Fluchtpunkt Beichtstuhl - Rainer Kretzschmar - E-Book

Fluchtpunkt Beichtstuhl E-Book

Rainer Kretzschmar

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Beschreibung

Holbein, unnachahmlicher Krimiautor und Profiler. Diesmal im Clinch mit der geheimbündlerischen Word-Protection-Lodge. Skrupellos dabei, ein weltweites Medienmonopol zu errichten. Eine alles kontrollierende Diktatur des geschriebenen und gesprochenen Wortes. Analog wie digital. Unter Aushebelung jeder Meinungs- und Pressefreiheit. Holbeins Einsatz ausgelöst durch den Hilferuf einer jungen Schriftstellerkollegin Manuela Graf. Die in ihrem Erstlingsroman, gewissermaßen literarisch undercover, die Machenschaften dieser Kriminellen aufspürt. Ihr abenteuerlicher Annäherungsversuch an den gewieften Profiler weckt dessen Verdacht. Könnte sie auf den Ausnahme- Autor angesetzt sein? Um ihn auf das auf gleichförmige Niveau der miesen Schreibschulen zu zwingen? Als dann auf der Jahrestagung der Lodge die wissenschaftliche Koryphäe mit drei Doktortiteln Janadine Dornier, Holbeins Abschnittsgeliebte, offenbar entführt und unter Drogen referiert, beginnt der Krieg. Gegen diese Meinungsterroristen, die gefährliche Viren einsetzen wollen, um ihre Ziele zu erpressen. Holbeins alter Kampfgefährte Jericho, jetzt Kamelzüchter, und sein befreundeter Scheich mischen mit. Mittendrin immer wieder diese sehr männerfreundliche Manuela. Virenproblematik lange vor Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie. Hatte wohl der Autor mit satirischem Augenzwinkern im Hinterkopf.

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ÜBER DEN AUTOR …wurde bereits alles in seinen Büchern gesagt.

Rainer Kretzschmar, Diplom-Soziologe und Pferdewirtschaftsmeister in Bad Saulgau, Oberschwaben. Seine Krimis – satirisch ironisch. Seine Science-Fiktion am wissenschaftlichen Fortschritt orientiert. Ohne Tote, gegen das monotone Klischee: Leiche – Mordkommission – Spurensicherung – „hatten Sie Feinde?“. Stattdessen Explosionen des Unerwarteten. Belegt durch aktuellste Veröffentlichungen. Immer am Pulsschlag unserer Hightech-Welt. Mit seinem groß- und einzigartigen Profiler Holbein und dessen waghalsig abenteuerlichen Einsätzen.

ÜBER DIESES BUCH

Holbein, unnachahmlicher Krimiautor und Profiler. Diesmal im Clinch mit der geheimbündlerischen Word-Protection-Lodge. Skrupellos dabei, ein weltweites Medienmonopol zu errichten. Eine alles kontrollierende Diktatur des geschriebenen und gesprochenen Wortes. Analog wie digital. Unter Aushebelung jeder Meinungs- und Pressefreiheit.

Holbeins Einsatz ausgelöst durch den Hilferuf einer jungen Schriftstellerkollegin Manuela Graf. Die in ihrem Erstlingsroman, gewissermaßen literarisch undercover, die Machenschaften dieser Kriminellen aufspürt. Ihr abenteuerlicher Annäherungsversuch an den gewieften Profiler weckt dessen Verdacht. Könnte sie auf den Ausnahme-Autor angesetzt sein? Um ihn auf das auf gleichförmige Niveau der miesen Schreibschulen zu zwingen?

Als dann auf der Jahrestagung der Lodge die wissenschaftliche Koryphäe mit drei Doktortiteln Janadine Dornier – Holbeins Abschnittsgeliebte, offenbar entführt und unter Drogen referiert – beginnt der Krieg. Gegen diese Meinungsterroristen, die gefährliche Viren einsetzen wollen, um ihre Ziele zu erpressen. Holbeins alter Kampfgefährte Jericho, jetzt Kamelzüchter, und sein befreundeter Scheich mischen mit. Mittendrin immer wieder diese sehr männerfreundliche Manuela.

Virenproblematik lange vor Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie. Hatte wohl der Autor mit satirischem Augenzwinkern im Hinterkopf.

Der Sinn des Lebens ist das Leben.

Selbst das sinnloseste.

Vor den Nebenwirkungen schützen letztlich weder Arzt noch Apotheker.

René Luguésan

Dies ist ein Roman.

Aus der Handlung entspringende Aktionen und Akteure zwingen den Autor zu dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich in seiner Darstellung um reine Fiktion handelt. Ähnlichkeiten zu diesen oder anderen lebenden Personen oder Ereignissen wären demnach rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

TEIL I

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL II

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL III

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL IV

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL V

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL VI

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL VII

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL VIII

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

TEIL IX

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

EPILOG

PROLOG

Ein Autor immer auf der Höhe der Zeit.

Seiner Zeit voraus? Von der Zeit eingeholt?

Holbein, der altbekannte Krimischreiber und unnachahmliche Profiler entzieht sich solcher Einordnung. Er manipuliert die Zeit. Unterwirft sie seinem neuen Roman. Spielt mit der Aktualität. Unterlegt sie nur scheibchenweise seinen Protagonisten. Und überlässt die LeserInnen dem Erahnen. Bis zum letzten Satz.

Nach Einstein ist der Fluss der Zeit eine Illusion. Für ihn liegt die Gesamtheit der Ereignisse schon vor. Die Zeit dient lediglich als Parameter, um die Ereignisse in eine Beziehung zu bringen.

So auch für Holbein.

Dementsprechend trotzt er selbst dem Alter. Nennt sich beschönigend einen emeritierten Profiler. Und kokettierend Holbein der Ältere. Doch standhaft gibt er weiter den alterslosen Romeo. Für alle Julias und Julijetten dieser Welt. Das glaubt er seinen Leserinnen weismachen zu müssen.

TEIL I

1.

Im Beichtstuhl.

Holbein, der Krimischreiber und emeritierte Profiler.

In der mittelalterlichen Kirche Notre-Dame de l’Assomption. Auf der Suche nach Erinnerung. Im elsässischen Rouffach.

Duster die Kirche mit der unvollendeten Doppelturmfassade. Ähnlich der berühmten Schwester in Paris. Aber noch unverbrannt. Und menschenleer um diese Mittagszeit.

Wie damals vor so vielen Jahren. Mit einer Novizin, die Bescheid wusste. Aber es noch einmal wissen wollte. Die himmlische Absolution.

Heute ganz allein. Nur in Begleitung seiner hinreißenden Nostalgien.

Emeritierung ist laut Wikipedia eine Form der altersbedingten Befreiung. Von der Pflicht zur Wahrnehmung der Alltagsgeschäfte. Womöglich auch der Abschied von der realen Betrachtung der Vergangenheit.

Klappern von Stöckelschuhen?

Auf den altehrwürdigen Sandsteinfliesen. Im Laufschritt. Schnell näher.

Zu spät, um das entweihte Sakralrefugium noch unbemerkt zu verlassen. Durch das dunkle Holzgeflecht nur schemenhafte Umrisse. Flüchtige Erscheinung. In einem langen, hellblauen Kapuzenpulli. Verhüllt das Gesicht. Formatiert den Körper ansprechend weiblich.

Die Seitentür aufgerissen. Heftig atmend kniet die vermeintliche Sünderin nieder. Auf dem Bänkchen vor der holzvergitterten Trennwand. Tür fällt wieder zu.

Flehentliche Flüsterstimme:

- Mon Père, mon père … helfen Sie mir!

Holbein in schwieriger Mission. Als harmloser Kirchenschänder. Amts anmaßen? Oder besser gleich Farbe bekennen?

- Bin kein Priester. Nur der Restaurator. Wenn Sie beichten wollen …

- Sind hinter mir her! Diese wahnsinnigen Teufel! Haben sich auf mich gestürzt. Bin gerade noch … jetzt kann ich einfach nicht mehr!

Klingt bedrohlich. Auf Teufel komm raus. Aber bitte nicht in Gottes Haus.

- Beruhigen Sie sich doch. Hier tut Ihnen keiner was. Sehe mal draußen nach.

Trostbemüht beschwichtigende Stimme. Öffnet die Tür vor sich. Keine Menschenseele. Gespenstische Stille.

Zurück an seinen Platz. Prüfender Blick durchs Beichtgitter.

- Die Luft ist rein. Bis auf den Weihrauch. Keiner zu sehen. Aber wer sind denn diese teuflischen Verfolger?

- Brutale Typen … eine ganze Horde wildgewordener Stalker… kenne sie nicht.

Jetzt ihr Gesicht. Blass und verstört. Doch faszinierend vor Angst.

- Warten Sie. Bin gleich wieder bei Ihnen.

Holbein zur Rückseite des Beichtstuhls. Schiebt den schweren Vorhang zur Seite. Bis sie vor ihm steht. Auf einen Schritt. Aber vor dem schreckt sie zurück. Obwohl der dramaturgisch denkbar wäre: Schutz zu suchen an seiner starken Schulter. Ohne Verstoß gegen jedes Zölibat.

Holbein hilft aus der Verlegenheit. Reicht ihr beide Hände. Die nimmt sie zögernd an. Rettende Haltegriffe.

- Kommen Sie. Zum Ausgang am Südportal. Da vermutet Sie niemand.

Zieht sie mit sich. Vorbei an der Orgel. Unter dunkelbunter Fensterrosette, die selbst Ungläubige andächtig stimmt. Hin zu den Skulpturen der alten Sakristei. Berühmt, die sich anlächelnden Köpfe eines jungen Mannes und einer jungen Frau. „Le sourire de Rouffach“.

- Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.

Und tatsächlich versucht sie ein kleines Lächeln.

2.

Die altersbleiche Spitzbogentür öffnet sich spaltbreit.

Ex-Profiler peilt die Lage. Verlässt dann erst das sichere Kirchenasyl. Sein zugelaufenes Mündel unter den Fittichen.

Auf dem Vorplatz parkende Kraftfahrzeuge. Nichts Verdächtiges. Ein paar Touristen mit Einkaufstüten.

Holbein vorbei an den typisch elsässischen Fachwerkhäusern zum nahen Marktplatz. Bis vor das Restaurant „Le Caveau du Haxakessel“.

- Gehen wir erst mal rein. Was halten Sie von einem Nottropfen? Gegen die Angst?

- Meine Angst vor weiterer Hexenjagd? Gegen meine Hysterie, das meinen Sie doch …

- Bestimmt nicht. Sollen wir lieber zur Gendarmerie?

- Bloß nicht. Die ermitteln bestenfalls n a c h einer Vergewaltigung … Also gut. Erst den Drink, und dann mein Horrorszenarium.

Zweiertisch am Fenster. Das Hauptportal der Kathedrale im Blick. Historisches Flair. Zu viel an Hexendekor. Dafür kaum Gäste.

- Was halten Sie von einem Marc d’Alsace? Es gibt nichts Besseres gegen …

- Gleich so etwas Hochprozentiges, ist das nicht …?

- Glauben Sie mir.

- Na gut, Hochwürden.

Aber sofort flackert ihre Panik wieder auf.

Holbein winkt der Bedienung. Ruft ihr die Bestellung zu. Ohne langes Suchen in der Karte.

- Da!

Ein paar randalierende Jugendliche. Stürmen über den mittelalterlichen Marktplatz.

- Genauso haben die mich auch gejagt … Nicht zu erwartende Duplizität.

Die Bedienung bringt die in Frankreich üblichen Cognacschwenker und die ganze Flasche. Zeigt höflich das Etikett: Marc d’Alsace Gewürztraminer. 45 % Vol.

Holbein nickt.

- Mir einen Doppelten.

Großzügig eingeschenkt.

- Wenn schon, denn schon. Gegen die große Angst!

Er trinkt aufmunternd seinem Häufchen Elend zu. - Jetzt mal der Reihe nach. Von Anfang an.

Sie nimmt einen ordentlichen Schluck. Vor dem starken Gesöff fürchtet sie sich zumindest nicht.

- Das ging schon im Bus von Colmar los. Studiere dort im Auslandssemester. Vier aufgekratzte Typen überboten sich mit obszönen Anmachsprüchen. Ich solle mich doch zu ihnen rüber setzen. Würden mir die geheimsten Sehenswürdigkeiten in den Weinbergen von Rouffach zeigen… protzten mit Anzüglichkeiten.

- Studenten? Alkoholisiert?

- Eben nicht. Sahen eher wie biedere Handelsvertreter aus. Vielleicht hatten sie ja schon vorgeglüht. Hab’ versucht, sie zu ignorieren. Bin am Bahnhof ausgestiegen und zügig in Richtung Place de la Republique. Wollte dort im Museum für meine Arbeit recherchieren. Die vier hinter mir her. Sie kreisten mich ein wie Raubtiere ihre Beute. Drängelten mich weg vom Marktplatz in Richtung Notre-Dame de l’Assomption. Hände streckten sich aus. Passanten hielten das wohl für einen TV-Gag. Lachten nur. Mir war verdammt nicht danach. Einer der Typen grapschte nach mir. In Panik schlug ich mit meiner Laptoptasche. Einen Satz nach vorn und rannte los. Kopflos um mein Leben. Und Laufen ist meine Stärke. Adrenalingepuscht mein Spurt noch schneller. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Blieben grölend zurück.

Als Fluchtburg nur die Kathedrale. Mein Vorsprung müsste reichen. Riss die Tür auf. Die Tür schloss sich hinter mir automatisch. Rannte weiter bis …

- Das klingt allerdings nicht gut…

- Sie glauben mir also?

Holbein greift zu seinem Marc. Ohne zu trinken.

- Aber nicht, dass es nach Vergewaltigung aussieht.

3.

Sie starrt ihn an.

Fassungslos.

- Aber was denn sonst?! Ich’ hab mir das doch nicht alles nur eingebildet. Die haben mich gejagt. Mit offenem Messer. Nach mir gegrapscht. Und was wollten sie mir in den Weinbergen wohl zeigen? Geheime römische Grabbeigaben …

- Sicher nicht. Verstehe sehr gut Ihre panische Vorstellung. Aber sie widerspricht aller verbrechenstypischen Wahrscheinlichkeit. Selbst in Indien wird nicht auf öffentlichen Marktplätzen vergewaltigt.

Jetzt greift sie zu ihrem Glas. Großer Schluck.

Der Priester wider Willen und mutmaßliche Vergewaltigungs-Leugner zieht nach.

- Und was wird Ihrer Meinung nach dann hier gespielt?

- Eins nach dem anderen. Die von der Gendarmerie hätten Sie auch erst ausgefragt. Nach Leuten aus Ihrem Umfeld. Die Ihnen eins auswischen wollen. Solche Typen verabreden sich heute in Chats über Netzwerke. Sind Sie etwa bei …?

- Ja, natürlich bei Facebook. Aber …

- Woran arbeiten Sie denn? Hier im Museum?

- Schreibe über Madame sans Gêne. Catherine Hübscher, Wäscherin aus dem Elsass, später Herzogin von Danzig.

- Eine Semesterarbeit?

- Nein. Arbeite an einem Roman …

- Schriftstellerin also? Die wurden ja immer schon angegriffen. Sind Sie bekannt? Ihre Romane? Dann haben Sie sicher einen Namen. Oder ein Pseudonym.

- Nein, nichts von alledem. Ist mein erster Roman. Aber einen Namen habe ich schon: Franziska N.

- Angenehm. Sie können René zu mir sagen.

Holbein sieht keinen Grund, sich gleich zu outen.

- Ein historischer Roman? Wie der von Sardou?

- Sie kennen sich aus. Sind Sie etwa vom Fach?

- Nein, nein, habe mal ein antiquarisches Exemplar für die Stadtbibliothek restauriert…

Der alte Fuchs gibt seine Tarnung nicht so schnell auf.

- Schreibe keinen Historienschmus. Nur satirische Verfremdungen. Moderne, glaubwürdige Fake News. Geschichte moralfrei auf den Kopf gestellt.

- Klingt schon mal nicht ungefährlich.

Ein Platzregen fegt ohne Vorankündigung den Marktplatz leer. Überraschte Touristen flüchten in Hauseingänge. Unter Markisen. Stürmen in die nahen Kneipen.

- Sehen Sie den Typen da? Das ist einer von ihnen!

Mit hochgeschlagenem Jackenkragen und tropfnassen Haaren sucht er einen freien Platz.

Franziska rückt entsetzt dichter an den selbsternannten René heran. So nah wie es die klobigen Holzstühle erlauben. Der Neuankömmling nähert sich. Grinst unverschämt, und dreht dann auf einmal verunsichert ab. Setzt sich mit dem Rücken zu ihnen. Drei Tische weiter.

- Und, was halten Sie von meinem Verfolger?

- Entspannen Sie. Keine direkte Gefahr. Das will ich meinen. Kenne solche Typen zur Genüge. Wir beobachten ihn. Dann merken wir schon, was er vorhat. Wirkt wie ein Versicherungsfritze. Eher noch wie ein Schnüffler. Haben Sie einen eifersüchtigen Freund?

- Schon, aber der engagiert bestimmt keinen Detektiv. Außerdem waren es doch vier.

- Warten Sie mal … wie der sein Smartphone benutzt. Spricht in ein separates Micro. Versteckt in seinem Jackett. Kann man nicht mithören. Mit solcher Hightech arbeiten nur wenige Profis. Mein Freund war lange Profiler beim LKA. Lesen Sie keine Agententhriller?

- Sie meinen, Geheimdienstler?

- Keine James Bonds. Untere Chargen. Die schnüffeln nur. Ohne weitere Befugnisse. Denen können wir entkommen. Wenn Sie wollen …

4.

- Wann müssen Sie zurück nach Colmar?

- Bin ungebunden. Was haben Sie denn vor?

- Vor weiterer Vergewaltigung schützen. Nehme Sie in Sicherungsverwahrung. Mit in mein Hotel. In meinen Armen wurde noch nie einer Frau Gewalt angetan…

Entsetzter hatte sie auch nicht im Beichtstuhl gewirkt.

Bis sie sein Grinsen entdeckt.

- Vom Regen in die Traufe? Den Teufel mit Beelzebub?

- Doch nicht so „moralfrei“, Madame sans Gêne?

- Sie sind einfach nicht mein Typ. Also?

- Umso besser. Wir legen eine neue Spur. Mal sehen, ob sie anbeißen.

Er verlangt die Rechnung. Laut und deutlich. Und bestellt noch lauter ein Taxi.

Sofort greift der vermeintliche Schlapphüter zum Smartphone.

- Sehen Sie, jetzt ruft er seine Kumpane. Wir lassen ihnen noch ein bisschen Zeit.

Die Bedienung kassiert. Quittiert lächelnd das noble Trinkgeld. Und versichert, das Taxi sei schon unterwegs.

Dann geht sie zu dem Gast, drei Tische weiter. Der zahlt auch.

- Jetzt müssen Sie sich überwinden, Franziska. (Leise geflüstert). Nach außen sind wir ein Paar. Das verunsichert die Brüder.

Das Taxi erscheint vor der Kneipe.

Beim Aufstehen schmiegt sie sich an ihn. Ein bisschen mehr als verlangt. Verdammt kalter Wind. Der Regen hat aufgehört.

Der Taxifahrer versteht schnell den Wink mit dem großzügigen Euroschein. Für die 800 Meter. Umweg durch die Weinberge.

Zum Schlosshotel Château d’Isenbourg. Er soll sich Zeit lassen. Dass die dunkle Limousine Anschluss halten kann. Die nähert sich langsam von hinten.

- Nur noch eine kleine Überwindung.

Gemeint ist die unvermeidbare Nähe im Fond des Taxis. Deutlich für die aufrückenden Verfolger.

- Geht schon.

Der Duft von Weintrauben. Aber die blühen doch noch nicht. Und bei geschlossenen Fenstern. Zwingt seine Nase näher zu ihr hin. Sein Atem irritiert die feinen Härchen am Nacken seiner Reisegefährtin. Sie zuckt zusammen.

- Sie schnüffeln ja auch! Da kann ich weiterhelfen: Vineux, Eau de Parfüm. Weinblütenduft. Habe ich erst kürzlich entdeckt.

- Pardon. Kleidet Sie gut. Einzigartig dezent.

Die Hotelauffahrt. Die dunkle Limousine rechtzeitig auf Abstand.

- Warten Sie hier bitte noch ein paar Minuten. So, als ob Sie zur Weiterfahrt gebraucht würden.

- Kein Problem, Monsieur, schönen Abend noch!

Das Paar verschwindet zügig im Eingangsportal. - Bon soir, Monsieur Holbein …

Grüßt die charmante Französin von der Rezeption.

5.

Nicht gleich mit der Schutzsuchenden in die Suite fallen.

Ins Restaurant.

Auf die Terrasse. Sicht auf den gesamten Anfahrtsbereich des Hotels. Weit zurück die dunkle Limousine.

Holbein zückt sein kleines Spektiv. Geschützt hinter einer großen Kübelpflanze. Jedoch nicht vor dem immer noch kalten Ostwind.

- Die ziehen sich zurück. Brechen die Observierung ab. Hier einzuchecken erlaubt ihr Budget wohl nicht. Gehen wir wieder rein.

Der Ober mit den Karten.

- Einen Apéritif vielleicht?

Holbein sieht seine Schutzbefohlene an.

Die starrt vor sich hin. Reagiert nicht.

Er legt seine Hand auf ihre. Sie zuckt zusammen. - Ja …? Nein … ein Perrier bitte.

- So in Gedanken? Für mich einen Marc d’Alsace.

Seine Hand wieder bei Fuß. Am Stiel des eingedeckten leeren Weinglases.

- Sie haben Nerven. Mich jagt der Geheimdienst! Wieso denn bitte? Was können die denn von mir wollen? Hab doch nichts verbrochen.

- Politisch aktiv? In irgendwelchen Foren? Schon mal Drohungen bekommen? Oder Ihr Roman. Gibt’s schon einen Titel?

- Der ist noch geheim.

- Schon mal nach Titelschutz gegoogelt?

- Allerdings. Sie kennen sich ja schon wieder aus. Sind Sie auch von der schreibenden Zunft, Monsieur Holbein? Als ich Ihren Namen hörte …

- Namen sind Schall und Rauch. Lenken Sie nicht ab. Der Titel also?

- Madame ungeniert.

- Na, Sie trauen sich was. Im Zeitalter von ‚MeToo‘. Kann weibliche Ungeniertheit leicht missverstanden werden. Da legen Sie sich schnell mit der Emanzen-Mafia an.

- Immer gegen den Strom schreiben. Aber noch keine einzige Zeile veröffentlicht. Schon klar, dass mir von da ein Shitstorm droht. Doch nicht mit Schlapphut und dunkler Limousine.

- Und Ihr Studium in Deutschland?

- Am Deutschen Literaturinstitut, Uni Leipzig. Masterstudium für Schriftsteller.

- Um Himmelswillen! Und dieser wissenschaftlich verbrämten Schreibschule haben Sie Ihren Roman anvertraut?!

- Sie kennen das Institut?

Der Ober fragt dezent an. Was aus der Speisenkarte infrage käme.

Holbein schlägt kurzer Hand das Menu Saveur vor. Erspart langes Suchen. Und deckt hervorragend die Palette französischer Finessen ab. Kein Widerspruch. Auch nicht bei dem Riesling Grand Cru vom schlosseigenen Weingut.

Sonst bestimmt nicht des Autors Art. Die Präliminarien eines abendlichen Diners so zu verknappen. In Gegenwart einer attraktiven Tischdame. Die nach und nach ihren jugendlichen Charme freisetzt. Und die ängstliche Zurückhaltung als gejagtes Opfer endlich aufgibt. Eine Strähne ihrer blonden Locken kess nach hinten streicht. Ohr und Nacken zeigt. Fast herausfordernd. Bis vor kurzem noch versteckt unter der Kapuze. Und da ist es wieder: „Das Lächeln von Rouffach“.

Oder nur Reaktion auf das Amuse-Bouche, das der Ober als Gruß aus der Küche bringt?

Nein. Das Lächeln hält. Holbein sieht es durch die Schlieren des Rieslings im Weinglas. Als sie sich zutrinken.

Wenn er irgendetwas abgrundtief hasst, dann die Schreibschulen. Besonders die amerikanischen. Creativ Writing. Aber diese Totalablehnung stellt er vorerst zurück.

Franziska erhebt sich mit charakteristischer Geste.

Nimmt aus ihrem Laptop-Rucksack das Kosmetiktäschchen. Um sich frisch zu machen.

Holbeins Blicke folgen ihr recht männlich. Herrlich. Im Abgang wie der vielversprechende Riesling.

6.

Selbst dem Ober fällt es auf.

- Soll ich den ersten Gang nochmal zurückstellen? Bis Madame …?

Holbein wundert sich selbst. Nickt. Und steht auf.

- Ich sehe mal, wo sie bleibt … Zögert am Treppenabgang zu den Damentoiletten.

Durchaus MeToo-bewusst und Gender-irritiert. Keine Spur von ihr. Weiter bis zur Rezeption. Die aufmerksame Französin hilfsbereit: - Monsieur Holbein, wenn Sie Ihre junge Begleitung suchen, die hat das Hotel verlassen. Schon vor zehn Minuten.

- Aber das ist doch unmöglich … Hat sie eine Nachricht hinterlassen?

- Nein, Monsieur, sie schien in großer Eile. Gerade brachte ein Taxi zwei neue Gäste. Sie stürzte nach draußen, um es noch zu erreichen.

Holbein besorgt zurück ins Restaurant.

- Tut mir leid. Madame kommt wohl nicht mehr. Bringen Sie mir nur die zwei Vorspeisen. Stornieren das Menu. Und einen doppelten Marc, s’il vous plaît.

-Sehr gerne, Monsieur.

Muss ein Holbein sich Vorwürfe machen?

Der Appetit kommt diesmal nicht beim Essen. Auf jeden Fall kaut er mit langen Zähnen.

Ihm die Tischdame zu entführen! Das hat der Krimiautor bisher seinen Lesenden noch nicht zugemutet. Schließlich isst der Leser doch mit.

7.

Herausforderung für den Profiler.

Gegen den Datenschutz. Am Fuß des verwaisten Stuhls Franziskas Laptoptasche.

Holbein kann sie schließlich nicht einfach dort stehen lassen. Nicht ausschließen, dass sie absichtlich zurückgelassen wurde. Holbein greift sich die Tasche. Sieht den Laptop darin. Rührt ihn aber nicht an.

Erst mit sich selbst ins Reine kommen.

Der Ober hat das schon mit dem Tisch gemacht. Bis auf den Rest vom Riesling. Ein gutes Glas. Vom Marc noch einen Fingerbreit.

Holbein ordnet analytisch die Ausgangs-Konstellationen: Seine Anwesenheit in Rouffach. Dort im Beichtstuhl der mittelalterlichen Kirche Mariä Himmelfahrt. (Brainstorming: Himmelfahrtskommando?) Auf der Suche nach Erinnerung. Recherche für einen Roman, der unerwartet Fahrt aufnimmt. Durch eine neue Protagonistin. Quasi aufgedrängt. Autor in der Rolle des Beschützers.

Zwischen dem Marc und dem Boden im Glas passt jetzt kein Finger mehr.

Dem Zufallsleugner Holbein springt die Koinzidenz ins Auge. Die junge Frau arbeitet auch an einem Roman.

Zwei Schriftsteller treffen sich im sakralen Raum. Was will uns das sagen?

Vorprogrammierte Konflikte? Von denen der erste sich schon auf nüchternen Magen angebahnt hat.

Der Weinspiegel im Rieslingglas sinkt.

Ihr kopfloses Davonlaufen. Aller Höflichkeit spottendend. Weiterführende Hinweise im Laptop?

Holbein gebietet dem lächerlichen Rest der beiden Getränke Einhalt. Und zieht sich mit dem ungewöhnlichen Fundstück zurück. In seine Suite. In der residiert er schon seit gestern.

8.

Passwort-Glück für den tüchtigen Profiler.

Beim ersten Versuch.

Madame sans Gêne.

Holbein scrollt sich durch die Vielzahl der Dateien. Öffnet das Fenster ZULETZT BESUCHT. Mit der rechten Maustaste den SCHNELLZUGRIFF.

Und dann schlägt sie über ihm zusammen. Eine unvorstellbare Flut von Links zu seinem guten Namen.

Heiner Holbein hier … H. H. da …!

Nicht nur eine Auflistung seiner Werke. Jede Menge Sekundärliteratur. Stilanalysen. Themenkataloge. Ja sogar

die alte Dissertation einer gewissen Hadice Abass: „Der Autor Heiner Holbein und die relative Autonomie des literarischen Feldes nach Pierre Bourdieu“.1 Diese Master-Studentin der Uni Leipzig scheut ja keine Mühe. Recherche für ihren Roman? Das geht über jedes normale Literaturstudium weit hinaus.

Holbein verlangt nach einer Denkpause. Mit Unterstützung der Minibar.

Auch kleine Flaschen wirken Wunder. Lassen seine ergrauten Zellen in Gelächter ausbrechen.

Sag mal Profiler, merkst du eigentlich immer noch nichts?

Eigentlich? Das dümmliche Adverb lehnt er natürlich ab.

Wie immer. Aber die Frage nach seiner Begriffsstutzigkeit? Die kann er nicht auf sich sitzen lassen.

Er merkt auf.

Diesmal schickt man ihm keine Malware. Nein. Eine Schriftstellerin aus Fleisch und Blut. Deren Laptop als weiteren Köder.

Und der gewiefte Ex-Profiler hat auch schon angebissen!

Aufgemacht das verseuchte Ding. Weiß doch jeder heute, dass man das nicht tut. Bei unbekannten Mails oder Dateien. Sich mit einer leibhaftigen Trojanerin selbst infiziert. Auf den ältesten Gaunertrick hereingefallen:

Sie haben gewonnen. Holen Sie sich den Gewinn… Kann ihn teuer zu stehen kommen.

Neuer Schrecken: Nicht einmal das Webcam-Auge ist abgeklebt. An dem Trojanischen Pferd. Mit dem er sich in seine Suite geritten hat.

Womöglich weidet sich die heimtückische Asylantin gerade an seiner Begriffsstutzigkeit.

Holbein klappt betroffen den Laptop zu.

Und alle Fragen offen …

1 R. Kretzschmar „Die Windkraft-Terroristen“, ISBN9783734779664

9.

Rückwärts profilieren.

Wie konnte es zu dieser Koinzidenz von Raum, Zeit und Protagonisten überhaupt kommen?

Extrem enges Zeitfenster: Holbein im Beichtsuhl. Die Sünderin dorthin im Laufschritt. Draußen die vermeintlichen Häscher. Wer konnte von seinem nostalgischen Vorhaben in der Rouffach Kirche wissen?

Die jüngsten An- und Eingriffe auf seinen Autoren-PC fürwahr nicht vergessen. Die Wunden von seiner Cyber-Entführung in die Wüste der VAE2 noch nicht vernarbt.

Aber das Allerheiligste – sein unabdingbares Schreibutensil als Romancier – wurde akribisch gereinigt und wiederhergestellt. Von Fachkräften auf den höchsten Safety Level gebracht. Das Infizieren mit einem Gedankenscanner so gut wie ausgeschlossen.

So gut wie? Warum in die Künstliche Intelligenz flüchten? Eine ordentliche Detektei oder irgendein Geheimdienst schafft das natürlich auch ohne. Einfach observieren rund um die Uhr.

Allerdings bleiben Restzweifel. Ob der verblüffenden Tat- und Zeitgleiche. Wer betreibt solchen Aufwand und wozu? Welche Rolle spielt Franziska N. in dieser Inszenierung?

Nur wenn es gar keine Inszenierung gibt … und Regisseur Zufall hier doch die Fäden zieht?

Dann muss Holbein sich verabschieden. Von seiner Lieblings-Prämisse: Zufälle gibt es nicht. Im Einklang mit Einstein. „Gott würfelt nicht.“

Anders die moderne Quantenphysik: Ein Teilchen kann an zwei Orten gleichzeitig sein. Und die Zustände der Teilchen unterliegen – tatsächlich – dem Zufall. (Florian Aigner)

Dann könnte Franziska …

- Ja?

Die Rezeption am Hoteltelefon.

- Ja, ja …stellen Sie durch.

2 R. Kretzschmar „Tausend und keine Nacht“. Kriminalroman aus dem Morgenland. ISBN 9783750495036

TEIL II

1.

Le Pardon.

- Entschuldigen Sie mein überstürztes Verschwinden … ein Notfall.

Entschuldigung heilt bei dem empfindsamen Holbein keine Wunden.

Aber bei manchen weiblichen Geschöpfen lässt er Milde zu. So lange er sie noch nicht gezähmt hat.

Holbein nötigt sich ein schräges Lächeln ab.

Seine Vorbehalte im Hinblick auf Zufälligkeiten bröckeln.

- Dachte zuerst an Ihre Verfolger.

- Nein, nein … meine Mutter … Verkehrsunfall…wird gerade operiert. Im Krankenhaus in Colmar. Aber zum Glück nichts Lebensgefährliches …

Notfall … Zufall… Unfall? Dümmer geht’s wohl nicht.

- Das tut mir leid.

Der Gentleman. Leise weinend.

- Ein Taxi vor dem Hotel kam wie gerufen. Nach dem Anruf aus der Klinik. Ließ in Panik alles stehen und liegen. Sie und meine Laptoptasche. Wollte Sie damit nicht belasten. Es wäre nett, wenn …

- Hab’ die Tasche an mich genommen. Hinterlegte sie am Empfang. Teilen Sie dem Hotel doch einfach Ihre Adresse mit. Man schickt sie Ihnen dann.

- Danke. Besonders auch für Ihre Hilfe in und aus der Kirche. Werde in Zukunft vorsichtiger sein.

- Kann bestimmt nicht schaden. Und alles Gute für Ihren Roman!