Florian Kirner, alias Prinz Chaos II - Seid so anders, wie es irgendwie geht! - Heinz Michael Vilsmeier (D) - E-Book

Florian Kirner, alias Prinz Chaos II - Seid so anders, wie es irgendwie geht! E-Book

Heinz Michael Vilsmeier (D)

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Beschreibung

Vom 31.5.2012 bis zum 3.6.2012 fand auf der kleinen Burg Weitersroda, nahe der Kreisstadt Hildburghausen, das Paradiesvogelfest statt. Heute ist dieses Liedermachertreffen eine feste Institution im südlichen Thüringen. Doch das war nicht immer so: Von 2008 bis 2012 versuchten ortsansässige Nazis, dieses Event zu verhindern. Dabei beließen es die braunen Wölfe nicht nur bei verbalen Angriffen in den sozialen Medien, sondern gingen, wie schon in den Jahren zuvor, wieder zur Tat über – im Burghof zündeten sie das Auto eines teilnehmenden Musikers an. Daraufhin rief der Liedermacher Konstantin Wecker dazu auf, sich mit den Veranstaltern des Paradiesvogelfestes zu solidarisieren. Heinz Michael Vilsmeier folgte dem Appell Konstantin Weckers und fuhr nach Weitersroda zu den Paradiesvögeln, wo es zu folgendem Interview mit Florian Kirner, alias Prinz Chaos II, kam.

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Seitenzahl: 85

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Heinz Michael Vilsmeier

im Gespräch mit

Florian Kirner

Seid so anders, wie es irgendwie geht!

E-Book

Impressum

HAMCHA art integration

Heinz Michael Vilsmeier

Spiegelbrunn 11

D-84130 Dingolfing

Erste deutschsprachige Ausgabe als E-Book:

© Copyright by Heinz Michael Vilsmeier, 2024

Erste deutschsprachige Veröffentlichung:

© Copyright by Heinz Michael Vilsmeier, 2012

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Einige Fotos entstammen dem Fotoarchiv Florian Kirners und wurden freundlicherweise von ihm zur Verfügung gestellt.

https://interview-online.blog

hmv@interview-online.blog

Ein Gespräch über Wölfe im Mai

Vom 31.5.2012 bis zum 3.6.2012 fand auf der kleinen Burg Weitersroda, nahe der Kreisstadt Hildburghausen, das Paradiesvogelfest statt. Heute ist dieses Liedermachertreffen eine feste Institution im südlichen Thüringen. Doch das war nicht immer so: Von 2008 bis 2012 versuchten ortsansässige Nazis, dieses Event zu verhindern.

Dabei beließen es die braunen Wölfe nicht nur bei verbalen Angriffen in den sozialen Medien, sondern gingen, wie schon in den Jahren zuvor, wieder zur Tat über – im Burghof zündeten sie das Auto eines teilnehmenden Musikers an. Daraufhin rief der Liedermacher Konstantin Wecker dazu auf, sich mit den Veranstaltern des Paradiesvogelfestes zu solidarisieren: „Ich habe hier und anderswo meinen Freund und Liedermacher-Kollegen Prinz Chaos II. ja schon öfter erwähnt. Wie Ihr wisst, betreibt er auf seinem Schloss in Südthüringen ein alternatives Wohn- und Kulturprojekt. Nachdem er 2008 einen Nazi-Überfall durchstehen musste, war ich für ein Solidaritätskonzert dabei und begleite das Wachsen und Werden dieses Projektes mit großem Interesse und herzlichster Sympathie. Und da wächst und gedeiht auch vieles. Leider kommen wohl einige Bewohner in Weitersroda und den umliegenden Dörfern partout nicht damit klar, dass der Prinz schwul ist und dies auf eine selbstbewusste und wie ich finde, sehr schöne Weise lebt und liebt. Jedenfalls kam es nach der Veranstaltung […] zu einem Brandanschlag auf ein Auto im Schlosshof. Gleichzeitig wird auf diversen Internetseiten in einer grauenvollen Nazi-Sprache zu einem regelrechten Überfall auf das Paradiesvogelfest mobilisiert. … dieses Festival dürfen wir uns nicht kaputtmachen lassen. Die viel gescholtene Thüringer Polizei scheint diesmal gut und entschlossen zu reagieren. Aber ich möchte auch Euch herzlich bitten: Wenn Ihr die Zeit findet, verbindet die Solidarität mit einem engagierten Künstler und einem tollen Projekt mit dem Genuss eines wunderbaren Festivals. Fahrt nach Weitersroda! Der Prinz und seine Schlossbesatzung brauchen Unterstützung.“

Abbildung 1 Konstantin Wecker und Prinz Chaos II im Vereinsheim, München

Was Konstantin Wecker mit „grauenvolle Nazi-Sprache“ meinte, wird anhand diverser Facebook-Post deutlich: „ladet alle ein die ihr kennt es wirt endlich mal zeit zu sagen paradiesvögel ihr gehört nicht in dieses land“, „paradiesvogelschießen“, „jo das erste fest das ich kenne, wo man keine überteuerden schießbuden hat juuuhhhhhaaa“, „aribba adale adale“, „headshots nur headshots“, „Rechtschreibung nur Rechtschreibung“, „nee nich Rechtschreibung nur homos“, „macht den schwuppen so richtig dampf usw. usf. – Posts im Minutentakt.

Abbildung 2 Rechte Hetze gegen das ‚Paradiesvogelfest in Weitersroda 2012

Einige der Schreiber auf Facebook traten unter ihren richtigen Namen auf und sind in Thüringen als Aktivisten des Rechtsaußenlagers bekannt. Derjenige, der von „Headshots“ sprach, soll als Soldat der Bundeswehr in einem Auslandseinsatz gedient haben. Nach 2012 vorliegenden Informationen nahm die zuständige Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, auch die Polizei nahm die Vorgänge sehr ernst und bereitete sich, wie verlautet, auf alle Eventualitäten vor.

Ich folgte dem Appell Konstantin Weckers, durch den ich auf die Hetze aufmerksam geworden war, und fuhr nach Weitersroda zu den Paradiesvögeln, wo es zu folgendem Interview mit Florian Kirner, alias Prinz Chaos II, kam.

Wir sind in jeder Situation, in jeder Lebensphase ganz viele Verschiedene.

HMV: Prinz Chaos der II. oder reicht Prinz Chaos?

Prinz Chaos II: Es reicht grundsätzlich auch Prinz. „Da san ma ned so.“ – Oder Euer Durchgeknalltheit würde ich also auch anbieten – oder Euer Provokanz, das wäre alles möglich.

HMV: Es gibt noch ein paar Titel, die Du mit Dir herumführst. – Ich glaube in Facebook benutzt Du die zuweilen ...

Prinz Chaos II: Ja – das sind allerdings weniger Titel, sondern das sind andere Identitäten, mit denen ich zugange bin. Und das ist eben einmal Donna San Floriante, das ist einerseits eine journalistische Identität von mir und zweitens eigentlich meine Tuntenidentität. Also Donna San ist eben auch eine weibliche Identität von mir. – Und dann gibt es eben noch Commander Shree Stardust, der ist meine militärische Abteilung sozusagen. Also das ist … der arbeitet … der hat praktisch eine Agentur für Bürgerkriegs Consulting. Und der schreibt auch so strategische, taktische Demonstrationsanalysen, z. B. für Anti-Nazi-Demos rund um Dresden.

Abbildung 3 Florian Kirners diverse Identitäten auf großer Fahrt

Ja und eben der – der Prinz. Das ist mir alles so passiert Ende der 90er, so um das Jahr 2000 herum, wo es mich in eine ziemlich üble persönliche Krise hineingehauen hat und ich auch das Gefühl hatte, so ein verdammtes Arschloch geworden zu sein, dass ich meiner, mit meinem bürgerlichen Namen echt das Gefühl hatte, du kannst gar nicht mehr unter die Leute gehen. Und gleichzeitig ist da in mir mein bis dahin unterdrückter Künstler zum Ausbruch gekommen und hat dann eben wirklich wie in so Energieexplosionen diese Figuren ausgesprengt. – Da gabs und ein paar, die haben sich eben dann so arrangiert. – Ich bin aber jetzt nicht so schizophren oder multiphren in dem Sinne, dass ich also umklappen würde in diese Identitäten und das selber gar nicht merke, sondern das hat schon so eher für mich … Wie Tucholsky, der mit sehr viel Energie gearbeitet hat. Aber die sind schon sehr getrennt und sehr unterschiedlich.

HMV: Das Internet ist ja eine Welt, in der sehr viele Menschen unterschiedliche Identitäten leben, die sie an sich selbst entdecken. Das Internet ist ja wie geschaffen dafür. – Welche Rolle spielt das Internet für Dich in dem Versuch, unterschiedliche Identitäten zu realisieren?

Prinz Chaos II: Grundsätzlich, die Welten des Internets spielen dabei natürlich eine große Rolle. Du kannst da schon auch diese Figuren zum Leben erwecken, indem sie eine Geschichte entwickeln, indem sie eine Sprache entwickeln und wirklich einen Charakter ausformen. Ich denke, dass das Internet eigentlich genau darin ein großes Befreiungspotenzial hat, dass es eben erlaubt, sich selbst auszuprobieren, mit sich selbst zu experimentieren.

Ich hab ja, unter anderem, japanische Kultur studiert. Und das ist in Asien anders geregelt, da ist die Vorstellung von Subjektivität nicht so, dass man immer der sein muss, der man eigentlich ist. Das ist ja so eine klassische Formulierung: der sein, der man eigentlich ist – und das ist dann so der Inbegriff von „man selber sein“. In Wirklichkeit ist das ein vollkommener Schmarren, denn wir sind nicht immer dieselben! Wir sind in jeder Situation, in jeder Lebensphase ganz viele Verschiedene. Und da gibt es eben die Möglichkeit, sich sehr zwanghaft an eine Form zu halten, was ich vielleicht wollen würde, wenn ich’s könnte. Bloß ich komm aus einer Schauspielerfamilie, insofern ist mir auch das Experimentieren mit verschiedenen Rollen eigentlich schon immer sehr nahe gewesen. Das ist jetzt eben von mir schon auch keine reine Internetstrategie, das muss ich auch sagen. Also es ist bei mir nicht so, dass, wie viele das ja tun, ich ein stinknormales Leben führe, um dann im Internet die Sau rauszulassen, wo’s keiner mitkriegt. Bei mir ist das schon so, dass ich diese Figuren dann auch werde, im Leben, also offline.

Abbildung 4 Prinz Chaos II: "... wir sind nicht immer dieselben!"

HMV: Also nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Leben. – Für Dich gibt es keine Trennung zwischen den Identitäten, die Du gerne verkörperst, die Du verkörperst auf der Bühne und den Identitäten im eigentlichen Leben?

Prinz Chaos II: Na ich verkörpere die dann nicht nur, sondern ich bin die.

HMV: Du bist sie …

Prinz Chaos II: … also – ich mag zum Beispiel gar nicht, was ja von Journalisten oft kommt, die Frage, sollen wir da oder dürfen wir da deinen klaren Namen verwenden? – Diese Formulierung des Klarnamens oder des Pseudonyms trifft nicht wirklich, was da bei mir Phase ist. Es ist eben keine reine Spielerei oder …

[Unterbrechung – eine Frau aus dem Dorf bringt einen Kuchen]

Prinz Chaos II: … das ist nett, das ist sehr lieb …

Frau: … Ja das ist ein Mandarinenkuchen und das ist ein Streuselkuchen. Da wünsch ich einen schönen Appetit!

Prinz Chaos II: Das muss man vielleicht dazu sagen. – Nur hören und nicht sehen, da hat gerade eine Dame hier aus der Gegend ein Kuchenblech mit vorbeigebracht, als kleine Solidaritätsgabe.

HMV: Stichwort Solidaritätsgabe – aber gehen wir noch mal zurück.

Abbildung 5 Prinz Chaos II. mit Hofnarr Florian Söllner

Prinz Chaos II: Ja, das ist, was ich Dir eigentlich sagen wollte, das ist also für mich nicht nur eine Inszenierungsstrategie, wobei ich natürlich PR-Sau genug bin, dass es das sicherlich auch ist. Sondern, schau mal, z. B. der Florian Söllner, der gerade gekommen ist, der ist ja hier … Der hat sich hier die Position des Hofnarren geschnappt. – Ich rufe auch alle auf, nicht nur mich in dieser, in diesen Aussprengungen von unteren, von unterschiedlichen Wesen ernst zu nehmen, sondern das auch selber zu machen. Und ich sag eben, Leute wenn ihr Papst sein wollt, ich meine, hätte ich ja auch machen können, hätte ja auch Papst werden können. – Das hab ich halt nicht gemacht, weil mich dieser lateinische Text, trotz Latinum, das ich selbstverständlich hab, halt abgeschreckt hat. – Und natürlich die Kostüme sind sehr schön, die die haben. … Ich sag eben grundsätzlich, jeder hat die Möglichkeit sich zu gestalten, hat die Möglichkeit, das, was er gerne sein möchte, wovon er träumt, eben auch ins Leben zu bringen. Und dass Einzige, was uns normalerweise zurückhält, ist eben die Angst, wie man da angeschaut wird – und da halten sie einen für verrückt, Pipapo …

Und Du siehst es ja am Fasching, da machen sie es dann plötzlich! – Na also Fasching ist bei mir so ziemlich der einzige Termin, wo ich das nicht mache, weil, das brauch ich nicht, ich mache es die anderen 361 Tage im Jahr.

Das Gefühl der Macht macht einen zum Arschloch.

HMV: Prinz Chaos, Du hast vorhin einen Satz gesagt, dass Du etwa Ende der 90er-Jahre entdeckt hast, dass Du so was wie ein Arschloch geworden wärst …

Prinz Chaos II: … mhm …

HMV: … und dass Du das nicht wolltest. Das war ein Einschnitt für Dich oder eine Erkenntnis, die Dich dann zu einer Veränderung gebracht hat, …

Prinz Chaos II: Ja!

HMV: Kannst Du das näher beschreiben?



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