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Seitenzahl: 195
Französische Lyrik in deutschen Versen
vonJoseph Jaffé
HamburgIm Gutenberg-VerlagDr. Ernst Schultze1908
Alle Rechte vom Verlag vorbehalten
Außer dieser Ausgabe ist von dem vorliegenden Buche noch eine kleine Auflage als Ausgabe B auf hochweißem, sehr starkem, dabei aber außerordentlich leichtem Dickdruckpapier hergestellt worden. Jedes Exemplar dieser Liebhaberausgabe ist in Ganzleder gebunden und kostet 8 Mark
In dieser Sammlung ist der Grundsatz genauer Nachbildung von Versmaß und Reimverschlingung streng durchgeführt. Wer Übersetzungen eine Mitgift aus eigenem geben kann, mag sich freier bewegen; der bescheidene Dolmetsch soll die Gebärde des Kunstwerks ehren und deshalb den Vorteil verwandter Formen selbst auf die Gefahr einer gelinden Beengung ausnutzen. Es ist keineswegs richtig, daß Übersetzungen durchaus den Eindruck von Originalen machen müssen, der Geruch der Muttererde darf sich nicht verflüchtigen. Unsere Bühne kann den Trochaeus des spanischen Dramas, den Alexandriner des französischen getrost preisgeben, ihre Mittel leisten tausendfältigen Ersatz und ermöglichen Treue der Stimmung; die redlichste Übertragung eines Gedichtes hat dagegen immer noch genug Verluste zu beklagen. Gewiß wird alle Lyrik durch dieselben Stimmungen ausgelöst, doch die Seelen der Völker und Zeiten sind so verschieden, wie die der Sprachen.
Der Leitsatz rechtfertigt die Verwendung des oft verketzerten Alexandriners. Was ihn uns unbehaglich macht, ist zumeist die starre Cäsur, die ihn im Deutschen — viel schärfer als im Französischen — wie mit einem Beilschlage zerhackt; sie ist frei behandelt, wie dies ja auch die jüngeren Franzosen belieben.
Dem vers libre ist peinliche Gerechtigkeit widerfahren; Meister wie Régnier und Verhaeren können dies beanspruchen, sie sind gegen den Verdacht gespreizter Unfähigkeit geschützt, die sich nur zu oft solcher Tracht bedient.
Es bedarf keiner Erwähnung, daß das Büchlein weder bestimmte Zeitabschnitte noch Schulen erschöpfen will; nicht einmal dem Reichtum der vertretenen Dichter wird es auch nur annähernd gerecht.
Lugano, im Herbst 1907
Joseph Jaffé
geb. 1431
Mich reut, daß ich in jungen Tagen
Gescheut hab jede ernste Pflicht,
Das Alter naht, wer kann es sagen,
Wie bald dies wilde Herz schon bricht.
Zu Fuß enteilt die Zeit ja nicht,
Sie sitzt zu Rosse! ach, mein Glück
War immer leicht nur von Gewicht,
Mir ärmsten blieb auch nichts zurück.
Die Jahre sind dahin gegangen,
Nichts ernstes habe ich erstrebt,
Mit Schrecken seh ich und mit Bangen,
Ich bin nicht reif, bin nur verlebt.
Eh’ noch mein Sein ins Nichts entschwebt,
Hat mich der letzte Freund vergessen,
Kein Herz, das um mich zagt und bebt ...!
Ich habe nie ein Glück besessen.
Nie hab ich schweres Geld gezahlt
Für Leckerbissen und für Wein,
Bei Frauen nie damit geprahlt,
Davon ist mein Gewissen rein.
Wer dies nicht glaubt, der läßt es sein,
Mag seinen Glauben er genießen!
Wirft einer deshalb einen Stein,
Wird er von sich auf andere schließen.
Geliebt hab ich natürlich auch
Und liebte gerne noch viel mehr,
Doch volles Herz und leerer Bauch,
Die helfen dabei nicht zu sehr.
Wer Sorgen hat, trägt alles schwer,
Der weiß nicht viel von Feiertagen,
Mein Magen war ja meistens leer,
Musik macht nur ein voller Magen.
Hätt ich bekämpft die wilde Sucht
Und was gelernt in jungen Jahren,
Mich fromm befleißigt guter Zucht,
Ich würde heute besser fahren.
Doch böse Buben, wie wir waren,
Die schwänzen, wenn’s zur Schule geht!
Jetzt kann ich mir die Worte sparen,
Die Reue kommt ja stets zu spät.
Geschrieben steht — nur habe ich
Gedeutet es nach meinem Sinn —
„Mein Sohn, freu’ in der Jugend dich!“
Ja, davon hatte ich Gewinn.
Nun ist die Jugend längst dahin!
Was weiter folgt, schien mir nicht wichtig,
„Die Jugend“, heißt es dann darin,
„Und ihre Freuden, die sind nichtig.“
„Die Tage sind mir voller Hast
Enteilt“, kann ich mit Hiob sagen,
„Schnell wie am Webstuhl ohne Rast
Das Schifflein gleitet“. Darf ich klagen?
Wer Hoffen nicht mehr kennt noch Zagen,
Erschrickt nicht, wenn das Ende droht,
Mich wird kein Mißgeschick mehr schlagen,
Denn alles schwindet mit dem Tod.
Wo sind sie hin, die Burschen all’,
Mit denen einst ich mich ergötzt,
Die hoch des freien Wortes Schall,
Noch höher kühne Tat geschätzt?
Die meisten sind zu Tod gehetzt,
Gott, der die Sünder nicht verläßt,
Schenk ihnen ewige Ruhe jetzt
Und schirme gnädiglich den Rest.
Gar mancher hat es weit gebracht
Und kann auf stolzem Rosse reiten,
Gar mancher bettelt nackt und lacht,
Brot sieht er höchstens mal vom weiten.
Noch andere traten klug beizeiten
Ins Kloster ein und beten brav,
Ich seh sie in Sandalen schreiten,
Wie es nun grade jeden traf.
Die großen Herren können lachen,
Sie haben immer gute Zeit,
Gott braucht sich Sorgen nicht zu machen
Um dieser Leute Fröhlichkeit.
Dem Armen, der vor Hunger schreit
Wie ich, o Herr, erweis dich gnädig,
Im Kloster kennen sie kein Leid,
Die Mönche sind der Sorgen ledig.
Sie lieben wohlbestellten Tisch
Und trinken gerne guten Wein
Zum Braten, Kuchen und zum Fisch,
Stets muß er frisch vom Zapfen sein.
Die Arbeit macht den Brüdern Pein,
Der Tag soll sorgenfrei verfließen,
Doch schenken sie sich selber ein,
Dess’ lassen sie sich nicht verdrießen.
Des Urteils harr ich in Geduld,
Mein Fall ist einfach, klar und schlicht,
Vergebung hoff ich meiner Schuld,
Was andere taten, richt ich nicht.
Ein Sünder bin ich und ein Wicht,
Gelobt seist du, o Jesuchrist,
Du führst mich ein zum ewigen Licht!
Doch was ich schrieb, bleibt, wie es ist.
Jetzt lassen wir die Kirche ruhn
Und reden mal von andern Dingen,
Man hat nicht gern damit zu tun,
Vergnügen kann es auch nicht bringen.
Die Menschen, die mit Sorgen ringen,
Gebrauchen Worte leicht, die kränken,
Und wenn sie schon den Mund bezwingen,
Verhindert nichts sie, hart zu denken.
Wir, die von armen Leuten stammen,
Wir können nur von Not erzählen,
Mein Vater brachte nichts zusammen,
Und auch sein Vater mußt sich quälen.
Es tat an allem stets uns fehlen,
Und auf den Gräbern meiner Ahnen
— Der Herr erbarm sich ihrer Seelen —
Erblickt man weder Helm noch Fahnen.
Ließ mir der Hunger keine Ruh,
Hat oft mein armes Herz gesagt:
Weshalb, o Menschlein, jammerst du?
Verachte, was dich quält und plagt!
Jacques Coeur[1] hat alle überragt
An Reichtum und litt niemals Not,
Wenn auch dein Los dir nicht behagt,
So lebst du doch, und er ist tot.
Jacques Coeur hat alle überragt,
Ein Herr ...! jetzt ein erloschnes Licht.
Es gilt von ihm, was David sagt:
„Ich suchte ihn und fand ihn nicht.“
Im übrigen hat mein Gedicht
Für eine Predigt keinen Raum,
Ich leiste gern darauf Verzicht,
Nur Pfaffen schlagen solchen Schaum.
Nie habe ich, sagt’s allen Leuten,
Für einen Engel mich gehalten,
Ich wollte niemals was bedeuten,
Nie konnt ich aus dem vollen schalten.
Still in der Erde, in der kalten,
Ruht längst mein Vater, und Freund Hain
Naht schon dem Mütterlein, dem alten,
Der Sohn wird auch zu finden sein.
Ich habe Toren, habe Weise,
Hab Priester, Laien wohl gekannt,
Hofleute, Bürger, Kinder, Greise,
Geringe, große Herrn im Land,
Und Damen auch im Prachtgewand,
Geschmückt mit Halsgeschmeid und Ring,
Jedwede Art und jeden Stand,
Dem Tode keiner noch entging.
Der Tod fand Paris und Helenen,
Er packt uns unter Qual und Schmerz,
Wenn wir zum letzten Schlaf uns dehnen,
Steigt uns die Galle in das Herz.
Der Atem stockt, im Busen zerrt’s,
Der Schweiß bricht aus, da hilft kein Beten,
O Gott, das Sterben ist kein Scherz,
Kein Bürge kann uns da vertreten.
Der Tod macht alle bleich und gleich,
Das Auge bricht, die Sinne schwinden,
Der Hals schwillt an, das Fleisch wird weich,
Die Bänder wollen nicht mehr binden.
Die Frauen selbst, die zarten, linden,
Ihr süßer, liebenswerter Schoß,
Er wird zu Staub, ein Spiel den Winden,
Denn allen fällt das gleiche Los.
[1] Jacques Coeur, Bankier der französischen Krone unter Karl VII. (1422-1461), der reichste Mann seiner Zeit.
1495-1539
Willst du dein Herz erquicken,
Mußt einen einzigen Blick
Du meiner Liebsten schicken,
Gott schenk ihr Gunst und Glück!
So hold wirst du sie finden,
Daß dir zur selben Stund
Wohl tausend Schmerzen schwinden,
Ihr Gruß macht dich gesund.
Die Gaben meiner Schönen
Erfreuen Herz und Sinn,
Die Sehnsucht läßt mich stöhnen,
Wenn ich nicht bei ihr bin.
Ihr Liebreiz macht mich beben,
Bleich werd ich, wie der Tod,
Doch ihre Huld schenkt Leben,
Verscheucht, was mich bedroht.
Ein Unglück, Sire, alleine, das kommt selten!
Euch, Herr, wird dieses Wort als Wahrheit gelten;
Es kommt zu zweit, zu dritt, in ganzen Scharen,
Ihr habt es leider selber ja erfahren.
Und ich, ich bin kein Fürst, bin überhaupt
Vor Euch ein Nichts. Doch wenn Ihr es erlaubt,
Erzähle ich die schönste der Geschichten.
Von meinem Diener will ich Euch berichten
Aus der Gascogne, ein Lügner und ein Dieb,
Er soff und fraß und wußte, wo er blieb,
Ein Lümmel, wie vom Galgen abgeschnitten,
Im übrigen bei allen wohl gelitten,
Ein Bursch, in den die Dirnen sich vernarrten,
Ein flotter Kerl bei Kegeln und bei Karten.
Der ehrenwerte Herr bekam nun Wind
Von jener Summe, die Ihr mild gesinnt
Mir jüngst gemacht zur gnädigen Verehrung,
Von meines Beutels plötzlicher Beschwerung.
Des Nachts — er pflegte länger sonst zu liegen —
Ist er in meine Kammer eingestiegen
Und nahm das schöne Geld noch vor dem Morgen.
Ich glaube kaum, er wollte es nur borgen,
Denn keinem hat er was davon gesagt.
Um wenig hat er sich grad nicht geplagt,
Mein Hut, mein Wams, mein Gurt fiel ihm zum Raube,
Die Stiefel und der Mantel und die Schaube;
Das beste, was ich nur bei Hofe trug,
War diesem Kenner grade gut genug.
Ihr hättet ihn, es fehlte wohl nur wenig,
Für mich genommen, hoher Herr und König.
Zum Schluß begab sich dann mein Seneschall
Des graden Wegs in seines Herren Stall.
Das schlechte Pferd mißfiel dem guten Jungen,
Flugs hat er auf das bessere sich geschwungen,
Den Sattel nahm er und das Terzerol
Und nichts vergaß er als das Lebewohl.
Er spürte um den Hals vielleicht ein Würgen,
Doch war der Held beritten wie Sankt Jürgen.
Den Herrn hat er nicht aus dem Schlaf geweckt,
Der war nicht gut gelaunt, als er’s entdeckt.
Der Herr war ich. Ihr werdet es verstehen,
Der Morgen hat mich nicht vergnügt gesehen,
Fort waren alle meine schönen Kleider
Und auch das beste meiner Rosse leider.
Daß auch das liebe Geld so schnell verschwand,
Begriff schon etwas eher mein Verstand,
Denn Euer Geld, vermeld ich untertänig,
Wird niemals bei mir warm, mein Herr und König.
Doch damit ist das wenigste erzählt.
Es ist noch etwas, was mich härter quält,
Was mich bei Tag und Nacht nicht mehr verläßt
Und mir in Kürze sicher gibt den Rest,
Was in die Erde bringt mich armen Mann,
Wo ich dann lustig weiter reimen kann.
Mein armer Körper windet sich und leidet,
Mein Leib ist manchmal schier wie ausgeweidet,
Drei Monat ist der Kopf schon eingezwängt,
Die Brust ist stets beklommen und beengt,
Die Beine können kaum den Rumpf noch tragen,
Ganz ausgemergelt ist mein armer Magen.
Die Krankheit scheint mich langsam aufzuzehren,
Sie peinigt mich — ich sag’s in allen Ehren —
Sie peinigt mich, mein König, ganz genau,
Wie den Pariser seine liebe Frau.
Was sag ich noch! geschwunden ist der Leib
Fast ganz, und nur zu Eurem Zeitvertreib
Blieb etwas noch von meinem Geist am Leben,
Viel kann er freilich nicht zum Besten geben.
Um diesen kargen Rest, der vor Euch steht,
Bemüht sich, Herr, die halbe Fakultät,
Betastet meinen Puls, hält weisen Rat
Und kündet als gewisses Resultat,
Der Frühling heilt bestimmt mein bitteres Weh.
Sehr gut gesagt! Was ich davon versteh,
Ist dies: soll ich den Frühling nicht mehr sehn,
Werd ich im Winter schon zu Grunde gehn;
Bin ich dagegen schon im Winter tot,
Dann hab ich um den Frühling keine Not.
So quäl ich mich neun lange Monat schon.
Verkauft ist alles, was mir der Cujon
Nicht stahl. Ich hab mich kümmerlich gepflegt,
Das ganze in Latwergen angelegt.
Doch, gnädiger Herr, deshalb dürft Ihr nicht meinen,
Daß ich mit Bitten will vor Euch erscheinen;
Verwechselt mich nicht etwa mit dem Pack,
Das ewig nur die Taschen füllen mag.
So manchen gab es, der nur immer nahm,
Dazu, mein Fürst, besitz ich zuviel Scham,
Auf Ehre, Sire, ich nehme nichts geschenkt!
Doch wenn Ihr etwas mir zu leihen denkt,
Sag ich nicht nein. Denn wie es geht, so geht’s,
Ein Gläubiger macht einen Schuldner stets.
Und wißt Ihr, Herr, wie ich die Schuld will zahlen?
Das weiß noch keiner, Sire! ich will nicht prahlen,
Ihr ahnt ja nicht, wie glücklich Ihr es trefft,
Ihr macht dabei ein glänzendes Geschäft,
Es ist wahrhaftig keine Übertreibung!
Ich geb Euch eine sichere Verschreibung
— Verlangt Ihr Zinsen, Herr? — auf jene Frist,
Wo einmal alle Welt zufrieden ist,
Und wenn Ihr lieber wollt, mein Fürst, vielleicht
Auf jenen Tag, da Euer Ruhm verbleicht.
Traut Ihr Euch nicht, die Forderung so zu buchen,
Will ich mir ein paar gute Bürgen suchen,
Wenn Euch die Fürsten von Lothringen passen,
Könnt Ihr ja die im Notfall für mich fassen.
Doch weiß ich wohl, Euch kommt’s nicht in den Sinn,
Daß ich nicht sicher und nicht ehrlich bin.
Indessen hat man gerne was in Händen,
Deshalb will ich den Schuldbrief daran wenden,
Der ist im Todesfall, bei meiner Ehr,
So gut, wie wenn ich, Sire, unsterblich wär.
Falls etwas mir zu leihen Ihr geruht,
Laßt mich’s in Gnaden wissen, seid so gut;
Auf meinen Gütern — kennt Ihr sie nicht, Sire? —
Erbaut ich jüngst ein neues Luftschloß mir,
Das muß ich jetzt bezahlen. Nur ein Tor
Sorgt nicht bei Zeiten für die Zukunft vor.
Das wäre alles so in großen Zügen,
Ich habe weiter nichts hinzuzufügen.
Wollt ich noch eine Zeile niederschreiben,
Ich fürchte, Sire, ich könnte übertreiben.
Dann schrieb’ ich: Herr und König der neun Musen,
Der alle ihre Weisheit trägt im Busen,
Du König, mehr als Mars an Ehren reich,
Du König, dem kein anderer jemals gleich,
Gott gebe Dir und Deinem stolzen Thron
Des Erdballs ganzen Umkreis noch zum Lohn,
Sowohl zum Heil der rollenden Maschine,
Wie auch, daß Dir zum Ruhme solches diene.
1606-1684
Läßt mein Angesicht auch sehen,
Gräfin, daß die Zeit verstrich,
Euch wird es nicht besser gehen,
Seid Ihr erst so alt wie ich.
All und jedem drückt ihr Zeichen
Auf die Zeit, eh’ sie entweicht,
Eure Rosen wird sie bleichen,
Wie sie mir das Haar gebleicht.
In denselben Bahnen gleiten
Ewig die Planeten hin,
Was Ihr seid, war ich vor Zeiten,
Und Ihr werdet, was ich bin.
Immerhin darf kühn ich sagen,
Etwas, Gräfin, nenn ich mein,
Was vielleicht in späten Tagen
Noch wird unvergessen sein.
Sind auch holde Reize Euer,
Wißt, ein Reiz, den Ihr jetzt haßt,
Strahlt einst noch in hellem Feuer,
Wenn der Eure längst verblaßt.
Er nur wird den Ruhm bewahren
Euren Augen, Eurem Haar,
Er erzählt nach tausend Jahren,
Was an Euch mir teuer war.
Bei den Bürgern jener Welten
Hat mein Wort noch guten Klang,
Werdet Ihr für schön dann gelten,
Schuldet mir Ihr dafür Dank.
Wollet gnädigst drum bedenken:
Ist ein Graukopf keine Zier,
Muß man ihm doch Achtung schenken,
Gleicht er, schöne Gräfin, mir.
1780-1857
Ich kam auf diese Erde
Geängstigt und verzagt,
Kaum hätte aus der Herde
Ich je mich vorgewagt.
Mein Weinen und mein Klagen
Verhauchte fast im Wind,
Da hörte Gott ich sagen:
So singe doch, mein Kind!
Der Reichtum fährt mit vieren,
Verlacht des Armen Not,
Wenn sie vorbei kutschieren,
Bespritzt uns nur der Kot.
Euch habe ich im Magen!
Doch macht der Zorn mich blind,
Dann höre Gott ich sagen:
So singe doch, mein Kind!
Weich bin ich nicht gebettet,
Zum Einerlei verdammt,
Gefesselt und gekettet
An mein bescheiden Amt.
Muß ich zu sehr mich plagen,
Daß Brot mein Arm gewinnt,
Dann höre Gott ich sagen:
So singe doch, mein Kind!
Manch Glück hab ich gefunden
In meines Lebens Mai,
Die Jahre sind entschwunden,
Es ist damit vorbei.
Doch will mein Herz mal fragen,
Warum das Glück zerrinnt,
Dann höre Gott ich sagen:
So singe doch, mein Kind!
So will ich ewig singen,
Will singen bis zuletzt,
Will jedem Freude bringen,
Den mein Gesang ergötzt.
Wo frohe Herzen schlagen,
Die freundlich mir gesinnt,
Da höre Gott ich sagen:
So singe doch, mein Kind!
Die Bude unterm Dach! Ich seh sie wieder,
Wo frohe Armut Lehrerin mir war,
Ich hatte meine Freunde, meine Lieder,
Mein Mädchen hatte ich und zwanzig Jahr.
Der Narren lachte keck ich und der Weisen,
Da ich des Lenzes Blütentraum genoß,
Sechs Treppen hoch durft ich mich glücklich preisen
Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.
Ein Bodenloch! Ich kann es nicht bestreiten;
Hier war’s, wo meine harte Bettstatt stand,
Dort seh ich noch die Verse, die vor Zeiten
Mit Kohle ich gekritzelt an die Wand.
Doch ach, die Freuden, die sind längst entschwunden,
Die meine Uhr mir mitleidvoll erschloß,
So oft den Weg ins Leihamt ich gefunden,
Mit zwanzig Jahren aus dem Dachgeschoß.
Wie gern ist Liese mit vergnügter Miene
Hier oben einst erschienen zum Besuch!
Vorm Fenster hat die Gute als Gardine
Flink aufgehängt ihr schönes neues Tuch.
Am Boden lag der Hut. Nie mocht ich fragen,
Wer ihn bezahlt hat, weil sie dies verdroß;
Wer wird sich auch um solche Fragen plagen
Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.
Hier haben wir begeistert und verwegen
Die ganze Nacht gesungen und gezecht,
Da bei Marengo Bonapartes Degen
Die schlug, die ihm zu trotzen sich erfrecht.
Viktoria schossen sie! Wir aber dachten,
Nie kehrt zurück in unseres Helden Schloß
Die Sippe Ludwigs, die wir stolz verlachten
Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß.
Hinweg! hinweg! Ich könnte mich berauschen,
Wo der Erinnerung Zauber mich umschwebt ....
Ach, dürfte meiner Tage Rest ich tauschen
Für einen Monat, den ich hier gelebt,
Für Liebe, Leichtsinn, Torheit, für Sekunden,
Daraus im Traum ein Leben mir entsproß,
Für alle Hoffnung, die ich einst gefunden
Mit zwanzig Jahren hier im Dachgeschoß!
Jetzt also vorwärts, Kameraden,