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Zwanzig Jahre hatten sich Ellen, Cornelia und Paula aus den Augen verloren – jetzt begegnen sich die ehemaligen Schulfreundinnen bei einem Klassentreffen wieder. Alle drei sind aus verschiedenen Gründen Single: Die beruflich erfolgreiche Ellen ist geschieden, die leicht zerstreute Uni-Professorin Cornelia verwitwet mit zwei Kindern, und die behütet aufgewachsene Paula lebt seit dem Tod ihrer Mutter allein in einer großen Villa. Als Cornelia und Ellen gleichzeitig eine neue Bleibe in Frankfurt suchen müssen, kommt Paula auf die Idee, in ihrer Villa eine Wohngemeinschaft zu gründen – Cornelias Kinder, Ellens Kakteensammlung und einige Haustiere inklusive. Da jedoch ein Mann (oder besser gleich mehrere) das Leben leichter und auch angenehmer machen könnte, sollen die ungenutzten Räume der Villa zu Fremdenzimmern ausgebaut werden. Ellen, Chefin der örtlichen Messegesellschaft, sorgt für die entsprechenden Kunden – alleinstehende Männer mittleren Alters mit gutem Einkommen. Bald treffen die ersten Gäste ein. Doch plötzlich steht nicht nur Ellens geschiedener Mann vor der Tür; auch der Schreiner, der den Umbau der Villa betreut hat, lässt sich nicht so einfach wieder abschütteln. Offensichtlich sind mehr Männer als gedacht auf der Suche nach einem freien Frauenzimmer …
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Das Buch
Zwanzig Jahre hatten sich Ellen, Cornelia und Paula aus den Augen verloren – jetzt begegnen sich die ehemaligen Schulfreundinnen bei einem Klassentreffen wieder. Alle drei sind aus verschiedenen Gründen Single: Die beruflich erfolgreiche Ellen ist geschieden, die leicht zerstreute Uni-Professorin Cornelia verwitwet mit zwei Kindern, und die behütet aufgewachsene Paula lebt seit dem Tod ihrer Mutter allein in einer großen Villa. Als Cornelia und Ellen gleichzeitig eine neue Bleibe in Frankfurt suchen müssen, kommt Paula auf die Idee, in ihrer Villa eine Wohngemeinschaft zu gründen – Cornelias Kinder, Ellens Kakteensammlung und einige Haustiere inklusive.
Da jedoch ein Mann (oder besser gleich mehrere) das Leben leichter und auch angenehmer machen könnte, sollen die ungenutzten Räume der Villa zu Fremdenzimmern ausgebaut werden. Ellen, Chefin der örtlichen Messegesellschaft, sorgt für die entsprechenden Kunden – alleinstehende Männer mittleren Alters mit gutem Einkommen. Bald treffen die ersten Gäste ein. Doch plötzlich steht nicht nur Ellens geschiedener Mann vor der Tür; auch der Schreiner, der den Umbau der Villa betreut hat, lässt sich nicht so einfach wieder abschütteln. Offensichtlich sind mehr Männer als gedacht auf der Suche nach einem freien Frauenzimmer …
Die Autorin
Heike Wanner arbeitet als Angestellte bei einer Fluggesellschaft und lebt in der Nähe von Frankfurt. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Nach Der Tod des Traumprinzen ist Frauenzimmer frei ihr zweiter Roman.
Von Heike Wanner sind in unserem Hause bereits erschienen:
Der Tod des Traumprinzen
Frauenzimmer frei
Für immer und eh nicht
Rosen, Tulpen, Nelken
Weibersommer
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Frauen zwischen zwanzig und dreißig, die noch keinen Partner fürs Leben gefunden haben, werden oft um ihr aufregend ungebundenes Leben beneidet. Damen zwischen Mitte dreißig und Anfang vierzig hingegen, die noch ohne Ehemann sind, werden gnadenlos bedauert.
Ist das gerecht?
Wo genau liegt eigentlich die Grenze zwischen dem Lebensabschnitt, in dem man als Frau »auf der Suche« ist und sich ruhig noch Zeit lassen kann, und dem Alter, in dem man plötzlich aufpassen muss, dass man überhaupt noch einen Mann »abkriegt«?
Sind es wirklich nur jene zehn Jahre? Oder auch die paar grauen Haare und Fältchen mehr? Ist es die Lebenserfahrung, weil man vielleicht schon die eine oder andere Beziehung hinter sich gebracht hat und »nicht mehr ganz jung« ist, wie es so schön heißt? Sind es die Hormone, die langsam weniger werden und einem ins Ohr flüstern, dass die biologische Uhr unaufhaltsam tickt?
Was auch immer es ist – irgendwann im Leben einer Single-Frau zwischen dreißig und vierzig wird ein Schalter umgelegt, und dann heißt es auf einmal: »Liebes, jetzt musst du dich aber allmählich beeilen!«
Vorzugsweise kommt dieser Rat von der eigenen Mutter oder einer verheirateten Freundin, die sich gar nicht vorstellen können, wie schwierig es ist, attraktive und bindungswillige vierzigjährige Männer zu finden.
Mit zwanzig braucht man sich nicht anzustrengen, um auf annehmbare Junggesellen gleichen Alters zu treffen. Man kommt sich während des Studiums näher, im Sportverein oder bei einem Konzert. Meistens geht die Sache mit dem »Näherkommen« auch sehr schnell.
Kein Wunder – mit zwanzig Jahren muss eine Frau nicht einmal hübsch aussehen, um nicht trotzdem jung und attraktiv zu wirken. Und wenn dann der aktuelle Freund nicht der Richtige ist, sucht man eben ganz entspannt und in Ruhe weiter.
Zehn Jahre später haben Frauen es da schon wesentlich schwerer.
Angefangen damit, dass es viel Zeit kostet, der Natur mit diversen Faltencremes und Haarfärbemitteln nachzuhelfen, stehen auch nicht mehr ganz so viele gleichaltrige Männer bereit, die sich binden wollen. Vierzigjährige haben ihr Studium längst abgeschlossen, feiern nur noch selten wilde Partys und amüsieren sich lieber zu Hause vor dem Fernseher als in den kalten Straßen der Großstädte.
Wo also sollen nicht mehr ganz junge Frauen auf Männerjagd gehen?
Sie können sich auf die gutgemeinten Versuche ihrer Freundinnen einlassen, die sie mit mehr oder weniger sympathischen Männern verkuppeln wollen, die ebenfalls gerade Single sind.
Oder sie versuchen ihr Glück auf »Ü30-Partys« oder »After-Office-Dancing«. Das Internet mit all seinen Chatrooms ist eine weitere erfolgversprechende Möglichkeit. Es gibt viele schöne Berichte über Paare, die sich zunächst nur virtuell getroffen haben.
Aber eine solche Geschichte soll hier nicht erzählt werden.
Die folgenden Ereignisse spielen nämlich von Anfang an »im richtigen Leben«. Es geht um drei Frauen in den besten Jahren, die aus verschiedenen Gründen Single sind und ihre ganz eigene Idee entwickeln, wie man das ändern könnte:
Wenn die Männer nicht zufällig und freiwillig vor der Tür stehen, dann muss man sie einladen.
Dumm nur, wenn auf einmal viel mehr Männer kommen, als eigentlich eingeladen wurden. Da kann Frau schon mal den Überblick verlieren.
Aber zum Glück ist jedes Problem nur halb so schlimm, wenn man es mit der besten Freundin bei einem Glas Wein des Nachts am Küchentisch besprechen kann. Insofern ist dieses Buch nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch ein Buch über die Freundschaft.
Viel Spaß beim Lesen!
Die Kaffeemaschine blubberte in den letzten Zügen. Sanfter Kaffeeduft zog langsam von der Küche in Richtung Wohnzimmer. Dort hatte es sich Paula Rosen in ihrem Lieblingssessel gemütlich gemacht und studierte die Fernsehzeitung.
Dienstags war die Auswahl im Abendprogramm nicht besonders groß. Paula mochte weder amerikanische Krimiserien, noch interessierten sie die Talkshows. Nach kurzem Nachdenken entschied sie sich für eine deutsche Liebeskomödie. Allerdings wusste sie, dass sie nach dem unweigerlichen Happy End frustriert Vergleiche mit ihrem eigenen Leben anstellen würde.
Paula seufzte. Sie hatte noch nie ein Happy End erlebt. Das lag jedoch ziemlich sicher daran, dass sie auch noch nie eine ernsthafte Beziehung geführt hatte.
Als einzige Tochter aus reichem Elternhaus war sie behütet und von Luxus umgeben aufgewachsen und hatte sich nie richtig von ihren Eltern lösen können. Selbst nach dem Abitur, als ihre Schulfreundinnen zum Studieren in die Ferne zogen, war sie zu Hause geblieben und hatte ihr ruhiges Leben mit ihren Eltern weitergelebt. Immerhin hatte sie ihre einzige große Leidenschaft zum Beruf machen können. Paula liebte Pflanzen über alles und besaß das, was man einen »grünen Daumen« nannte.
Als ein Blumenladen in der Nähe ihres Elternhauses zum Verkauf stand, erwarb Paula das Geschäft. Im Laufe der Zeit war daraus ein gutgehender Blumenhandel geworden, der den bezeichnenden Namen »Paula Rosens Rosenwunder« trug.
Privat jedoch hatte sie weniger Glück. Neun Jahre zuvor war Paulas Vater gestorben, und ihre Mutter hatte beschlossen, noch zarter und leidender zu werden, als sie es ohnehin schon war. Paula übernahm klaglos ihre Pflege. Unterstützt wurde sie dabei von zwei polnischen Krankenschwestern und einer jungen türkischen Haushaltshilfe. Alle drei zogen in das obere Stockwerk der großen Villa mitten in Frankfurt, in der Paula mit ihren Eltern seit ihrer Geburt wohnte.
Paula richtete sich im Erdgeschoss zwei gemütliche Zimmer ein und bewahrte sich damit einen Hauch von Unabhängigkeit. Mit der Zeit arrangierte sie sich mit ihrem Leben. Doch dann, vor drei Monaten, war Paulas Mutter unerwartet gestorben.
Die beiden polnischen Krankenschwestern verließen das Haus, nachdem Paula ihnen neue Stellen vermittelt hatte. Hylia erklärte jedoch, dass sie weiterhin bei Paula bleiben wolle. Paula war gerührt – und dankbar, nicht allein in dem großen Haus leben zu müssen.
Und so teilte sie jetzt, mit fast vierzig Jahren, ihr Haus mit einer jungen Türkin und ihr Leben mit üppig blühenden Pflanzen, die sich für ihre Fürsorge mit betörendem Duft und schillernder Farbenpracht bedankten.
Paula seufzte noch einmal. Eigentlich war sie mit ihrem Leben zufrieden.
Wenn nur die Sache mit dem fehlenden Happy End nicht wäre …
Sie legte die Fernsehzeitung beiseite, erhob sich aus ihrem Sessel und schlurfte in die Küche. Dort stellte sie, wie jeden Abend, eine einzelne Tasse und eine Zuckerdose aufs Tablett.
Nach kurzem Zögern legte sie eine Tafel Marzipanschokolade dazu und suchte im Schrank vergeblich nach einem Löffel. Seufzend öffnete sie die Spülmaschine und ärgerte sich im nächsten Moment, dass sie wieder mal nicht nachgedacht hatte. Ein heißer, feuchter Schwall schlug ihr entgegen, denn die Maschine hatte erst vor wenigen Minuten zu Ende gespült. Sofort beschlug Paulas Brille. Sie wandte den Blick zum Fenster, wie immer, wenn sie darauf wartete, wieder klare Sicht zu bekommen.
Draußen wurde es langsam dunkel. Paula hatte die ersten Herbstblumen aus dem Geschäft mitgebracht und früher am Abend alles im Vorgarten eingepflanzt. Lila Blüten wechselten sich in regelmäßigen Abständen mit weißen und blauen Blumen ab.
Paula freute sich auf den Anblick, der sich ihr bieten würde, wenn die Brille wieder klar war. Da fiel auf einmal ein roter Schatten ins immer noch benebelte Bild. Es quietschte, krachte und klirrte ganz fürchterlich, dann war alles wieder still.
Die Brillengläser wurden langsam klar. Paula hielt den Atem an – der Anblick des gepflegten Gartens hätte schöner nicht sein können. Allerdings wurde er durch einen Fremdkörper gestört. Zwischen Heidekraut und Herbstastern stand ein roter Sportwagen im Blumenbeet.
Paula war kein Mensch, der Überraschungen liebte. Der heutige Abend hätte aus Kaffeetrinken, Naschen und Fernsehen bestehen sollen. Eine wie auch immer geartete Störung war in diesen Plänen nicht vorgesehen. Ein Autounfall im Blumenbeet war aber definitiv eine Störung, und eine ziemlich dumme noch dazu. Ärgerlich lief Paula in den Flur hinaus und riss die Haustür auf. Dann betrachtete sie das Ausmaß der Zerstörung.
Der blauweiß gestrichene Zaun lag zersplittert im Vorgarten. Die sorgfältig in Reihen gepflanzten Herbstblumen waren platt gedrückt. Nur einige liebevoll gruppierten Gartenzwerge mit roten Zipfelmützen waren verschont geblieben und lächelten unbeeindruckt vor sich hin.
Paula war in diesem Moment jedoch nicht nach Lachen zumute. Wütend schob sie ihre Brille ein Stück nach oben und blickte böse auf den großen Mann mit den braunen Haaren, der soeben aus dem Auto stieg.
Roland Wolf fluchte leise, aber kräftig.
Er war nur wenige Sekunden unaufmerksam gewesen, weil sein Autoradio gestört hatte und er deshalb die wunderschöne Opernarie nicht zu Ende hören konnte.
Hektisch hatte er an den Knöpfen gedreht und dabei die Katze übersehen, die vor ihm über die Straße lief. Als er schließlich aufblickte, blieb ihm nur noch die Wahl, die Katze zu überfahren oder das Steuer herumzureißen und darauf zu hoffen, dass das Auto rechtzeitig vor dem nächsten Vorgarten zum Stehen kam.
Leider war diese Hoffnung vergeblich gewesen. Nun hing sein nagelneuer Porsche in einem kaputten Zaun und wurde von einer Ansammlung einfältig grinsender Gartenzwerge umzingelt.
Das Bedrohlichste allerdings war die Frau, die in diesem Moment auf ihn zukam. Sie war ein ganzes Stück kleiner als er, hatte die Arme in die Seiten gestemmt und funkelte ihn durch ihre Brillengläser zornig an.
»Sie haben meinen Vorgarten zerstört!«, fauchte sie.
Roland Wolf seufzte und wünschte sich, er hätte die Katze überfahren.
»Ich werde für den Schaden bezahlen«, entgegnete er gereizt. Dann begann er, seinen Porsche nach Schrammen abzusuchen. Offensichtlich waren nur leichte Lackschäden entstanden. Er atmete auf.
»Ein Lebewesen kann man nicht einfach bezahlen! Das ist nicht ersetzbar«, bemerkte die Frau düster.
»Lebewesen?« Hatte er die Katze doch überfahren?
»Unter Ihren Reifen liegen Erika, Fetthenne und Kissenaster.«
»Erika und Fetthenne?«, wiederholte Roland Wolf bestürzt. »Haben Sie eine Hühnerzucht?«
Aber zum Glück schüttelte die Frau den Kopf, und ihre langen schwarzen Haare lösten sich langsam aus dem Band, das sie zusammengehalten hatte.
»Erika, Fetthenne und Kissenaster sind Herbstblumen«, klärte sie ihn auf. »Wunderschöne blühende Pflanzen in Weiß, Lila und Lavendelblau.«
»Dann ist es ja nicht so schlimm«, sagte Wolf erleichtert.
»Nicht so schlimm?«, wiederholte die Frau lauter als nötig. »Sie haben diese Pflanzen getötet!«
»Die Gartenzwerge sind aber heil geblieben«, verteidigte er sich.
Mit einem Aufschrei stürzte die Frau in den Vorgarten und stellte die Gartenzwerge fein säuberlich nebeneinander auf. Dabei zählte sie laut. »Eins – Ludwig. Zwei – Heinrich. Drei – Jakob. Vier – Waldemar …«
Roland Wolf verdrehte die Augen zum Himmel. Offensichtlich hatte er es mit einer Irren zu tun, die mit ihren Pflanzen redete und ihren Gartenzwergen Namen gab.
Inzwischen hatte sie sieben Zwerge um sich herum aufgebaut und nickte zufrieden. »Alle da und alle unversehrt.«
Er musste lächeln. Im Kreis der Zwerge erinnerte ihn die Frau mit den schwarzen Haaren an ein in die Jahre gekommenes Schneewittchen.
»Paula Rosen«, sagte sie jetzt und blinzelte ihn unfreundlich an.
»Wie bitte?« Er war verwirrt. Sprach sie von einem achten Gartenzwerg? Zählte sie eine weitere Pflanze auf, die er auf dem Gewissen hatte?
»Ich heiße Paula Rosen«, wiederholte sie gereizt.
»Roland Wolf.« Das »Angenehm« ließ er fort. Diese Situation war für ihn alles andere als angenehm. Sie nickte und betrachtete dann kritisch seinen Porsche. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihr Auto zu entfernen?«, fragte sie.
»Das ist kein Auto, das ist ein Porsche«, entgegnete Wolf verärgert.
»Mir ist völlig egal, wie das Gefährt heißt. Hauptsache, es verschwindet wieder!« Sie rückte ihre Brille zurecht.
Wolf kramte eine Visitenkarte aus seiner Manteltasche und hielt sie Paula vor die Nase.
»Hier ist meine Karte.«
Paula ergriff sie und las sie aufmerksam durch.
»Sie sind Zahnarzt«, stellte sie fest und steckte die Karte in ihre Hosentasche.
»Haben Sie auch eine Visitenkarte?«, fragte Wolf. Paula nickte.
»Kann ich sie eventuell bekommen?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein?«, wiederholte er ungläubig. »Warum nicht?«
»Ich habe keine hier. Sie liegen im Laden.«
»Was verkaufen Sie denn? Gartenzwerge in verschiedenen Größen?« Er musste über seinen albernen Scherz schmunzeln.
»Unter anderem«, bestätigte Paula jedoch völlig ungerührt. »Und dazu noch Pflanzen in allen Varianten. Mir gehört der Blumenladen um die Ecke.«
»Aha.« Mehr fiel ihm dazu nicht ein. Dann räusperte er sich. »Ich werde gleich morgen veranlassen, dass hier alles repariert wird.«
Paula zuckte mit den Schultern. »Wie Sie meinen. Für die Blumen kommt wohl jede Hilfe zu spät.«
»Wollen Sie sie selbst begraben, oder soll ich ein Bestattungsunternehmen schicken?« Wieder musste Wolf ein Grinsen unterdrücken.
»Ich kümmere mich selbst um meine Pflanzen«, kam es unfreundlich zurück. »Es reicht, wenn Sie den Zaun reparieren lassen.«
»Damit ist ja wohl alles geklärt«, sagte Wolf erleichtert.
»Genau«, bestätigte Paula. Sie drehte sich um, verschwand im Haus und knallte die Tür hinter sich zu.
Wolf ging zu seinem Wagen. Zum Glück sprang der Motor auf Anhieb an. Vorsichtig fuhr er zurück auf die Straße und atmete erleichtert auf, als Paula Rosens Vorgarten aus seinem Blickfeld verschwand.
Gerade als Paula die Tür hinter sich zuschlug, kam ihr ihre Haushaltshilfe entgegen.
»Was war denn da draußen los?«, fragte Hylia. Sie war eine lebhafte Frau mit dunklen Augen und schwarzen Haaren, die bereits seit ihrer Geburt in Deutschland lebte.
»Da ist gerade ein Mann mit seinem Auto in unseren Vorgarten gefahren«, knurrte Paula.
»Du lieber Himmel! Ist es schlimm?«, erkundigte sich Hylia bestürzt.
Paula schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Das muss ich mir mal ansehen.« Hylia eilte zur Tür hinaus und verschwand im Garten.
Paula ging in die Küche und schenkte sich Kaffee ein. Sie legte ihre Finger um die Tasse und blickte missmutig aus dem Fenster.
»Schade um den schönen Zaun.« Hylia betrat die Küche. »Du hast dem Typen hoffentlich gesagt, dass er zahlen muss?«
Paula nickte. Während sie den Kaffee in kleinen Schlucken trank, bemerkte sie, dass Hylia zwei Briefe in der Hand hielt.
»Was hast du da?«
»Die Post.« Hylia hielt ihr einen der beiden Umschläge hin. »Dieser Brief ist für dich. Der andere ist von meiner Oma aus der Türkei.« Paula hatte den Absender ihres Briefes gelesen und runzelte die Stirn.
»Brauchst du mich noch?«, fragte Hylia. »Sonst würde ich gern weiter ›Die Super-Hausfrau‹ gucken.« Hylia hatte eine Schwäche für Reality-TV-Sendungen.
»Geh ruhig!« Paula lächelte.
»Na dann, gute Nacht!« Hylia nahm sich beim Hinausgehen ein Stück von der Marzipanschokolade.
Paula winkte ihr nach, füllte ihre Tasse noch einmal auf und setzte sich mit dem Brief an den Küchentisch. Wieder las sie den Absender.
»Ellen Winter«, murmelte sie. »Was für eine schöne Überraschung!«
Neugierig riss sie den Umschlag auf und begann zu lesen.
Betrifft: Einladung zum Klassentreffen
Liebe ehemalige Mitschülerin, lieber ehemaliger Mitschüler,
in diesem Jahr haben wir zwanzigjähriges Abi-Jubiläum!
Aus diesem Grund wollen wir zusammen feiern.
Wann? Am Freitag, dem 2. November, um 19 Uhr
Wo? Im Gasthaus Zum goldenen Lamm in der Steinstraße
in Frankfurt
Bitte gib an eine der unten genannten Adressen Bescheid, ob du kommst.
Wir freuen uns auf dich!
Ellen Winter und Cornelia Kleinschmidt
»Ellen und Conny«, sagte Paula sinnend. Dann sah sie, dass auf der Rückseite des Briefes noch einige handschriftliche Zeilen hinzugefügt worden waren.
Liebe Paula,
Conny und ich hoffen sehr auf ein Wiedersehen mit dir.
Bitte, bitte komme am 2. November!
Viele liebe Grüße,
Ellen
Paula schluckte gerührt. Ellen und Cornelia waren ihre beiden besten Schulfreundinnen gewesen. Zu dritt hatten sie sich durch Latein und Biologie gekämpft, zur Musik der »Neuen Deutschen Welle« getanzt und bei etlichen Tassen Tee über Atomkraft, Jungengeschichten und ähnlich wichtige Themen diskutiert. Sie hatten sich stets gut verstanden, auch wenn ihre Charaktere und ihre Herkunft sehr verschieden waren.
Während die schüchterne Paula in der Schule nur schwer Freundinnen fand, war Ellen von Anfang an sehr beliebt gewesen. Selbstbewusst, intelligent und gutaussehend hatte sie immer genau gewusst, was sie wollte. Sie kam aus wohlhabendem Elternhaus und wurde weitgehend sich selbst überlassen, denn ihre Eltern waren beruflich sehr erfolgreich und deshalb selten zu Hause. Trotz ihrer leicht herrischen und überheblichen Art hatte Ellen das Herz auf dem rechten Fleck. Zum Erstaunen aller waren Ellen und Paula bald unzertrennlich.
In der neunten Klasse stieß Cornelia zu den beiden. Als fünftes Kind eines berühmten Zoologen-Ehepaares war sie mit ihrer Familie bereits in der Welt herumgereist und konnte spannende Geschichten rund um Dschungel, Meer und Wüste erzählen. Ellen und Paula nahmen Cornelia bereitwillig auf, und obwohl die Freundschaft zu dritt manchmal Probleme bereitete, hielten die Mädchen bis zum Abitur zusammen.
Leider hatte sich der Kontakt dann verloren. Ellen ging zum Studium nach München, Conny heiratete und zog vorübergehend nach Südafrika, und Paula blieb allein zurück und tröstete sich mit ihren Blumen.
Was wohl aus den beiden Freundinnen geworden war?
Paulas Blick glitt zu den Adressen am unteren Ende des Briefes. Überrascht und erfreut stellte sie fest, dass Cornelia mittlerweile im Frankfurter Raum wohnte. Ellen hatte als Anschrift ein Postfach in Wiesbaden angegeben.
Vielleicht konnten sie sich in Zukunft ja wieder öfter treffen?
Der zweite November begann nasskalt und mit dickem Nebel. Trotzdem war Ellen Winter an diesem Morgen sehr früh ins Büro gekommen. Sie hatte schlecht geschlafen, nicht gefrühstückt, und zu allem Überfluss plagten sie auch noch heftige Kopfschmerzen. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass in den Räumen der Frankfurter Messegesellschaft noch gähnende Leere herrschte.
Seufzend ließ sie ihren Mantel auf einen Stuhl fallen und rieb sich die schmerzende Stirn. Seit vier Monaten war sie jetzt als stellvertretende Leiterin der Messe-Organisation in Frankfurt tätig. Sie hatte sich – wie sie selbst fand – sehr gut eingearbeitet und war mit Sicherheit die beste und effektivste Mitarbeiterin in ihrer Abteilung.
Trotz Kopfweh lächelte Ellen zufrieden vor sich hin. Die Entscheidung, ihre Stelle in Stuttgart aufzugeben und nach Frankfurt zurückzukehren, war richtig gewesen. Sie fühlte sich wohl in der alten Heimat.
Rasch öffnete sie ein Fenster und ließ die kalte Morgenluft ins Zimmer. Sie liebte die frühen Stunden im Büro und nutzte diese Zeit gern zur Erledigung ihrer Post oder zur Abwicklung kleinerer Aufgaben. Ab zehn Uhr morgens war ihr Terminkalender immer so voll, dass ihr nicht einmal die Zeit blieb, einen Kaffee zu trinken.
Kaffee! Das war eine gute Idee. Schon etwas besser gelaunt machte sie sich auf den Weg zur Kaffeemaschine in der Büroküche.
Die Maschine war bereits eingeschaltet, wie sie feststellte. Das bedeutete, dass ihr Kollege Dieter Bader auch schon im Büro war.
Ellen strich sich seufzend durch die kurzen roten Haare. Sie hätte gern ein paar Minuten für sich allein gehabt.
»Guten Morgen!«
Ihr Kollege stand in der Tür und schwenkte zum Gruß seine Kaffeetasse. Dann setzte er sich ächzend auf einen der Küchenstühle.
Dieter Bader war schon seit über fünfzehn Jahren bei der Frankfurter Messegesellschaft und betonte seine langjährige Erfahrung bei jeder Gelegenheit. Zu Ellens Missfallen mischte er sich ständig gönnerhaft in ihre Arbeit ein. Bislang hatte sie zwar einen Streit vermeiden können, doch sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie mit ihm aneinandergeraten würde.
Bader gähnte herzhaft. Ellen beobachtete ihn verstohlen und fragte sich, ob dieser Mann jemals schlief. Jedenfalls sah er nicht so aus. Er hatte große Ränder unter den Augen und die schreckliche Angewohnheit, pausenlos an den Nägeln zu kauen oder an seinem Bart herumzuzupfen.
»Nun, Dieter, was gibt es Neues?«, fühlte sie sich gezwungen zu fragen und hoffte, dass er es dienstlich verstehen würde.
Bader rieb sich erschöpft die Augen. »Unser Kleinster bekommt gerade seinen ersten Zahn und hat die ganze Nacht gebrüllt. Helga und ich haben ihn abwechselnd herumgetragen. Gott sei Dank ist er dann gegen fünf Uhr eingeschlafen.«
Er gähnte wieder und nahm einen großen Schluck Kaffee. Ellen musterte seine Tasse, auf der ein großes Familienfoto prangte. Die Gesichter der kleinen Familie waren durch etliche Kaffeeflecken braun eingefärbt. Ihr Kollege war ihrem Blick gefolgt.
»Ein Geschenk meiner Frau«, erklärte er eifrig und tätschelte die Tasse liebevoll. Ellen fragte sich, ob Helga Bader wohl wusste, dass ihr Nachwuchs hier inzwischen kurz vor dem Verschimmeln stand.
Dieter Bader schien ihre Gedanken lesen zu können. »Ich mag die Tasse gar nicht in die Spülmaschine stellen, sonst löst sich das Foto womöglich auf«, erklärte er. »Meine Frau hat schon einen Kratzer auf der Nase.«
Ellen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Wieder gähnte Bader, und Ellen nutzte die Gelegenheit zur Flucht. »Du Armer! Du solltest jetzt erst einmal in Ruhe deinen Kaffee trinken. Wir sprechen uns später.«
»Aber ich habe ein paar Nachrichten für dich –«, begann Dieter.
»Ja danke! Ich melde mich dann«, unterbrach Ellen ihn. Und noch ehe er etwas entgegnen konnte, hatte sie den Raum verlassen.
Aufatmend betrat sie ihr Büro und stellte die Kaffeetasse auf den Schreibtisch. Dann schloss sie das Fenster und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Ärgerlich runzelte sie die Stirn. Auf dem Computer-Bildschirm klebten sechs gelbe Zettel. Ellen schimpfte leise und entfernte die Notizen. Sie hatte Bader schon unzählige Male darauf hingewiesen, dass sie diese Art der Nachrichtenübermittlung hasste. Aber ihr Kollege war unverbesserlich. Er liebte die kleinen selbstklebenden Zettelblöcke und schrieb jede Nachricht fein säuberlich auf.
Ellen zog eine Packung Reinigungstücher aus der Schublade und wischte über den Bildschirm. Dann nahm sie einen Schluck Kaffee und wandte sich den Notizen zu.
Die erste war eine Mitteilung, dass der Vertrag mit einem Catering-Unternehmen wie gewünscht zustande gekommen war. Sie nickte zufrieden.
Auf dem zweiten Zettel stand nur »Anruf Herr König, erbittet Rückruf wegen Wohnungsübergabe«. Ellen runzelte die Stirn. Was wollte der Innenarchitekt von ihr? Das hatte wohl erst einmal Zeit. Vermutlich ging es um ein Detail bei ihrem bevorstehenden Umzug in ein Apartmenthaus in der Frankfurter Innenstadt.
Zettel Nummer drei informierte sie darüber, dass Herr Direktor Wagner für die kommende Landwirtschaftsausstellung immer noch kein Hotelzimmer gefunden hatte. Nun, es wurde immer schwieriger, zu Messezeiten qualitativ hochwertige Unterkünfte für die leitenden Direktoren der Ausstellerfirmen zu finden. Ellen kannte viele der Manager schon aus früheren Tätigkeiten persönlich und wusste, dass diese sich nicht mit einem einfachen Hotelzimmer zufriedengaben. Seufzend beschloss sie, sich des Problems mit den Unterkünften in der nächsten Zeit selbst anzunehmen, und machte sich einen entsprechenden Vermerk in ihren Kalender.
Als sie den vierten gelben Zettel las, hellte sich ihr Gesicht auf. »Frau Cornelia Kleinschmidt bittet darum, vor dem Klassentreffen von dir abgeholt zu werden.«
Natürlich!
An diesem Abend würde endlich das Klassentreffen stattfinden, auf das sie sich schon so lange freute. Lächelnd lehnte sich Ellen in ihrem Stuhl zurück.
Vor zwei Monaten war sie zufällig im Theater ihrer Schulfreundin Conny über den Weg gelaufen. Ellen hatte sie sofort wiedererkannt, denn Conny hatte sich kaum verändert. Noch immer trug sie die Haare zu einem nachlässigen Dutt hochgesteckt, und noch immer blickten ihre braunen Augen fröhlich und ein bisschen verwirrt in die Welt.
Die beiden Freundinnen hatten sich viel zu erzählen gehabt, wobei Conny wie üblich die spannendere und tragischere Geschichte zu bieten hatte. Sie hatte früh geheiratet, in Biologie promoviert und zwei Kinder zur Welt gebracht. Dann war ihr Mann tödlich verunglückt, und seitdem zog sie ihre beiden Kinder allein groß.
Ellens eigene Geschichte vom beruflichen Erfolg und einer kurzen missglückten Ehe war dagegen schnell abgehandelt.
Als sich die Freundinnen an jenem Abend wieder trennten, war die Idee mit dem Klassentreffen beschlossene Sache. Und so hatte Ellen begonnen, das Ereignis zu planen.
Sie nahm einen weiteren Schluck Kaffee und lächelte stolz. Alles würde perfekt werden, denn schließlich hatte sie es selbst organisiert. Natürlich hatte Conny helfen wollen, aber Ellen kannte die Schusseligkeit ihrer Freundin und hatte deshalb die gesamte Abwicklung lieber allein übernommen. Organisation war eindeutig ihre Stärke.
Beim Abstellen der Kaffeetasse fiel ihr Blick auf die beiden übrigen Notizen, und sie zwang sich, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.
Zettel Nummer fünf und sechs waren in ihren Augen unwichtig. Die örtliche Presse sowie ein lokaler Radiosender wollten Einzelheiten über eine bevorstehende Messe wissen. Ellen schrieb »Dieter, kannst du das bitte erledigen?« auf die Zettel und setzte nach kurzem Zögern noch »mit der üblichen Erklärung« hinzu. Bei Dieter Bader konnte man nie wissen, was er den Leuten erzählte. Aber an die Empfehlung, nur den passenden Standardtext herauszugeben, würde er sich hoffentlich halten.
Dann ging sie hinüber ins Büro ihres Kollegen. Er war nicht im Zimmer. Ellens Blick fiel zufällig auf das Familienfoto, das auf Baders Schreibtisch stand.
Zwei Kinder grinsten sie an. Das dritte war noch zu klein zum Grinsen und befand sich auf dem Arm seiner Mutter.
Baders Frau blickte stolz lächelnd in die Kamera. Ihre dauergewellten Locken fielen bis auf die Schultern. Wenn man nicht genau hinsah, konnte man Helga Bader für sanft halten. Auf den zweiten Blick allerdings wirkten ihre eng beieinanderstehenden kleinen Augen herrisch.
Ellen blieb für einen Moment nachdenklich vor dem Schreibtisch stehen.
Sie mochte Kinder nicht besonders und hatte es nie vermisst, keine Familie zu besitzen. Dieter Bader jedoch ignorierte ihr Desinteresse und belästigte sie ständig mit ermüdenden Berichten aus seiner heilen Familienwelt.
Und genau deshalb klebte sie jetzt die beiden gelben Notizzettel quer über das Familienfoto mit den grinsenden Kindern.
»Mama?«
Cornelia Kleinschmidt stand vor dem Spiegel in ihrem Schlafzimmer und zog es vor, nicht auf den verzweifelten Ruf zu reagieren.
»Mama?«
Dieses Mal wurde die Stimme ihrer Tochter schon etwas lauter, aber es gelang ihr immer noch, sie zu ignorieren.
Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel und fragte sich, ob es richtig gewesen war, auf die Verkäuferin in der kleinen Boutique zu hören.
»Das Kleid steht Ihnen wunderbar und umschmeichelt Ihre Figur. Außerdem passt das Grün ausgezeichnet zu Ihren braunen Haaren.«
Cornelia zwinkerte ihrem Spiegelbild zu. Eine »Umschmeichelung« ihrer Figur war leider dringend nötig, denn sie hatte ein paar Kilo zu viel auf den Hüften. Und was die braunen Haare betraf – die waren gefärbt und in Natura leider längst nicht mehr so braun wie früher.
Cornelia drehte sich zur Seite.
Sie freute sich auf das Klassentreffen – auch wenn es bedeutete, dass sie sämtliche ehemalige Klassenkameradinnen an ihrem eigenen schonungslosen Alterungsprozess teilhaben lassen musste.
Hektisch zupfte sie ihr Kleid zurecht. Sie würde vor den anderen unmöglich bestehen können.
»Mama!«
Der Ruf war inzwischen eher ein verzweifelter Schrei und hatte den Hund aufgeweckt, der die Störung mit ärgerlichem Gebell kommentierte. Aber Conny antwortete noch immer nicht. Sie brauchte noch zwei Minuten für sich.
Kritisch drehte sie sich zur anderen Seite und versuchte ein strahlendes Lächeln.
»Erinnerst du dich an mich?«, hauchte sie ihrem Spiegelbild zu. »Ich bin Cornelia Kleinschmidt, geborene Dornfeld.«
Ihr Spiegelbild nickte.
»Was aus mir geworden ist?«, wiederholte Cornelia die imaginäre Frage ihres imaginären Gegenübers. »Tja, ich habe es zu etwas gebracht im Leben … Ich bin Doktor der Biologie und leite den Fachbereich Zoologie hier an der Universität. Ich fahre einen tollen Wagen, wohne in einer schönen Wohnung und habe zwei hübsche, wohlerzogene Kinder …«
Sie wurde durch ein Räuspern an der Tür unterbrochen. Dort stand eines ihrer hübschen, wohlerzogenen Kinder – David, der mit vierzehn gerade seine dunkle Phase hatte und vorzugsweise in schwarzer Kleidung und dunkel gefärbten Haaren durch die Gegend lief.
»Was ist los?«
»Was los ist? Sara brüllt sich die Kehle aus dem Leib, Pepper bellt sich langsam heiser, und du stehst vor dem Spiegel und führst hirnlose Selbstgespräche«, schimpfte ihr Sohn. »So kann ich nicht lernen!«
Conny seufzte.
»Mama!« Ihre zwölfjährige Tochter trat nun ebenfalls ins Schlafzimmer und blieb überrascht stehen, als sie Cornelia erblickte. »Was hast du da an?«
»Ein grünes Kleid«, erwiderte Conny und schaute unsicher in den Spiegel. »Steht es mir nicht?«
»Doch, doch«, versicherte Sara ihr.
»Ein bisschen zu grün vielleicht«, setzte David hinzu. »Schwarz wäre besser.«
»Es ist einfach …« – Sara suchte nach dem richtigen Wort – »… ungewohnt, dich in einem Kleid zu sehen.«
Ihre Mutter nickte. »Stimmt. Aber heute ist doch mein Klassentreffen. Da habe ich mich ausnahmsweise mal hübsch gemacht.«
»Du bist immer hübsch, Mama!« Sara sah sie liebevoll an.
Sofort wurde Conny misstrauisch. »Was ist eigentlich passiert, dass du mich so laut gerufen hast?«, wollte sie wissen.
Sara blickte beschämt zu Boden. »Mir ist die Dose mit den Heuschrecken runtergefallen, als ich Konstantin füttern wollte.«
Konstantin war eine Eidechse, die schon seit vielen Jahren in einem großen Terrarium im Wohnzimmer der Familie Kleinschmidt lebte. Zu seinen Leibgerichten gehörten lebende Heuschrecken, die Conny zweimal in der Woche frisch aus der Tierhandlung holte. Erst heute hatte sie eine große Packung mitgebracht.
»Du meinst, bei uns im Wohnzimmer hüpfen jetzt fünfzig Heuschrecken herum?« Cornelia war schon auf dem Weg.
»Siebenundvierzig«, korrigierte ihre Tochter sie, während sie hinter Conny herlief. »Drei hat Konstantin schon gefressen.«
»Den Rest erledigt bestimmt der Hund«, ergänzte David, bevor er sich mit geräuschvollem Türenknallen wieder in sein Zimmer verzog. Kurz darauf ertönten aus seinen Boxen laute Bässe.
Cornelia runzelte die Stirn. Um David und seine Musik musste sie sich noch kümmern, bevor sie zum Klassentreffen aufbrach. Ihr Vermieter schätzte es gar nicht, wenn es so laut zuging. Unglücklicherweise wohnte er direkt unter ihr und forderte sie täglich auf, für Ruhe zu sorgen.
Sie seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Zuerst musste sie aber die Sache mit den Heuschrecken erledigen.
Im Wohnzimmer erkannte sie, dass ihr Sohn recht gehabt hatte: Pepper, die grauhaarige Promenadenmischung, saß auf dem Teppich und fraß Heuschrecken. Er brauchte sich dazu nicht einmal besonders anzustrengen, was seinem fortgeschrittenen Alter sehr entgegenkam. Die Heuschrecken waren dermaßen verängstigt, dass sie orientierungslos durch die Gegend hüpften und sich leicht einfangen ließen.
Als Pepper Conny erblickte, unterbrach er seine Mahlzeit und kam schwanzwedelnd auf sie zu. Sie streichelte ihm kurz über den Kopf und begann dann, auf Knien die Heuschrecken zu jagen. Pepper, der das Ganze für ein Spiel hielt, leckte ihr begeistert mit der Zunge über das Gesicht.
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
»Das wird Herr Schmidt sein. Kannst du das erledigen?«, bat sie ihre Tochter, die inzwischen ebenfalls auf dem Boden herumkroch.
Herr Schmidt war ihr Vermieter. Conny hatte herausgefunden, dass seine Beschwerden wesentlich kürzer ausfielen, wenn sie eines der Kinder hinschickte.
Sara nickte und lief zur Eingangstür.
»Und sei bitte höflich!«, rief Conny ihrer Tochter nach und machte sich wieder an die Verfolgung der Insekten.
Sara öffnete unterdessen die Tür und machte ein überraschtes Gesicht.
Vor ihr stand kein wütender älterer Herr, sondern eine wunderschöne, elegante Dame. Eine bessere Beschreibung fiel Sara in diesem Moment nicht ein. Die Frau hatte kurze rote Haare und war groß und schlank. Sie trug einen todschicken Hosenanzug und Highheels.
»Hallo!«, sagte die wunderschöne Dame und blickte Sara aus grünen Augen freundlich an. Hinter ihrer randlosen Brille war sie dezent geschminkt.
»Hallo«, erwiderte Sara. »Ich dachte, du wärst Herr Schmidt und wolltest dich über den Lärm beschweren.«
Die Frau lächelte. »Ich bin nicht Herr Schmidt, wie du vermutlich schon erkannt hast. Aber der Lärm ist tatsächlich ziemlich schlimm.« Sie deutete auf die Tür zu Davids Zimmer, wo sich die Basstöne inzwischen zu wütenden Explosionen gesteigert hatten.
Sara wurde rot. »Das ist David. Der hört immer so laute Musik.«
»Wer ist da?«, rief Conny aus dem Wohnzimmer.
»Eine Frau, die nicht Herr Schmidt ist, die sich aber trotzdem über den Lärm beschweren will!«, brüllte Sara zurück.
»Mama ist im Wohnzimmer und fängt Heuschrecken«, informierte sie dann die Besucherin.
Das schien die fremde Dame etwas aus der Fassung zu bringen. »Heuschrecken?«
Sara nickte. »Siebenundvierzig Stück, aber vielleicht auch schon ein paar weniger.«
»Pepper, aus!«, erklang nun Connys Stimme aus dem Wohnzimmer. Gleich darauf trat sie in den Hausflur.
»Ellen!« Ihr ärgerliches Gesicht heiterte sich unvermittelt auf. »Was machst du denn schon hier?«
Ellen umarmte sie zur Begrüßung. »Schon? Es ist gleich halb sieben! Du weißt doch, dass wir ein bisschen früher im Lokal sein müssen, um alle in Empfang zu nehmen.«
»Halb sieben?« Conny blickte entsetzt auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Schon wieder kaputt«, murmelte sie entschuldigend.
»Du kannst meine mitnehmen«, bot Sara an und löste das rosafarbene Perlband ihrer Armbanduhr.
»Das ist Sara, meine Tochter«, stellte Conny vor und band sich Saras Uhr um ihr Handgelenk.
»Freut mich! Ich bin Ellen, eine Schulfreundin deiner Mutter.« Ellen lächelte das Mädchen an. Es sah seiner Mutter sehr ähnlich. Die gleichen braunen Augen, der gleiche verträumte Gesichtsausdruck und Hunderte von Sommersprossen im Gesicht und auf den Armen.
Conny räusperte sich. »Ich brauche noch zwei Minuten, okay?«
Damit eilte sie hinaus, kam aber sofort noch einmal zurück. »Setz dich doch so lange ins Wohnzimmer …« Sie unterbrach sich. »Nein, das geht ja nicht, da wimmelt es von Heuschrecken.«
»Vielleicht warte ich in der Küche?«, schlug Ellen vor.
»Gute Idee! Sara, geh bitte mit ihr.« Conny drückte ihrer Tochter im Vorbeigehen einen Kuss auf die Haare und verschwand.
In der Küche wurden Ellen und Sara von Pepper freudig und lautstark begrüßt.
»Pepper!«, rief Sara. »Aus! Das ist Mamas Freundin, und sie hat sich heute auch extra feingemacht. Da darf man nicht schnüffeln!«
Dann wandte sie sich in normalem Tonfall an Ellen. »Ich habe nicht nur einen Hund, sondern auch noch einen Bruder. Das ist der, der so laut Musik hört.«
Ellen nickte.
»Und dann habe ich noch eine Eidechse mit Namen Konstantin. Sie frisst am liebsten Heuschrecken. So welche, wie die, die gerade im Wohnzimmer hüpfen«, plapperte Sara munter weiter. »Und in Mamas Schlafzimmer steht ein Terrarium mit einer Vogelspinne.«
Ellen schauderte. »Eine Vogelspinne?«
»Sie heißt Purzel und hat nur noch sieben Beine. Mama hat sie aus der Uni mitgebracht. Sie tut nichts. Willst du sie mal sehen?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Ellen und zuckte erschreckt zusammen, als Sara erneut den Hund anschrie: »Pepper, du kriegst gleich dein Abendessen!«
Der Hund bellte erfreut.
»Warum brüllst du eigentlich so?«, fragte Ellen und musste selbst ihre Stimme erheben, um gegen das Gebell des Hundes anzukommen.
»Pepper ist schwerhörig«, klärte Sara sie auf. »Deshalb versteht er uns nur noch, wenn wir sehr laut sprechen.«
Ellen nickte etwas verkrampft und schielte dann verstohlen auf ihre Armbanduhr. Wo blieb Conny?
Cornelia hatte mittlerweile eine kurze, aber heftige Aussprache mit ihrem Sohn hinter sich gebracht.
David hatte ihr versprechen müssen, gut auf seine Schwester aufzupassen. Danach erhielt er strenge Anweisungen zum Ablauf des Abends, zur Zusammensetzung des Speiseplans, zum Verhalten gegenüber jüngeren Schwestern und natürlich zum rücksichtsvollen Umgang mit Musikanlagen.
»Um die Heuschrecken müsst ihr euch auch kümmern. Das schaffe ich jetzt nicht mehr«, hatte Conny ihre Standpauke beendet. »Und wenn etwas passiert, dann ruft mich an. Ich nehme mein Handy mit.«
David hatte entnervt die Augen verdreht und seiner Mutter versichert, dass er schon zurechtkommen würde. »Bleib einfach cool und locker, Mama!«
Jetzt stand Conny wieder in ihrem Schlafzimmer vor dem Spiegel und betrachtete sich kritisch.
Ein paar Locken hatten sich aus dem Haarknoten gelöst und fielen ihr auf die Schulter. Das grüne Kleid war nach oben verrutscht und voller grauer Hundehaare. An ihrem linken Handgelenk hingen zwei Armbanduhren. Hektisch begann sie, die Haare vom Stoff zu zupfen, und stellte sich dann wieder in Pose auf.
Sie probierte ihr strahlendstes Lächeln – und musste sich eingestehen, dass dieser Gesichtsausdruck eher einem verzweifelten Grinsen glich.
»Hallo, erinnerst du dich an mich?«, hauchte sie ihrem Spiegelbild zu. »Wir haben uns vorhin schon so nett unterhalten, sind dann aber unterbrochen worden.«
Sie legte die Stirn in Falten. »Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, ich weiß: Ich bin Cornelia Kleinschmidt, geborene Dornfeld. Mein Mann ist vor sechs Jahren gestorben, und seitdem läuft fast alles schief. Die Arbeit an der Universität wächst mir über den Kopf, mein Vermieter droht mir ständig mit Rausschmiss, mein Auto rostet langsam durch, mein Sohn verwandelt sich in einen Zombie, und meine Tochter tappt von einer Katastrophe in die nächste. Wir wohnen mit einem senilen Hund, einer siebenbeinigen Spinne und einer verfressenen Eidechse zusammen. Und zu allem Überfluss habe ich derzeit auch noch eine Heuschreckenplage im Wohnzimmer und trage zwei Armbanduhren: eine ist kaputt und die andere ganz fürchterlich rosa, was überhaupt nicht zu meinem grünen Kleid passt.«
Sie nahm ihre eigene Uhr ab und legte sie auf die Ablage neben dem Spiegel. Dann holte sie tief Luft.
»Und weißt du was? Trotzdem werde ich jetzt einen schönen Abend haben und mich glänzend amüsieren!«
Damit streckte sie ihrem Gegenüber die Zunge raus, schnappte sich ihre Handtasche und verließ eilig das Zimmer.
Connys Vermutung über den Verlauf des Abends war richtig gewesen – jedenfalls, was den ersten Teil betraf. Ellen hatte alle Anwesenden zu Beginn des Treffens mit einer kleinen scharfsinnigen Rede begrüßt und sich dann mit ihr zusammen unter die ehemaligen Mitschülerinnen gemischt.
Als Paula in den Saal trat, hätte Conny vor Freude fast geweint und war ihrer Freundin in die Arme gefallen.
»Paula!«
»Hallo, Conny!« Schüchtern legte Paula den Arm um sie. Aber auch sie konnte ihre Freude über das Wiedersehen nicht verbergen. Ellen erging es ähnlich. »Wie schön, dass wir alle drei wieder zusammen sind!«, rief sie.
»Und noch dazu wohnen wir so nah beieinander«, ergänzte Paula. »Ich war überrascht, als ich eure Adressen gelesen habe. Conny wohnt keine zwanzig Kilometer von mir entfernt.«
»Schon seit zwei Jahren«, gab Conny kleinlaut zu. »Aber bei meinem Alltag mit den Kindern und den Tieren habe ich es einfach nicht auf die Reihe bekommen, mich bei dir zu melden.«
»Das macht doch nichts«, tröstete Paula ihre Freundin. »Wir haben noch genug Zeit, alles nachzuholen.«
Conny musterte Paula liebevoll. »Du hast dich wirklich nicht verändert.«
Paula lächelte. »Du dich auch nicht.«
»Ja, ja!«, platzte Ellen dazwischen. »Jetzt kriegt euch mal wieder ein.« Sie blickte ihre Freundinnen belustigt an. »Sonst brecht ihr noch in Tränen aus, und der erste Skandal des Klassentreffens wäre perfekt.«
»Wenn du etwas wirklich Skandalöses sehen willst, dann musst du dir nur Anne-Kathrin ansehen oder vielmehr das, was aus ihr geworden ist«, murmelte Conny und deutete auf eine üppige Blondine in einem viel zu engen Strickkostüm.
Ellen lachte. »Wir sollten das Thema wechseln. Lästern können wir später noch, wenn keiner mehr zuhört.«
»Wo wohnst du eigentlich, Ellen? Warum hast du nur eine Postfachadresse angegeben?«, wollte Paula wissen.
»Ich arbeite erst seit vier Monaten in Frankfurt und wohne derzeit in einem Wiesbadener Hotel«, antwortete Ellen. »Und zwar so lange, bis mein Loft in der Frankfurter City einzugsbereit ist«, setzte sie hinzu, als sie Paulas entsetztes Gesicht sah.
»Ein Loft?«, wiederholte Paula. »Was ist das?«
»So etwas Ähnliches wie eine Lagerhalle«, klärte Conny sie auf. »Nur schicker und teurer.«
»Du willst in einer Lagerhalle wohnen?«, fragte Paula bestürzt.
»Natürlich nicht«, beruhigte Ellen sie und schaute Conny verärgert an. »Mein Loft ist nichts anderes als ein modernes Apartment, das als Teil eines exklusiven Wohnhauses aus ehemaligen Lagerhallen am Frankfurter Mainufer entsteht.«
»Also doch eine Lagerhalle …«, sagte Paula.
»… und bestimmt auch schick und teuer«, fügte Conny leise hinzu.
Ellen lachte. »In zwei Wochen kann ich einziehen, und dann lade ich euch zu mir ein. Dann werdet ihr selbst feststellen, dass ich weder auf Paletten schlafe, noch meine Kleider in Containern aufbewahre.«
»Heißt das, dass wir uns jetzt wieder öfters sehen werden?«, fragte Paula leise.
»Aber natürlich!«, bestätigte Ellen. »Es ist doch toll, dass wir endlich wieder zusammen sind!«
Bald waren die drei Freundinnen in ein angeregtes Gespräch vertieft. Es drehte sich um Ellens berufliche Erfolge und private Niederlagen, Connys Erlebnisse mit Kind und Hund und Paulas stille Leidenschaft zu allem, was blühte.
»Das waren jetzt drei mal zwanzig Jahre im Schnelldurchlauf«, fasste Conny später schmunzelnd zusammen.
»Ja«, bestätigte Paula. »Aber im Grunde hat sich gar nicht viel verändert. Ich wohne immer noch in der alten Villa …«
»… und ich versuche immer noch, so perfekt wie möglich zu sein«, ergänzte Ellen.
»Während ich mich nach wie vor mit meiner Familie herumschlage«, fügte Conny hinzu.
»Und alle sind wir Single, oder?«, fragte Paula.
»Stimmt«, bestätigte Conny.
»Aber sagt das hier nicht so laut!«, ermahnte Ellen ihre Freundinnen. »Hier lauern mit Sicherheit einige, die nur darauf warten, uns zu bedauern, weil wir keinen Mann haben.«
Paula musterte die anderen Menschen im Lokal kritisch. »Das sind keine gemeinen Weiber, das sind unsere Mitschülerinnen.«
»Genau!« Ellen seufzte. »Und ein paar von denen sind heute bestimmt nur hier, um ihre erfolgreiche Lebensgeschichte möglichst oft erzählen zu können.«
Conny lachte. »Na ja, das werden wir ja sehen. Kommt, ich bin hungrig.« Sie schob ihre beiden Freundinnen an einen leeren Tisch.
»Das gibt es ja nicht – Ellen, Paula und Conny! So eine Überraschung!«, ertönte eine Stimme, als sie gerade Platz genommen hatten.
Vor dem Tisch stand Ulrike – eine Frau, die früher Klassensprecherin gewesen war und mit der es schon während der Schulzeit häufig Krieg gegeben hatte. Begleitet wurde sie von Anne-Kathrin.
Ellens Begrüßung fiel kühl aus. »Setzt euch doch«, murmelte sie.
Die beiden Frauen ließen sich am Tisch nieder und musterten die drei Freundinnen. Ellen starrte ungeniert zurück. Ulrike sah bemerkenswert gut aus. Sie trug einen grauen Hosenanzug mit Spitzenbluse. Ihre blonde Lockenpracht hüpfte bei jeder Bewegung frech um ihre Schultern.
»Und? Was ist aus euch geworden?«, eröffnete sie das Gespräch und spielte demonstrativ mit ihrem diamantbesetzten Ehering. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann sie, von ihrer äußerst glücklichen Ehe zu erzählen.
Anne-Kathrin begleitete den Bericht ihrer Freundin mit ständigem Kopfnicken. Sie trug ihre mittelblonden Haare mit einem rosafarbenen Stirnband streng zurückgekämmt und schien in dem farblich identischen Strickkostüm kaum atmen zu können. Sie trug schwarze Strümpfe und rosafarbene Pumps, war stark geschminkt und wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn.
Ellen gähnte verstohlen, als Ulrike endlich ihre Geschichte beendet hatte.
»Wie schön für dich«, sagte sie liebenswürdig und vertiefte sich dann demonstrativ in die Speisekarte. Doch nur Conny und Paula verstanden das Signal. Ulrike hingegen sprach unbeeindruckt weiter.
»Jetzt habe ich die ganze Zeit erzählt. Nun seid ihr dran!«