sowieso nur mit gespaltener Zunge vorgetragen werden würde. Das hier geht nur die Flammendämonie und mich etwas an. An Eurer Stelle würde ich mir einen hübschen netten Natternbau suchen und mich über den Winter zurückziehen.“

Aber da hatte dieses Flatterwesen nicht mit dem Herrn der Nattern gerechnet. Cernun kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.

„Wage es nicht …“

„Ihr wagt es besser Eurerseits nicht, wenn Ihr denn plant, hier Euer Nest zu bauen, Cernunos. Ihr seid uns als Zuschauer herzlich willkommen, Schlagenherr, aber mehr auch nicht. Geht und knabbert weiter an Euren Mäusekadavern, aber lasst uns unsere Probleme allein austragen.“

Wider Erwarten empfand Cernun Hochachtung für die Frau, die hier ja offenbar die Vertreterin der Luftdämonie darstellte. Diese sogenannten Engel waren bekannt dafür, sich überall einzumischen. Allerdings kannte man sie auch als überaus mächtige Wesen. Unter deren wunderschöner Haut und dem lieblichen Gebaren steckten ungeahnte magische Kräfte und ein eiserner Wille.

Nun griff sie doch tatsächlich in den hauchzarten Beutel, der von ihrem Gürtel hing und warf ihm eine Maus zu. Und was tat er, den einstmals hoch oben im Nordlande Generationen von Menschen verehrt hatten? Er, der hochgeachtete Cernunos, fing das Tierchen mit dem Mund.

Die Dämonen der Unterwelt und des Himmels kicherten gemeinsam auf.

Echt toll gemacht, gottgleiche Otter.

„Nun, da die Schlange ruhig gestellt scheint, lasst uns weiterverhandeln.“ Damian blies sich auf, dass der Qualm aus seinen Ohren schoss.

Limats Hand gebot Ruhe.

„Lass es mich zusammenfassen. Du, Damian aus dem Blutfels erklärst dich bereit, zur Mutternacht meinen Beutel zu tragen und gemeinsam mit mir aufzutreten, weigerst dich allerdings, an der heiligen Holle Jagd um den Hörselenberg teilzunehmen.“

Damian holte tief Luft und nickte kurz angebunden.

„Das genügt mir aber nicht. Entweder, du reitest mit mir zur Jagd oder ich muss darauf bestehen, dass du mich nicht nur einmal begleitest, wenn ich die Menschen besuche.“ Damian blähte sich zur doppelten Größe auf.

„Vergiss es.“

„Dann vergiss das Turnier.“

Als Cernun endlich die Maus heruntergewürgt hatte, sie erwies sich als größer als gedacht, winkte die Weiße ihn zu sich. Auf ein Fingerschnippen ihrerseits hin erschienen ein Blatt Pergament, Feder und ein großes Tintenfass.

„Cernunos, Ihr übernehmt das Zeugenamt.“

Was blieb ihm schon anderes übrig.

Die Feder kratzte immer wieder auf dem hellen Blatt, als diese, wie von Geisterhand geführt, Zeile um Zeile niederschrieb. Dann endlich beugte sich die dämonische Jungfer darüber und unterschrieb mit schwungvollen Buchstaben, bevor sie die Feder an Damian reichte. Letztendlich war es an Cernun, den Inhalt des Vertrages laut vorzutragen und gegenzuzeichnen.

„Wir, Limat und Damian, vereinbaren vor dem Zeugen Cernunos vom Nordlicht, dass Damian, Dämon aus dem Blutfels, Limat, ihres Zeichens Luftdämon und engelsgleiche Jungfer von himmlischer Geburt,“ Cernun verdrehte die Augen, aber zu seiner großen Verwunderung lachte hier niemand über die Formulierung, „jährlich zur heiligen Mutternacht, der Nacht, in der die Wiedergeburt des Lichtes und die Hoffnung seit Urzeiten und die heilige Christennacht seit Neuestem, gefeiert wird, zur Hand geht und die Rolle des strafenden Begleiters einzunehmen bereit ist. Im Gegenzug verpflichtet sich die lichte, wundervolle Limat, jedes Jahr zur Thomasnacht, der längsten Nacht im Decembrus, die Stellung als Turniermeisterin und Richterin über den Kampf der Feuerdämonie einzunehmen und nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen.

Gezeichnet:

Limat, Damian und Cernunos.“

Cernun schüttelte den Kopf.

Was für ein Vertrag. Den musste man mindestens dreimal lesen, um ihn zur Gänze zu verstehen.

Nachdem er alles den beiden Parteien verlesen hatte, reichten sie sich die Hände. Dampf und stinkender Qualm stiegen gleichzeitig auf, als die Handflächen sich berührten.

„Nun denn, dann lasst uns rasch beginnen.“

Damian rieb sich die Hände und seine Begleiter steckten die Köpfe mit ihm zusammen.

Limat hingegen kam auf Cernun zu und reichte diesem ihre Hand.

„Willkommen am Rynestig, Otternherr. Möge die neue Heimat für Euch ein gutes Land sein.“

Dann löste sie sich in eine feuchte Nebelwolke auf und stieg als Spirale nach oben.

In die Flammendämonen kam Leben. Geschäftig flüsternd entzündeten sie mehrere bereitliegende Holzhaufen und erhellten damit die weitläufige Lichtung.

Der etwas einfältig wirkende Riese, der als der dritte Dämon im Bunde bislang kein einziges Wort gesagt hatte, kam auf den frierenden Cernun zu.

„Setz dich dort zu einem der Feuer, damit dir warm wird, Herr Schlange.“

Cernunos schmunzelte und ließ sich auf einem der bereit liegenden Baumstämme nieder. Es tat wahrhaftig gut, die Füße dicht ans züngelnde Feuer zu halten und sich einmal wieder so richtig durchwärmen zu lassen. Die Dämonen hatten unterdessen begonnen, das Unterholz am Rande der Lichtung abzufackeln und eine Schneise, die nur mit niedrigem Gehölz überwuchert schien, freizuräumen.

Cernun zog die Stirn kraus. Welche Art Turnier planten diese Feuerwerfer? Den üblichen Ritterkämpfen sahen die Vorbereitungen, welche das Trio hier eifrig traf, so überhaupt nicht ähnlich.

 

Der Schlangenmann stöhnte auf, als er die bevorstehende Ankunft neuer Mitspieler, oder zumindest Gäste, bemerkte. Wo war er hier nur hingeraten? Da die Dämonen sich nicht bei ihren Vorbereitungen stören ließen, schloss Cernun, dass die Neuankömmlinge keine Feinde waren.

Das Getrappel von vorerst nur vier Pfoten und der ekelhafte Gestank, der zu dieser Rasse gehörte, kündigte einen von Wodens pelzigen Verwandten an. Aufgrund dessen Hinweises, dass sein Bruder in der Umgebung der kleinen Stadt am Südhang der Berge heimisch wäre, hatte sich Cernun in diese Richtung gewandt. Der große, aggressive Nordwolf war ihm bei seiner überstürzten Flucht aus den Mooren am Rande des Tagesdunklen Landes behilflich gewesen. Ein außer Kontrolle geratener Mondwolf hatte dort vor einigen Jahren begonnen, Jagd auf alle Wesen der magischen Welt zu machen. Fenrir war es dann auch gewesen, der Cernun von seiner über alles geliebten Tochter Brigid getrennt und gefangen genommen hatte. Nur Woden, der Anführer der angestammten Wolfsritter seiner Heimat, hatte es gewagt, den Schlangenkönig, wie sie ihn nannten, aus seinem Verlies zu schmuggeln und außer Landes zu bringen. Jetzt stand offenbar ein erstes Treffen mit dem hiesigen Rudel auf Cernuns Tagesordnung.

 

„Otter.“

„Wolf.“

Cernun sah von den Bucheckern auf, die er von einer Hand in die andere gleiten ließ und blickte in goldfarbene Augen. Vor ihm stand ein großgewachsener Mann, der gerade ein dunkelrotes Wams überstreifte. Offensichtlich hatte er sich nur einen Augenblick vorher verwandelt.

„Du siehst Woden gar nicht ähnlich.“Der Wolfsritter grinste.

„Unser Vater war ein umtriebiger Streuner, verehrter Herr Cernun. Wir sind in den verschiedensten Teilen der Welt zu finden.“ Der Ritter reichte ihm eine Hand. „Ich bin Otto Conrad von der Wallenburg. Derzeit Otto.“

Cernun nickte. Die Langlebigkeit vieler Wesen machte es nicht ganz einfach zu verschleiern, dass sie kaum alterten. Hin und wieder galt es, sich einen anderen Namen oder gar eine neue Heimat zu suchen, wollte man sich in der menschlichen Gesellschaft bewegen.

„Unser teuflisches Flammenheer hast du offenbar schon kennengelernt.“ Conrad, oder besser Otto, schaute den drei Dämonen höchst interessiert zu.

Cernun folgte dem Blick des Wolfsmannes.

„Nimmt das Rudel auch am Turnier teil?“

Otto begann lauthals zu lachen, verschluckte sich gar.

„Wo denkst du hin, Spaltzunge. Wir behalten unsere Köpfe lieber auf den Schultern.“

Welch eigenartige Aussage. Ging es den Dämonen etwa wirklich darum, zu töten? Ein Blutvergießen kurz vor der der Wiedergeburt des Lichtes zu veranstalten?

Otto warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und rang nach Luft. Er hatte die richtigen Schlüsse gezogen und fand Cernuns Gedanken offenbar zum Ersticken lustig.

Dann strich er sich schmunzelnd den Bart glatt.

„Es ist nicht so, wie du denkst. Unser aller Lieblingsdämonen frönen alljährlich in der ersten der Raunächte dem Kegelspiel. Warte einfach ab, dann wirst du schon verstehen, warum das Rudel sich aus diesem Spektakulum herauszuhalten pflegt.“

Cernun schüttelte den Kopf und legte diesen in die Hände. In seiner alten Heimat waren die Dämonen der Flammenebene für ihre allgegenwärtige Zerstörungswut bekannt geworden. Wo immer sie an der Oberfläche auftauchten, hinterließen sie nur Blut, Tränen und immense Zerstörung.

Die Biester existierten außerdem, soweit es bekannt war, allein. Sie waren reinste Einzelgänger. Schon, dass sich an diesem Abend bereits drei von ihnen einträchtig zusammengefunden hatten, grenzte nach Cernuns Erfahrungen an ein gewaltiges Wunder. Und das ebenso, wie es verwunderlich schien, dass der die Lichtung umgebende Wald noch nicht lichterloh brannte.

Während Otto sich genüsslich stöhnend neben Cernun am Feuer niederließ, wandte dieser den Blick nicht von den schwarzen Männern mit den züngelnden Flämmchen an den Händen ab. So ganz geheuer waren sie ihm nach wie vor nicht. Davon abgesehen würde die Hölle zufrieren, bevor er dem dämonischen Pack vertraute.

 

Cernun wärmte sich die Hände (am Feuer), während das qualmende Trio auch noch die letzten Brombeerranken auf einen großen Haufen schichtete und dann zu graben begann.

Otto streckte währenddessen die Beine aus und machte es sich bequem.

Von fern erklang ein fragendes Heulen. Als ein zweiter und noch ein dritter Ton einstimmten, hob der Graf von der in der Nähe gelegenen Wallenburg das Gesicht zum Himmel und stieß einige klagend klingende Jauler aus.

Prompt antwortete sein Rudel mit einem vielstimmigen Jammergesang. Während Cernun das Grauen abschüttelte, welches die Rufe der Wölfe nach wie vor in ihm erzeugten, flammten über die Lichtung verteilt kleine Feuer auf.

Der Schlangenherr zuckte zusammen. Das Ganze wurde so langsam wirklich absurd. Mindestens zehn weitere Flammenläufer materialisierten nämlich gerade über den Stichflammen der Feuer und wischten sich dann staubfeine Rußflocken von den nachtschwarzen Kleidern. Das folgende flammende Gewusel stellte Cernun die Schuppen auf. So viele von denen hatte er noch niemals auf einem Haufen gesehen. Nicht, dass er überhaupt in der Lage gewesen wäre, sich so etwas auch nur ansatzweise vorzustellen. Aus den Einzelgängern waren offenbar in dieser Nacht Rudeldämonen geworden. Gemeinsam räumten die qualmenden Kerle nun das restliche Unterholz beiseite und gruben eine lange Rille in den Boden. Dabei ließen sie das grobe Strauchwerk einfach unter ihren Händen zu feiner Asche zerfallen.

Bis ein greller Schrei ertönte, welcher von einem lauten Gezeter abgelöst wurde.

Eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, schälte sich aus einem Haufen Astwerk und Zweige, die die Feuerläufer unbedacht auf einen wilden Haufen geworfen hatten. Die Kleine baute sich völlig angstfrei und mit in die Seiten gestemmten Fäusten vor einer Gruppe Dämonen auf und begann, diesen eine Strafpredigt zu halten. Cernun nahm sich vor, schnellstens den Dialekt der Gegend zu erlernen, um ja nicht noch einmal ein solches Schauspiel nur halb zu verstehen.

Er neigte den Kopf, um das Mädchen besser betrachten zu können. Ihr fliederfarbenes Kleid war nach der neuesten Mode geschneidert worden und das Haar fiel in einem schweren, geflochtenen Zopf bis zur wohlgeformten Rundung ihres Hinterteils hinab. Unter dem Saum ihrer Röcke schauten zwei zierliche, nackte Füße hervor. Der Duft von erhitztem Flieder hing urplötzlich schwer in der Luft, was Cernun zu der Erkenntnis brachte, dass die dämlichen Dämonen einen Fliederstrauch gefällt und damit den Zorn der dort lebenden Dryade auf sich gezogen hatten. Er zog zischend die Luft ein.

Otto lachte auf.

„Das hätten sie mal lieber lassen sollen, die kleine Syringa hat bekannterweise jede Menge Haare auf den hübschen, blütenweißen Zähnchen.“

Während sich die Dämonen im weiten Kreis um die wütende Baumfrau scharten, erklang vom Rand der Lichtung ein wütendes Heulen. Ein weiterer Wolf sprang mit vollem Schwung zwischen die etwas ratlos wirkenden Feuermänner und trieb die Dämonen mit hochgezogenen Lefzen zurück. Sein Geifer spritzte über die murrenden Flammenläufer, als er voller Elan die vermeintlich hilflose Dryade zu verteidigen suchte.

 

Cernun wandte den Kopf zu dem Wolfsritter neben ihm, als Otto aufstöhnte und sich die Kleider vom Leib riss. Nur ein Augenzwinkern dauerte es und schon warf sich der gewaltige Wolf auf den, der gerade so eindrucksvoll die Dryade beschützte. Otto sparte sich jegliches Federlesen, erwischte den kleineren Wolf im Nacken und zerrte diesen unter Auferbietung all seiner Kräfte zu dem Feuer, an welchem Cernun sich nach wie vor die Füße wärmte.

Die beiden Körper verschoben sich und Ottos eindrucksvolles Gebiss löste sich aus dem Genick eines jungen Burschen, der ihn wütend anfunkelte.

Aber der Graf ließ sich überhaupt nicht von den Blicken seines Gegenübers beeindrucken. Otto baute sich vor ihm in seiner eindrucksvollen Größe und Gestalt auf.

„Sag mal, bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen?“

Der Jüngere schüttelte sich und starrte Otto stinksauer in die Augen.

„Die haben einfach ihren Baum fällen wollen.“

„Und da wirfst du dich einfach einmal zwischen eine Gruppe Flammendämonen? Sag mal, bist du lebensmüde?“

Bevor der Streit Fahrt aufnehmen konnte, räusperte Cernun sich und ließ seine Zunge kurz über eines seiner Augen gleiten.

Was die Aufmerksamkeit der Wolfsmänner schneller auf ihn brachte, als es jeder Hustenanfall gekonnt hätte. Otto wandte sich seinem Mitwolf ab und verdrehte die Augen.

„Verehrter Herr des Otterngezüchts, darf ich dir meinen offenbar wahnsinnig gewordenen Sohn Johannes von der Wallenburg vorstellen?“

Ebenjener Johannes funkelte seinen Vater nun mit wütenden Blicken an, der ihm seinerseits unsanft den Ellenbogen in die Seite stieß. Johannes spiegelte das schlechte Benehmen seines Vaters, als er genervt die Augen zum Himmel drehte.

„Ist ja schon gut. Willkommen in der Gegend, möge die Mäusejagd immer erfolgreich sein.“

Cernun verdrehte nun ebenfalls die Augen und musste das Schmunzeln, welches in ihm aufzusteigen drohte, unterdrücken. Offenbar färbten schlechte Angewohnheiten rasend schnell ab.

 

So langsam wurde es hier wirklich lebendig. Cernun bekam Schwierigkeiten, sämtliche Einzelheiten des Geschehens im Blick zu behalten, obwohl er sich doch vorgenommen hatte, das ganze Turnier zu genießen. Hinter der Gruppe erklangen Schritte und Damian schob die zankende und hemmungslos zappelnde Baumfrau in Johannes‘ Arme.

„Sieh zu, dass sie sich beruhigt, Wolf. Ihrem Sträuchlein wird schon nichts geschehen. Könnt es ja umpflanzen, wenn ihr uns nicht traut.“ Die Dryade war in Cernuns Augen, ebenso wie ihr Retter, ihres Lebens überdrüssig, denn sie streckte dem Dämon frech die Zunge heraus. Aber dennoch wich der dunkle Mann zurück, als die Frau leise zu meckern begann.

Wie eine Ziege.

Otto trat entschlossen zwischen die beiden.

„Lasst es bleiben.“ Er hob den Kopf und sah Damian in die Augen. „Achtet gefälligst auf die Bäume der Dryaden. Und ihr, verehrte Bäumlinge,“ er neigte sich der in violett gekleideten Jungfer zu, „Lasst sie spielen. Soweit ich informiert bin, ist Limat die Richterin. Sie würde niemals einen eurer Bäume zu Schaden kommen lassen.“

 

Die vom Feuer ausgehende Wärme hatte Cernun endlich einmal wieder völlig auftauen lassen und erstmals seit sehr langer Zeit keimte Hoffnung in ihm auf. Vielleicht würde er sich hier doch schneller heimisch fühlen, als er noch Stunden vorher geglaubt hatte. Die Gemeinschaft mit ihren so verschiedenen Wesen, den Streitereien und der unübersehbaren Zuneigung zueinander gefielen ihm. Es war ungewohnt, solch eine Mischung der magischen Welt auf einem Platz zu beobachten, vor allem, wenn sie sich nicht die Köpfe einschlugen, aber es sagte ihm wahrhaftig zu.