Frankenberger Kalendergeschichten - Joachim Hesse - E-Book

Frankenberger Kalendergeschichten E-Book

Joachim Hesse

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Beschreibung

In Frankenberger Kalendergeschichten befindet sich zu jedem Monat im Jahr eine regionale Kurzgeschichte. Angelehnt an historische Begebenheiten, persönliche Erlebnisse oder frei der Fantasie entsprungen bietet dieses Buch eine bunte Mischung. Das Frankenberger Land hat Potential für große Geschichten, das war uns schon immer klar.

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In „Frankenberger Kalendergeschichten“ befindet sich zu jedem Monat im Jahr eine regionale Kurzgeschichte.

Angelehnt an historische Begebenheiten, persönliche Erlebnisse oder frei der Fantasie entsprungen bietet dieses Buch eine bunte Mischung.

Das Frankenberger Land hat Potential für große Geschichten, das war uns schon immer klar.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

da sind wir wieder!

Seit unserem ersten gemeinsamen Projekt, den Frankenberger Weihnachtsgeschichten, sind nun schon acht Jahre vergangen. Nach den gut besuchten Lesungen rund um die Veröffentlichung dieses Buches hatten wir uns zunächst etwas aus den Augen verloren.

Im Spätsommer 2018 sahen wir uns zufällig beim Flohmarkt auf der Frankenberger Wehrweide wieder. Es dauerte nicht lange bis wir damit anfingen, über eine weitere Kurzgeschichtensammlung nachzudenken. Schon bald entstand die Idee, zu jedem Kalendermonat eine Geschichte zu schreiben, die im Frankenberger Land spielt.

Im Herbst 2020 sollte das Buch veröffentlicht werden, doch dann kam alles anders. Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung und Lesungen im gewohnten Rahmen unmöglich. Wir beschlossen, das fast fertige Buch zunächst auf Eis zu legen, die Geschichten würden schließlich nicht schlecht werden.

Im Mai 2023 erwähnte Tanja bei der Vorstellungsrunde in ihrer Reha, dass sie bereits ein Buch herausgebracht habe. Ein Weiteres sei fast fertig gestellt, aber coronabedingt wurde die Veröffentlichung auf unbestimmte Zeit verschoben. Ihr machte ein Mitpatient Mut, das Buch zu vollenden. Auch Joachim wurde immer wieder angesprochen, wann denn nun endlich das Buch erscheinen würde, da das letzte so gut als Geschenk angekommen wäre. Fast zeitgleich zu Tanja wurde er von einer Kollegin motiviert, die Kalendergeschichten doch endlich zu veröffentlichen.

Als sich Tanja aus der Reha bei ihm meldete, war beiden schnell klar, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen war.

Das Ergebnis ist eine bunte Mischung aus Geschichten, angelehnt an historische Begebenheiten, persönlichen Erlebnissen und frei Erfundenem.

Das Frankenberger Land bietet Stoff für große Geschichten, das war uns schon immer klar!

Bei den Recherchen zu diesem Buch haben wir unsere Gegend neu entdeckt, vielleicht gelingt euch das auch.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen,

Tanja Schwarz und Joachim Hesse

P.S.: Wir sind immer auf der Suche nach neuen Ideen. Wer auch eine Geschichte zu erzählen hat, egal ob selbst erlebt oder überliefert, darf sich gerne bei uns melden. Wir freuen uns.

Inhaltsverzeichnis

Januar: Wer zuletzt lacht Joachim Hesse

Februar: Das muss Liebe sein Tanja Schwarz

März: Ein sensationeller Fund Joachim Hesse

April: Aufregung beim Osterfeuer Tanja Schwarz

Mai: Männer allein im Wald Joachim Hesse

Juni: Spuren der Vergangenheit Tanja Schwarz

Juli: Botengänge Joachim Hesse

August: Kindheit auf der Schiefermühle Tanja Schwarz

September: Drachen steigen lassen wird überbewertet Joachim Hesse

Oktober: Ein Lied für die Wildschweine Tanja Schwarz

November: Wo sind Leni und Gregor? Joachim Hesse

Dezember: Wiedersehen in der Dampflok Tanja Schwarz

Die Autoren

Danksagungen

Januar: Wer zuletzt lacht

Von Joachim Hesse

Hannelore Vöhl zündete sich eine Zigarette an, begutachtete ihre soeben frisch in knalligem Rot lackierten Fingernägel und ließ ihren Blick über den verschneiten Obermarkt schweifen. Gedankenverloren zog sie an ihrer Reyno-Menthol. Etwa zwei Meter rechts von ihr, auf der Fensterbank, machte sich die Kaffeemaschine bemerkbar. Das saugende Geräusch wies die Vorzimmerdame des Frankenberger Bürgermeisters darauf hin, dass der Kaffee gleich durchgelaufen war. Die 24-Jährige legte die Zigarette im bereits gut gefüllten Aschenbecher ab und erhob sich umständlich von ihrem Schreibtischstuhl. Auf dem Weg zu dem Wunderwerk der Technik aus dem Hause Bonamat sah sie auf den großen Wandkalender der Kreissparkasse. Hannelore verschob das kleine rote Kästchen auf dem November-Kalenderblatt nach rechts, so dass es nun die 21 einrahmte. Mit großen Schritten neigte sich das Jahr 1963 dem Ende entgegen.

Wehmütig dachte sie an den gestrigen Buß- und Bettag zurück, den sie mit ihrem Helmut in dessen Wohnung in der Steingasse verbracht hatte. Am Vorabend waren sie mit befreundeten Paaren im „Goldenen Engel“ zum Tanz gewesen und hatten sich zur Musik der „Teachers“ vergnügt. Die vier zukünftigen Abiturienten der Edertalschule brachten den angesagten Sound nach Frankenberg, egal ob von Peter Kraus, Freddy Quinn, Elvis Presley oder auch den neuen Gruppen aus England.

Danach mussten sich die beiden wie Diebe durch das dunkle Treppenhaus schleichen. Die Kriegerwitwe Schmidtmann sollte besser nicht mitbekommen, dass Hannelore die Nacht mit Helmut in dessen Mansardenwohnung verbracht hatte. Sie hatte zwar einen leisen Verdacht und hätte die beiden sicherlich gerne auf frischer Tat ertappt, doch sie schlief regelmäßig abends über einem ihrer Groschenromane ein und verpasste den Mitarbeiter des Einwohnermeldeamtes und die Vorzimmerdame des Bürgermeisters daher regelmäßig. Das Gurgeln der Kaffeemaschine riss Hannelore jäh aus ihrem Tagtraum. Der Kaffee war fertig. Sie füllte ihn in die bereitstehende Kanne in modischem Orange, stellte diese mit einer Tasse, sowie Milch und Zucker auf ein dezent geblümtes Tablett und machte sich auf den Weg zu ihrem Chef.

Bürgermeister Hübner waren seine Rituale wichtig. Wenn sein Kaffee von Fräulein Vöhl nicht zwischen 9 Uhr und 9:05 Uhr gebracht wurde, begab er sich ins Vorzimmer, um nach der Ursache für die Verspätung zu forschen. Das war exakt zwei Mal vorgekommen, in Hannelores erster Woche. Um diese Auftritte des Alten, wie Hübner hinter vorgehaltener Hand von den meisten Beschäftigten der Stadtverwaltung genannt wurde, zu vermeiden, achtete sie seitdem pedantisch auf pünktliche Lieferung.

Als sie sich auf halbem Weg befand klingelte plötzlich das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Sie erschrak dabei so sehr, dass das Tablett ihr beinahe aus den Händen geglitten wäre. Geschickt konnte sie Schlimmeres verhindern. Hannelore stellte Kanne und Zubehör ab und griff nach dem Hörer.

„Stadt Frankenberg, Vorzimmer Bürgermeister Hübner, Sie sprechen mit Fräulein Vöhl“, meldete sie sich.

„Guten Morgen, Fräulein Vöhl“, antwortete ein freundlicher, jüngerer Mann, der sie wegen ihrer Art sich am Telefon zu melden, scheinbar ein wenig auf die Schippe nahm. „Mein Name ist Bartel, Georg Bartel. Ich rufe vom Hessischen Rundfunk aus Frankfurt an. Ich bin Produktionsleiter des „Blauen Bocks“. Kennen Sie die Fernsehsendung mit Otto Höpfner?“

Sie war baff. Entgegen ihrer sonst so forschen Art brachte sie kein Wort heraus. Nach einer etwas zu langen Pause, in der Bartel keine Reaktion erhielt, fragte dieser höflich „Fräulein Vöhl? Sind Sie noch dran? Kennen Sie…“

„…natürlich. Selbstverständlich. Selbstverständlich!“, antwortete die Angesprochene nun hektisch.

„Sehen Sie, dachte ich es mir doch“, versuchte der Frankfurter das Gespräch etwas in Gang zu bringen. „Wer kennt unseren Äppelwoi-Wirt nicht, gell?! Hören Sie, wir beabsichtigen eine Aufzeichnung des „Blauen Bocks“ in ihrer neuen Kulturhalle. Würden Sie mich bitte mit dem Herrn Bürgermeister verbinden, damit ich ihn in unsere Pläne einweihen kann. Er wird uns doch keinen Korb geben?!“

„Sicher. Sicher“, reagierte Hannelore, noch immer nervös. „Entschuldigen Sie“, verlegen rückte Sie ihre Dauerwelle zurecht, ganz so als würde sie Herrn Bartel in einem persönlichen Gespräch gegenübersitzen und schob nach „er wird sich bestimmt über ihre Anfrage freuen. Ich verbinde!“ Ohne Verabschiedung leitete sie das Gespräch weiter.

Mit den Worten „Ja, bitte Fräulein Vöhl“, nahm Hübner ab. „Ich habe hier… Sie werden nicht glauben wen ich hier… Also mit sowas rechnet man ja nicht…“

„Hannelore, sie sind ja völlig außer sich. Wen haben Sie denn in der Leitung? Will sich Kanzler Erhard zum Einstandsbesuch ankündigen?“

„Fast. Hier ist ein Herr aus Frankfurt am Apparat, vom Hessischen Rundfunk. Bartel, Georg Bartel!“

„Na, dann geben Sie ihn mal her, diesen Bartel.“

Hübner übernahm das Gespräch. Seine Sekretärin setzte sich zurück an ihren Schreibtisch, noch völlig aufgewühlt vom letzten Anruf. Sie nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette und begann in den Tiefen ihres Aktenschranks nach ihrem Flachmann zu kramen, den sie stets dort für Situationen wie diese aufbewahrte. Hannelore gönnte sich einen kräftigen Schluck des Kräuterlikörs. Nachdem das Kratzen im Hals nachließ, zündete sie sich eine weitere Reyno an. So verharrte sie für die nächsten Minuten. Ihrem Chef den Kaffee zu bringen kam nicht in Frage, er mochte es nicht, beim Telefonieren gestört zu werden. Auch dies hatte sie nach kurzer Zeit in der neuen Anstellung verinnerlicht.

Noch bevor sie die Zigarette aufgeraucht hatte, wurde die gepolsterte Doppeltür links von ihr schwungvoll geöffnet.

Augenblicklich schoss die Sekretärin aus ihrem Stuhl hoch. „Herr Hübner… ich bin ja so aufgeregt!“

„Setzen Sie sich doch Hannelore, setzen Sie sich doch.“

Sie tat wie ihr befohlen. Er hatte sich ihr gegenüber auf einem der zwei Besucherplätze niedergelassen.

„Ach, ich merke, sie mussten auch schon zu Mittelchen greifen.“ Er schnupperte auffällig und tat als würde er sich Luft aus ihrer Richtung zufächern.

Wie hatte er trotz der Zigarette gemerkt, dass sie kurz an ihrem Flachmann genippt hatte?

„Ich könnte jetzt auch einen Schluck gebrauchen“, er machte eine auffordernde Geste, „nun geben Sie schon her, es wird nicht zu Ihrem Schaden sein.“

Auch ihn hatte der Anruf aufgewühlt. Enthusiastisch berichtete Hübner von dem Telefonat mit Bartel.

In acht Wochen, das hieße am Samstag, dem 25. Januar 1964, würde das Fernsehen in der Kulturhalle zu Gast sein. Die neue Veranstaltungshalle in Nachbarschaft zur Edertalschule war Stolz der Frankenberger Bürger und Hübners großer Verdienst, das mussten selbst seine politischen Gegner zähneknirschend anerkennen. Die alte Festhalle an der Wilhelmstraße war nicht mehr zeitgemäß. Als vom Ministerialrat aus Wiesbaden ein Zuschuss über drei Viertel der zu erwartenden Kosten kam, war die Freude groß. Die Grundsteinlegung am 2. Oktober 1958 fiel in Hübners erste Amtszeit als Bürgermeister, die Einweihung am 23. August 1960 in seine zweite.

Hannelore Vöhls Vorgesetzter beendete die Wiedergabe des Gesprächsinhalts mit der Wiederholung der verbliebenen Zeit bis zur Fernsehaufzeichnung.

„Acht Wochen, Hannelore! Acht Wochen!“

Beide tranken noch einen Schluck von Hannelores Schnaps. Dann erhob sich Hübner und begab sich in sein Amtszimmer. Hannelore folgte mit dem Tablett.

„Danke. In der nächsten halben Stunde bitte keine weiteren Anrufe. Ich werde mich gleich mal bei dem werten Herrn Heinemann melden und ihm eine lange Nase machen, das lasse ich mir nicht nehmen.“

Werner Heinemann siezte er nur im Spaß, schließlich war dieser nicht nur sein Korbacher Amtskollege, sondern auch der Mann von Hübners Schwester. Hildegards Heirat nach Waldeck hatte er nie verstehen können. Um dem allen noch die Krone aufzusetzen, hatte es der werte Schwager auch noch zum Korbacher Bürgermeister gebracht. Unfassbar. Dies führte zwangsläufig dazu, dass jede Familienfeier genutzt wurde, um den anderen zu foppen.

Jetzt war er mal wieder an der Reihe auszuteilen. Die ungeheuerliche Behauptung beim Geburtstag seines Sohnes, dem Patenkind von Hildegard und Werner, dass es bald zum Zusammenschluss der Kreise Waldeck und Frankenberg kommen würde, hatte den Frankenberger Bürgermeister sehr erbost.

„Es wird bereits in Wiesbaden gemunkelt…“

Auf solche ungelegten Eier gab Wilhelm Hübner nichts, er war ein Mann der Tat und nicht so ein Schaumschläger wie dieser angeheiratete Wichtigtuer!

Weihnachten kam und ging, Silvester ebenso. Die Zeit bis zum 25. Januar, dem Tag der Fernsehaufzeichnung, verflog regelrecht. Von Woche zu Woche stieg Hübners Nervosität, diese entlud sich gelegentlich in schlechter Laune, die Hannelore Vöhl manches Mal zu spüren bekam – für die sich ihr Chef jedoch meist noch am selben Tag, geplagt vom schlechten Gewissen, entschuldigte.

Eine Sorge löste sich schnell in Luft auf, Bedenken darüber, dass der Vorverkauf nicht gut laufen würde. Für viele Frankenberger waren die Eintrittskarten anscheinend das Weihnachtsgeschenk des Jahre 1963 schlechthin, 150 waren direkt bei der Stadt erhältlich, weitere 75 wurden vom Landkreis ausgegeben. Es hätten mehr als doppelt so viele Karten verkauft werden können, die Kapazität der Kulturhalle wurde jedoch wegen der Bühnenaufbauten bei einem Ortstermin auf 225 Plätze beschränkt.

Endlich kam der Tag der Tage. Bartel hatte sich mit seiner Mannschaft für Mittwoch, dem 22. Januar, um 13 Uhr angekündigt. Dann würden noch volle drei Tage bis zur Aufzeichnung bleiben, ausreichend Zeit für die nötigen Vorbereitungen. Schon um 12:30 Uhr fand sich eine Abordnung der Stadt mit Bürgermeister Hübner und Hannelore Vöhl an der Kulturhalle ein. Wenig später folgten die Vertreter der Presse und ausgewählte Persönlichkeiten der örtlichen Wirtschaft.

Der Winter hatte in den letzten Tagen wieder deutlich an Fahrt aufgenommen, daher hatte man sich entschlossen im Foyer auf die Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks zu warten.

Nervös war Hübner bereits den ganzen Tag. Wie nicht anders zu erwarten, hatte er eine unruhige Nacht hinter sich. Ständig sah er auf seine Armbanduhr. Vier Minuten vor eins, noch drei Minuten, noch zwei, eine... „Wo bleiben sie nur War man beim Fernsehen eher pünktlich oder nahm man es in dieser Branche nicht so genau?“, fragte er sich und wusste beim besten Willen keine Antwort. Um zehn nach eins trat er schließlich auf Hannelore Vöhl zu, die in ein Gespräch mit einem Zeitungsredakteur vertieft war.

„Fräulein Vöhl, kommen Sie bitte“, bat Hübner.

Sie folgte dem Bürgermeister, der nach ein paar Metern, als sie sich ausreichend von der Gruppe entfernt hatten, stehen blieb. Er drehte den Wartenden den Rücken zu und begann das Gespräch mit seiner Sekretärin, die oft die Rolle der guten Vertrauten einnahm.

„Es ist jetzt…“, er blickt erneut auf die goldene Junghans an seinem Handgelenk, „…gleich viertel nach eins.“ Eine weitere Pause folgte. „Wo bleiben die denn? Und was machen wir, wenn Sie nicht kommen?“

Hannelore Vöhl wollte soeben den Mund öffnen, um auf die Fragen ihres Vorgesetzten zu antworten, als Briefträger Hermann Klos zur Eingangstür hereingestürmt kam. Er hielt einen Zettel in der Hand und tat besonders wichtig. Obwohl er den Bürgermeister bereits erblickt hatte, rief er quer durch das gut gefüllte Foyer der Kulturhalle „Telegramm für Herrn Hübner! Telegramm für Herrn Hübner!“

Der Gesuchte machte per Handzeichen auf sich aufmerksam.

„Hier, Klos! Hier bin ich! Was bringen Sie denn für Neuigkeiten?“

Wortlos drückte ihm der Briefträger die Karte in die Hand.

Hübner senkte den Blick und las leise. Der Inhalt beschränkte sich auf wenige Worte. Als er geendet hatte, gab er das Telegramm kommentarlos an Hannelore weiter und drehte sich von den Wartenden zu den Anwesenden, die gespannt auf eine Reaktion des Verwaltungschefs warteten.

Als auch seine Sekretärin zu Ende gelesen hatte, legte sie den linken Arm auf seine Schulter und sprach, für die anderen nicht hörbar, zu ihm. „Da müssen sie jetzt wohl durch, Chef. Kommen Sie.“

Hübner nickte schwach. Er drehte sich um und berichtete den ungeduldig Wartenden.

„Ich muss Ihnen mitteilen, dass am Samstag hier keine Aufzeichnung für die Fernseh-Sendung „Zum Blauen Bock“ stattfinden wird.“

Ratlose Gesichter starrten ihn an.

„Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.“

Es folgte unruhiges Gemurmel der Anwesenden. Einzelne Worte und Halbsätze drangen zum sichtlich geschockten Bürgermeister durch.

„Was genau steht in dem Telegramm?“, rief einer aus der Menge.

„Von wem kommt das Schreiben?“, wollte ein anderer wissen und „Was passiert mit den verkauften Karten?“

Hannelore Vöhl hatte ein feines Gespür und merkte, dass ihr Chef ein klein wenig seelischen Beistand brauchen konnte. Sie trat näher an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr – erneut nickte er.

„Für morgen um 9:30 Uhr lade ich Sie hiermit herzlich zu einer Pressekonferenz in das Sitzungszimmer des Rathauses ein.“

Gefolgt von Hannelore Vöhl bahnte er sich einen Weg zum Haupteingang der Kulturhalle. Die beiden stapften durch den knöcheltiefen Schnee zu Hübners flaschengrünem VW Käfer, den er in der Geismarer Straße geparkt hatte, dann brausten sie stadteinwärts davon.

„Diese linke Bazille“, schimpfte der Bürgermeister vor sich hin. „Diese linke Bazille!“

Hannelore blickte ihren Chef vom Beifahrersitz fragend an.

„Was genau meinen Sie damit, Herr Hübner?“ „Warten Sie, bis wir in meinem Büro sind. Dann zeige ich Ihnen, was ich meine. Dieser Unsympath!“

Seine Sekretärin nahm dies so hin und beschloss, nicht weiter nachzuhaken.

Am Obermarkt rammte der Bürgermeister seinen Käfer in eine der Parklücken, warf die Fahrertür zu und entfernte sich eiligen Schrittes. So schnell, dass Hannelore Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen.

In seinem Arbeitszimmer knallte er das Telegramm auf den massiven Eichenschreibtisch und zog wie in einer Bewegung seinen Wintermantel aus. Auf dem Weg zum Kleiderständer rief er seiner Sekretärin zu „Lesen Sie! Lesen Sie genau, was dort steht! Dieser Widerling!“

Hübner reichte das Schriftstück an seine Sekretärin weiter.

Hannelore begann den kurzen Text laut vorzulesen.

„Blauer Bock in Frankenberg. Das glaubst du doch selbst nicht!

Gruß an Katharina, dein W.“

Sie las die Zeilen ein zweites Mal und blickte schließlich ratlos zu ihrem Vorgesetzten.

„Was soll das bedeuten W.? Und Katharina… damit ist doch Ihre Frau gemeint. Was hat die damit zu tun?“

Hübner konnte sich denken, wer hinter dem Telegramm steckte.

„W., der hier Grüße an meine Frau ausrichtet, ist Werner Heinemann, mein werter Herr Schwager…“

„… der Mann Ihrer Schwester“, ergänzte Hannelore, „und gleichzeitig Ihr Korbacher Amtskollege.“

Er nickte zustimmend und wirkte niedergeschlagen. Seine Augen wanderten gedankenverloren zum Bürofenster hinter seiner Sekretärin. Draußen hatte es wieder angefangen zu schneien.

„Da hat er mich wohl drangekriegt. Bei aller Enttäuschung muss ich ihm doch meinen Respekt aussprechen. Also nicht persönlich, Fräulein Vöhl, nicht persönlich. Diese Blöße gebe ich mir nicht. Ich halte es da mit dem alten Sprichwort Wer zuletzt lacht, lacht am besten!“

Sein Blick änderte sich abrupt, die Zuversicht und die Vorfreude waren ihm anzusehen. „Warte nur, mein Freundchen, dich krieg ich schon dran!“, sprach er halblaut vor sich hin.

Hannelore holte ihn wieder zurück in die Realität.

„Chef, was machen wir denn mit den 225 Leuten, die für den Samstag Eintrittskarten gekauft haben?“

Hübner rieb sich das Kinn grübelnd mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand.

„Mmmh, das ist eine berechtigte Frage, Fräulein Vöhl. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen!“

Wir? Dachte die Angesprochene. Und hatte auf der Stelle einen Geistesblitz.

Hannelore legte ihre Mode-Illustrierte, in der sie in den letzten Minuten wenig interessiert geblättert hatte, zur Seite, um ihren Verlobten anzusprechen. Helmut saß zwar neben ihr auf der Couch, war aber geistig abwesend. Er war in den Kriminalroman Das Versprechen von Friedrich Dürrenmatt abgetaucht und befand sich demnach mehr in der Schweiz als in seinem Wohnzimmer in der Frankenberger Altstadt.

„Helmut?“ Der Angesprochene zuckte zusammen und ließ das Buch fallen, das er noch eben mit leicht schwitzigen Fingern gelesen hatte.

„Hannelore!“, ermahnt er sie. „Ich hätte tot sein können… wie Gritli Moser!“

„Wie wer?“

„Gritli Moser! Na, hier im Buch… Ach, egal. Was gibt’s denn so Wichtiges, dass du mich dermaßen erschrecken musst?“

„Entschuldige. Ich wollte dich schon den ganzen Abend fragen. Der Bürgermeister braucht deine Hilfe!“

„Dein Chef? Wie soll ich dem denn helfen können?“

Hannelore berichtete vom Telegramm und dass es keine Aufzeichnung für den Blauen Bock aus der Kulturhalle am 25. Januar geben würde, weil es sich bei der ganzen Sache um einen üblen Scherz von Hübners Schwager, dem Korbacher Bürgermeister handeln würde.

„Du kennst doch den Gitarristen von den Teachers…“

„Klar, den Theo. Warum?“

„Es muss jetzt Ersatz für Samstag her. Schließlich wurden über 200 Karten verkauft. Wir müssen uns was einfallen lassen und da dachte ich, für die Teachers wäre das doch eine tolle Sache!“

„Wir müssen uns was einfallen lassen? Du und ich oder du und der Bürgermeister?“

Hannelore streckte ihm die Zunge raus.

„Also gut“, ergriff Helmut erneut das Wort. „Mensch prima, das wird die Jungs freuen. Ich ruf den Theo gleich mal an!“

Gesagt, getan. Helmut hatte Glück und bekam den Bandleader der Teachers gleich an die Strippe. Ohne groß nachzudenken, sagte Theo zu.

„Am Samstag hätten wir eigentlich Probe, deswegen kann ich dir gleich sagen, dass alle können – da brauche ich gar nicht großartig zu telefonieren. Dufte, das wird ’ne Schau.

Ich denke, wir können zwei Mal eine Stunde lang spielen, zwischendurch eine kleine Pause, um den Getränkeverkauf etwas anzukurbeln. Spitze, ich freue mich! Etwas aufgeregt bin ich ja schon. Das ist schon was anderes als beim Abiball aufzutreten…“ Nach einer kurzen Pause schob er nach „aber das kriegen wir hin. Man wächst mit seinen Aufgaben!“

Hannelore saß während des Gesprächs neben ihrem Verlobten. Helmut hielt den Hörer so, dass auch sie mithören konnte.

„Ich danke dir! Morgen um 9:30 Uhr wird der Hübner eine Pressekonferenz geben. Dann machen wir es offiziell.

Schlaf gut und grüß die Jungs von mir!“

„Ich werde sie gleich über die Neuigkeiten unterrichten!

Mach’s gut!“

Bürgermeister Hübner hatte sich die halbe Nacht lang überlegt, wie er sich verhalten sollte. Sollte er sich eine Geschichte ausdenken, warum es am Samstag nicht zu einer Aufzeichnung des Blauen Bocks kommen würde oder lieber die Wahrheit sagen? Es gab nur diese zwei Möglichkeiten.

Beim Abwägen der Vor- und Nachteile musste er an seine Großmutter und einen ihrer Grundsätze denken. „Ehrlich währt am längsten!“, pflege Oma Tilly gerne zu sagen. Wie recht sie doch hatte, eine weise Frau.

Die Luft im Sitzungszimmer des Rathauses war vom Zigarettenrauch erfüllt. Hübner begann zu der Hand voll Pressevertretern zu sprechen, die allesamt weiße Hemden, modisch schmale Krawatten und dunkle Sakkos unter ihren in verschiedenen Grautönen gehaltenen Wintermänteln trugen.

„Meine Herren, es gibt nichts zu beschönigen und keinen Grund, um den heißen Brei herum zu reden. Sie wissen, dass dies ohnehin nicht meine Art ist. Wie Sie bereits vermuten, wird es am Samstag nicht zu einer Fernsehaufzeichnung der Sendung Zum Blauen Bock durch den Hessischen Rundfunk aus der Kulturhalle kommen. Wir sind einem Betrüger aufgesessen, einem üblen Scherzbold!“

„Ist bekannt, wer hinter der Sache steckt?“, fragte ein Vertreter der Oberhessischen Presse, der extra aus Marburg angereist war.

„Ja, der Urheber ist mir persönlich bekannt!“

„Um wen handelt es sich?“, bohrte der Mann aus dem Nachbarkreis nach.

„Das möchte ich hier und heute nicht preisgeben.“

Notizen wurden gemacht. Getuschel folgte.

„Wie genau war der Wortlaut des Telegramms?“, wollte Kowalewski von der Frankenberger Zeitung wissen.

„Da muss ich Sie enttäuschen, meine Herren. Den Inhalt des Telegramms werde ich nicht eins zu eins wiedergeben. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass sich der Initiator dieses Komplotts mit diesem Schriftstück mir gegenüber eindeutig zu erkennen gegeben hat. Es besteht kein Zweifel!“

„Was passiert mit den über 200 Leuten, die für Samstag Eintrittskarten gekauft haben? Können sie finanzielle Entschädigung erwarten?“, fragte Jung, Chefredakteur der Hessischen Allgemeinen.

„Eine absolut berechtigte Frage, die wir uns natürlich ebenfalls gestellt haben.“ Hübner zeigte auf sich und die vier Person, die rechts und links von ihm saßen. Das waren sein Stellvertreter Naumann; Meier vom Ordnungsamt; Reusch, der Leiter der Polizeistation und Hannelore Vöhl. „Wir hoffen auf die Akzeptanz der Bevölkerung für unser Samstagabendprogramm.“

Hübner machte eine Pause, die einzig und allein dazu dienen sollte, die Spannung zu erhöhen. Die Journalisten sahen sich fragend an.

„Dann will ich Sie mal nicht unnötig auf die Folter spannen.

Wir konnten die aufstrebende Frankenberg Beat-Formation Teachers für den Samstag gewinnen.“

Er sah sich sprachlosen Vertretern der Presse gegenüber, die teils mit offenem Mund vor ihm saßen.

„Uns ist bekannt, dass dies durchaus als gewagt bezeichnet werden kann und der Frankfurter Äppelwoi-Wirt Otto Höpfner ein anderes Publikum anspricht. Wir möchten der Band jedoch eine Chance geben, sich einem großen Publikum vorzustellen, das sie sonst nicht erreicht hätte. Manch älteres Semester bekommt an diesem Abend nun die Gelegenheit, sich persönlich ein Bild von dem zu machen, was er oder sie abfällig als Hottentotten-Musik bezeichnen, ohne wirklich zu wissen, worüber da ein voreiliges Urteil gefällt wird!“

Es folgte ein spontaner, aber zurückhaltender Applaus.

Ein Mann, der den anderen Anwesenden unbekannt war, meldete eine Frage mit erhobener Hand an, so wie es seine Kollegen zuvor gleichfalls getan hatten.

Hübner rief den Fremden auf. „Ja, bitte Herr…“ „Bartel. Georg Bartel, Hessischer Rundfunk. Mir…“ „Sie gibt es wirklich?!“, fragte Hübner sofort.

Bartel blickte an sich herab. „Sieht wohl so aus. Ich bin zu Ihnen gekommen“, er sprach auch in Richtung der Journalisten, als er sich von seinem Platz erhob, „da mir zu Ohren gekommen ist, was hier vorgefallen ist. Was Ihnen, werter Herr Hübner und der Stadt Frankenberg angetan wurde.

Und, dass man damit auch unseren Ruf, den Ruf des Hessischen Rundfunks, schädigt – ganz gleichgültig, ob dies nun bewusst oder unbewusst geschieht!“

Hübner fiel die Kinnlade herunter. Jung von der Hessischen Allgemeinen bekam es als erstes mit und hielt seine Kamera auf den Bürgermeister. Sofort taten es ihm seine Kollegen gleich und Hübner sah sich einem Blitzlichtgewitter ausgesetzt.

Bartel sprach weiter. „Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass es uns nicht möglich ist, kurzfristig bis übermorgen, eine Aufzeichnung des Blauen Bocks auf die Beine zu stellen. Wir sind bereits in der Planung für das kommende Jahr. Nun, meine Herren“, er redet zunächst an seine Kollegen gewandt und drehte sich dann zum Bürgermeister, „wir würden gerne im kommenden Januar aus der neuen Frankenberger Kulturhalle, übrigens ein echtes Schmuckkästchen, senden – live und in Farbe!“

Hübner war den Tränen nahe, die Reporter machten sich Notizen in ihre Blöcke, als gäbe es morgen nichts mehr zu schreiben.

Die Ankündigung Bartels war eine echte Sensation. Zu jener Zeit, Anfang 1964, waren die deutschen Wohnzimmer noch fest in der Hand von Schwarzweißfernsehern. Die wenigen Fernsehsender hatten erst vor kurzem begonnen, ihr Programm testweise in Farbe auszustrahlen.

Bartel sah Hübner an. Hübner sah Bartel an. Die Journalisten sahen abwechselnd beide an und zückten erneute ihre Fotoapparate.

„Danke! Vielen Dank!“, sagte der Bürgermeister, ging auf Bartel zu und umarmte ihn herzlich. Erneutes Blitzlichtgewitter. „Es wird uns eine Ehre sein, Gastgeber für Sie und Ihr Team sein zu dürfen!“

Hannelore Vöhl stand ebenfalls auf, begab sich zu ihrem Vorgesetzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Als sie geendet hatte nickte Hübner und wand sich erneut an Bartel.

Für alle vernehmbar sagte er zu seiner Sekretärin „Das ist ein sehr guter Hinweis, Fräulein Vöhl. Herr Bartel, Sie werden sich vielleicht gefragt haben, was wir nun mit den 225 Bürgern machen, die Karten für den Samstag gekauft haben!?“

„Das ist in der Tat eine berechtigte Frage“, sagte der Angesprochene daraufhin. „Nun was machen Sie mit den 225 Leuten die Karten für die Aufzeichnung vom Blauen Bock erworben haben, die nicht stattfindet?“

„Wir bieten ein Ersatzprogramm an, ach was sage ich… am Samstag wird die Frankenberger Beat-Band schlechthin in der Kulturhalle auftreten, die Teachers!“ Dass es die einzige halbwegs vorzeigbare Combo der Ederstadt war, verschwieg Hübner an dieser Stelle.

„Sie haben sich etwas einfallen lassen. Das ist gut! Aus der Not eine Tugend gemacht, tüchtig!“, lobte der Fernsehvertreter.

„Passen Sie auf, es geht noch weiter. Meine reizende Mitarbeiterin“, er sah zu Hannelore, die augenblicklich errötete, „hat mir soeben vorgeschlagen, Sie, Herr Bartel, zu der Veranstaltung am Samstag einzuladen. Bleiben Sie doch noch für zwei Tage unser Gast“, endete der Bürgermeister und machte, wenn auch etwas ungelenk, mit beiden Armen eine einladende Geste.

Der Mann vom Hessischen Rundfunk zögerte einen Moment mit seiner Antwort.

„Ich danke Ihnen, das ist wirklich sehr liebenswürdig.“ Es folgte eine weitere kurz Pause. „Aber ich kann Ihr Angebot nicht annehmen…“ Enttäuschung machte sich in den Gesichtern der städtischen Vertreter breit. „...zumindest nicht gänzlich.“ Die Mienen begannen sich wieder aufzuhellen.

„Also, lange Rede, kurzer Sinn. Ich kann heute nicht bei Ihnen bleiben, aber ich werde übermorgen zurückkommen.“

Egal, ob Presse oder Mitarbeiter der Stadt, spontan begann die kleine Zuhörerschaft zu klatschen.

Im Anschluss wurden alle weiteren Details besprochen.

Am Folgetag, einen Tag vor der vermeintlichen Fernsehaufzeichnung, informierten die Zeitungen der Region über die „Programmänderung“ für den Samstagabend. In jenem Zeitungsartikel wurde erklärt, dass die Stadt Frankenberg einem üblen Streich zum Opfer gefallen sei. In allen Zeitungsberichten stand stets die Aufforderung Hübners an die ältere Generation, die Gelegenheit zu nutzen und die Musikgruppe zu erleben, von der die Kinder oder Enkel soschwärmten. „Geben Sie diesen jungen Frankenbergern eine Chance“, so wurde Hübner in allen Blättern zitiert.

Theo und seine Band spielten einen souveränen Auftritt vor einer gut gefüllten Kulturhalle. Nur etwa jeder Zehnte war zu Hause geblieben und hatte das Angebot nicht wahrgenommen, die aufstrebende Formation zu erleben. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt als die Teachers nach Let’s twist again von Chubby Checker eine fünfzehnminütige Pause ankündigten.

„Vielen, vielen Dank“, bedankte sich Klaus, der Sänger der Band beim Publikum. „Ihr könnt euch gleich mit Getränken versorgen oder holt euch vor der Halle eine Bratwurst. Aber bleibt bitte noch einen kleinen Moment hier! Es gibt noch eine wichtige Mitteilung für euch!“

Klaus sah zum Bühnenrand, von dort kamen Hübner und Bartel Arm in Arm auf ihn zu. Sie winkten in die Menge und genossen den Applaus, der sie empfing.

Zuerst trat Bürgermeister Hübner an das Mikrofon. Er sorgte für eine fiepende Rückkopplung, erschrak kurz, lächelte und wagte einen zweiten Versuch.

„Guten Abend, Frankenberg! Ich möchte nicht viele Worte verlieren, sondern mich einfach bei euch bedanken, dass ihr so zahlreich erschienen seid, obwohl ihr eigentlich ein anderes Programm erwartet hattet. Danke, auch im Namen der Teachers! Die können doch was, oder?“

Erneute brandete Applause auf, vereinzelt waren „Bravo!“-

Rufe zu hören.

„Neben mir steht jemand, der euch noch etwas zu sagen hat.

Ich glaube, ich brauche ihn nicht mehr vorstellen.“

Bartel war seit gestern allen Frankenberger bekannt. Sowohl die Frankenberger Zeitung, als auch die Hessische Allgemeine hatten ihn mit Hübner abgebildet. Die Posse rund um die Fernsehaufzeichnung war Stadtgespräch.

Die ersten Worten Bartels gingen im Beifall des Publikums unter.

Ungläubig lächelnd genoss er den Moment, versuchte dann jedoch die Menge zu beruhigen.

„Danke“, setzte er von Neuem an. „Ich danke Ihnen! Auch ich will nicht viele Worte verlieren. Ich hoffe, Sie haben am 9. Januar 1965 noch nichts vor. Wir werden nächstes Jahr für eine Aufzeichnung des Blauen Bocks wiederkommen.

Was halten Sie davon…“, der Jubel der Frankenberger war lauter als die Lautsprecheranlage der Kulturhalle.

„Was halten Sie davon, wenn die Teachers