Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer - Thomas Grüter - E-Book

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer E-Book

Thomas Grüter

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Beschreibung

Das Böse hinter der Welt Verschwörungen erschrecken und faszinieren Menschen seit Urzeiten – die Geschichte der Menschheit ist durchzogen von tatsächlichen oder erfundenen Konspirationen. Thomas Grüter erforscht die Ursachen und schildert die meist tragischen Folgen der echten und falschen Legenden über Geheimbünde. Und er zeigt die Tricks, mit denen Dan Brown und andere Autoren arbeiten.

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Thomas Grüter

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Wie Verschwörungstheorien funktionieren

Sachbuch

Fischer e-books

Hat es die mysteriösen Illuminaten wirklich gegeben? Welche Geheimnisse hüten die Freimaurer? Warum fasziniert uns die Vorstellung von machtvollen verborgenen Gemeinschaften? Diesen und weiteren Fragen rund um Verschwörungen und ihre Theorien geht Thomas Grüter auf den Grund. Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie wissen, warum sich manche Verschwörungstheorien hartnäckig halten, welche Rolle Vorurteile spielen und wie sie gezielt für bestimmte Zwecke ausgenutzt werden. Darüber hinaus werden die Tricks von Autoren wie Dan Brown oder Erich von Däniken enthüllt, und es wird Ihnen gezeigt, wie Sie selbst eine erfolgreiche Verschwörungstheorie schreiben können.

Ein spannend und lebendig geschriebenes Buch mit einer Fülle von Informationen für all diejenigen, die solche Theorien durchschauen wollen.

 

Thomas Grüter wurde im Jahre 1957 in Münster geboren. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er fünf Jahre lang in Osnabrück, Paderborn und Münster als Arzt, bevor er ein eigenes Softwareunternehmen gründete. Seit einigen Jahren schreibt er populärwissenschaftliche Artikel, die inzwischen in sechs Sprachen übersetzt sind. Er lebt und arbeitet in Münster.

 

Unsere Adresse im Internet: www.fischerverlage.de

Vorwort

»Vertraue keinem Bruder, kenne keinen Freund. Schaffe dir keinen Vertrauten – das führt zu nichts … Der meine Speisen gegessen hatte, zog Truppen zusammen und dem ich geholfen hatte, der nutzte das zum Aufstand … Es war am Abend, nach dem Nachtmahl. Mein Herz begann, dem Schlaf nachzugeben. Da wurden die Waffen, die mich schützen sollten, gegen mich geschwungen … «

Am 1.Februar 1962 v. Chr., also vor fast viertausend Jahren, starb der ägyptische Pharao Amenemhet I., der Begründer der zwölften Dynastie des mittleren Reiches und Errichter des glanzvollen Amun-Tempels von Karnak. Eine Verschwörung von Höflingen machte seinem Leben ein Ende – die früheste in ihren Einzelheiten überlieferte Verschwörung der Welt. Das Zitat stammt aus einem Unterweisungsbuch, das der Weise Cheti aus der Sicht des ermordeten Pharao für Amenemhets Sohn und Thronfolger Sesostris geschrieben hat.

Wir dürfen annehmen, dass Menschen sich verschworen haben, seit sie das Mittel der Sprache hinreichend beherrschten, um gemeinsam Pläne zu schmieden. Clanchefs, Stammesfürsten, Dorfälteste, Häuptlinge und Könige starben zu allen Zeiten durch den hinterrücks geführten Dolch heimlich verbündeter Mörder.

Doch auch wenn nichts geschah, wenn alles ruhig schien, machten sich die Menschen ihre Gedanken und mutmaßten, wer sich zu einem heimlichen Bund zusammengeschlossen haben könnte. Gerüchte kochten hoch, Verdächtigungen machten die Runde. Namen wurden geflüstert, Absichten unterstellt, Anzeichen beobachtet, Orakel befragt, Omen erkannt. Die Gerüchte begannen sich zu verdichten, ein Umsturz schien unmittelbar bevorzustehen, unabwendbar die Entladung von Gewalt … oder gab es keine Verschwörung und alle Gerüchte waren nur das Abbild der Angst vor einer unsichtbaren Gefahr?

Zwei Arten von heimlichen Bünden lassen sich unterscheiden: Solche, die vom Herrscher ausgehen, um seine Macht auszuweiten, und solche, die gegen ihn, also gegen seine Herrschaft oder sein Leben gerichtet sind. Kaum ein bedeutender Herrscher, der nicht Mordanschläge überstehen musste. Sein Leben hing daran, dass er Verschwörungen rechtzeitig erkannte und zerschlug. Die Untertanen wiederum misstrauten ihren Herrschern, sahen sich von Steuern und Pflichten erdrückt und unterstellten dem Herrscher, unter falschen Vorwänden den Druck zu erhöhen, zu seinen Gunsten zu wirtschaften und das Volk in die Abhängigkeit zu zwingen. Und nicht zuletzt misstraut das Volk anderen Völkern und anderen Herrschern. Am schlimmsten traf es immer die Völker ohne Heimat oder solche außerhalb der Heimat wie Juden, Roma, Vaganten, Auslandschinesen oder afrikanische Inder.

Diese Art des Denkens, das ich Verschwörungsdenken nenne, hat Millionen von Menschen das Leben gekostet. Das Verschwörungsdenken hat sich von seinem ursprünglichen Zweck, dem lebenswichtigen Aufdecken realer Geheimbünde, gelöst und eine eigene Dynamik entwickelt.

Mit den Ursachen, Folgen und Auswüchsen dieser Entwicklung wird dieses Buch sich beschäftigen. Es wird die Formen des Verschwörungsdenkens diskutieren und ihre Herkunft untersuchen, die Abhängigkeit von wirklichen Ereignissen analysieren und den Zusammenhang mit wahnhaften Vorstellungen beleuchten. Schließlich wird es die Frage beantworten, wer solches Denken fördert und wer davon profitiert.

Sie sehen: das Phänomen der Verschwörungstheorien ist geradezu verwirrend vielschichtig. Selbst die Definition in verschiedenen Lexika ist widersprüchlich. In diesem Buch möchte ich versuchen, dem Phänomen Verschwörungstheorie etwas näher zu kommen, ja es überhaupt einmal sinnvoll zu definieren.

Wenn Sie dies alles gelesen haben, werden Sie mir sicherlich gerne auf dem Weg zu einer eigenen Verschwörungstheorie folgen. Ich empfehle Ihnen, sie mir nicht zu glauben, denn sie ist nichts weiter als ein Beispiel, mit dem ich Ihnen den Aufbau von Verschwörungstheorien erklären möchte.

1:Echte Verschwörungen und ihre Probleme

Caesar, Guy Fawkes, die Illuminaten und was Machiavelli dazu schreibt

Eine Verschwörung kann auf ein einzelnes Ziel ausgerichtet sein wie zum Beispiel die Ermordung eines Prominenten, oder sie verfolgt ein allgemeines, andauerndes Ziel wie den illegalen Gelderwerb oder den Ausbau der eigenen Macht. Beispiele für die zweite Art von Verschwörungen sind Verbrecherorganisationen wie die Mafia, die chinesischen Triaden oder die japanischen Yakuza. Auch die politischen Geheimgesellschaften wie die »Schwarze Hand« in Serbien Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts oder die undurchsichtigen Terrorgruppen im Irak der Gegenwart zählen zu dieser Art der Verschwörung.

Ideale Verschwörungen erreichen ihre Ziele, ohne dass die Verschwörer hervortreten. Die handelnden Personen bleiben im Verborgenen, sie ziehen unsichtbar die Fäden des sichtbaren Schauspiels, treten aber niemals selber auf. Überspitzt formuliert nehmen wir eine erfolgreiche Verschwörung niemals als solche wahr, denn das Drama auf der Bühne nimmt einen scheinbar folgerichtigen Verlauf, während in Wirklichkeit die Akteure an den unsichtbaren Fäden mächtiger Puppenspieler hängen.

Wirkliche Verschwörungen aber leiden unter den Zerwürfnissen der Verschwörer, unter den Fehlern ihrer Pläne, unter den menschlichen Unzulänglichkeiten der Beteiligten und unter zufällig auftretenden Widrigkeiten. Kaum ein Komplott läuft so ab, wie es die Beteiligten geplant haben. Können Verschwörer sich vielleicht dadurch absichern, dass sie aus den vielen Verschwörungen, Attentaten und Putschversuchen der Geschichte einen typischen Verlauf rekonstruieren und danach handeln? Die Antwort ist nein, es gibt ebenso wenig einen typischen Ablauf von Verschwörungsplänen, wie es den typischen Verlauf eines Schachspiels gibt. Keine zwei Schachspiele sind gleich, trotz immer gleicher Ausgangsstellung. Komplotte aber entstehen aus vollkommen verschiedenen, miteinander nicht vergleichbaren Situationen. Allgemeine Ratschläge für Verschwörer lassen sich jedoch durchaus ableiten (ebenso wie allgemeine Richtlinien für gutes Schachspielen). Niccolò Machiavelli, berühmter Theoretiker der Macht und des Machterhalts, hat auch das Thema der Verschwörungen ausführlich behandelt.

Ich werde noch auf ihn zurückkommen.

Caesars Ermordung oder die planlose Verschwörung

Die wohl berühmteste Verschwörung der Weltgeschichte führte am 15.März 44 v. Chr. zur Ermordung Julius Caesars. Sie zeigt beispielhaft das Scheitern eines Rechtsbruchs, der aus moralischer Verblendung heraus unternommen wurde. Nicht zuletzt das fatale Auseinanderklaffen von moralischem Anspruch und profaner Wirklichkeit wurde den Verschwörern zum Verhängnis. Obwohl die dramatischen Vorgänge am Ende der römischen Republik bereits mehr als 2000 Jahre zurückliegen, sind sie doch in fast allen Einzelheiten bekannt. Die Geschichtsschreibung kennt zwanzig der etwa sechzig Beteiligten mit Namen und weiß von den Wichtigsten auch die Lebensdaten. So lassen sich Motive, Ablauf und Folgen des Komplotts rekonstruieren.

 

Julius Caesar wurde vermutlich im Jahre 100 v. Chr. (oder nach römischer Zeitrechnung im Jahre 653 nach Gründung Roms) geboren. Er entstammte einer ehrwürdigen, aber einflusslosen und verarmten Adelsfamilie. Er schlug die Ämterlaufbahn ein, wie man es von ehrgeizigen römischen Adeligen damals erwartete. Sie bestand aus einer vorgeschriebenen Abfolge von Ämtern und führte mit Glück und Geschick bis an die Spitze des Staates. Caesars Karriere verlief dank großzügiger Volksbelustigungen und freigebiger Bestechungen fast reibungslos, lediglich seine Schulden wuchsen ihm langsam über den Kopf. Im Jahre 61 v. Chr. wollte er eine Statthalterschaft in Spanien antreten. Aber er konnte Rom zunächst nicht verlassen, da seine Gläubiger erst ihr Geld sehen wollten. Nur eine Bürgschaft von Crassus, dem reichsten Mann Roms, erlaubte Caesar die Überfahrt nach Spanien. Dort trieb er so viel Geld ein, dass er schuldenfrei nach Rom zurückkehrte und sich nun um das höchste Staatsamt bewerben konnte: das Konsulat.

Caesar hatte sich in seiner Laufbahn in Rom viele Feinde geschaffen, die ihm den Weg zum Amt des Konsuls gerne verstellt hätten. Er schaffte den Sprung an die Spitze des Staates letztlich nur durch ein Bündnis mit Pompeius, dem mächtigsten Militärbefehlshaber, und mit Crassus, dem reichsten Mann Roms. Die beiden verband eine innige Feindschaft, und es ist wohl Caesars besonderem Charisma und ihrem gemeinsamen Willen zur Macht zu verdanken, dass die drei sich verbündeten. Caesar sollte, so die Absprache, als Konsul nicht nur seine eigenen, sondern auch die Interessen des Pompeius und des Crassus durchsetzen. Diese Verschwörung ist als das erste Triumvirat in die Geschichte eingegangen.

Rom war zu dieser Zeit eine Republik, aber keine Demokratie. Die hohen Staatsämter verteilte der Stadtadel (die Patrizier) unter sich. Ebenso stand der Senat als oberstes Entscheidungsgremium nur dem Adel und dem Ritterstand offen. Den Volkstribunen, den Vertretern des nicht adeligen Volkes, stand es nicht zu, im Senat mitzusprechen. Sie durften die Curia, den Senatssaal, nicht betreten und hörten den Beratungen von ihrem Platz vor der Tür zu. Sie konnten lediglich ihren Einspruch (»Veto!«) gegen Beschlüsse des Senats in den Saal rufen. Das letzte Wort zu allen Gesetzen hatten die Volksversammlungen, die Komitien. Sie konnten Senatsgesetze ändern oder kassieren und natürlich auch eigene Gesetze beschließen – und sie wählten die Konsuln.

Caesars Feinde hatten seiner Beliebtheit im Volk nichts Adäquates entgegenzusetzen. Crassus’ großzügige Spenden und Pompeius’ Veteranen, die in den Komitien fleißig mitstimmten, taten ein Übriges. Im Jahre 59 v. Chr. wurde Caesar also planmäßig zum Konsul (einem von zweien) gewählt. Er peitschte die Vorhaben des Triumvirates rücksichtslos und nicht immer ganz rechtmäßig durch den Senat oder, wenn der nicht mitspielte, durch die Komitien. Sein Kollege, der zweite Konsul, zog sich bald zurück; er war Caesar nicht gewachsen und begnügte sich fortan mit verbissener Obstruktion. Während Caesar im Volk je nach Stimmung unterschiedlich beliebt war, schaffte er sich im adeligen Senat konsequent immer mehr Feinde.

Das Amt des Konsuls endete nach einem Jahr, und Caesars Situation begann kritisch zu werden. Bis zum Ablauf seiner Amtszeit genoss er Immunität gegen Strafverfolgung, aber danach würden seine Gegner alles versuchen, um ihn für seine zahlreichen Rechtsverstöße zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem hatte er bereits wieder Schulden in erstaunlicher Höhe angesammelt und brauchte eine sichere Einnahmequelle für die Zeit nach seinem Konsulat.

Normalerweise wurde ein Konsul nach Ablauf seiner Amtszeit mit der Statthalterschaft einer lukrativen Provinz betraut und verließ damit den Machtbereich der römischen Justiz.

Aber die Senatoren hatten noch vor Caesars Amtsantritt beschlossen, dass er sich nach seinem Konsulat um die Vermessung eines Waldstücks in Italien zu kümmern hätte. Mit dieser lächerlichen Aufgabe wollten sie Caesar ihre Verachtung zeigen, zugleich aber hielten sie ihn damit im Bereich der römischen Justiz.

Caesar konnte diesen Beschluss also unmöglich akzeptieren, wenn er sich nicht nach Ende seiner Amtszeit in einem römischen Kerker (oder bettelarm im Exil) wiederfinden wollte. Nach einigen Intrigen gelang es ihm schließlich, sich das Imperium (den Oberbefehl) über die Provinzen Gallia cisalpina, Gallia narbonnensis und Illyrica für fünf Jahre übertragen zu lassen. Das brachte ihn aus der Reichweite seiner Verfolger, lag aber so nahe bei Rom, dass er seine ehrgeizigen Pläne weiter verfolgen konnte.

Während seiner Zeit in Gallien zeigte sich Caesars wahres Talent: Er erwies sich als überragender Heerführer. Er organisierte kampfstarke Legionen und blieb stets bei seinen Männern, die ihn dafür vergötterten. Er marschierte mit ihnen, er kämpfte mit ihnen, er hungerte mit ihnen. Zehn Jahre dauerte der gallische Krieg, und Caesar gewann durch geniale Manöver selbst aussichtslos erscheinende Schlachten.

Verdüstert wird das Bild allerdings durch seine Grausamkeit: Nach seinen eigenen Angaben tötete oder versklavte er mehr als ein Viertel der keltischen Bevölkerung Galliens. Auch Frauen und Kinder schonte er nicht. Die Zahlen stammen allerdings aus Caesars Berichten an den Senat und sind deshalb vermutlich grob übertrieben. Diese »Berichte« waren Propagandaschriften, mit denen Caesar in Rom für sich warb. Je höher die Zahl der getöteten Feinde, desto größer sein Ruhm.

Am Ende seiner zehn Jahre dauernden Statthalterschaft wollten Caesars Gegner in Rom endlich mit ihm abrechnen. Pompeius, sein ehemaliger Bundesgenosse, hatte sich auf ihre Seite geschlagen. Nach den Gesetzen der Republik hätte Caesar seine treuen Legionen in der Provinz lassen müssen, denn er durfte sie nicht über den Rubikon nach Italien mitnehmen. Ohne seine Männer wäre er aber machtlos gewesen. Am 7.Januar 49 v. Chr. forderte der Senat Caesar ultimativ zur Abgabe seines Amtes und seiner Truppen auf. Daraufhin entschied sich Caesar für den Krieg: Er überschritt mit seinen Truppen den Grenzfluss Rubikon und marschierte auf Rom. In Norditalien traf er kaum auf Widerstand und nahm mit seinen Legionen bereits drei Monate später Rom ein. Damit hatte er aber keineswegs gewonnen: Seine Gegner waren nach Griechenland ausgewichen, und die Kämpfe um die Vorherrschaft über das Reich sollten erst beginnen.

Drei Jahre dauerte der Bürgerkrieg, den Caesar gegen die Senatspartei in Spanien, Italien, Griechenland und Tunesien ausfocht. Am Ende siegten Caesars kampferprobte Legionen. Nebenbei stellte er noch Ägypten unter römischen »Schutz« und heiratete die ägyptische Königin Cleopatra. Ganz im Gegensatz zu seinem grausamen Vorgehen in Gallien zeigte sich Caesar seinen Gegnern im Bürgerkrieg als großmütiger Sieger. Er verschonte die Städte, die sich seinen Gegnern angeschlossen hatten. Selbst auf die Bestrafung der gegnerischen Senatoren und Adeligen verzichtete er. Von da an waren sie Caesar für seine Großmut verpflichtet, ihre Ehre aber hatten sie verloren. Also gaben sie sich noch hochmütiger als vorher und hassten Caesar mit der müden Kraftlosigkeit entehrter Aristokraten.

Im Jahre 45 v. Chr. kehrte Caesar nach Rom zurück. Die Jahre der Entbehrungen im Feld hatten ihre Spuren hinterlassen: Seine Büsten aus dieser Zeit zeigen ein hageres, vorzeitig gealtertes Gesicht. Er war jetzt 55 Jahre alt und seine Gesundheit war angeschlagen. Dennoch entwickelte er eine geradezu hektische Aktivität. Er reformierte den hoffnungslos verworrenen römischen Kalender und entwarf Dutzende weiterer Vorhaben. Er plante eine Rechtsreform und hatte Visionen von riesigen Bauten. So sollte auf dem Marsfeld der größte Tempel der Welt entstehen. Caesars Pläne kamen jedoch kaum voran, denn der Adel sperrte sich und seine alten Kampfgenossen wollten in erster Linie ihren Sieg genießen. Caesars Reformen waren ihnen gleichgültig, aber sie erwarteten Pfründe für ihre treuen Dienste. Um ihnen entgegenzukommen und den Widerstand des Senats niederzuzwingen, ernannte Caesar 300 seiner Günstlinge zu Senatoren. Der Senat war danach weniger handlungsfähig als je zuvor, aber Caesar regierte ohnehin mit Verfügungen, denen er die angebliche Zustimmung des Senats gleich mit auf den Weg gab. Sein Wort war Gesetz geworden.

Der Senat und das Volk von Rom überhäuften Caesar derweil mit Ehrungen. Bereits im Jahre 46 v. Chr. war er zum Diktator auf zehn Jahre ernannt worden und ab Februar 44 v. Chr führte er den Titel »Andauernder Diktator«. Erst jetzt begann eine ernsthafte Verschwörung gegen Caesars Leben. Eine heterogene Gruppe von Adeligen, von ehemaligen Gefolgsleuten Caesars, die sich bei der Ämtervergabe übergangen fühlten, und von jungen Idealisten fand sich zusammen, um den »Tyrannen« zu ermorden. Caesar lieferte ihnen Munition, indem er auch solche Ehren annahm, die ihn bei Lebzeiten schon in die Sphäre der Götter aufrücken ließen. Gleichzeitig mehrten sich die Anzeichen, dass er die Königswürde anstrebte. Er wäre dann, nach dem Muster der orientalischen Könige, ein König und Gott mit unbegrenzter Macht geworden. Einem traditionsbewussten Römer musste diese Idee als Verrat aller römischen Tugenden erscheinen.

Die Römer hatten ihren letzten König Tarquinius Superbus (Tarquinius, der Überhebliche) mehr als 450 Jahre zuvor aus der Stadt verjagt. Seitdem war ein König für die Römer allenfalls ein Kinderschreck oder eine Witzfigur. Caesar aber verfolgte seine Herrschaftspläne weiter, so schien es seinen Gegnern jedenfalls. Ein Zwischenfall zu Beginn des Jahres 44 bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Am 15.Februar 44 v. Chr. versuchte Caesars engster Mitstreiter Marcus Antonius, Caesar das Königsdiadem aufzusetzen, das altrömische Symbol der absoluten Herrschaft. Er hatte dafür einen denkbar günstigen Zeitpunkt gewählt: Das Fest der Lupercalien, ein fröhliches, fast orgiastisches Reinigungs- und Fruchtbarkeitsfest. Caesar saß auf der Rednertribüne des Festplatzes im vollen Ornat, der die göttlichen, aber auch annähernd königlichen Ehren widerspiegelte, die der Senat ihm verliehen hatte. Während dieses Festes versuchte Marcus Antonius Caesar mit dem Königsdiadem zu krönen. Doch die fröhliche Stimmung verflog schlagartig, das Volk protestierte, und Caesar wies die Königswürde geistesgegenwärtig zurück.

In der politischen Szene Roms glaubte niemand, dass Marcus Junius Antonius ohne Caesars Wissen und Zustimmung gehandelt hatte. Von da an, so darf man aus den zeitgenössischen Quellen schließen, begannen die Verschwörer mit konkreten Vorbereitungen für den Mord. Treibende Kräfte waren zwei Günstlinge Caesars: Marcus Brutus und Gaius Cassius Longinus. Die Verschwörer sahen sich im Recht, denn ein Tyrannenmord war nach der Moral der Antike nicht strafbar, ja er war sogar ein sittliches Gebot. Darum verzichteten die Verschwörer ausdrücklich auf einen Schwur der Geheimhaltung oder des Zusammenhaltes. Nach ihrer Vorstellung unternahmen sie lediglich einen notwendigen Akt zur Rettung der Republik, begingen also kein Verbrechen.

Am 18.März 44 v. Chr. wollte Caesar zu einem Feldzug gegen die Parther aufbrechen, Roms ständige Gegner weit im Osten des Reiches. Das war nicht zwingend notwendig, aber man darf annehmen, dass der unwürdige Schacher um Ämter und Pfründe, die ständigen Anfeindungen des Senats und die Unfähigkeit seiner Untergebenen Caesars Nerven ernsthaft angegriffen hatten. Das karge Leben im Feld, umgeben von treuen Soldaten, entsprach sicherlich eher seiner Natur. Die Senatssitzung vom 15.März war also die letzte Gelegenheit für die Verschwörer, ihre Tat durchzuführen. Sie waren entschlossen, Caesar im Sitzungssaal des Senats öffentlich hinzurichten. Die Verschwörer glaubten, Caesars Tod wie ein Theaterstück inszenieren zu können, mit dem Tod des Tyrannen auf offener Bühne als Höhepunkt und einer großen Rede nach der Tat als krönendem Abschluss. Aber es sollte anders kommen.

Als Caesar am Morgen des 15.März unerwartet der Senatssitzung fernblieb, ging Decimus Brutus, Mitverschwörer und langjähriger Vertrauter Caesars, zu seinem Haus und überredete ihn, trotz einer Unpässlichkeit doch noch an der Senatssitzung teilzunehmen. Caesar ahnte nichts, denn er war einsam geworden: Obwohl Hunderte von Menschen, darunter auch viele seiner Günstlinge, über die Attentatspläne Bescheid wussten, warnte ihn niemand. Erst auf dem Weg zu der verhängnisvollen Senatssitzung steckte man ihm eine konkrete Anzeige zu. Er hatte jedoch keine Gelegenheit mehr, sie zu lesen.

Unmittelbar zu Beginn der Senatssitzung umstellten ihn rund dreißig Verschwörer und stachen sofort mit Messern und Dolchen auf ihn ein. Caesar wehrte sich entschlossen. Die Verschwörer, ungeübt im Umgang mit dem Dolch, stachen planlos auf ihn ein, wobei sie sich auch gegenseitig verletzten. Als Caesar schließlich sah, dass er gegen die Übermacht keine Chance hatte, verhüllte er sein Gesicht und zog seine Toga zurecht, um würdig zu sterben. Keiner der etwa 300 anwesenden Senatoren kam ihm zu Hilfe. Den amtierenden Konsul und Caesarvertrauten Marcus Antonius hatten die Verschwörer von der Senatssitzung ferngehalten, weil sie fürchteten, dass er Caesar verteidigen würde. Nach der blutigen Tat brach im Senat Panik aus. Niemand wusste, auf wen von ihnen es die Mörder abgesehen hatten, und so drängten alle zu den Ausgängen.

 

Die Verschwörer hatten ursprünglich vorgehabt, Caesars Leiche feierlich durch die Stadt zu schleifen und in den Tiber zu werfen, wie es einem Tyrannen zukam. Alle seine Handlungen, Dekrete und Erlasse sollten für nichtig erklärt werden und die Republik sozusagen in den Zustand vor Caesar zurückversetzt werden. Aber die Verschwörer ließen sich von der Panik der Senatoren anstecken und flohen mit ihnen aus dem Saal. Die große Rede zur Rechtfertigung des Tyrannenmordes fiel aus, ebenso die öffentliche Leichenschändung.

Der Ermordete blieb für einige Zeit allein in der Curia zurück, dann bargen drei Sklaven die Leiche und brachten sie in einer Sänfte in sein Haus, wo sie für ein feierliches Staatsbegräbnis vorbereitet wurde. Von gekauften Gladiatoren bewacht, verbrachten die Verschwörer eine ungemütliche Nacht auf dem Capitol. Das Volk war ihnen nicht dankbar, sondern es war entsetzt, der Senat war geflohen und Caesars Soldaten sannen auf Rache. Jetzt machte sich bemerkbar, dass die Verschwörer nicht darüber nachgedacht hatten, wie sie nach Caesars Tod ihre Macht sichern wollten. Sie hatten seine Diktatur als Ausnahmezustand betrachtet und erwartet, dass die Republik nach seiner Ermordung quasi von selbst in ihren Normalzustand zurückkehren werde. Sie hatten es nicht einmal für nötig gehalten, sich über die Stimmung im Volk zu informieren oder Szenarien für ihr weiteres Vorgehen durchzuspielen. Das wäre aber geboten gewesen, denn amtierender Konsul, und damit höchster Vertreter der erneuerten Republik, war niemand anders als Marcus Antonius, Caesars engster Verbündeter.

Er machte den Senatoren am nächsten Tag klar, dass man Caesar nicht einfach zum Tyrannen erklären konnte. Denn die damit verbundene Rücknahme aller seiner Erlasse würde unter anderem 300 der 900 Senatoren ihre Amtswürde kosten und die Landverteilung an Caesars Veteranen rückgängig machen. Letzteres musste die ohnehin prekäre Situation in Rom bis zum Bürgerkrieg eskalieren lassen. Cicero, der wohl nicht seinen besten Tag hatte, schlug einen Kompromiss vor, der den drohenden Bürgerkrieg abwendete, aber den späteren Konflikt bereits vorzeichnete: Caesar sollte nicht zum Tyrannen erklärt, aber seine Attentäter sollten begnadigt werden. Der Senat, hin- und hergerissen zwischen Moral und Entsetzen, stimmte schließlich zu. Damit gingen die Verschwörer straffrei aus, wie Cicero es vorgesehen hatte, aber Caesars Herrschaft war im nachhinein legitimiert. Rechtlich gesehen waren die Verschwörer also nicht die Helden der wiedererstandenen Republik, sondern amnestierte Verbrecher. Marcus Antonius inszenierte ein pompöses Staatsbegräbnis für Caesar und brachte damit das Volk endgültig auf seine Seite. Die Häuser einiger Verschwörer gingen in Flammen auf. Die Anführer Brutus und Cassius zogen es vor, Rom zu verlassen, und vermieden damit den offenen Machtkampf. Ihre Ziele waren unerreichbar geworden.

 

Die wohl berühmteste Verschwörung der Weltgeschichte scheiterte nicht etwa an den Mängeln in der Durchführung, sondern am weitgehenden Fehlen einer realistischen Planung für die Machtübernahme. Die Beteiligten hatten ihr Vorhaben stattdessen als Theaterstück aufgezogen, mit dem Tod des Tyrannen als dramatischem Höhepunkt im Schlussakt.

Hatten die Verschwörer wirklich das moralische Recht, Caesar als Tyrannen zu brandmarken und zu ermorden? Im antiken Verständnis war ein Tyrann ein unrechtmäßiger Alleinherrscher. Traf das auf Caesar zu? Rein formal hatte Caesar alle seine Ehren vom Senat und dem Volk von Rom verliehen bekommen. Und zwar nicht unter Zwang, sondern freiwillig. Mehrere von Caesars Titeln, Befugnissen und Ehrungen hatte der Senat durchaus nicht einstimmig verabschiedet, ohne dass aber den abtrünnigen Senatoren irgendein Leid geschehen wäre. Caesar setzte die Senatoren also nicht ungebührlich unter Druck. Cicero, seinen rhetorisch geschicktesten Gegner, behandelte er sogar mit gewissem Respekt. Rein formal war Caesar deshalb nach antikem Verständnis kein Tyrann, sondern ein rechtmäßiger, weil korrekt ernannter Alleinherrscher.

De facto hatte Caesar allerdings den Senat vollkommen lahmgelegt. Er erließ Edikte im Namen des Senats, die niemals dort beschlossen worden waren. Wenn man nicht die Form, sondern die Wirklichkeit der Macht als Maßstab nimmt, war Caesar ohne Zweifel ein Alleinherrscher von eigenen Gnaden. Allerdings hatten bereits andere vor ihm den Senat entmachtet, Caesar setzte die Tradition lediglich fort. Formal hatte Caesar also die Regeln der Republik nicht so weit gebrochen, dass er als Tyrann gelten konnte, und er hatte auch keine Gewaltherrschaft errichtet. Faktisch hatte er die Herrschaft des Senats nicht beendet, weil der Senat bereits seit Jahrzehnten nur noch von der Gnade der Feldherren lebte und keine echte Herrschaft mehr ausübte. Damit steht fest: Weder formalrechtlich noch faktisch hatte Caesar eine Tyrannei errichtet, die einen Tyrannenmord rechtfertigen würde.

Die Theorie der Verschwörung

Haben Verschwörungen überhaupt eine nennenswerte Aussicht, die Verhältnisse in ihrem Sinne zu verändern, oder sind die Verhältnisse stets mächtiger als die Menschen? Niccolò Machiavelli, der wohl berühmteste Theoretiker der Machtausübung, hat diesem Thema in seinem Buch Discorsi (Erörterungen) ein ganzes Kapitel gewidmet. »Viele Verschwörungen werden unternommen, aber nur wenige gelingen«, schreibt er darin. Aber er schreibt auch: »Durch sie [die Verschwörungen] haben mehr Fürsten Leben und Herrschaft verloren als durch offenen Krieg; denn offenen Krieg können nur wenige mit einem Fürsten führen, sich gegen ihn verschwören jedoch jeder.«

Machiavelli wusste, wovon er schrieb. Mit 23 Jahren trat er 1492 in die Staatskanzlei seiner Heimatstadt Florenz ein. Italien war zu dieser Zeit von einem Flickenteppich aus Stadtstaaten bedeckt, die miteinander und gegeneinander Krieg führten, Bündnisse mit Frankreich und dem Deutschen Reich eingingen und lösten, Intrigen und Verschwörungen gegeneinander anzettelten und vereitelten. Es war die große Zeit der Condottieri, der Söldnerführer, meist abenteuerliche Gestalten, deren Loyalität dem Meistbietenden gehörte und die sich oft genug gegen ihre Arbeitgeber wandten. Machiavelli wurde Gesandter in Poimbino und Forli, später dann in Paris. Nach verschiedenen Wirren wurde er 1513 fälschlich beschuldigt, an einer Verschwörung gegen die Medici beteiligt zu sein. Er wurde verhaftet und gefoltert. Erst nach einer Intervention des Kardinals Guilio de Medici ließ man ihn wieder frei. Desillusioniert zog er sich auf sein Landgut zurück und begann zu schreiben, denn eine weitere diplomatische Tätigkeit war ihm vorerst verschlossen.

In seinen Schriften deckt er die Mechanismen der Macht auf, ohne zu moralisieren oder zu beschönigen. Er empfiehlt beispielsweise einem Fürsten, alle die umzubringen, von denen er die Macht erobert hat. Denn, so schreibt er, sie seien durch keine freundlichen Gesten mehr zufriedenzustellen. Im sechsten Kapitel des dritten Buches der Discorsi befasst er sich ausführlich mit Verschwörungen. Er nennt nicht nur die Kriterien für eine erfolgreiche Verschwörung, sondern gibt auch Ratschläge für die Zerschlagung von Komplotten.

Nie vergessen – die Pulververschwörung

Am 4.November 1605 fand ein Suchtrupp unter Führung des Friedensrichters Sir Thomas Knevett in einem Kellerraum unter dem Sitzungssaal des Londoner Oberhauses eine große Menge Schießpulver, verborgen in einem Haufen Kohle und Feuerholz. Sie nahmen einen Mann fest, der das Pulver offenbar bewachte. Er nannte sich Johnson und gab an, Diener von Sir Thomas Percy zu sein, dem Edelmann, der den Keller als Lagerhaus gemietet hatte. Im Sitzungssaal des Oberhauses sollte am nächsten Tag die feierliche Parlamentseröffnung stattfinden. Traditionell nahmen daran der englische König, seine Regierung sowie die Mitglieder des Oberhauses und des Unterhauses teil. Wer immer das Schießpulver im Keller versteckt hatte, wollte offenbar mit einem Schlag den Monarchen, die Regierung und das Parlament beseitigen – und damit den ersten Terroranschlag der europäischen Geschichte ausführen. Es zeigte sich rasch, dass eine Verschwörung von fanatischen Katholiken den Anschlag vorbereitet hatte.

Wie konnte es dazu kommen?

Für die Erklärung müssen wir einige Jahrzehnte zurückgreifen.

Heinrich VIII. hatte im Jahre 1532 die anglikanische Kirche von Rom abgespalten. Ihn trieben nicht etwa Glaubensfragen zu diesem Schritt. Nein, er wollte sich lediglich von seiner Frau Katharina von Aragonien scheiden lassen, was nach katholischem Recht unmöglich war. Als Oberhaupt seiner eigenen Kirche war die Scheidung jedoch kein Problem mehr. Erst später näherte sich die so etablierte anglikanische Kirche der Reformation und dem Calvinismus. Im Jahre 1559 bestätigte Heinrichs Nachfolgerin Elisabeth I. im so genannten Elisabethan Settlement noch einmal die Los-lösung ihrer Kirche von Rom. Sie ernannte sich mit diesem Dokument zum »Supreme Governor of the Church«. Das unter Heinrich VIII. eingeführte anglikanische Book of Common Prayer (Allgemeines Gebetbuch) wurde für verbindlich erklärt. Öffentliche katholische Gottesdienste wurden verboten, Katholiken durften nicht katholisch heiraten und ihre Kinder nicht katholisch taufen lassen. Bei Androhung hoher Geldstrafen waren sie verpflichtet, anglikanische Gottesdienste zu besuchen. Ab 1563 mussten Beamte und Geistliche einen Eid auf die Königin als Oberhaupt des Staates und der Kirche ablegen. Eine besondere Verfolgungsbehörde, die High Commission, sollte gegen heimlich operierende katholische Priester und Laien vorgehen.

Die Katholiken stellten zu dieser Zeit bereits eine kleine Minderheit in England dar. Im Jahre 1570 exkommunizierte der Papst die englische Königin Elisabeth I. Nach katholischer Interpretation schuldeten die englischen Katholiken ihrer Königin von da an keine Untertanentreue mehr. Damit wiederum galten alle Katholiken Englands als potenzielle Verräter.

Die Regierung reagierte mit Härte: 1581 erklärte das Parlament den Vollzug des katholischen Glaubens, also den Gottesdienst, zum Hochverrat gegen die Krone. Von 600 bekannten katholischen Priestern warf man 300 ins Gefängnis, 130 von ihnen wurden auf grausame Weise hingerichtet, ebenso sechzig Gläubige.

Der politische Gegensatz zum katholischen Spanien und der Versuch des Papstes, das katholische Irland zum Aufstand anzustacheln, verstärkte die anti-katholischen Ressentiments breiter Bevölkerungsschichten noch weiter. Im Jahre 1603 starb Elisabeth, und der schottische König James VI. bestieg als James I. den englischen Thron. Die Königreiche waren damals noch getrennt; James herrschte in Personalunion über beide. Noch von Edinburgh aus hatte er den Katholiken vage Hoffnungen auf eine Erleichterung ihrer bedrückenden Lage gemacht. Nach seiner Thronbesteigung wollte er davon aber nichts mehr wissen, sondern bestätigte ausdrücklich die Strafgesetze seiner Vorgängerin Elisabeth.

Einige Katholiken sahen deshalb die Zeit für ein gewaltsames Vorgehen gekommen. Am 20.Mai 1604 trafen sich Robert Catesby, Tom Wintour, Jack Wright, Thomas Percy und Guy Fawkes im Duck and Drake-Inn in London zu einer ersten Besprechung. Catesby war der unbestrittene Anführer, ein charismatischer, hochgebildeter Adeliger. Trotzdem ist er weitgehend vergessen, während der Sprengstoffexperte Guy Fawkes, eher eine Randfigur, der Verschwörung bis zum heutigen Tag ihren Namen gibt.

Irgendwann im Jahre 1604 müssen die Verschwörer übereingekommen sein, dass sie ihrem Ziel am besten dienten, wenn sie zur Parlamentseröffnung im Herbst 1605 den König und das vollzählig versammelte Parlament in die Luft sprengten.

 

Zu der langen Dauer der Verschwörung (fast 18 Monate zwischen Beschluss und Ausführung) schreibt Machiavelli: »Das einzige Mittel, der Entdeckung zu entgehen, ist es, den Mitverschwörern keine Zeit zu lassen, den Komplott zu verraten, also die Zeit zwischen Beschluss und Ausführung so kurz wie möglich zu halten.« Gegen diese einfache Regel haben die Verschwörer um Catesby von Anfang an grob verstoßen. Trotzdem kamen sie zunächst gut voran. Praktischerweise stellte sich heraus, dass man die Kellergewölbe unter dem Parlament als Lagerräume mieten konnte. Thomas Percy schloss im März 1605 einen entsprechenden Vertrag ab. Nach und nach brachten die Verschwörer 36 Fass Pulver dorthin und versteckten sie unter einem Brennholzstapel.

Inzwischen versuchte Catesby, für seine Verschwörung weitere Verbündete unter den katholischen Adeligen zu gewinnen. Er wollte unmittelbar nach der Explosion einen katholischen Aufstand lostreten und Elisabeth, die kleine Tochter des Königs, entführen. Angesichts der kleinen Zahl von Katholiken in England war das allerdings reines Wunschdenken. Dazu schreibt Machiavelli: »Vor der Entdeckung einer Verschwörung kann man sich nicht schützen, wenn die Anzahl der Mitwisser drei oder vier übersteigt.« In der Tat brachte die Ausweitung der Anzahl an Mitwissern die Verschwörung bereits an den Rand des Scheiterns. Am 26.Oktober 1605 erhielt der katholische Lord Monteagle einen seltsamen, schwer lesbaren Brief, der ihn davor warnte, an der Parlamentseröffnung teilzunehmen. Das Parlament solle einen furchtbaren Schlag erhalten, hieß es dort. Der Brief trug keine Unterschrift. Lord Monteagle gab den Brief sofort an den Minister Robert Cecil weiter. Aber erst in der Nacht vom 4. auf den 5.November wurden die Räume unter dem Parlament durchsucht. Man fand dort zwar Guy Fawkes, aber keinen Sprengstoff. Erst bei der zweiten Durchsuchung stießen die Männer um den Friedensrichter Sir Thomas Knevett unter einem verdächtig großen Haufen Brennholz auf die 36 Pulverfässer.

Fawkes, der sich als John Johnson ausgab, wurde verhört und, als er hartnäckig schwieg, grausam gefoltert. Nach zwei Tagen brach er zusammen, gestand die Verschwörung und nannte die Namen seiner Mitverschwörer. Einige wurden daraufhin in London ergriffen, die Übrigen konnten in die Midlands fliehen. In der Hoffnung, im heimatlichen Warwickshire Verbündete zu finden, verbreiteten sie zunächst, der König sei tot. Doch ihre katholischen Freunde zeigten keine Neigung zum bewaffneten Aufstand. Wenige Tage später stellte der Sheriff von Worchestershire mit seinen Leuten die Flüchtenden in Holbeach House, dem Haus eines Unterstützers. Catesby, Percy und die Brüder Wright starben im Kugelhagel, vier weitere Verschwörer brachte man verletzt in den Tower von London.

13 Verschwörer hatten die Behörden zur Fahndung ausgeschrieben; im Januar 1606 waren vier von ihnen tot, acht gefangen, einer, Tresham, im Tower an einer Krankheit gestorben. Von ihm wird später noch die Rede sein. Die Regierung Seiner Majestät war entschlossen, die Verschwörung den Jesuiten und damit dem Papst anzuhängen. Catesby hatte sich in der Beichte dem Jesuitenpater Tesimond anvertraut, der es wiederum seinem Beichtvater, Pater Garnet, beichtete. Beide Priester hatten alles versucht, um Catesby die Tat auszureden. Trotzdem zeigten sie Catesby nicht bei den Behörden an, da sie sich an das Beichtgeheimnis gebunden fühlten.

Der Ankläger des Königs nutzte den Prozess zu einer Philippika gegen die Jesuiten, denen er vorwarf, mit Kronen zu spielen und Könige zu erheben oder zu stürzen. Zur Aufklärung der wahren Hintergründe des Komplotts trug der Prozess wenig bei. Das Urteil gegen die Verschwörer stand bereits vor Prozessbeginn fest: Todesstrafe wegen Hochverrats. Die vorgeschriebene Todesart war abschreckend grausam: Der Delinquent wurde gehängt und noch lebend vom Strick abgeschnitten. Seine Geschlechtsteile wurden abgeschnitten und vor seinen Augen verbrannt. Der Henker riss ihm dann die Eingeweide heraus und schnitt ihm das Herz aus der Brust. Anschließend wurde seine Leiche zerstückelt, der Kopf auf eine Stange gespießt zur Schau gestellt und die Überreste der Leiche den Vögeln zum Fraß überlassen. Am 30. und 31.Januar 1606 wurden die Urteile vollstreckt.

Der Schauprozess gegen Pater Garnet, den obersten Jesuiten Englands, fand erst nach dem Tod der Verschwörer statt. Das Gericht (das keineswegs unabhängig, sondern dem König direkt unterstellt war) erkannte auf Hochverrat und befahl die Hinrichtung des Angeklagten, die am 3.Mai 1606 vollstreckt wurde.

 

Die Weigerung der Regierung, die Vorgänge aufzuklären, und die schnelle Hinrichtung der Verschwörer erregten den Verdacht, dass die Regierung bei der Verschwörung ihre Finger im Spiel hatte. Hatte sie die Aufdeckung der Verschwörung bewusst dramatisch gestaltet? Der Mitverschwörer Tresham war zwar angeblich im Tower gestorben, Gerüchte besagten aber, man habe ihn heimlich freigelassen, weil er in Wahrheit ein Spitzel der Regierung war. Oder hatte man ihn als Mitwisser vergiftet? Hatte Robert Cecil eventuell die Verschwörung selbst initiiert, um die Katholiken noch schärfer unterdrücken zu können?

Das Ansehen des Königs und seiner Regierung nahm durch die seltsame Prozessführung gegen die Verschwörer deutlichen Schaden.

 

Das bestätigt auch Machiavelli: »Dem Fürsten kann nichts Übleres als eine Verschwörung zustoßen, denn sie kostet ihn entweder das Leben oder beschädigt seinen Ruf. Eine gelungene Verschwörung bringt ihn um. Deckt er die Verschwörung auf und lässt die Verschwörer hinrichten, so glauben die Menschen, er habe die Verschwörung nur erfunden, um seinen Gegnern zu schaden.«

Das Parlament verschärfte 1605 die Katholikengesetze in der Folge des Attentatsversuchs noch weiter. Katholiken durften in England keine Waffen tragen, keine akademischen Titel erwerben und hatten kein Wahlrecht. Der 5.November wurde zum gesetzlichen Freudentag ernannt. Bis heute wird er als Guy-Fawkes-Day mit einem Feuerwerk gefeiert. Kinder bereiten Lumpenpuppen – Guys – vor, die am 5.November stellvertretend für Guy Fawkes verbrannt werden.

Während die Katholiken in England eine verschwindend kleine Minderheit darstellten, bildeten sie in Irland, das ebenfalls zu England gehörte, die Mehrheit. Die Katholikengesetze trugen maßgeblich zu den endlosen Wellen irischer Aufstände bei, weil sie die Mehrheit der Iren aller Bürgerrechte beraubten. Die wütenden Gegensätze in Nordirland sind nicht zuletzt eine Folge der jahrhundertelangen Entrechtung der Katholiken, die erst 1829 aufgehoben wurde. Bis ins zwanzigste Jahrhundert, ja bis in die Gegenwart hinein, bildete die irrationale Ablehnung des Papismus eine Konstante des anglikanischen Selbstverständnisses. Die Verschwörer um Catesby hätten ihrer Sache also keinen schlechteren Dienst erweisen können. Eine historische Fußnote: Das Pulver war nicht mehr zündfähig, als man es fand. Es hatte sich durch die lange Lagerung bereits entmischt.

Die Illuminaten oder das unsichtbare Böse

Die Geschichte der Illuminaten beginnt 1776 mit der Gründung des so genannten Illuminatenordens im deutschen Ingolstadt. Er war als Geheimgesellschaft konzipiert, hatte zunächst beträchtlichen Erfolg, begann aber nach inneren Querelen zu zerfallen, noch bevor die bayerische Landesregierung ihn 1785 verbot. Ihr Gründer war der Professor für Kirchenrecht Adam Weishaupt. Er wurde 1748 in Ingolstadt geboren und dort an einem Jesuitengymnasium ausgebildet. Das war zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich, denn die Jesuiten führten einen beträchtlichen Teil der höheren Schulen in Europa. Aus dieser Zeit behielt Weishaupt eine starke Abneigung gegen die Inhalte der jesuitischen Ausbildung, aber eine Bewunderung für die effektive Organisation des Jesuitenordens. Mit 15 Jahren begann er ein Studium der Philosophie, der Geschichte, der Staatswissenschaft und der Rechte. 1772 wurde er in Ingolstadt zum außerordentlichen und 1774, mit 25 Jahren, zum ordentlicher Professor des Natur- und Kirchenrechts ernannt. Die Professur war lange Zeit in den Händen der Kirche gewesen, und Weishaupt musste sich von Anfang an gegen die Anfeindungen katholischer Kleriker wehren. Er selbst war, wie viele Akademiker damals, ein Anhänger der Aufklärung. Die Aufklärung umfasst verschiedene geistige und kulturelle Strömungen; allen gemeinsam war die Kritik am absoluten Wahrheitsanspruch der Religion und an der absoluten Monarchie. Rousseau, Locke und andere Philosophen der Aufklärung stellten die Legitimität der absoluten Herrscher in Frage: Sie bestanden darauf, dass die Menschen freie Verträge schließen dürfen, und Herrscher sich nicht auf die Einsetzung durch göttliche Gnade berufen können. Ihre Herrschaft bedarf vielmehr eines Vertrages mit den Untertanen, sonst ist sie nicht rechtens. Die Aufklärer betonen ferner die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat und fordern eine Teilung der Staatsgewalt. Der freiheitliche, autonome Gebrauch der Vernunft sollte es möglich machen, ein menschenwürdiges und glückliches Dasein zu erreichen. Allerdings bedurfte es der Anleitung durch entsprechend gebildete Menschen, ohne die diese neue Gesellschaft nicht zu verwirklichen war.

Im Sinne dieser Lehren gründete Weishaupt im Jahre 1776 einen Studentenorden, die Perfectibilisten, um aufklärerische Ideen zu verbreiten. Studentenorden waren damals weit verbreitet, sie entsprachen dem aufklärerischen Geist der Zeit. Vielen Universitäten gefiel das nicht; sie verboten die Orden, die daraufhin im Geheimen weiterbestanden. Weishaupts Orden hatte große Pläne. Weishaupt (Ordensname: Spartacus) schrieb: »[Aufgabe des Ordens war,] selbstdenkende Menschen aus allen Weltteilen, von allen Ständen und Religionen, unbeschadet ihrer Denkfreiheit, trotz aller so verschiedenen Meinungen und Leidenschaften, durch ein gegebenes höheres Interesse in ein einziges Band zu vereinen …; eine solche Gesellschaft ist das Meisterstück der menschlichen Vernunft, in ihr und durch sie hat die Regierungskunst ihre höchste Vollkommenheit erreicht.«

Weishaupt schwebte ein hierarchischer Orden vor. Minervale (die Neulinge) sollten von den höheren Klassen ausgebildet werden, dann aufsteigen und selbst neue Minervalen ausbilden. Ein striktes Kontroll-, Berichts- und Überwachungssystem kontrollierte den Werdegang der Ordensmitglieder. Die Gesellschaft nannte sich bald nicht mehr »Perfectibilisten«, sondern »Illuminaten« und sammelte fleißig neue Mitglieder. Weishaupt wurde 1777 Mitglied der Freimaurer und begann auch dort Mitglieder zu rekrutieren. Die Freimaurer waren eine Geheimgesellschaft in dem Sinne, dass sie geheime Riten kannten und sich zum Stillschweigen über Interna der Gesellschaft verpflichtet hatten. Die Existenz der Freimaurerlogen als solche war durchaus bekannt. Die Illuminaten hingegen verbargen bereits ihre bloße Existenz vor der Außenwelt. Weishaupts Ideen erwiesen sich zunächst als wenig erfolgreich: Bereits im Jahre 1779 stand die Gesellschaft kurz vor dem Zerfall. Viele der neu Angeworbenen konnten mit Weishaupts aufklärerischem Eifer nicht mithalten und betrieben die Ausbildung, die sie zu den höheren Weihen befähigen sollte, nicht sehr nachdrücklich. So litt der Orden bald unter Auszehrung.

Ende 1779 traf der Marquis von Constanzo in Frankfurt den 27-jährigen Freiherrn von Knigge und überzeugte ihn im Januar 1780, dem Orden beizutreten. Der Freiherr von Knigge war ein Mann wie aus einem historischen Roman: ein Lebenskünstler mit wenig Geld, aber bezwingendem Charme, geistreichem Witz und perfekten Umgangsformen. Mit seinem Buch Über den Umgang mit Menschen ging er als Synonym für gutes Benehmen in die Geschichte ein. Knigge gelang es mit seiner ansteckenden Begeisterung, eine große Anzahl (nach seinen Angaben mehr als 500) neue Minervalen zu werben, darunter hochrangige und einflussreiche Männer. Er (und andere) forderte jetzt, auch die höheren Klassen kennen zu lernen. Nur: es gab noch keine höheren Klassen. Weishaupt war von Knigges Erfolg völlig überrascht worden, seine Ordensklassen existierten nur als Entwurf. Im November 1781 reiste Knigge nach München. Es gelang ihm, den zerstrittenen Orden wieder zu einen, nicht zuletzt durch seinen persönlichen Charme.

Der Areopag (das Leitungsgremium unter Weishaupt) beauftragte ihn, das System der höheren Grade auszuarbeiten. Dazu gaben sie Knigge die Materialien von Weishaupt als Vorlage. Knigge fügte einiges an freimaurerischer Symbolik hinzu. Die Freimaurer hatten damals in Deutschland etwa 27 000 Mitglieder, und die Illuminaten planten ausdrücklich, in ihre Logen einzudringen und sie zu übernehmen. Die jesuitische Struktur des Ordens mit dem strikten Gebot des Gehorsams gegenüber den Oberen und letztlich dem Ordensgeneral Weishaupt blieb dabei unangetastet und führte zu ständigem leisen Rumoren im Orden.

Knigge und von Ditfurth nahmen als Gesandte der Illuminaten am Wilhelmsbadener Freimaurerkonvent von 1782 teil und warben dort eine ganze Reihe von neuen Mitgliedern, etwa den Schriftsteller Johann Joachim Christoph Bode, Herzog Ferdinand von Braunschweig und Prinz Karl von Hessen Kassel. Bode wiederum warb Herzog Ernst von Sachsen Gotha für den Orden. Von Ditfurth gelang es in Wetzlar, Mitglieder des Reichskammergerichts zum Eintritt in den Orden zu bewegen. Das Reichskammergericht entsprach in seinem Rang etwa dem heutigen Bundesverfassungsgericht.

 

Der Illuminatenorden hatte in den Jahren 1782/1783 den Höhepunkt seiner Mitgliederzahl und seines Einflusses erreicht. Der Orden gliederte sich damals in drei Klassen mit zwei bis drei Unterklassen. Sie hatten folgende Namen:

 Pflanzschule oder Vorbereitungsklasse

Novize

Minerval

Kleiner Illuminat

. Maurerklasse

Lehrling – Geselle – Meister

Illuminatus maior (Schottischer Novize)

Illuminatus dirigens (Schottischer Ritter)

. Mysterienklasse

Kleine Mysterien: a) Priester, b) Regent

Große Mysterien: a) Magus, b) Rex

 

Von den unteren Klassen wurde unbedingter Gehorsam erwartet, ständige Berichte über das eigene Fortkommen und über andere Ordensmitglieder. Es gab geheime Erkennungszeichen, Kennworte, Ordensnamen und sogar eine eigene Zeitrechnung. Die unteren Klassen kannten weder das System des Ordens noch die wirklichen Namen der Oberen. Die Novizen hatten eine umfangreiche Lektüre philosophischer Schriften zu leisten und darüber zu berichten. Wer sich würdig erwies, konnte in der Hierarchie aufsteigen und in jeder Stufe mehr über Methoden und Ziele des Ordens erfahren. Er hatte aber stets die Existenz des Ordens geheim zu halten.

Weishaupt schrieb dazu: »Der Orden hat ein doppeltes Geheimnis zu beobachten; ein äußeres, wodurch den Profanen nicht nur unser Zweck, Operationen und Personale, sondern auch sogar unser Daseyn unbekannt bleiben soll … ein inneres, wodurch einem jeden Mitgliede gerade soviel von Ordenssachen und Personen eröffnet wird, als der Grad seiner Zuverlässigkeit, die Ausdehnung seines Wirkungskreises, die Erhaltung seines Zutrauens und Eifers fordert.«

Weishaupt wollte die Mitglieder des Ordens im Sinne der Aufklärung erziehen. Weil Erziehung nach seiner Auffassung ein strenges Regiment voraussetzte, geschah das mit einer den Jesuiten nachempfundenen Organisation. Mit jeder Stufe sollten die Mitglieder von ihren Oberen näher an das Licht der aufklärerischen Vernunft herangeführt werden. In zahlreichen Schriften entwarf Weishaupt eine wirre Synthese verschiedener aufklärerischer Systeme mit einem eigenwillig interpretierten Christentum.

In einem Zeitalter, das die Legitimation der Fürstenherrschaft erstmals kritisch hinterfragte und die Vernunft als wesentliches Merkmal der Philosophie entdeckte, übte der Illuminatenorden auf die gebildeten Mitglieder von Universitäten, Verwaltungen und Institutionen eine enorme Anziehungskraft aus. Der Orden hatte in seiner kurzen Blütezeit mindestens 1200 Mitglieder. Weishaupt träumte von einer sittlich, philosophisch und moralisch ausgebildeten, in strenger Disziplin erzogenen Elite, die zum Besten der Menschen eine legitime Herrschaft ausüben sollte. Von der Demokratie hielt er nichts. »Siegt das Volk, so steht ein Zustand bevor, der nun ärger als aller Despotismus, und der Aufklärung noch viel gefährlicher ist: Wir laufen Gefahr, in einen anarchischen Zustand zu verfallen.« Es lag Weishaupt fern, eine persönliche Despotie auszuüben, also seinerseits über seine zum Gehorsam verpflichteten Ordensmitglieder eine Art internationale Geheimregierung aufzubauen. Bei Lichte betrachtet wäre das auch gar nicht möglich gewesen: Die Ordensmitglieder hätten jederzeit austreten können, Sanktionsmöglichkeiten hatte Weishaupt nicht.

Der Illuminatenorden kam allerdings nicht mehr dazu, seine Ziele zu verwirklichen: Weishaupt zerstritt sich mit Knigge über die Frage der Ordensorganisation und Knigge verließ den Orden 1783. Er war mit der hierarchischen Führung nach jesuitischem Vorbild nicht mehr einverstanden, aber seine Reformvorschläge fanden bei Weishaupt kein Gehör. Auch andere Mitglieder verließen den Orden. Einige davon erhoben in der Folge öffentlich Vorwürfe gegen die Illuminaten. Der Münchner Hofkammerrat Utzschneider beispielsweise bezichtigte die Illuminaten, geheime Dokumente des bayerischen Hofes gestohlen zu haben und sich aktiv in die Außenpolitik Bayerns einzumischen. Das konnte sich Kurfürst Karl Theodor unmöglich gefallen lassen: Am 22.Juni 1784 verbot er alle geheimen Verbrüderungen, ohne sie jedoch ausdrücklich beim Namen zu nennen. Am 2.März 1785 schob er ein ausdrückliches Verbot der Illuminaten und Freimaurer nach. Bereits am 11.Februar hatte Weishaupt aus anderem Grund seine Professorenstelle verloren.

In Bayern begann eine regelrechte Illuminatenhatz mit Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Landesverweisen. Die anderen deutschen und europäischen Länder hingegen ergriffen keine Maßnahmen gegen die Illuminaten, obwohl die bayerische Regierung allen Regierungen »belastendes« Material zuschickte, das sie sichergestellt hatte und später veröffentlichen ließ. Weishaupt, dem die Verhaftung drohte, floh nach Regensburg und im Herbst 1787 weiter nach Gotha. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 18.November 1830. Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha war selbst Illuminat gewesen und gab seinem ehemaligen Ordensgeneral eine Stelle als Hofrat auf Lebenszeit. Ein Versuch von Knigge, Bode und Herzog Ernst II., den Orden weiterzuführen und in andere europäische Länder zu exportieren, blieb erfolglos. Offiziell galt der Orden ab 1785 als erloschen, seit 1787 war er auch faktisch am Ende. Einige Reste scheinen noch bis nach 1790 existiert zu haben.

Den absolutistisch eingestellten Monarchen der damaligen Zeit musste eine überstaatliche, geheime Gesellschaft zur Verbreitung aufklärerischer Ideen als Bedrohung erscheinen. Wer im Geheimen versuchte, möglichst viele Funktionsträger der Höfe und des Reiches im Sinne der Aufklärung zu erziehen, stellte die Legitimität absolutistischer Monarchen unmittelbar in Frage. Zwar sahen sich nicht alle Herrscher davon bedroht: Einige waren aufklärerischen Ideen gegenüber durchaus aufgeschlossen, wie das Beispiel Herzog Ernsts II. von Sachsen-Gotha zeigt, der selbst Mitglied im Illuminatenorden wurde. Der erzkatholische bayerische Kurfürst und seine Berater aber hielten nichts von aufklärerischen Ideen, so dass es nur eine Frage der Zeit war, wann sie auf den Illuminatenorden aufmerksam werden würden. Dabei hatte Weishaupt keineswegs vor, die Fürsten zu stürzen oder umzubringen. Er ging vielmehr davon aus, dass die Fürstenherrschaft durch den gesellschaftlichen Fortschritt und die moralische Reifung der Menschen überflüssig werden würde und von selbst zerfallen müsse, weil sittlich und moralisch ausreichend gebildete Menschen keiner Fürstenherrschaft mehr bedürfen und sie auch nicht dulden würden. Seine Geheimgesellschaft sollte helfen, diesen Umbruch friedlich zu gestalten. Seine Gegner sahen das natürlich sehr viel einfacher: Weishaupts Geheimgesellschaft, so argumentierten sie, wolle die Höfe unterwandern und die Fürsten vom Thron stoßen, um selbst im Namen der Aufklärung die Weltherrschaft zu übernehmen.

 

Bis heute müssen die Illuminaten als dämonische Gegner von Tradition und Religion herhalten. Noch im Jahre 1991 machte der US-amerikanische Fernsehprediger Pat Robertson in seinem einflussreichen Buch New World Order die Illuminaten für allerlei finstere Machenschaften verantwortlich. Pat Robertson hat in den USA eine beträchtliche Anhängerschaft und versuchte 1988 vergeblich, Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei zu werden. Der englische Schriftsteller David Icke glaubt sogar, dass die Illuminaten insgeheim die Welt beherrschen und fürchterliche Untaten verüben. Ickes sonstige Ansichten (außerdimensionale Reptilienmenschen beherrschen die Welt, jüdische Bankiers plündern die Welt aus, er selbst sei ein Sohn des dreieinigen Gottes) trugen ihm allerdings eher den Ruf ein, geisteskrank zu sein. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten sind deutlich besser als die der meisten anderen Verschwörungstheoretiker, und so haben seine abstrusen Thesen besonders unter Rechtsextremisten in aller Welt beträchtlichen Einfluss.

 

In Deutschland verbreitet der Autor Jan Udo Holey unter dem Pseudonym Jan van Helsing die These, die Illuminaten, eine zionistisch-freimaurerische Elite, bildeten eine geheime Weltregierung. Dabei verweist der Autor unter anderem auf die Protokolle der Weisen von Zion, eine üble antisemitische Fälschung aus der Zeit um 1900 (siehe Kapitel 9).

 

Wie kommen die Illuminaten zu solchen posthumen »Ehren«? Dazu sollte man bedenken, dass das ausgehende 18. Jahrhundert eine Zeit des radikalen Umbruchs war. Die Philosophen der Aufklärung stellten das überkommene christliche Weltbild in Frage und bestritten die göttliche Legitimation weltlicher Monarchen. Die neugegründeten Vereinigten Staaten von Amerika übernahmen aufklärerisches Gedankengut in ihre Unabhängigkeitserklärung und organisierten sich als Republik und parlamentarische Demokratie. Die Französische Revolution vernichtete die Monarchie und den Adel eines der mächtigsten Staaten Europas. Vor diesem Hintergrund gediehen Verschwörungstheorien damals ebenso prächtig wie heute.

Für die deutschen Konservativen bedeutete der Illuminaten-skandal eine Gelegenheit, die verhassten Aufklärer endlich einmal festzunageln. Sie hatten Freimaurer und Liberale schon lange im Verdacht, staatliche Autorität untergraben zu wollen, und das radikal-aufklärerische Programm der Illuminaten lieferte ihnen endlich einen konkreten Ansatzpunkt.

Das erklärte Vorhaben der Illuminaten, zur Durchsetzung aufklärerischer Ziele heimlich Männer in hohen Positionen zu rekrutieren, machte sie natürlich zum Ziel von Verdächtigungen, und zwar nach ihrer Aufhebung noch mehr als vorher. Antiaufklärerische Schriftsteller wie der Gießener Regierungsdirektor Ludwig Adolf Christian von Grolman trugen in besonderem Maße dazu bei, den Orden nachträglich zu dämonisieren. Der französische Ex-Jesuit Abbé Barruel unterstellte (u.a. mit Bezug auf Grolmanns Schriften) den Illuminaten in seinem vierbändigen langatmigen Werk Mémoirs pour servir à l’histoire du Jacobinisme von 1797/98, sie seien zusammen mit den Freimaurern und den Philosophen der Aufklärung für die Französische Revolution verantwortlich. Mehr noch: Barruel behauptete, diese Gruppen seien nur Teil einer uralten Verschwörung, die sich nicht nur gegen die katholische Kirche und den französischen König richtete, sondern gegen Religion, Regierung und Privatbesitz überhaupt. Er traf den Nerv seiner Zeit: Das monumentale Werk verkaufte sich ausgezeichnet und erschien bis 1812 in 10 europäischen Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Russisch und Italienisch. Es beeinflusste weitere verschwörungstheoretische Werke bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Der angesehene schottische Philosophieprofessor John Robison schrieb zur etwa gleichen Zeit (1797) ein Buch mit dem pompösen Titel Proofs of a Conspiracy Against All Religions and Governments of Europe carried on in the Secret. Darin brandmarkte er die Illuminaten als eine Perversion der Freimaurerei und unterstellte ihnen ebenfalls eine Reihe von finsteren Absichten und Taten. Auch dieses Buch erlebte zahlreiche Auflagen und dient englischen und amerikanischen Autoren bis heute als Vorlage für ihre Verschwörungstheorien. Es ist sowohl in Englisch als auch in Deutsch immer noch lieferbar.