Flinke Fäuste - Flinke Füße - Sandra Busch - E-Book

Flinke Fäuste - Flinke Füße E-Book

Sandra Busch

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Beschreibung

Hartnäckig hält Frederick an seinem Traum fest. Er will Profitänzer werden und ein Stipendium ergattern, das ihm eine Ausbildung an einer renommierten Tanzschule ermöglicht. Denn eigenes Geld für eine Tanzausbildung besitzt Frederick nicht. Um proben zu können, jobbt er in einem Boxclub. Dort lernt er Broder kennen, der in dem Gym hobbymäßig die Fäuste schwingt. Broder bietet ihm eine starke Schulter, denn Frederick muss sich nicht nur mit einem alkoholkranken Vater herumschlagen, sondern trägt obendrein die Verantwortung für seine junge Stiefmutter und zwei kleine Halbgeschwister. Mit Talent und harter Arbeit kommt Frederick seinem Traum zum Greifen nah. Aber das Schicksal scheint es nicht gut mit ihm zu meinen.

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Seitenzahl: 480

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Flinke Fäuste – Flinke Füße

Ein Roman

von

Sandra Busch

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2019

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Maksim Shmeljov – shutterstock.com

© theartofphoto – stock.adobe.com

1. Auflage

ISBN 979-3-96089-332-5

ISBN 978-3-96089-333-2 (epub)

Inhalt:

Hartnäckig hält Frederick an seinem Traum fest. Er will Profitänzer werden und ein Stipendium ergattern, das ihm eine Ausbildung an einer renommierten Tanzschule ermöglicht. Denn eigenes Geld für eine Tanzausbildung besitzt Frederick nicht.

Um proben zu können, jobbt er in einem Boxclub. Dort lernt er Broder kennen, der in dem Gym hobbymäßig die Fäuste schwingt. Broder bietet ihm eine starke Schulter, denn Frederick muss sich nicht nur mit einem alkoholkranken Vater herumschlagen, sondern trägt obendrein die Verantwortung für seine junge Stiefmutter und zwei kleine Halbgeschwister.

Eins

Broder wickelte sich gerade sorgfältig die Bandagen um die Hände, als ihn lautes Gegröle und Gejohle aufhorchen ließ. Er strich sich eine weizenblonde Haarsträhne aus dem Gesicht und klemmte sie hinter sein Ohr. Der Tumult klang anders als das übliche anfeuernde Geschrei während eines Übungskampfes. Dieses Gebrüll hörte sich eher nach Schadenfreude an. Irritiert runzelte er die Stirn. Neugierig geworden klappte er seine Spindtür zu und bewegte sich auf den Lärm zu, der mitten aus dem Gym drang. Eine ganze Gruppe Jungs, die regelmäßig zum Training in den BC Faust Hoch e.V. kamen, umringten dort irgendein gedemütigtes Individuum und machten sich über den armen Kerl lustig. Wer das Ziel der allgemeinen Erheiterung war, konnte Broder bislang nicht erkennen. Gespannt trat er näher und reckte den Hals, um einen Blick auf den Unglücksvogel zu werfen. Überrascht zog er schließlich die Brauen hoch. Ausgerechnet den stillen, sonst emsig umherhuschenden Frederick Bartsch hatten sich die Jungs als Opfer auserkoren. Der kauerte am Boden, das Gesicht knallrot angelaufen und die Lippen fest zusammengepresst. Rings um ihn herum verstreut lag der Inhalt seiner Sporttasche. Hellbraune Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und er hatte die Hände wie ein Boxer geballt. Dabei war Frederick der Einzige im Club, der nicht boxte. Er hatte hier lediglich einen Aushilfsjob als Mädchen für alles. Wie eine kleine, flinke Maus war Frederick immer dort, wo Mineralwasser, ein Eisbeutel oder ein Handtuch benötigt wurde. Unauffällig und doch stets zur Stelle.

„Bist du eine Schwuchtel oder was?“ Axel, der Champion des Clubs, hielt ein Kleidungsstück in seinen gewaltigen Pranken, das Broder erst nach genauerem Hinschauen als eine Art Strumpfhose identifizierte. „Bist du etwa eine kleine Primaballerina?“

Frederick gab keine Antwort, dafür wechselte sein Gesicht von extrem rot zu erschreckend weiß. Er hielt den Kopf gesenkt und begann seine Klamotten zurück in die Sporttasche zu stopfen. Axel wertete sein Schweigen als Zustimmung.

„Ha! Eine Schwuchtel. Und so jemand jobbt in unserem Gym! Hast du dich an unseren Muskeln aufgeilen wollen, du Sau?“

Prompt herrschte Totenstille. Schlagartig verstummte jegliches Gelächter und Gekicher. Jeder schien zu überlegen, ob er ungewollt als Sexobjekt gedient hatte. Plötzlich wurde Frederick wie Abschaum begutachtet. Mit einer verächtlichen Geste warf Axel ihm die Strumpfhose ins Gesicht.

„Heckpopper!“

Endlich schien es Frederick zu reichen. Wütend sprang er auf und starrte Axel an.

„Und? Hast du jetzt Angst, ich könnte über dich herfallen?“, raunzte er. „Oder willst du das insgeheim sogar? Bist du in Wirklichkeit scharf darauf, es mit einem Mann zu treiben und verbirgst das bloß mit deinen dämlichen Beleidigungen?“

Broder hielt den Atem an.

Fehler!, meldete sein Verstand. Ein böser Fehler!

Eine solch heftige Entgegnung hätte er Frederick überhaupt nicht zugetraut. Der war, um es vorsichtig zu umschreiben, mit Abstand das schmalste Heft im Club. Sehr schlank, wenn er auch zäh wirkte. Dagegen war Axel ein wahrer Schrank, muskelbepackt, der reinste Stier. Und der sah genau in dieser Sekunde rot. Im nächsten Moment ging Frederick ächzend zu Boden.

Niemand trat Axel in den Weg.

Niemand fing Frederick auf.

Sämtliche Kerle standen da und glotzten blöd aus der Wäsche. Und Broder hatte seinen Platz zu weit hinten, als dass er Axel rechtzeitig in den Arm hätte fallen können. Allerdings drängelte er sich nun gewaltsam zu Frederick durch, der zusammengekrümmt am Boden hockte und die Hände auf sein Auge drückte.

„Mann! Du kannst ihm doch nicht derartig eine ballern! Bist du wahnsinnig?“, fauchte er Axel empört über die Schulter hinweg an und versuchte an Fredericks verkrampften Fingern vorbei das Ausmaß der Verletzung zu erkennen.

„Halt dich da raus, Broder. Wer weiß, wie oft mir die Schwuchtel beim Duschen auf den Schwanz gestarrt hat?“

„Zum einen gibt es da nicht viel zu bewundern und zum anderen habe ich Frederick nie in der Dusche bemerkt. Was soll er denn da, wenn er nicht trainiert?“ Er half Frederick auf die Füße und versuchte, ihm die Hände aus dem Gesicht zu ziehen. „Das muss gekühlt werden, Freddy.“

„Ich heiße nicht Freddy“, zischte der wütend. Tränen liefen ihm zwischen den Fingern hindurch und über die Wangen. Kein Wunder nach dem heftigen Hieb.

„Was ist hier los? Kann man euch nicht wenigstens ein paar Minuten allein lassen?“ Coach Bird kam angelaufen und unversehens hatte es jedermann eilig, zum Training zurückzukehren. Bird brauchte keine drei Atemzüge, um die Lage zu erfassen.

„Axel, warst du das? Ich habe dir bereits vor Wochen gesagt, dass ich dich aus dem Club werfe, wenn du deine Aggressionen nicht beherrschen kannst. Deine Fäuste sind Waffen, du musst sie unter Kontrolle behalten.“

„Nie im Leben würden Sie Ihren Champion feuern“, behauptete Axel großspurig. „Erst recht nicht wegen der Schwuchtel da.“

„Täusch dich nicht“, sagte Bird gefährlich leise, legte Frederick einen Arm um die Schulter und führte ihn in sein Büro, wo nicht nur der Erste-Hilfe-Kasten stand, sondern in einem Kühlschrank vorsorglich Sportgel und Coolpacks lagerten.

„Verletzung betrachten … Eisbeutel …“, hörte Broder ihn brummen, bevor er sich zu Axel umdrehte.

„Du kannst nicht einfach jemanden umhauen, bloß weil er schwul ist und eine Strumpfhose in seiner Tasche hat. Wieso war überhaupt Fredericks komplette Tasche ausgekippt?“

„Warum sollte dich das etwas angehen?“

„Vielleicht weil ich ebenfalls schwul bin und du möglicherweise als Nächstes in meinen Sachen wühlen willst.“

Axel starrte ihn verblüfft an, ehe er laut loslachte. „Guter Witz.“

„Kein Witz. Nicht jeder Schwule ist tuntig oder ein halbes Hemd. Wenn du diese Strumpfhose nicht gefunden hättest, wärst du gar nicht auf die Idee gekommen, dass Frederick ein Homo ist.“

Axel verschränkte die Arme vor der Brust. Muskeln quollen in sämtliche Richtungen. „Die Ballerina mag ja eine Schwuchtel sein, aber du doch nicht.“

Broder beugte sich etwas vor. „Glaube mir, ich bin stockschwul. Deswegen kann ich deinen heiligen Schwanz so gut beurteilen, und der ist keineswegs in Gefahr, von einem Homo beachtet zu werden. Genauso wenig wie dein haariger Pavianarsch.“

Axels Miene wurde von Sekunde zu Sekunde finsterer. „Du bist eine Schwuchtel?“, hakte er ungläubig nach.

„Hast wohl gar nicht gemerkt, wie ich beim Anblick deines nackten Körpers unter der Dusche jedes Mal in Ohnmacht geplumpst bin, was?“, sagte Broder spottend. „Willst du mir jetzt wie Frederick eins auf die Fresse geben oder traust du dich bei mir nicht?“ Er merkte, wie einige Jungs in der Nähe erneut ihre Übungen unterbrachen und die Ohren spitzten.

Axel grummelte irgendetwas Unverständliches.

„Feigling!“ Das rutschte Broder laut und deutlich heraus. Im nächsten Moment hätte er sich die Zunge abbeißen können. Schließlich war Axel mit Abstand der bessere Boxer. Ihn herauszufordern grenzte an Selbstmord. Warum er denselben Fehler wie Frederick machte, wusste er nicht zu sagen. Dabei hatte er ja beobachten können, wie es für den ausgegangen war.

Ohne ein weiteres Wort griff Axel nach seinem Kopfschutz, den sie stets bei Probekämpfen aufsetzten, und streifte sich die Handschuhe über. Für einen strategischen Rückzug war es damit zu spät.

Du lässt dich für sämtliche Schwulen dieser Welt zusammenschlagen, dachte Broder resigniert, als er tapfer seine eigenen Handschuhe anzog und zu Axel in den Ring stieg. Sofort nahm der die Fäuste hoch und ging in Stellung.

„Ich hoffe, dass du einen ordentlichen Bumms mitbringst. Nicht dass du wie ein Mädchen schlägst und man den Eindruck bekommt, du wärst selbst schwul.“ Die Worte sprudelten einfach ungewollt aus Broder heraus. Versuchte sein Unterbewusstsein damit zu erreichen, dass seine Niederlage möglichst schnell und unspektakulär erfolgte?

Eine Zuschauermenge sammelte sich um den Ring, was sein Magendrücken verstärkte. Außerdem bemerkte er den Coach und Frederick in der Bürotür. Bird griff allerdings nie in Auseinandersetzungen ein, wenn diese fair abliefen. Zumindest konnte er darauf hoffen, dass jemand einen Krankenwagen rief, wenn er genug verprügelt worden war.

„Trägst du auch Strumpfhosen, Mokkastecher?“, knurrte es angefressen zurück. „Bist du genauso eine Ballerina wie die kleine Tunte?“ Axels Lippen verzogen sich zu einem überheblichen Grinsen. Und er eröffnete ihren Kampf. Broder konnte dem ersten blitzschnellen Jab ausweichen, weil er ein kurzes Zucken in Axels Führhand bemerkt hatte. Er konterte mit einem heftigen Uppercut, in den er seinen ganzen Ärger, seinen ganzen Frust über diese verdammte Intoleranz legte – und traf zu seiner größten Überraschung. Axel musste geglaubt haben, dass er ihn mit seinem ersten Schlag umhauen würde. Stattdessen erwischte er Axels Kinn mit einem perfekten Aufwärtshaken, registrierte wie in Zeitlupe, dass Axel die Augen verdrehte und wie ein nasser Sack umfiel.

„Zehn, neun, acht …“, begann jemand ehrfürchtig zu zählen. Axel regte sich schwach, während Broder völlig fassungslos dastand und auf das Arschloch hinunterstarrte. Coach Bird kletterte zu ihnen in den Ring, kniete neben Axel nieder und gab ihm einige leichte Klapse auf die Wangen. Axel versuchte sich aufzurichten, sackte jedoch gleich erneut zusammen.

„…vier, drei, zwei, eins. Aus!“

Beinahe hätte Broder Beifall erwartet. Beinahe. Stattdessen herrschte andächtiges Schweigen. Die Ehrfurcht, dass jemand … er, Broder, … ihren Champion ausgeknocked hatte, war fast greifbar. Er war zu einem Gott aufgestiegen. Und wider Erwarten freute er sich nicht. Denn einer zeigte sich nicht begeistert und das war Frederick. Mit einem Eisbeutel auf der geschundenen Gesichtshälfte stand er abseits und wirkte auf Broder ziemlich verloren und einsam. Ein homosexueller Außenseiter in einem Club voller Testosteron und Muskelmasse. Broder seufzte und zog die Handschuhe aus. Was hatte er erwartet? Dankbarkeit, weil er sich wegen einem schwulen Artgenossen geboxt hatte?

„Das Training ist vorbei. Geht nach Hause.“ Birds Stimme unterbrach seine Gedankengänge. Dem Coach war es mittlerweile gelungen, Axel in eine sitzende Position aufzurichten. Dem Gesicht seines Champions merkte man es an, dass er sich verzweifelt bemühte zu begreifen, weshalb er am Boden saß.

„Bist du wieder klar im Kopf? Geht es dir gut?“, wollte Bird von ihm wissen, als sich die Zuschauer in Richtung der Duschen bewegten.

„Nichts passiert“, murmelte Axel, wobei er Broder hasserfüllt und ein wenig verwirrt anglotzte.

„Worum ging es bei eurer Auseinandersetzung? Na los, raus mit der Sprache!“

„Axel hat sich daran gestört, dass Frederick und ich schwul sind. Über Frederick hat er sich lustig gemacht“, brummte Broder. Ein weiterer böser Blick von Axel traf ihn.

„Und deswegen bekommt Frederick ein Veilchen? Weil er schwul ist?“ Bird wurde von einer Sekunde auf die andere zornig. Richtig zornig!

„Leute, ihr wisst, dass ich das in meinem Club nicht dulde. Vielleicht hat jemand von euch auch etwas gegen einen schokobraunen Coach?“ Bird war Afroamerikaner, seine Haut dunkel wie Mahagoni, die krausen Haare mittlerweile leicht ergraut. Vor ein paar Jahren war er ein erfolgreicher Boxer gewesen, bis er an jemanden geriet, der ihn zu einem getürkten Kampf verleiten wollte. Von dieser Minute an war er aus dem aktiven Sport ausgestiegen und hatte sein eigenes Gym eröffnet. Trainingsstunden bei Bird waren sehr begehrt und der BC Faust Hoch e.V. florierte. Natürlich schüttelten sie beide bei seiner Frage den Kopf, Axel genauso wie Broder.

„Das will ich gemeint haben. Immerhin entscheide ich, wer diesen Club betritt und hier trainiert. Und mir ist es egal, ob jemand schwul, hetero, kariert oder goldfarben ist, ob er Buddha verehrt oder den Satan anbetet. In diesem Club sind alle gleich, weil wir Sport lieben und Boxen insbesondere. Ich versuche nicht umsonst, euch Respekt voreinander beizubringen. Und damit meine ich nicht bloß Respekt vor dem Talent, das jemand mitbringt, sondern den Respekt einem menschlichen Individuum gegenüber. Axel, sollte ich eine einzige dumme Bemerkung über schwule Personen oder sonst einen ähnlich gearteten Ausrutscher von dir mitbekommen, fliegst du aus meinem Gym raus. Und mir ist es egal, ob du der Champion bist oder nicht. Ich will hier lediglich charaktermäßig einwandfreie Menschen um mich haben. Kapiert?“

Axel nickte abgehackt, was seine Wut verriet.

„Dann geh duschen. Broder, auf ein Wort bitte.“

Was mochte der Trainer von ihm wollen? Der äußerte sich nicht gleich, sondern beobachtete Axels steifen Abmarsch in Richtung der Umkleidekabinen.

Endlich wandte sich Bird mit einem Seufzen an ihn. „Es ist nett von dir, dass du für Frederick in die Bresche gesprungen bist.“

„Das war doch selbstverständlich“, entgegnete Broder ein bisschen peinlich berührt.

„Nein, das ist es nicht. Frederick jobbt hier für ein kleines Taschengeld sowie die Möglichkeit, nach eurem Training selbst zu üben. Sich irgendwo einen Probenraum anzumieten ist er finanziell nicht in der Lage, und da ich ihm vertraue, habe ich ihm mein Gym angeboten. Und hey! Er macht einen verdammt guten Job.“

Das stimmte. Seitdem Frederick im Club arbeitete, gab es stets frische Handtücher, der Seifenspender war genauso aufgefüllt wie die Trinkwasserspender. Und die Trainingsgeräte befanden sich in bester Ordnung. Nebenbei erledigte Frederick tausend andere Kleinigkeiten, die erst auffielen, wenn sie nicht gemacht wurden.

„Und was trainiert er?“, traute sich Broder zu fragen. Boxen war es ja wohl kaum. Bird sah ihn ernst an.

„Er tanzt“, sagte er schlicht.

„Tanzt …“ Broder merkte, dass ihm der Mund offen stehen blieb.

Natürlich!

Die Strumpfhose.

Unwillkürlich drehte er sich zu Frederick um, der inzwischen die neuen Trainingspläne aushängte. Prüfend musterte er dessen Körper. Viel zu erkennen war nicht, da Frederick wie üblich schlabberige Klamotten trug.

„Er ist verdammt gut.“ Coach Bird wirkte beeindruckt. „Und er arbeitet extrem hart für ein Stipendium einer Elite-Tanzschule. Jedes Jahr wird lediglich ein einziger Platz vergeben. Frederick hat es mit viel Fleiß bis zum Vortanzen geschafft. Allein das ist eine Auszeichnung.“

Warum erzählte ihm Bird das? Die Antwort auf diese Frage kam prompt:

„Du könntest es ebenfalls mit harter Arbeit schaffen, Broder. Ich habe dich gerade genau beobachtet. Du hast gute Reflexe und dein Uppercut war nicht von schlechten Eltern. Du hast eine Chance bemerkt und sie genutzt. Und du hattest den Mut, gegen Axel anzutreten.“

„Täuschen Sie sich da nicht, Coach.“ Broder lachte verlegen auf. „Ich hatte ganz schön Bammel.“

„Und trotzdem hast du deine Angst beherrscht und bist in den Ring gestiegen.“ Bird lächelte. „Wenn du möchtest, werde ich dich für die Landesmeisterschaften im nächsten Jahr trainieren. Du könntest zusammen mit Axel dorthin fahren.“

Broder verschlug es die Sprache. Ein Sondertraining mit Bird für die Landesmeisterschaften!

„Du musst es nicht gleich entscheiden. Ich weiß, dass das Boxen für dich ein Hobby ist, ein Ausgleich zur Arbeit. Denk trotzdem darüber nach und gib mir bis nächste Woche Bescheid …“

„Ich muss gar nicht nachdenken. Klar! Gern. Glauben Sie wirklich, ich könnte das schaffen?“, fiel Broder ihm ins Wort.

Bird lachte. „Würde ich es dir sonst anbieten? Also ist es abgemacht?“

„Abgemacht!“

Bird klopfte ihm auf die Schulter und kehrte in sein Büro zurück. Broder stand wie vom Donner gerührt da und versuchte sein Glück zu begreifen.

„Ja!“, rief er und sprang einmal jubelnd im Kreis. „Ja! Ja!“

Eine kleine Weile stand Frederick vor der Wohnungstür, den Schlüssel einsatzbereit in der Hand. Er hatte Kopfschmerzen und sein Auge war bis auf einen schmalen Spalt zugeschwollen. Zum Glück war nicht mehr passiert. Franklyn Bird hatte ihn freundlicherweise zum Arzt gefahren, weil er sichergehen wollte, dass er keinen bleibenden Schaden erlitten hatte. Nach dem Arztbesuch war Frederick in das Gym zurückgekehrt, hatte den hämmernden Schädel ignoriert und drei Stunden lang trainiert, geduscht, den Club abgeschlossen und war hinterher nach Hause gefahren. Und jetzt stand er hier vor der Tür und mochte gar nicht hinein.

Du kannst nicht im Treppenhaus übernachten, dachte er freudlos und öffnete. Schaler Mief schlug ihm aus der Drei-Zimmer-Wohnung entgegen. Egal wie häufig seine Stiefmutter lüftete, es roch ständig modrig und extrem nach Kneipe. Im Wohnzimmer, was gleichzeitig der Schlafraum seiner Eltern war, lief wie üblich der Fernseher. Aus dem Raum, den sich seine kleinen Halbgeschwister Pranee und Decha teilen mussten, drang das Streiten der kleinen Nervensägen, die längst hätten schlafen müssen. In der Küche klapperten Töpfe. Möglichst leise versuchte er in sein winziges Reich zu gelangen und glaubte schon, es unbemerkt zu schaffen, als die raue Stimme seines Vaters erklang:

„Freddy? Biste das?“

Das leichte Lallen fiel fremden Leuten kaum auf, aber Frederick war sich der Trunkenheit des Vaters viel zu bewusst, als dass er es hätte überhören können. Resignierend stellte er die Sporttasche in seinen zweckmäßig eingerichteten vier Wänden ab und ging ins Wohnzimmer hinüber. Sein Vater hockte zwischen der zerwühlten Bettwäsche auf dem ausgezogenen Schlafsofa, in der einen Hand die Bierflasche und in der anderen die Fernbedienung. Mit mürrischer Miene zappte er sich durch die Kanäle.

„Alles Schrott“, motzte er. „Ständige Wiederholungen. Nichts Neues.“

Wenn du zur Abwechslung mal arbeiten gehen würdest, wäre es dir unmöglich, jeden einzelnen Film zu kennen, dachte Frederick.

„Wo kommst’n her?“ Sein Vater kratzte sich das graue Brusthaar, das aus seinem Feinripphemd quoll. „Um die Uhrzeit?“

„Ich war beschäftigt.“

„Mit deiner Rumhopserei, wa’? Mein Sohn, die Balletttänzerin. Fehlt nu’ noch, dass du’n rosa Röckchen trägst.“

Frederick zog es vor, dazu zu schweigen. Diese Diskussion führten sie ständig. Gebracht hatte es bisher allerdings nichts.

„Wenne Decha schwul wird wie du, dreh ich dir’n Hals um.“

„Das ist echt lächerlich …“

„Statt rumzuhopsen, sollteste Geld ranschaffen.“

„Vielleicht müsstest du einfach deinen Arsch bewegen, anstatt den ganzen Tag auf dem Sofa zu hocken und in den Fernseher zu starren.“ Das hatte er sich nicht verkneifen können.

„Bitte?“ Sein Vater erhob sich. Er schwankte leicht, was bewies, dass er an diesem Abend mehr als sein übliches Tagespensum an Alk geschluckt hatte. „Bitte, wie wa’ das?“

„Tu nicht so, als hättest du mich nicht verstanden, du toller Ernährer der Familie.“

Prompt bekam er eine gescheuert. Frederick taumelte zurück und fasste sich dabei an die brennende Wange.

Na prächtig!

Als hätte das Axel-Veilchen nicht gereicht.

„Und nu hol mir ’n Bier.“ Sein Vater plumpste auf das Polster zurück und griff erneut nach der Fernbedienung. Mit einem leisen Fluch drehte sich Frederick um und ließ ihn allein.

Im Flur stand eine kleine, zierliche Gestalt und blickte ihm ängstlich entgegen. Seine thailändische Stiefmutter Sumire schüttelte traurig den Kopf.

„Derrick!“ Betroffen streckte sie die Finger nach dem zugeschwollenen Auge aus, ohne das Veilchen zu berühren. Stattdessen ergriff sie seine Hand und zog ihn in die peinlich saubere Küche.

„Was passiert?“, fragte sie mitleidig und begutachtete sein misshandeltes Gesicht.

„Ich will’n Bier!“, brüllte es aus dem Wohnzimmer. Sofort hastete Sumire mit einer Flasche davon, nur um gleich zu Frederick zurückzukehren, durch sein Haar zu streicheln und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.

„Tut weh?“, wollte sie wissen.

„Ein bisschen“, schwindelte er, dabei brummte ihm immer noch gehörig der Schädel. Er würde sich später aus dem Bad eine Tablette holen.

„Die Glückskekse nicht schlafen. Wollen vom großen Bruder ins Bett gebracht werden.“ Sumire lächelte ihn zaghaft an. „Ich machen Essen warm?“

„Das wäre prima. In der Zwischenzeit bringe ich die Kekse ins Bett.“

Frederick ging ins Kinderzimmer, wo sich der fünfjährige Decha weiterhin mit seiner vierjährigen Schwester Pranee stritt. Als sie ihn bemerkten, waren jedoch sämtliche Zwistigkeiten vergessen. Juchzend sprangen die beiden auf, um ihn zu umarmen.

„Derrick!“, riefen sie.

„Pscht! Vater wird böse, wenn ihr zu laut seid. Außerdem solltet ihr längst im Traumland sein. Es ist spät.“

„Du sollst uns ins Bett bringen“, kommandierte Decha energisch.

„Mich zuerst“, sagte Pranee bettelnd. Also hob Frederick seine kleine Halbschwester auf den Arm, trat zu ihrem Bett und ließ sie auf die Matratze plumpsen. Pranee kicherte und schlüpfte eilig unter die Decke.

„Hast du dich gestoßen, Derrick?“, fragte sie und hielt sich eines ihrer dunklen Kulleraugen zu.

„Ja. Euer großer Bruder war furchtbar ungeschickt.“

„Mama hat einen großen blauen Fleck auf der Schulter“, meldete sich Decha zu Wort. Frederick packte zu und warf ihn auf sein Bett, was Decha mit einem begeisterten Quietschen kommentierte.

„Ist Mama auch ungeschickt?“, fragte Pranee.

„Nein, Mama Sumire ist die wunderbarste Mama der Welt. Habt ihr bereits euer Nachtgebet gesprochen?“ Frederick bemühte sich um eine strenge Miene. Zwei dunkle Schöpfe wurden geschüttelt und zwei Paar Hände gefaltet.

„Alle meine Kuscheltiere deck' ich zu ganz sacht.

Der Katze und dem Känguru sag' ich nun gute Nacht“, sagten sie im Chor auf.

„In deinem Schutz, lieber Gott, kann ich ganz sicher sein.

Du hältst die Wacht die lange Nacht, so schlaf ich ruhig ein.

Schön ist dieser Tag gewesen, bette dankbar mich zur Ruh

Kuschel mich ins Sternenkissen, schließ meine Augen zu.

Spatz und Amsel sind nun still, Silberstern glänzt in der Nacht.

Lieber Gott, behüte mich, halt du über uns die Wacht.“

„Sehr schön.“ Frederick wuschelte Decha durch die schwarzen Haare und gab Pranee einen Kuss auf die Stirn. „Schlaft gut, ihr kleinen Glückskekse.“

„Derrick?“

„Was ist, Pranee?“

„Ich kann nicht schlafen.“

„Warum nicht?“

„Du hast Herrn Schröder vergessen“, sagte sie vorwurfsvoll.

Frederick lachte. „Das ist ja unverzeihlich.“ Schnell holte er den Stoffhasen, der auf dem Spieltisch der beiden Kinder lag, und steckte ihn zu Pranee unter die Decke.

„Derrick?“

„Ja?“

„Ich hab dich lieb“, murmelte Pranee.

„Ich hab dich genauso lieb“, rief Decha.

„Ihr seid die süßesten Glückskekse dieser Welt.“ Frederick löschte das Licht und zog die Tür hinter sich zu. Sumire lehnte in der Küchentür und lächelte ihn an.

„Du guter Junge“, erklärte sie voller Inbrunst. Frederick schob sie in die Küche.

„Hat er dich wieder geschlagen?“, fragte er und versuchte die aufkeimende Wut zu ersticken. Sumire begann Besteck aus der Schublade zu holen, um es nervös mit einem Küchenhandtuch zu polieren.

„Kuno zu viel getrunken“, gestand sie.

„Er säuft dauernd. Sumire, so geht das nicht weiter. Lass meinen Vater sausen. Er ist es nicht wert, dass du dir für ihn den Arsch aufreißt.“

Sumire deutete auf den Tisch, wo ein lecker aussehendes Abendessen vor sich hin dampfte. Gleich daneben lag eine Schachtel mit Schmerztabletten.

„Iss“, bat sie ihn. Folgsam setzte er sich und begann hungrig Nudeln und Sojasprossen zu verschlingen.

„Sumire, du darfst dir das nicht bieten lassen“, sagte er eindringlich mit vollem Mund. „Trenn dich von ihm.“

„Wenn ich machen, ich muss zurück nach Thailand.“

„Das stimmt nicht.“

„Derrick, dein Vater trinkt zu viel.“

„Ich weiß.“

„Heute wollte er Geld.“ Ängstlich schaute sie ihn an.

„Er hat dir das Haushaltsgeld abgenommen?“, fauchte Frederick und knallte die Essstäbchen auf den Teller. Unwillkürlich duckte sich seine Stiefmutter. Sie war eine winzige Frau, hübsch, mit langen schwarzen Haaren und einem Puppengesicht.

„Hat alles genommen.“

Frederick hätte vor Wut schreien können. Er kramte sofort in seiner Hosentasche herum und zog einen Zwanzig-Euro-Schein hervor, den er ihr auf den Tisch legte. „Mehr habe ich nicht.“

„Das reicht nicht für Rest des Monats.“

Das war ihm bewusst, denn der Monat hatte gerade erst angefangen.

„Ich werde zum Amt gehen und um einen Vorschuss bitten.“

Broder betrat seine Wohnung. Wie üblich wartete niemand auf ihn und die Zimmer waren dunkel. Ohne Licht einzuschalten ging er in die Küche, öffnete den Kühlschrank und schuf auf diese Weise für ein paar Sekunden eine kleine helle Oase. Mit einer Flasche Apfelschorle ließ er sich auf dem Sofa nieder und trank einen Schluck. Schließlich grinste Broder selig ins Dunkel. Bird wollte ihn für die Landesmeisterschaften. Wie geil war das denn? Und er hatte Axel umgehauen, dieses großkotzige Arschloch. Das war noch viel geiler.

Und Frederick war schwul.

Broder stutzte.

Sollte das jetzt auch geil sein?

Als Frederick vor drei Wochen im Gym begonnen hatte, überall dort einzugreifen, wo eine Hand benötigt wurde, waren ihm zunächst dessen scheue Blicke aufgefallen. Routinemäßig hatte er Fredericks Gestalt abgecheckt und war davon ausgegangen, dass unter den weiten Shirts ein schlanker Körper stecken musste. Das schmale Gesicht wurde von warmen braunen Augen dominiert. Broder hatte sich einmal hungrig und anerkennend über die Lippen geleckt und ihn danach bedauernd als Hete abgetan. Mit keinem Wort und keiner Geste hatte sich Frederick als schwul verraten. Von diesem Moment an hatte Broder ihn nicht weiter beachtet und das mit voller Absicht. Niemand saß gerne vor einer Schüssel saftiger Erdbeeren mit Schlagsahne, die ein Schild mit der Aufschrift Tabu

Zwei

Herr Wolter seufzte, als Frederick das Büro betrat und mit verlegener Miene auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz nahm.

„Die neuen Anträge sind erst in drei Monaten fällig, Herr Bartsch.“

„Ich weiß, Herr Wolter.“ Er zog mit dem Finger einen Kratzer auf der Schreibtischkante nach. „Mein Vater …“

„Sie benötigen einen Vorschuss, nicht wahr?“

Frederick nickte und starrte dabei auf die Tischplatte.

„Das artet allmählich in Gewohnheit aus. Ihr Vater gehört in eine Therapie. Was ist mit Ihrem Auge passiert? War das er?“

„Nein, ich hatte eine Auseinandersetzung bei meinem Nebenjob. Mein Vater trägt an dem Veilchen keine Schuld. Herr Wolter, meine Familie hat die Vorschüsse immer zurückgezahlt …“

„Und ich möchte nicht wissen, wie Sie sich dafür abgerackert haben“, fiel ihm der Mann ins Wort. „Allerdings ist das keine Lösung für Ihr Problem. Kann Ihre Stiefmutter nicht auf ihn einwirken?“

„Die fürchtet ihn. Daran hat sich nichts geändert.“

„Sie sollte wirklich ins Frauenhaus gehen und die Scheidung einreichen.“

„Das sage ich ihr ständig. Gibt es keine Möglichkeit, dass mein Vater das Geld gar nicht erst in die Finger bekommen kann?“ Hoffnungsvoll schaute Frederick den Beamten an. Der schien zu überlegen, kratzte sich das dichte braune Haar und rückte seine Brille zurecht.

„Ist Ihre Stiefmutter mit Ihnen gekommen?“

„Sie wartet vor der Tür. Es ist ihr peinlich, um Geld zu bitten.“ Es war ihm selbst peinlich, aber irgendjemand musste ja für einen gefüllten Kühlschrank sorgen.

Herr Wolter lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Holen Sie sie bitte herein. Ich habe eventuell eine Idee.“

Folgsam erhob sich Frederick, öffnete die Tür und winkte Sumire heran.

„Herr Wolter hat einen Vorschlag“, sagte er in aufmunterndem Ton, um seiner Stiefmutter die Angst zu nehmen. Angst hatte sie stets, wenn sie zur Behörde musste. Besser gesagt, Angst davor, abgeschoben zu werden. Dabei hatte sie eine Aufenthaltserlaubnis und zwei deutsche Kinder. Warum begriff sie nicht, dass sie nicht mehr nach Thailand zurückmusste? Selbst wenn sie seinen Vater verlassen würde? Zögernd trat sie näher, nickte dem Beamten einen schüchternen Gruß zu und ließ sich auf die äußerste Kante des zweiten Besucherstuhls nieder.

„Frau Bartsch, was halten Sie von Gutscheinen?“

Sumire verstand nicht, das konnte ihr Frederick von der Nasenspitze ablesen.

„Wie meinen Sie das?“, fragte er daher nach.

„Mit unseren Gutscheinen können Sie in jedem Lebensmittelmarkt einkaufen. Sollten Sie Kleidung oder Mobiliar brauchen, können Sie dafür ebenfalls entsprechende Gutscheine bekommen. Was man damit nicht kaufen kann, sind Alkohol und Zigaretten.“

„Kein Bier?“, hakte Sumire nach. Herr Wolter schüttelte den Kopf.

„Dann Kuno sehr böse. Er wird wissen wollen, warum.“

„Sagen Sie ihm einfach, es gäbe neue Vorschriften für Langzeitarbeitslose, die sich nicht um Arbeit bemühen. Also für Leute wie Ihren Mann.“

Ratlos wandte sich Sumire an Frederick.

„Ich halte es für eine gute Idee. Ob er nun mit Bier oder ohne Bier tobt, ist eigentlich völlig egal. Doch du kannst wenigstens Lebensmittel kaufen.“

„Und wenn Kuno zornig?“, wollte Sumire furchtsam wissen.

„Rufen Sie die Polizei und gehen Sie gemeinsam mit den Kindern ins Frauenhaus. Frau Bartsch, Sie sind nicht die Einzige, die es mit einem Trinker aushalten muss. Im Frauenhaus finden Sie Unterstützung und andere, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Sie könnten sich untereinander austauschen und einander helfen. Ansonsten kann ich Ihnen bloß dazu raten, Ihrem Mann klarzumachen, dass er unbedingt einen Entzug machen muss.“

Sumire nickte, aber Frederick wusste, dass die Worte des freundlichen Beamten für sie lediglich heiße Luft waren. Seine Stiefmutter war in ärmlichen und obendrein traditionellen Verhältnissen in einem winzigen Dorf bei Bangkok aufgewachsen. Dort hatte sie eine Erziehung genossen, die es ihr schwermachte, ihren gewalttätigen, saufenden Mann zu verlassen. Ihre Familie hatte sie regelrecht verkauft, um die übrigen acht Geschwister ernähren zu können. Für Sumire, die nie einen Beruf erlernen und obendrein kaum lesen und schreiben konnte, hatte es keine Alternative gegeben, als sich gegen ein paar tausend Euro mit einem vermeintlich reichen Deutschen verheiraten zu lassen. Das Geld hatte Kuno von Fredericks Sparbuch gestohlen, als dieser einmal unachtsam war und das kleine Büchlein, in dem er die ganzen Passwörter für Online-Banking und ähnliches auf dem Schreibtisch vergessen hatte. Als er das herausbekam, war Frederick fuchsteufelswild geworden. Das Geld stammte aus dem Erbe seiner an Leukämie verstorbenen Mutter und war für die Tanzausbildung bestimmt gewesen. Seitdem hatte er jegliche Achtung vor seinem Vater verloren, der das Geld innerhalb von drei Wochen in Thailand verprasste. Als er nach Hause zurückkam, brachte er Sumire mit.

Es blieb ihm überlassen, seiner jungen Stiefmutter die deutsche Sprache beizubringen und sie mit den Gepflogenheiten dieses Landes vertraut zu machen. Dabei entwickelte sich eine mehr als herzliche Bindung zwischen ihnen.

Es war Frederick, der Sumire mit einem Taxi ins Krankenhaus begleitete, nachdem ihre Fruchtblase geplatzt war und Decha zur Welt kommen wollte. Sein Vater lag zu diesem Zeitpunkt betrunken auf dem Sofa. Ein Jahr später wiederholte sich die Aktion, als Pranee geboren wurde. Erneut hatte er seiner Stiefmutter beistehen müssen, doch diesmal war er von der Hebamme die ganze Zeit für den Vater des Kindes gehalten worden. Es war schon immer sein Traum gewesen, eine Geburt live mitzuerleben. Mit Grausen dachte er heute daran zurück. Damals blieb zum Diskutieren oder für langatmige Erklärungen keine Zeit. Pranee hatte es eilig, ihre warme dunkle Höhle zu verlassen. Und es war ihm wie ein Wunder vorgekommen, als ihm die Hebamme das kleine Würmchen mit wohlmeinenden Glückwünschen für das junge Paar in den Arm legte. Frederick liebte seine Halbgeschwister und er liebte Sumire. Sein Vater konnte ihm dagegen gestohlen bleiben.

Herr Wolter hatte inzwischen die Gutscheine ausgestellt und schob sie Sumire über den Tisch zu.

„Ich gewähre Ihnen für diesen Monat einen Mehrbedarf. Das werde ich irgendwie vertreten können, sodass Sie diese Leistungen nicht zurückzahlen müssen. Das kann ich nur ausnahmsweise machen. Verstehen Sie das?“

Sumire nickte. Tränen standen in ihren Augen und sie wusste offensichtlich nicht, wie sie auf die unerwartete Freundlichkeit reagieren sollte.

„Wir haben großes Glück mit Ihnen, Herr Wolter.“ Frederick reichte dem Beamten die Hand.

„Was macht das Tanzen?“, erkundigte sich der. Als Sachbearbeiter der kompletten Familie wusste er über Fredericks Zukunftspläne Bescheid. Zum ersten Mal an diesem Tag stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen.

„Ich habe bald ein Vortanzen an der School of Modern Art Dance.“

„Das ist ja großartig!“

Wolters Begeisterung war echt. Kein blödes Geheuchel oder schlichter Small Talk. Dieser Mann freute sich wirklich für ihn. Warum konnte sein Vater nicht auf diese Weise reagieren?

„Ich sehr stolz auf Derrick.“ Sumire strahlte ihn an und drückte seine Hand. „Er hart arbeiten dafür.“

Das tat er. Er stand früh auf, um Pranee und Decha in den Kindergarten zu bringen und eine lange Runde zu joggen. Von zehn bis vierzehn Uhr verkaufte er auf Minijobbasis duftende und lecker gefüllte Kringel in einem Donutladen und ab fünfzehn Uhr jobbte er im Boxclub. Hinterher trainierte er wenigstens drei Stunden. Das waren die schönsten Stunden des Tages. Während er seinen Körper zur Höchstform zwang, über den Boxring wirbelte und sich dabei in der Musik und in den Bewegungen verlor, konnte er vollkommen abschalten. Es erschien ihm, als würde er sich in einer anderen Welt befinden, wenn er tanzte. Einer besseren Welt …

„Lassen Sie mich wissen, wie es ausgegangen ist, Herr Bartsch. Ich drücke Ihnen sämtliche Daumen, wobei Sie das bestimmt nicht nötig haben.“ Herr Wolter zwinkerte ihm zu.

„Ich kann sämtliche Glücksfeen dieser Welt an meiner Seite gebrauchen, die gerade frei haben. Daher bin ich für jeden Daumen sehr dankbar. Die Konkurrenz ist gnadenlos und schläft nicht. Ich dagegen muss sogar auf einen Trainer verzichten.“

Mit den wertvollen Gutscheinen verließen sie das Gebäude des Jobcenters. Sumire umklammerte fest Fredericks Hand. Sobald sie zu irgendeinem Amt musste, bekam sie das Gefühl, dass sie gleich von der Straße wegfangen und in Abschiebehaft gesteckt werden würde. Jetzt wirkte Sumire sichtlich erleichtert. Egal was man zu ihr sagte, sie wollte nicht glauben, dass sie in Deutschland bleiben durfte. Sämtliche Argumente und Begründungen verpufften an ihrer fixen Vorstellung, dass sie zurück nach Thailand geschickt würde. Und womöglich ohne ihre Kinder, die ihr ganzes Leben darstellten. Die Gedankenwelt seiner Stiefmutter war komplett mit Ängsten angefüllt. Wie in diesem Moment.

„Er wird wütend werden“, sagte sie bang.

„Ja.“ Das war Fakt und bedurfte eigentlich keiner Erwähnung. Und es zu leugnen, wäre überflüssige Luftverschwendung.

„Derrick, ich Angst habe.“

Beruhigend drückte er ihre Finger.

„Was wird er tun, wenn kein Geld für Bier?“ Sumires dunkle Augen suchten die seinen.

„Ich rede mit ihm und anschließend werden wir ja sehen, wie er reagiert. Vielleicht bekommt er irgendwann seinen Arsch hoch und macht endlich was.“ Frederick bemühte sich, möglichst gelassen zu klingen. Dabei war ihm selbst mulmig zumute. Sein Vater rastete oft aus, manchmal wegen der merkwürdigsten Nichtigkeit. Es war seine Aufgabe, Sumire und die Kinder vor dem Säufer zu beschützen. Eine Pflicht, der er kaum gewachsen war, schließlich war er oft unterwegs. Er seufzte und wünschte, Sumire würde in absehbarer Zeit den Schritt wagen, sich von Kuno zu trennen. Dann wären sie alle frei und er käme zur Ruhe.

Neidisch schaute er einer Familie hinterher, die vor ihnen eine Boutique verließ und die Straße überquerte. Der modisch gekleidete Vater trug seine Tochter auf dem Arm und pustete ihr in den Nacken, was die Kleine zum Lachen brachte. Seine Frau lief lächelnd neben ihm her und hatte einen Arm um die Hüfte ihres Mannes geschlungen. Wann hatte sein Vater jemals mit ihm gescherzt? Lediglich Sumire bedachte ihn mit einem liebevollen Lächeln. Kuno hatte seit Beginn seiner Erinnerungen mit der Flasche in der Hand geherrscht. Früher war er wenigstens noch arbeiten gegangen. Dafür war er nach der Schicht im Betrieb auch ohne Alkohol ungenießbar gewesen.

„Derrick.“ Sumire blieb stehen. „Du bist wundervoller Mensch. Was soll ich machen ohne dich?“

Frederick lächelte und küsste sie auf die Stirn. „Ich wünschte, ich hätte deine Stärke.“

„Du passt auf uns auf. Du bist mehr Mann als Kuno.“ Das waren große Worte für seine kleine Ersatzmama. Sie wirkte direkt ein bisschen erschrocken, als ob ihr die negative Äußerung über seinen Vater einfach so herausgerutscht war. Ihr Lob wärmte ihn, schließlich wusste er, dass Sumire stets aus dem Herzen sprach.

„Ich hole die Kinder ab. Du gehen in Laden?“

„Unsere Aufgabe liegt hauptsächlich in der Erfüllung der Verpflichtung staatlicher und kommunaler Stellen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen und Wegen“, hörte Broder seinen Kollegen Stephan hochtrabend dozieren. Der hatte ihren neuen Auszubildenden von der Verwaltung abgeholt und wollte ihn mit diesem salbungsvollen Vortrag in das ehrenwerte Amt des Straßenwärters einführen.

„Und hier sind wir bereits an unserem Einsatzfahrzeug. Merk dir gut, dass du stets deine Warnjacke anbehältst, sie wird dir eines Tages das Leben retten. Wir arbeiten nämlich bei laufendem Verkehr. Aber glaub nicht, dass irgendein Vollpfosten hinter dem Steuer seiner aufgemotzten Testosteronschleuder langsamer fährt, wenn er die Straßenwärter vor sich malochen sieht.“

In Stephans Begleitung bog ein junger Mann Mitte Zwanzig um den orangefarbenen Pritschenwagen, neben dem Broder stand. Der Fremde trug eine knallrote Brille, sein dunkles Haar war raspelkurz geschnitten und er wirkte von Stephans Tirade etwas belustigt.

„Und hier ist unser zweiter Mann.“ Stephan deutete auf ihn. „Broder, das ist Jannik. Jannik, das ist Broder. Broder ist schwul.“

Er verdrehte die Augen. Warum ihn Stephan jedem als homosexuell vorstellen musste, erschloss sich ihm nicht. Dabei wusste er, dass es sein Freund und Kollege nicht böse meinte und nicht mal merkte, wie er ihm mit dieser Art der Bekanntmachung jedesmal vor den Kopf stieß. Er breitete Stephans Sexualleben ja auch nicht vor jedem Dahergelaufenen aus.

„Echt? Du bist schwul?“, fragte Jannik interessiert. Broder nickte und wartete ergeben auf einen blöden Spruch. Mittlerweile hatte er die ganze Bandbreite der möglichen Reaktionen erlebt. Verachtung, Belustigung, Gleichgültigkeit, unmoralische Angebote, Therapieversuche, …

„Findest du mich attraktiv?“

Er blinzelte überrascht und musterte Jannik. Keine drei Sekunden benötigte er für sein Urteil. Er schüttelte den Kopf. Jannik studierte unter Stephans irritiertem Blick Broders beeindruckende Schulterpartie und die Armmuskeln. Danach drehte er sich zu Stephan um.

„Was ist mit dir? Bist du ebenfalls schwul?“

Mit der Frage hatte Broder nicht gerechnet – und Stephan wohl genauso wenig.

Der lief rot an, kratzte sich den kastanienbraunen Schopf und begann zu stottern: „N… nein.“

„Warum nicht?“

Broder konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Der Auszubildende gefiel ihm immer besser.

„Ja, Stephan, warum eigentlich nicht? Aus dir könnten wir eine hübsche Steffi machen.“

Entrüstung schlug ihm von seinem langjährigen Kollegen entgegen. Mit Stephan hatte er zusammen die Ausbildung absolviert und einvernehmlich hatten sie ihren Arbeitgeber gebeten, ein Team bilden zu dürfen. Sie harmonierten gut und einer passte auf den anderen auf. Das war bei ihrem Job überlebenswichtig und nicht bloß ein dummer Spruch in Richtung eines unbedarften Auszubildenden.

„Und deine Gesinnung?“, fragte Broder Jannik.

„Hetero aus Leidenschaft.“

„Prima. Nachdem wir also unsere Vorlieben geklärt haben, wer seinen Schwanz wohin stecken möchte, können wir vielleicht los?“ Er inspizierte die Tourenliste. „Wir müssen eine Ampelanlage im Industrieviertel kontrollieren, die ein Opfer von Vandalismus geworden ist. Außerdem gibt es eine zukünftige Baustelle, die abgesichert gehört, und … Hurra! … die Heckenschere kommt zum Einsatz.“ Der Job war mehr Gärtner als Straßenwärter. Als er in seiner Ausbildung lernen sollte, wie man Hecken ordentlich schnitt und Grünflächen pflegte, hatte er ungläubig gelacht. Inzwischen wusste er, dass der Rückschnitt von wild wuchernder Botanik einen Großteil der Arbeit ausmachte. Und er tat sie gern. Nur die Wintermonate, in denen er teilweise morgens um 03.00 Uhr anrücken durfte, weil die Straßen bis 06.00 Uhr von den Schneemassen befreit sein mussten, gehörten nicht zu seiner Lieblingsjahreszeit. Dafür hatte er den Nachmittag über frei und konnte boxen gehen.

Erneut bemerkte er, dass Jannik seine Muskeln begutachtete.

„Was?“, knurrte er.

„Stemmst du Gewichte?“, wollte der neugierig wissen.

„Das gehört mit zum Training“, brummte er.

„Broder boxt“, erklärte Stephan.

Broder seufzte und beschloss, seinen Freund irgendwann beiseite zu nehmen und ihm beizubiegen, dass er gerne selbst entscheiden würde, was und wie viel fremde Leute von ihm wissen sollten. Vielleicht kloppte er das einfach in Stephans Schädel, damit der das quasi in Stein gemeißelt bekam und es nicht vergaß. Zum Beispiel mit einem sauberen Uppercut, wie bei Axel. Er bemerkte, wie er dümmlich vor sich hin grinste. Die Landesmeisterschaften winkten. Das war unglaublich. Unglaublich schön, dass Bird an ihn glaubte. Und unglaublich schön, dass Frederick schwul war.

Broder stutzte.

Was dachte er da schon wieder?

Also doch!

Beute!

Jannik zupfte ihn am Jackenärmel. „Hey, dein Azubi stellt wichtigste Fragen. Bring ihm gefälligst etwas bei, du Traumfänger.“

„Hmpf? Was?“

„Wie läuft das, wenn man unterwegs pinkeln muss?“

Ohne eine Miene zu verziehen, zog Broder seine Wasserflasche hervor. „Wenn du die ausgetrunken hast, reicht die völlig aus. Bloß nichts daneben laufen lassen, sonst bekommst du nasse Finger.“

Was denn? Der kleine Unschuldsengel hatte schließlich gefragt.

Drei

„Das is’n Scherz?“ Kuno stierte auf die Gutscheine und beinahe fürchtete Frederick, dass er sie zerreißen würde. Aber so dumm war sein Erzeuger nicht. Keinesfalls wollte er hungern und die Gutscheine waren pures Geld wert.

„Für Langzeitarbeitslose?“, fragte Kuno nach.

Frederick war auf die vorgeschlagene Ausrede des Sachbearbeiters im Jobcenter zurückgekommen. „Genau. Für Leute, die ewig keinen Job hatten, weil sie ein Alkoholproblem haben.“

Kuno warf ihm die Scheine ins Gesicht. „Wer hat hier’n Problem, hä? Wenn ich‘n Problem hab’, liegt‘s daran, dass mein Sohn in Wirklichkeit ‘n Mädchen is‘.“

Frederick überhörte den Kommentar geflissentlich.

„Wir könnten dir einen Therapieplatz besorgen“, sagte er mit falscher Hoffnung in der Stimme. „Und hinterher einen Job. Du bekämst die Möglichkeit, dich um die Familie kümmern.“

Die Art, wie sich sein Vater die Stoppeln am Kinn kratzte, verriet Frederick, dass er zu weit gegangen war.

„Willst du damit sag‘n, dass ich mich nich‘ kümmer?“

„Ich … na ja …“ Frederick konnte sich nicht mehr rechtzeitig ducken. Die Ohrfeige war kräftig genug, um ihn taumeln zu lassen. Mit der Zunge fuhr er sich über die Lippe. Nein, sie war nicht aufgesprungen, obwohl es sich danach anfühlte.

„Die Idee mit‘n Gutscheinen, is‘ die auf dei‘m Mist gewachsen?“, erkundigte sich Kuno. Seine Augen verengten sich gefährlich. Hastig schüttelte Frederick den Kopf. Lügen, Lügen … Er hasste Lügen. Leider waren sie in seiner Familie lebensnotwendig. Sein Vater würde ihn zu Brei schlagen, wenn er erfuhr, dass er für eine bargeldlose Zahlungsmöglichkeit gesorgt hatte, mit der der Kauf von Genussmitteln nicht gestattet war.

„Das ist halt bei Langzeitarbeitslosen üblich“, sagte er schnell.

„Ich trau’ dir nich‘“, murmelte Kuno argwöhnisch. „Vielleicht wird’s Zeit, dass du dir ’ne eigene Bude suchst.“

Frederick erstarrte. Wenn sein Vater ihn rausschmiss, konnte er Sumire und die Kinder nicht mehr schützen. Was sollte dann aus ihnen werden?

„Wir hätt’n ’n zusätzliches Zimmer“, fuhr Kuno kurzatmig fort.

„Du müsstest selbst zum Jobcenter und die Anträge stellen.“ Frederick spielte verzweifelt die letzte Karte aus. „Du weißt, dass Sumire das nicht kann. Herr Wolter freut sich bereits auf dich. Immerhin habt ihr euch lange nicht gesehen.“

Eine zweite Ohrfeige traf ihn. Dieses Mal riss die Lippe am Mundwinkel ein. Deutlich schmeckte Frederick das Blut. Der Geschmack war ihm nicht unvertraut.

„Glaubst du, ich könnt’ das nich’? Hör auf zu labern und hol mir ’n Bier.“

Ein grober Stoß ließ ihn Richtung Tür taumeln und folgsam zog er sich in die Küche zurück. Dort umarmte Sumire ihn stumm und holte schnell eine der letzten Flaschen aus dem Kühlschrank.

„Tut mir leid, Derrick.“ Sie stand erneut kurz vor dem Weinen.

„Es ist nichts passiert, Sumire.“

„Dein armes Gesicht.“

„Das waren lediglich zwei harmlose Ohrfeigen. Die überlebe ich.“ Er tätschelte ihr die Schulter mit mehr Zuversicht, als er eigentlich aufbringen konnte.

„Bier!“, brüllte es aus dem Wohnzimmer und er beeilte sich, seinem Vater die Flasche zu bringen. Gleich würde er sich auf den Weg ins Gym machen und konnte tanzen. Frederick lächelte voller Vorfreude. Das Highlight des Tages nahte.

Frederick beherrschte es meisterhaft, unauffällig zu sein. Eben noch hatte Broder ungeduldig Ausschau nach ihm gehalten und kurz darauf hastete Frederick durch das Gym, als wäre er die ganze Zeit vor Ort gewesen. Mit einem Stapel frisch gewaschener Handtücher verschwand er in den Duschen und kehrte nach einer kurzen Weile zurück, um die Trinkwasserspender zu inspizieren. Als zwei fremde junge Männer erschienen, um sich nach einer Mitgliedschaft zu erkundigen, trat er freundlich und hilfsbereit auf sie zu. Ein paar Minuten und etwas allgemeinem Small Talk später brachte er die beiden zu Bird.

Nachdem Broder die dritte Gelegenheit verpasst hatte, Frederick anzusprechen, gab er auf und konzentrierte sich auf seine Übungen. Bird hatte ihm einen neuen Trainingsplan ausgearbeitet und ein Merkblatt für eine unterstützende Ernährung bis zur Landesmeisterschaft dazugelegt. Zuerst quälte sich Broder an den Gewichten und mit dem Springseil, später wechselte er zu einem Boxsack und powerte sich daran richtig aus.

„Nimm die Arme höher und verlagere dein Gewicht mehr auf den vorderen Fuß, wenn du zuschlägst.“ Bird stand plötzlich neben ihm und korrigierte seine Haltung. „Eins, eins, zwei“, zählte er. „Eins, eins, zwei.“

Broder hieb zu. Links, links, rechts.

„Ja, gut. Nicht schneller werden. Halte den Rhythmus.“

Bird ließ ihn rund zehn Minuten ackern, bevor er abwinkte. Keuchend trat Broder einen Schritt zurück und schlenkerte mit den Armen, um sie zu lockern.

„Wie fühlst du dich?“

„Prima, Coach.“ Er war ein bisschen müde, allerdings auf angenehme Weise.

„Mach fünf Minuten Pause und trink etwas. Ich möchte, dass du danach eine halbe Stunde lang läufst und nach jeder Runde zehn Liegestütze absolvierst. Passt das in deinen Zeitplan oder hast du für heute Abend etwas anderes vor?“

Broder warf einen Blick auf die Wanduhr, die über Birds Bürotür hing. Zu seiner Verwunderung war es schon 19.00 Uhr. Um diese Zeit läutete er sonst üblicherweise den Feierabend ein.

„Nein, ich habe nichts vor. Außer den Landesmeisterschaften.“ Er grinste und Bird klopfte ihm lachend auf den Rücken. Gleich darauf eilte der Coach zu Axel hinüber.

„Du stellst ständig deinen Fuß zu schief“, hörte Broder ihn tadeln. Er achtete nicht länger auf die beiden, sondern ging zu einem der Trinkwasserspender hinüber. Das Gym war inzwischen beinahe verlassen, wie er feststellte.

Birds Boxclub war einer der wenigen, die am Vormittag öffneten und Trainingsmöglichkeiten für Schulkurse sowie Frauen anbot und gegen Nachmittag der Herrenwelt zur Verfügung stand. Der Abend gehörte dagegen Birds Familie. Daher war um 19.30 Uhr Zapfenstreich im Faust Hoch. Broder begrüßte das, denn so hatte er immer die Gelegenheit, sich abends mit einem spannenden Buch zu beschäftigen. Richtige Freunde hatte er nicht, lediglich gute Kollegen, mit denen er ab und an etwas unternahm. Eigentlich war er ein Einzelgänger, liebte die Ruhe und fantasievolle Welten. Gelegentlich ging er in ein Gay-Lokal, um sich jemanden zu suchen, der wie er Lust auf eine schnelle Nummer hatte. Ansonsten blieb er bevorzugt zu Hause. Es gab sicherlich Leute, die ihn als Langweiler bezeichnen würden, er dagegen war mit seinem Leben ganz zufrieden.

Broder warf den benutzten Pappbecher in den Mülleimer und begann, auf der in der Halle integrierten Tartanbahn die vorgeschriebenen Runden zu laufen.

Das Gym war kreisrund angelegt. Den Mittelpunkt bildete der Boxring. Um den Ring herum gab es einzelne Stationen für Übungen mit Gewichten, Springseilen, Boxsäcken und Ähnlichem. Die Tartanbahn stellte den äußeren Rand der Halle dar und Broder begann seinen Lauf vor Birds Büro. Schnell fand er sein Tempo und beobachtete dabei, wie die Letzten ihr Training abschlossen, zu den Duschen gingen und wenig später das Gym verließen. Axel gehörte zu ihnen. Broder fiel auf, dass Axel mit gerunzelter Stirn in Fredericks Richtung starrte und der wiederum einen flinken Bogen schlug, um dem Idioten aus dem Weg zu gehen.

Aus seinem lockeren Trab wechselte er zum Schritttempo, wischte sich über die Stirn und beendete nach etwas Stretching das Training. Mittlerweile war er mit Frederick allein. Der wirkte seltsam zappelig.

Und … Moment mal!

Hatte Frederick eine neue Schramme im Gesicht?

„Hat Axel dir noch eine verpasst?“, fragte er und deutete auf Fredericks Lippe. In dessen Augen flackerte es unruhig, doch schnell schüttelte er den Kopf.

„Ich habe mit meinem kleinen Bruder gespielt. Dabei ist das passiert.“ Frederick wandte sich ab und begann in seiner Sporttasche zu kramen, die er vor dem Boxring abgestellt hatte.

„Dein kleiner Bruder ist ein ganz Rabiater, hm?“

„Brauchst du länger?“, fragte Frederick über die Schulter hinweg.

„Warum?“

„Weil ich mit meinem Training anfangen möchte.“

„Und dabei störe ich?“, wollte Broder neugierig wissen. Zu seiner Enttäuschung nickte Frederick.

Jetzt oder nie, dachte sich Broder und gab sich einen Ruck. „Ich würde mir gerne anschauen, was du machst.“

Frederick starrte ihn an. Feindselig? Broder runzelte die Stirn. Was hatte er Schlimmes gesagt?

„Ich kann kein Publikum gebrauchen, das mich ablenkt. Für mich geht es um weit mehr als irgendwelche Landesmeisterschaften eines Hobbyboxers“, sagte Frederick. „Mir geht es um meinen beruflichen Werdegang, und den lasse ich mir nicht kaputt machen, weil irgendein Depp über einen schwulen Tänzer lästern will. Sicherlich kennst du sämtliche Klischees über Tuntenhopserei. Walze sie bitte draußen platt.“

„Ich habe gar nicht …“ Broder versuchte erfolglos sich zu verteidigen, wurde allerdings rigoros von Frederick unterbrochen: „Es wäre nett, wenn du dich beeilen könntest. Ich hatte einen langen Tag, der muss nicht unnötig länger werden.“

Broder spürte, dass er mit weiteren Worten seine Annäherungsversuche nur sabotieren würde, daher nickte er enttäuscht und beeilte sich, mit dem Duschen und Anziehen fertig zu werden. Als er ins Gym zurückkam, war Frederick damit beschäftigt, sich neben einem billigen CD-Player aufzuwärmen. Nach wie vor trug er eine schlabberige Jogginghose und ein T-Shirt, das ihm formlos am Körper hing. Tanzte er in diesen Klamotten? Oder zog er sich die komische Strumpfhose an, die Axel in der Sporttasche gefunden hatte?

„Ich geh dann“, verabschiedete er sich.

Frederick hob kurz den Kopf und nickte. Er streckte seine Beine, dehnte die Muskeln … Broder tat es bereits vom Zusehen weh.

„Bis Morgen. Tschüss.“

Frederick reagierte nicht mehr auf ihn und daher verließ Broder den Club.

Sein Auto, ein schlichter Renault Clio, stand am hinteren Ende des Parkplatzes, der zu dieser Stunde beinahe leer war. Der BC Faust Hoch e.V. teilte sich das Grundstück mit einem Schwimmbad, deshalb war der Parkplatz am Nachmittag oft überfüllt. Ihm machte es nichts aus, ein paar Schritte zu laufen. Andere mussten dagegen mit ihren Wagen möglichst bis an den Boxring heranfahren, als wären sie fußkrank. Beim Clio angekommen, stellte Broder fest, dass er den Autoschlüssel in seinem Schrank im Club hatte liegen lassen.

Mist!

Wenn er zurückging, würde Frederick denken, dass er ihn ausspionieren wollte. Keine guten Voraussetzungen, um ihn näher kennenzulernen. Andererseits benötigte er den Wagen, um morgen zur Arbeit zu kommen.

Mit einem Fluch kehrte Broder um. Er musste sich eben still und leise in den Club schleichen, den Schlüssel holen und gleich wieder verschwinden. Frederick würde überhaupt nicht mitkriegen, dass er da war.

Verstohlen drückte Broder wenig später die Tür auf. Dabei hätte er gar nicht so vorsichtig sein brauchen, weil laute Musik aus dem Trainingssaal drang. Auf Zehenspitzen schob er sich neugierig an die Tür und spähte hinein.

„Uff!“ Mehr bekam er nicht heraus.

Frederick stand im Boxring, den er offenbar als Bühne nutzte. Bis auf eine knappe Sporthose, wie sie in den Siebzigern modern gewesen sein mochte, war er nackt. Er trug nicht einmal Schuhe, sondern bewegte sich barfüßig zur Musik. Auf seinem Oberkörper und den Armen befanden sich ein paar Hämatome in verschiedenen Stadien des Verblassens. Stammten die vom Tanzen oder gab es da einen Zusammenhang mit der schorfigen Stelle am Mundwinkel?

Broder starrte auf die langen, sehnigen Beine, die im Takt eines hämmernden Beats stampften und wirbelten. Frederick war schlank und geschmeidig. Man merkte ihm jahrelanges hartes Training an. Dabei war es nicht der schöne Körper, der ihn staunen ließ, sondern die Bewegungen. Die gestreckten Glieder und ihr Zusammenspiel zu dem Rhythmus; die Pirouetten, die in merkwürdige Verrenkungen am Boden übergingen; die Mischung aus Kunstturnen und elfenhaftem Reigen … Broder konnte es sich nicht anders erklären. Plötzlich wurde es ihm bewusst, dass Frederick mit seinem Tanz eine Geschichte zu erzählen schien. Er veranschaulichte Qualen und Kampf, sprang jubilierend in einem Wirbel aus Armen und Beinen in die Siegesfeier, um dann in der Haltung eines stolzen Gewinners innezuhalten. Schließlich richtete sich Fredericks Blick auf seine Füße und er sackte in sich zusammen. Mit gerunzelter Stirn stellte er die Musik ab.

„Scheiße!“, hörte Broder ihn ärgerlich knurren.

Scheiße? Das eben war eine perfekte Darbietung gewesen! Zumindest in seinen Augen. Aber sicherlich strebte Frederick nach absoluter Perfektion, so wie er ihn gerade hatte tanzen sehen. Und das war keineswegs lächerlich zu nennen.

Im Gegenteil!

Es war atemberaubend. Und er sollte sich aus dem Staub machen, bevor er entdeckt wurde. Broder drehte sich um und stolperte in seiner Hast über seine Füße. Dabei stieß er gegen die Tür, die laut ins Schloss rumste.

„Shit!“

„Wer ist da?“ Fredericks Stimme klang alarmiert durch die Tür. Bestimmt hatte er ihn erschreckt. Jetzt musste er sich zeigen, sonst käme Frederick ihn suchen. Seufzend öffnete Broder die Tür, trat ins Gym und lächelte entschuldigend.

„Ich habe meinen Autoschlüssel vergessen. Tut mir leid, wenn ich störe.“ Er bemühte sich, nicht auf Fredericks schweißnasse Brust zu starren und das Misstrauen in seinen Augen zu ignorieren. Sollte er etwas hinzufügen? Oder lieber schnell den Schlüssel holen und verschwinden? 

Frederick stand reglos da und starrte Broder an. Die Story mit dem vergessenen Schlüssel klang nach einer Ausrede, zumal Broder vorhin erst erwähnt hatte, dass er bei seinem Training dabei sein wollte. Wie dem auch sei … Fakt war, dass er es nicht leiden konnte, wenn man ihn heimlich beobachtete. Vor ihm bewegte sich Broder unruhig. Worauf wartete der Kerl?

„Ich … ich habe dich gerade gesehen“, gestand Broder und strich sich nervös eine weizenblonde Strähne hinter das Ohr. Für einen Boxer trug er die Haare ungewöhnlich lang. Die anderen schnitten sie sich kurz oder trugen millimeterkurze Stoppeln, als würde man in diesem Sport einen nahezu kahlgeschorenen Kopf erwarten. Der obligatorische Boxer-Einheits-Look. Die wie zerwühlt wirkende Frisur gab Broders Gesicht dagegen etwas Weiches, was ihn anziehend machte. Dass der Kerl keineswegs weich war, hatte Frederick erleben dürfen, als der Axel umgehauen hatte. Echter Zorn hatte in Broders Augen gelegen. Zunächst hatte das Frederick Angst eingejagt, bis er merkte, dass es ein anderer Zorn, eine andere Wut als die war, die ihm sein Vater entgegenbrachte.

Broders Zorn war gebändigt gewesen, an die Kette gelegt. Das machte ihn natürlich nicht weniger gefährlich als die unberechenbaren Aggressionen seines Vaters. Frederick wusste damit nicht umzugehen. Er war einfach froh gewesen, dass sich diese Wut nicht gegen ihn gerichtet hatte.

„Du hast mir hinterherspioniert“, sagte er. Ein klarer Vorwurf.

„Ich habe dich tanzen gesehen, ja. Spionieren würde ich es nicht nennen wollen.“ Broder wirkte verlegen, was Frederick seltsam vorkam. Es passte nicht zu dem sonst so selbstbewusst rüberkommenden Typ. Broder war zwar niemand, der stundenlang quasselte, sondern einer der sich auf seine Übungen konzentrierte. Eher ein Mann der Tat als der langatmigen Diskussionen. Auf Frederick vermittelte er den Eindruck, mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen und seine Probleme mühelos in den Griff zu bekommen. Falls Broder überhaupt je Probleme bekam.

„Das war toll. Richtig toll, Freddy.“

Freddy war wie ein Schlag in den Magen.

„Nenn mich nicht so“, fauchte er unbeherrscht. „Verdammt! Ich heiße Frederick.“

Erschrocken trat Broder einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. „Sorry, ich wollte nicht …“

Frederick seufzte und wischte sich mit dem Unterarm über das Gesicht. Seine Nerven waren heute nicht die besten. Das Betteln im Amt, die hektische Schicht im Donutladen, die Auseinandersetzung mit seinem Vater und der versaute Abschluss beim Tanzen … Was für ein Scheißtag!

Er kletterte aus dem Boxring und trat an den CD-Player, um die Musik zu wechseln. Mit Herumstehen und sinnlosem Palavern würde er den begehrten Platz an der Tanzschule nicht erhalten.

„Hast du niemanden, der mit dir übt?“

Broder war immer noch da.

„Ein Personal Trainer ist verflixt teuer. Den kann ich mir nicht leisten“, gab er kurz zur Antwort.

„Dann denkst du dir das alles selbst aus? Die ganze Choreografie und die Musik dazu?“ Broder klang dermaßen beeindruckt, dass sich Frederick unwillkürlich zu ihm umdrehte. Erneut kroch Misstrauen in ihm hoch.

„Ja.“

„Wow!“

Das kam ehrlich begeistert rüber. Sollte sein Tanz Broder tatsächlich angesprochen haben?

„Es … es gefällt dir wirklich?“

Mist!

Warum fragte er das? Was interessierte ihn die Meinung eines Typen, der stumpfsinnig auf einem Boxsack einschlug?

„Ich fand es riesig.“

Riesig war mehr als gut. Riesig war … riesig. Frederick biss sich auf die Unterlippe. Das Lob freute ihn mehr, als er zugeben mochte.

„Danke. Das ist nett von dir.“

„Aber?“

Gegen seinen Willen musste er lächeln. Broder merkte ihm an, dass er nicht zufrieden war. Spiegelte sich das dermaßen auf seinem Gesicht wider?

„Es langt einfach nicht. Ich bin nicht gut genug.“

„Blödsinn!“

„Du kannst das beurteilen, ja?“ Belustigt bemerkte er, dass sich Broder verlegen wand.

„Natürlich bin ich kein Experte. Doch da war … Magie.“

Nun musste er lachen.

Magie!

Er feilte mühsam an jeder Bewegung, achtete darauf, dass nicht bloß der Arm, sondern obendrein die Finger gestreckt waren – Körperspannung, Derrick, Körperspannung – und versuchte die Musik zu leben. Und auf einmal kam ein Boxer daher getrottet und erzählte ihm etwas von Magie.

Sein Heiterkeitsausbruch fand bei Broder offenbar keinen Anklang. Zumindest lachte er nicht mit, sondern murmelte Undefinierbares von einem Schlüssel und stapfte zu den Umkleiden hinüber. Sicherlich, um dort seinen Schrank zu durchwühlen.

Magie …

Der Typ hatte es ernst gemeint. Fredericks Lachen verstummte, als er über die Worte nachzugrübeln begann. Eigentlich hatte Broder recht. Tanzen musste aussehen, als sei Magie im Spiel. Der Zuschauer sollte verzaubert werden und für eine kleine Weile Raum und Zeit vergessen. War das nicht das Ziel?

Verzaubern …

Eintauchen in eine Märchenwelt …

Die Realität in Musik und Bewegung verlieren …

Sein Finger strich über die Start-Taste des CD-Players, während er darüber nachdachte.

„Frederick?“ Broders Stimme riss ihn aus den Gedanken.

„Äh … ja?“

„Ich habe ihn gefunden.“ Broder hielt als Beweis seinen Schlüssel in die Höhe. „Tut mir ehrlich leid, wenn ich dich gestört habe. Das war keine Absicht.“

Warum entschuldigte sich der Kerl dauernd? Frederick wurde daraus nicht schlau.

„Schon okay.“

Ein unsicheres Grinsen erschien um Broders Mundwinkel. Wieso boxte der Typ überhaupt? Der Sport passte gar nicht zu ihm. Obwohl er wirklich eine super Figur hatte … Nicht derart überzogen wie Axel, der wie eine Gummipuppe wirkte, die man über Gebühr aufgepumpt hatte.

Derrick, worüber denkst du eigentlich gerade nach?, fragte er sich.

„Viel Spaß weiterhin. Bis morgen.“

„Ja, bis morgen.“ Frederick wartete, bis Broder die Tür geschlossen hatte, und drückte dann entschieden die Start-Taste. Er hatte zu viel zu tun, als dass er sich länger mit Broder beschäftigen könnte. Stattdessen sollte er sich lieber um die Magie kümmern. Als die ersten Takte des instrumentalen Stücks das Gym erfüllten, war er wieder voll auf seine Arbeit konzentriert.