Fremdenlegion - Eckard Michels - E-Book

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Eckard Michels

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Beschreibung

Die französische Fremdenlegion ist ein lebendiger Mythos mit einer fast 200-jährigen Geschichte. Warum kam es 1831 zu ihrer Gründung und wie hat sie sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte entwickelt? Welche Rolle hat sie in Frankreichs Kriegen tatsächlich gespielt und warum sind Ausländer wie Franzosen überhaupt in die Fremdenlegion eingetreten? Der Historiker Eckard Michels beschreibt unter anderen anhand von Einzelschicksalen eindrücklich das Leben und Sterben der Legionäre. Er legt ebenso die politischen wie militärischen Rahmenbedingungen offen, welche den Einsatz der Fremdenlegion auf vier Kontinenten ermöglicht haben. Spannend und fundiert liefert er die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung zur Geschichte und Gegenwart der bekanntesten Söldnerformation der Welt.   Eine einzigartige militärische Organisation Seine Darstellung erschöpft sich nicht in der Nacherzählung militärischer Operationen, sondern erklärt, warum Frankreich bis heute – trotz gelegentlicher starker Zweifel – an der Fremdenlegion festhält. In chronologischer Abfolge zeigt er den Beitrag der Fremdenlegion zu den Kriegen Frankreichs im Vergleich zu dessen anderen Heeresformationen, und analysiert die militärischen Stärken und Schwächen der Söldnertruppe in den jeweiligen Einsätzen. Durch seine historische Analyse werden Mechanismen und Traditionen offengelegt, die die Fremdenlegion in den letzten zwei Jahrhunderten herausgebildet hat, um bestimmte Kategorien von Männern in Kriegs- wie Friedenszeiten anzulocken, langfristig an sich zu binden und zu mehr oder weniger effektiven Soldaten im Dienste Frankreichs zu formen. Vor allem deutschsprachige Legionäre haben bei weitem den größten Anteil unter ihren Soldaten gestellt. Dass Legionäre ihre Verträge nicht erneuerten oder in großer Zahl desertierten, auch darauf wirft der Autor ein Licht. Zuletzt wird deutlich, dass entgegen ihren heutigen Bekundungen, sie sei eine multinationale Truppe, die jedem Bewerber vorurteilsfrei begegne, die Ausgrenzung bestimmter Ethnien und Religionsgruppen die Personalpolitik der Söldnertruppe während eines Großteils ihrer Existenz bestimmt hat und bis heute Schatten auf die Institution wirft.

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Eckard Michels

FREMDENLEGION

Eckard Michels

FREMDENLEGION

Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen militärischen Organisation

Jean-Noël Hacault (1946–2020) gewidmet, der als Schwager und französischer Soldat das Interesse am Militär unseres Nachbarlandes weckte

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Satz: Bernadette Grohmann, Röser MEDIA, Karlsruhe

E-Book-Konvertierung: Röser MEDIA GmbH & Co. KG

Umschlagkonzeption: Verlag Herder

Umschlagmotiv: Vietnam – Französische Fremdenlegionäre zwischen Haiphong und Hanoi, ca. 1954, Bildquelle: United States Army

ISBN E-Book (PDF): 978-3-451-82177-6

ISBN E-Book (E-Pub): 978-3-451-82119-6

ISBN Print: 978-3-451-38533-9

Inhalt

Einführung

1. Unsichere Anfänge: Die Gründungsjahrzehnte der Fremdenlegion und die Ausprägung ihrer Eigen arten (1831–1871)

Das Jahr 1830

Die Gründung der Fremdenlegion und ihre Statuten

Das Personal der Gründungsjahre

Söldner und Wehrpflichtige

Leben und Sterben in Algerien

Abtretung an Spanien

Die Unterwerfung Algeriens und die Profilierung der „neuen“ Legion

Einsatz auf der Krim und in Oberitalien

Die Intervention in Mexiko und das Gefecht von Camerone

Erster Einsatz in Frankreich: 1870/71

2. Kolonialer Stoßtrupp und deutsch-französisches Streitobjekt (1871–1914)

Die Folgen der Niederlage

Auffangbecken für die verlorenen Söhne der Nation

Tonkin, Dahomey, Madagaskar: Das Zeitalter des Hochimperialismus und die Kolonialfeldzüge der Legion

Die Legion um 1900: Stärken und Schwächen, Alltag und Mythen

„Weiße“ und „farbige“ Kolonialtruppen

Marokko

Kampagnen in Deutschland

3. Bewährungsprobe: Im Ersten Weltkrieg (1914–1918)

Die Fremdenlegion am Vorabend des Ersten Weltkrieges

Ausländische Kriegsfreiwillige für die Westfront

Stellung halten in Nordafrika

4. Vergrößerung, Innovation und neue Herausforderungen: Die Zwischenkriegszeit (1919–1939)

Der geschwächte Sieger

Neue Anreize, günstige Rahmenbedingungen und zu viele Deutsche: Die Rekrutierungen in den 1920er und frühen 1930er Jahren

Kino und eine Kopie

Ausbau, Zentralisierung, Innovation und Tradition: Die Fremdenlegion entwickelt sich zum Korps

Militärische Einsätze in der Zwischen kriegszeit

Herausforderung durch das NS-Regime

5. Gespaltenes Frankreich, gespaltene Legion: Im Zweiten Weltkrieg (1939–1945)

Gebremste Mobilisierung: Kriegsfreiwillige für die Legion 1939/40

Einsatz in Norwegen und „Schlacht um Frankreich“

Kollaborieren oder kämpfen?

Auslieferung, Repatriierung, Asyl

Vom „Bruderkrieg“ in Syrien zum gemeinsamen Feldzug in Nordafrika

„Wiedervereinigung“ und Aufrüstung

Rückkehr nach Europa

Die Fremdenlegion in den beiden Weltkriegen

6. Imperiale Rückzugskämpfe (1945–1960)

Das französische Kolonialreich am Ende des Zweiten Weltkriegs

Der Weg in den Indochina-Krieg

Ein Zufluchtsort für Nazis und Kriegsverbrecher? Der Wiederaufbau der Fremdenlegion ab 1945

Der Indochina-Krieg: „Schmutzig“, aber „attraktiv“

Fremdenlegionäre und andere Soldaten des Expeditionskorps

Kriegswende im Indochina-Krieg und Personalwechsel in der Fremdenlegion

Blutiges Finale: Die Schlacht um Dien Bien Phu

Von einem Krieg zum nächsten

Die Schlacht um Algier

Frankreichs militärische Situation in Algerien stabilisiert sich

Der „Rückführungsdienst für Fremden legionäre“

De Gaulles Rückkehr an die Macht und die „Challe-Offensive“

7. Krisen und Neuerungen, Chancen und Grenzen eines militärischen Modells (1960–heute)

Militärputsch in Algerien

Das Ende der Fremdenlegion?

Auf der Suche nach neuen Standorten

Postkoloniale Neuerungen und Krisen

Die Fremdenlegion seit dem Ende des Kalten Krieges

Ein militärisches Modell mit Zukunft?

Die Fremdenlegion einst und jetzt

Die Anwerbung von Ausländern als Soldaten

Die Rolle der Fremdenlegion im französischen Heer

„Legio Patria Nostra“

Fremdenlegionäre einst und jetzt

Anmerkungen

Auswahlbibliografie

Benutzte Archive

Abkürzungen und Glossar

Über den Autor

Einführung

Frankreich leistet sich als einzige westliche Demokratie alljährlich ein aufwendiges öffentliches Militärspektakel. Am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, gibt es eine große Parade auf dem Pariser Prachtboulevard Champs-Élysées, die der Staatspräsident abnimmt. Der Beifall der Zuschauer schwillt meist dann an, wenn die Abordnung der Fremdenlegion vorbeidefiliert. Ihre Vorhut aus bärtigen, mit einer Lederschürze bewehrten, altertümlich wirkenden Axtträgern, das verlangsamte Marschtempo von 88 Schritten pro Minute anstatt der sonst in der französischen Armee üblichen 120 sowie die auffälligen weißen Képis verdeutlichen schon äußerlich den Sonderstatus der Fremdenlegion im Gefüge der Streitkräfte. Die Pariser applaudieren der Formation nicht nur wegen ihres ungewöhnlichen Aufzuges. Entscheidender ist, dass Mannschaften und Unteroffizierskorps der 1831 gegründeten Elitetruppe mehrheitlich aus Ausländern bestehen. Für viele Franzosen ist die Fremdenlegion ein Ausdruck dafür, dass ihre Nation seit der Revolution von 1789 mit den Idealen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gleichsam zur Heimat der ganzen Menschheit geworden sei. Als Auffangbecken für die Verfolgten und Gescheiterten aller Länder gewähre die Fremdenlegion Männern ungeachtet ihres Vorlebens eine Zuflucht. Nach einigen Jahren des entbehrungsreichen Dienstes unter der Trikolore biete ihnen Frankreich die gesellschaftliche Rehabilitation oder gar die Einbürgerung. Nur in Frankreich als Wiege der Menschenrechte und Nation mit einer universellen humanitären Mission sei daher eine einzigartige Institution wie die Fremdenlegion denkbar, in der Hunderttausende von Ausländern trotz geringem Sold tapfer auf vier Kontinenten für ihr Ersatzvaterland gekämpft hätten.1

Die Fremdenlegion paradiert am 14. Juli 2012 auf den Champs-Élysées. Bildnachweis: DreamSlamStudio / shutterstock

Die Fremdenlegion beteiligte sich unter anderem an der Eroberung Algeriens im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Sie kämpfte in den 1860er Jahren in Mexiko und leistete einen wichtigen Beitrag zur Unterwerfung Marokkos im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Sie nahm an den Schlachten an der Westfront im Ersten Weltkrieg und an den militärischen Operationen in Europa, Afrika und im Nahen Osten im Zweiten Weltkrieg teil. Die Fremdenlegion kam in den Dekolonisationskriegen Frankreichs nach 1945 in Vietnam und Algerien prominent zum Einsatz. 1991 schickte sie mehrere Regimenter in den Golfkrieg gegen den Irak. Von 2002 bis 2012 operierten ihre Soldaten in Afghanistan. Seit 2013 kämpfen sie in der Sahel-Zone gegen den westafrikanischen Arm von Al-Qaida. Allerdings stellten die fast 700 000 Soldaten, die seit 1831 in der Fremdenlegion gedient haben, stets nur eine Minderheit der französischen Truppen in allen militärischen Konflikten des Landes.

Trotzdem ist die Fremdenlegion, die heutzutage rund 9000 Soldaten zählt, seit Beginn des 20. Jahrhunderts international eine der bekanntesten militärischen Formationen, in Frankreich eher verherrlicht, im deutschsprachigen Raum eher verabscheut. Zum berühmt-berüchtigten und mythenträchtigen Ruf der Fremdenlegion haben vornehmlich drei Gründe beigetragen. Erstens können Männer in ihr in einem gewissen Maße für die Dauer des Dienstes unerkannt und gegen die Außenwelt abgeschirmt abtauchen. Das Personal der Fremdenlegion beflügelt daher seit mehr als einem Jahrhundert grenzübergreifend die Fantasie. Je nach Standpunkt hat man die Legionäre für verwegen, geheimnisvoll, selbstlos, entwurzelt, gescheitert, unberechenbar, verräterisch, brutal oder kriminell angesehen. Zweitens galt der Kriegsdienst unter fremder Fahne im 19. und 20. Jahrhundert angesichts der in Europa dominierenden nationalen Heere aus Wehrpflichtigen als nicht mehr zeitgemäß. Die Fremdenlegion als Söldnertruppe von Ausländern erschien noch in den 1980er Jahren wie ein kurioses, moralisch fragwürdiges Überbleibsel aus einer eigentlich überwundenen Epoche der Militärgeschichte.2 Drittens setzten sich ihre Mannschaften und Unteroffiziere bis in die 1960er Jahre ausschließlich aus Europäern zusammen, sodass die Institution stets mit einem besonderen Interesse in Frankreichs Nachbarländern rechnen konnte, welche die Legionäre für scheinbar exotische Kriegsschauplätze lieferten. Für die viel zahlreicheren französischen Kolonialtruppen, die sich entweder aus Franzosen oder aus den Bewohnern der Kolonien in Afrika und Asien rekrutierten, interessierte sich hingegen niemand.

Die Fokussierung auf die „weiße“ Fremdenlegion während der Eroberung eines umfangreichen französischen Kolonialreiches zwischen 1880 und 1934 und dessen letztlich vergeblicher Verteidigung nach 1945 gegen die Befreiungsbewegungen der Afrikaner und Asiaten führte hierzulande zu dem falschen Eindruck, Frankreich habe seine überseeischen Kriege vor allem mit Ausländern und dabei insbesondere mit Deutschen geführt. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges, auf dem Höhepunkt der kolonialen Rivalität zwischen den europäischen Großmächten, gab es eine regelrechte Legionshysterie in Deutschland. Sie schlug sich in einer Flut von gegen die Institution gerichteten Broschüren, Büchern, Zeitungsartikeln, öffentlichen Vorträgen, Parlamentsanfragen und Theaterstücken nieder. Auch in der Zwischenkriegszeit und in den beiden Jahrzehnten nach 1945 hat die Fremdenlegion die deutsche (wie auch die Schweizer) Öffentlichkeit wegen der vermeintlich hohen Zahl von oftmals minderjährigen Landsleuten in der Söldnertruppe immer wieder beschäftigt und Neugier wie Ängste geschürt.3

Ungeachtet aller Übertreibungen und Verzerrungen bei der Behandlung des Themas Fremdenlegion in der hiesigen Öffentlichkeit ist die Tatsache, dass zwischen 1945 und 1962 etwa 50 000 Deutsche in ihren Reihen erst im Indochina- und dann im Algerienkrieg kämpften, einige Tausend von ihnen fielen und sie ihrerseits Zehntausende von Asiaten und Nordafrikanern töteten, mehr als eine zeitgeschichtliche Fußnote. Die Erinnerung an diesen blutigen Aspekt der deutschen (und in geringerem Maße der Schweizer und österreichischen) Nachkriegsgeschichte ist im letzten Vierteljahrhundert durch zahlreiche Memoiren von Legionsveteranen wieder geweckt worden. Die Männer, die in ihrer großen Mehrheit den Jahrgängen zwischen 1925 und 1945 angehören, wollten an ihrem Lebensabend über ihre Erlebnisse in den „schmutzigen“ Dekolonisationskriegen Frankreichs Rechenschaft ablegen. Außerdem hat das historische Phänomen in unserer Sprache überlebt: Die Medien bezeichnen noch gelegentlich deutsche Spieler in ausländischen Fußballvereinen als Fremdenlegionäre.

Abgesehen von dieser zeitgeschichtlichen und semantischen Dimension ist die Beschäftigung mit der Fremdenlegion seit dem Ende des Kalten Krieges aktueller denn je. Als Ausländertruppe von Berufssoldaten erscheint sie nicht mehr wie ein Anachronismus, sondern eher wie eine zeitgemäße Antwort auf die personellen Probleme westlicher Streitkräfte. Andere wichtige NATO-Staaten greifen inzwischen ebenso auf ausländische Soldaten für die überseeischen „neuen“, „asymmetrischen“ Kriege der Gegenwart zurück,4 weil es für diese Einsätze an geeigneten eigenen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen fehlt. Außerdem scheinen Fremdenlegionäre im 21. Jahrhundert als vornehmlich materialistisch motivierte Individualisten ohne Ideale angesichts des (Werte-)Wandels westlicher Gesellschaften besser zum beruflichen Selbstverständnis des Militärs zu passen als in den vorangegangenen zwei Jahrhunderten, in denen in Europa das Ideal des pflichtbewussten und patriotischen Bürgersoldaten dominierte.

Die Fremdenlegion blickt auf eine lange, außergewöhnliche Geschichte zurück und hat in deren Verlauf ein eigenwilliges, stolz nach außen getragenes Traditionsbewusstsein und eine Expertise im Umgang mit ausländischen Soldaten entwickelt. Sie erscheint wie ein abgeschlossener militärischer Mikrokosmos mit einem Hauptquartier, eigenen Rekrutierungsbüros und Ausbildungskompanien für Mannschaften und Unteroffiziere, einem Alters- und Ferienheim und einem weltweiten Netz von Veteranenvereinigungen. Daher verfügt sie (beziehungsweise Frankreich) einerseits über ein Alleinstellungsmerkmal und einen gewissen Wettbewerbsvorteil auf dem zunehmend globalisierten militärischen Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts. Andererseits zeigt eine gründliche Beschäftigung mit der durchaus krisenreichen Geschichte der Fremdenlegion, dass sie für Frankreich immer wieder erhebliche Probleme militärischer wie politischer Art aufgeworfen hat. Der nüchterne Blick des Historikers auf die Vergangenheit der Formation offenbart somit deutlich die Grenzen dieses militärischen Modells. Er kann helfen, der Versuchung zu widerstehen, aus dem Phänomen Fremdenlegion voreilige Schlüsse für die gegenwärtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen des Westens zu ziehen.

Wegen der Besonderheiten der Fremdenlegion, ihrer grenzüberschreitenden Berühmtheit und ihrer bald 200-jährigen Existenz herrscht vor allem in Frankeich, Großbritannien und den USA kein Mangel an Darstellungen zu ihrer Geschichte. Sie tendieren zu einer Verherrlichung der Institution wie auch der französischen Militär- und Kolonialgeschichte insgesamt. Das liegt daran, dass diese Bücher häufig von ehemaligen Soldaten der Legion beziehungsweise ihr nahestehenden Autoren mit militärischen Neigungen oder Erfahrungen stammen. Sie bieten dem Leser in der Regel eine Abfolge heroisierender Schilderungen der Feldzüge und Gefechte der Söldnertruppe. Dabei stehen zumeist deren französische Offiziere und nicht die stets als treu und aufopferungsbereit geschilderten ausländischen Mannschaften und Unteroffiziere im Vordergrund.5 Eine zweite Kategorie von Büchern, die sich insbesondere im deutschen Sprachraum findet, stellt die Formation ebenso eindimensional als menschenverachtende, auf Zwang basierende und mit unlauteren Methoden rekrutierende Institution dar. In dieser bis 1945 zumeist antifranzösischen, nach 1945 eher antikolonial oder antimilitaristisch motivierten Literatur dominieren vermeintlich sadistische Vorgesetzte, unter denen die Fremdenlegionäre leiden mussten und die Gewaltexzesse gegenüber der außereuropäischen Zivilbevölkerung duldeten oder anordneten. Dieses Genre ist außerdem gespickt mit der Beschreibung von Fluchtversuchen der Soldaten aus der vermeintlichen „Hölle“ der Fremdenlegion. Weder Verklärung noch Verdammung tragen jedoch zum tieferen historischen Verständnis des Phänomens bei.

Die meisten Darstellungen zur Fremdenlegion verzichten darauf, die Formation und ihre Soldaten in die größeren Zusammenhänge der französischen wie europäischen Politik-, Militär- und Kolonialgeschichte einzuordnen, so als hätte die Institution gleichsam losgelöst von diesen existiert und operiert. Die Geschichtsschreibung zur Fremdenlegion ist bislang meistens als eine Art Nabelschau betrieben worden.6 Ein geweiteter Blick hingegen offenbart, inwiefern die Formation überhaupt als Besonderheit im Vergleich zu anderen französischen wie europäischen (Kolonial-)Truppen anzusehen ist, über wie viel Freiraum sie innerhalb der französischen Armee verfügte oder ob sie in den Kolonien gewalttätiger vorging als andere Einheiten. Erst ein Blick über die Grenzen Frankreichs erklärt, warum sie im Verlauf des 20. Jahrhunderts internationale Berühmtheit erlangte, die wiederum auf Frankreich und die Legion zurückwirkte und nicht zuletzt das Überleben und Gedeihen der Institution mit sicherte. Außerdem bildet die Geschichte der Fremdenlegion, einer Fieberkurve gleichend, die politischen Umwälzungen und wirtschaftlichen Konjunkturen Europas im 19. und 20. Jahrhundert ab. Erst wenn man diese in der Darstellung berücksichtigt, wird deutlich, in welchem Ausmaß, aus welchen Motiven und für wie lange sich Männer bestimmter Nationalitäten, Sozial- oder Altersgruppen in gewissen historischen Situationen für die Fremdenlegion verpflichteten.

Nur eine auf einem breiten Fundament verschiedener Quellen basierende und sich nicht in der Nacherzählung militärischer Operationen erschöpfende Darstellung erklärt, warum Frankreich bis heute trotz gelegentlicher starker Zweifel an der Fremdenlegion festgehalten hat. Ein solcher Zugriff zeigt den Beitrag der Fremdenlegion zu den Kriegen Frankreichs im Vergleich zu dessen anderen Heeresformationen, und er seziert die militärischen Stärken und Schwächen der Söldnertruppe in den jeweiligen Einsätzen. Die historische Analyse legt die Mechanismen und Traditionen offen, welche die Fremdenlegion in den letzten zwei Jahrhunderten herausgebildet hat, um bestimmte Kategorien von Männern in Kriegs- wie Friedenszeiten anzulocken, langfristig an sich zu binden und zu mehr oder weniger effektiven Soldaten im Dienste Frankreichs zu formen. Sie zeigt ebenso, warum diese Methoden in manchen Situationen versagten und die Legionäre folglich ihre Verträge nicht erneuerten oder sogar vorher in großer Zahl desertierten. Eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte der Fremdenlegion offenbart schließlich, dass entgegen ihren heutigen Bekundungen, sie sei eine multinationale Truppe, die jedem Bewerber vorurteilsfrei begegne, die Ausgrenzung bestimmter Ethnien und Religionsgruppen die Personalpolitik der Söldnertruppe während eines Großteils ihrer Existenz bestimmt hat und bis in die Gegenwart Schatten auf die Institution wirft.

1. Unsichere Anfänge: Die Gründungsjahrzehnte der Fremdenlegion und die Ausprägung ihrer Eigenarten (1831–1871)

Das Jahr 1830

Am 29. April 1827 schlug Hussein, der Dey von Algier, den französischen Konsul Pierre Deval mit einem Fliegenwedel. Der Dey war der Statthalter an der algerischen Küste für den Sultan in Konstantinopel. Doch faktisch regierte Hussein weitgehend unabhängig die schwer befestigte Hafenstadt und deren Umland. Zu der Handgreiflichkeit kam es, weil sich der Konsul nach Auffassung Husseins anlässlich der Audienz respektlos verhalten hatte. Bei der hitzigen Unterredung war es wieder einmal um unbezahlte Rechnungen Frankreichs für drei Jahrzehnte zurückliegende algerische Getreidelieferungen an die Armee Napoleons gegangen. Die französische Regierung verlangte vom Dey eine Entschuldigung für die Demütigung ihres Vertreters. Als Hussein die Abbitte verweigerte, blockierte die französische Marine über zwei Jahre Algier, ohne den Dey hinter seinen Festungsmauern zum Einlenken bewegen zu können. Mitte Juni 1830 landete schließlich ein französisches Expeditionskorps von 35 000 Soldaten in der Nähe Algiers und stürmte die Stadt am 5. Juli. Die französischen Truppen blieben dauerhaft in Algier und den ebenfalls eingenommenen Küstenstädten Bône und Oran. Sie sollten die militärischen Brückenköpfe bilden, von denen aus Frankreich in den nächsten Jahrzehnten ein ausgedehntes Kolonialreich in Nordafrika eroberte.

Den Angriff auf Algier ordnete die französische Regierung vor allem aus innenpolitischen Erwägungen an. König Karl X., der seit 1824 regierte, lehnte die politischen Kompromisse ab, welche sein Bruder und Vorgänger auf dem Thron, Ludwig XVIII., nach der Entmachtung Napoleons hatte akzeptieren müssen, damit die Familie der Bourbonen ab 1814/15 wieder in Frankreich regieren konnte. Zwar ersetzte die tradierte weiße Lilienflagge die Trikolore der Revolution und die Bourbonen trugen erneut ihren früheren Titel „König von Frankreich“, der suggerierte, dass ihnen Land und Leute kraft göttlicher Gnade gehörten. Flagge wie Titel unterstrichen, dass die Dynastie und ihre konservative Gefolgschaft politisch an die Zeit vor 1789 anknüpfen wollten. Doch zu einer vollständigen Restauration der monarchischen Herrlichkeit des Ancien Régime kam es in Frankreich nicht. Die Könige mussten seit 1814 mit einer Verfassung leben. Sie garantierte unter anderem die Gleichheit der Franzosen vor dem Gesetz, verbürgte die Pressefreiheit und verlangte vom Herrscher ein Arrangement mit einem von den wohlhabenden Schichten gewählten Parlament. Die Versuche des im August 1829 vom König ernannten erzreaktionären Kabinetts unter Jules de Polignac, die Verfassung von 1814 schrittweise auszuhöhlen und die adeligen Privilegien wiederherzustellen, trafen auf den entschlossenen Widerstand des liberalen Bürgertums, das die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer stellte. Im Mai 1830 löste Karl X. das unbotmäßige Parlament auf. Doch aus den Neuwahlen Ende Juni/ Anfang Juli gingen die Gegner der königlichen Allmachtsfantasien deutlich gestärkt hervor. Eine Serie von Missernten seit 1827 hatte zudem die Lebensbedingungen für die Masse der Bevölkerung wesentlich verschärft. Sie machte die Regierung für ihre Misere verantwortlich. Die angeschlagene Monarchie hoffte, durch eine kühne militärische Aktion gegen Algier innenpolitisch punkten zu können. Bestärkt durch die Kunde von der erfolgreichen Einnahme Algiers, die am 9. Juli in Paris eintraf, verfügte der König am 25. Juli die Einführung der Pressezensur, die Auflösung der gerade konstituierten Abgeordnetenkammer sowie die Begrenzung des Wahlrechts auf einen noch kleineren, als ultraroyalistisch angesehenen Kreis von Franzosen. Gegen diese Verordnungen ging in Paris das Volk auf die Barrikaden. Nach Straßenkämpfen vom 27. bis 29. Juli mit etwa 1000 Toten musste sich das Regime geschlagen geben, zumal immer mehr Soldaten zum Volk überliefen. Im Gegensatz zu Napoleon waren die Bourbonen beim Großteil des Militärs nie wirklich populär gewesen. Karl X. wich dem liberalen Louis-Philippe aus einer Seitenlinie der Bourbonen. Der neue „König der Franzosen“ schwor einen Eid auf die noch im August 1830 überarbeitete Verfassung. Sie erweiterte unter anderem den Kreis der Wahlberechtigten und führte die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament ein. Als Konzession an das Erbe von 1789 erkor man erneut die Trikolore zur Flagge Frankreichs.

In der revidierten Verfassung vom August 1830 gab es unter anderem eine neue Klausel, welche fortan verbot, Einheiten aus ausländischen Soldaten für die französische Armee aufzustellen, es sei denn auf Basis eines vom Parlament abgesegneten gesonderten Gesetzes. Diese Bestimmung trug der Tatsache Rechnung, dass das soeben abgesetzte Regime nach dem Sturz Napoleons auch auf militärischem Gebiet versucht hatte, an die Zeit vor 1789 anzuknüpfen. Seit König Ludwig XIV. (1638-1715) hatten in größerem Umfang irische, schottische, wallonische, italienische, deutsche, vor allem aber Schweizer Regimenter der französischen Monarchie gedient. Dem Kriegs- und Außenminister Étienne-François Choiseul aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird das Bonmot zugeschrieben, ein ausländischer Soldat sei so viel wert wie drei Männer: einer mehr für Frankreich, einer weniger für seine potenziellen Feinde und ein Landsmann, den man für produktivere Tätigkeiten als das Kriegshandwerk freistellen könnte. Mindestens ebenso wichtig wie die personellen Erwägungen waren Prestigegründe. Der Dienst ausländischer Regimenter für die französische Monarchie unterstrich ihren Glanz als vermeintliches machtpolitisches wie zivilisatorisches Zentrum Europas. Die Staaten, welche auf Basis von Verträgen, Kapitulationen genannt, gegen Geld das Personal für die Einheiten stellten, gerieten zudem in finanzielle und außenpolitische Abhängigkeit von Frankreich. 1789 machten die Ausländerregimenter mit 30 000 Soldaten ein Fünftel der Heeresstärke aus. Insbesondere die Schweizerregimenter galten traditionell als kriegstüchtig und als der Monarchie besonders treu ergeben. Dies zeigte sich, als am 10. August 1792 Schweizer Soldaten der königlichen Garde das Tuilerien-Schloss in Paris hartnäckig gegen das anstürmende Volk verteidigten, während alle französischen Einheiten im Pariser Raum bereits von König Ludwig XVI. abgefallen waren. Als Folge des Kampfes um die Tuilerien schaffte die Nationalversammlung, das höchste Organ der Revolution, im August 1792 die Schweizergarde ab. Alle anderen ausländischen Einheiten hatte sie bereits 1791 aufgelöst.

Die Loyalität der Ausländerregimenter gegenüber der Dynastie der Bourbonen und die gleichzeitige Isolation vom Rest der Armee und der Gesellschaft resultierten zum einen daher, dass sie besser besoldet wurden als die französischen Einheiten. Außerdem verfügten sie über weitgehende innere Autonomie, etwa bei der Auswahl der Mannschaften und Offiziere, bei Beförderungen und in Fragen der Disziplin. In diesen Regimentern wurde nicht etwa Französisch gesprochen, sondern wegen der homogenen nationalen Zusammensetzung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften die jeweilige Sprache des Landes, aus dem die Soldaten stammten. Die Privilegien der Regimenter vereinbarte Frankreich mit den Herkunftsländern der Soldaten in den Kapitulationen. Vertragspartner waren zum Beispiel die eidgenössischen Kantone oder die Kleinstaaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. So konnte in den Kapitulationen festgelegt sein, dass die Truppen nicht in Übersee oder gegen bestimmte Gegner in Europa eingesetzt werden durften, bei denen es zu Loyalitätskonflikten für die Soldaten kommen konnte.

Die Tradition der Ausländereinheiten des Ancien Régime griffen die Bourbonen 1816 wieder auf. Sie schlossen neue Kapitulationen mit den Kantonen für sechs Schweizerregimenter ab, von denen zwei zur königlichen Garde im Raum Paris gehörten. 12 500 Schweizer, etwa 5 Prozent der französischen Heeresstärke, dienten 1830 den Bourbonen. Die Regimenter waren ob ihrer erneuten Bevorzugung und weil sie die Volksferne der aus dem Exil zurückgekehrten Dynastie zu symbolisieren schienen, in der übrigen Armee wie auch in der französischen Zivilbevölkerung ebenso unpopulär wie vor 1789. Weil die beiden Schweizer Garderegimenter bei den Pariser Straßenkämpfen im Juli 1830 gegen die Revolutionäre zum Einsatz kamen, verstärkte sich in der französischen Öffentlichkeit noch die Abneigung gegen die privilegierten Fremdtruppen als Inbegriff despotischer, von der Nation entfremdeter Herrschaft. Wollte der neue „Bürgerkönig“ Louis-Philippe in den Augen der Franzosen tatsächlich glaubwürdiger und volksnäher erscheinen als die vorherigen Throninhaber, so musste die Regierung die Schweizerregimenter auflösen, was auch umgehend im August 1830 geschah. Die revidierte Verfassung erhielt zudem eine Klausel, welche die Neugründung ausländischer Einheiten unter einen Parlamentsvorbehalt stellte.1

Die Gründung der Fremdenlegion und ihre Statuten

Im Januar 1831 wandte sich der französische Innenminister an seinen Amtskollegen im Kriegsministerium. Das Innenministerium könne alsbald nicht mehr für den Unterhalt der in Frankreich lebenden politischen Flüchtlinge aufkommen. Es schlug deshalb vor, den Exilanten den Eintritt in das Regiment Hohenlohe zu ermöglichen. Das vom Innenministerium ins Spiel gebrachte Regiment war eine nach dem Sturz Napoleons gegründete Einheit, die als Auffangbecken für all jene ausländischen Soldaten fungierte, die dem Kaiser gedient hatten, aber ungeachtet des Regimewechsels von 1814/15 weiter im französischen Heer bleiben wollten. Doch das Regiment Hohenlohe nahm entsprechend der neuen Verfassung inzwischen keine Ausländer mehr auf. Es war vielmehr als 21. Leichtes Infanterieregiment eine normale Einheit des Heeres und seine Soldaten größtenteils französische Staatsbürger geworden. Jene, die es nicht werden wollten oder die als eines französischen Passes nicht würdig galten, hatte die Armee bereits entlassen.

Seit der Revolution von 1789 sah sich Frankreich als Hort der Freiheit und damit als Zuflucht aller politisch Unterdrückten Europas. Dieses Selbstverständnis stellte auch die konservative Bourbonendynastie nach 1815 nicht grundsätzlich infrage. Etwa 10 000 Spanier, Italiener und Portugiesen lebten seit den frühen 1820er Jahren im politischen Exil in Frankreich. Sie bezogen, sofern sie sich in einem der speziellen Flüchtlingsdepots registrierten, vom französischen Staat eine bescheidene finanzielle Unterstützung. Erschwerend für den französischen Staat – und damit für das Budget des Innenministeriums – wirkte sich seit Sommer 1830 die Tatsache aus, dass die Juli-Revolution in anderen Teilen Europas Unruhen ausgelöst hatte: im Deutschen Bund, einigen italienischen Staaten, der Schweiz, den Niederlanden (zu denen damals auch Belgien gehörte) und im russisch besetzten Teil Polens. Allerdings kam es außer in Belgien, das sich erfolgreich von den Niederlanden trennte, in keinem dieser Staaten zum Regimewechsel. Stattdessen stieg infolge des weitgehenden Sieges der Kräfte der Beharrung die Zahl der ausländischen Revolutionsflüchtlinge in Frankreich wesentlich an.2

Das Innenministerium beabsichtigte mit seiner Initiative vom Januar 1831 nicht nur, die finanziellen Bürden der Flüchtlingsunterstützung auf das Kriegsministerium abzuwälzen. Es wollte ebenso die als politisch gefährlich angesehenen Ausländer loswerden, die womöglich mit dem Ergebnis der Juli-Revolution unzufrieden waren. Aus ihr war nur ein moderates Bürgerkönigtum hervorgegangen, das keine Anstalten machte, die Revolution in Frankreichs Nachbarländer zu exportieren und damit die 1814/15 geschaffene europäische Ordnung infrage zu stellen. Die französische Republik dagegen hatte 1792/93 neben ihren eigenen Truppen auch Emigranten aus Holland, Deutschland, Belgien und Italien in gesonderten „Legionen“ zu diesem Zweck mobilisiert.

Die Regierung ging 1831 umgehend daran, eine neue militärische Formation für Ausländer zu konzipieren. Sie brachte im Februar eine entsprechende Gesetzesvorlage in das Parlament ein. Der Entwurf verwies einerseits auf Frankreichs Tradition als Asylland, andererseits aber auf die angewachsenen Kosten für den Unterhalt politischer Flüchtlinge. Mit dem Vorschlag einer neuen Ausländertruppe sollte ebenso für die arbeitslos gewordenen ehemaligen Angehörigen des Regimentes Hohenlohe und die Soldaten der vormaligen Schweizerregimenter ein Auffangbecken geschaffen werden, zumal sich demobilisierte Schweizer bereits der ultraroyalistischen Opposition angeschlossen hatten. Das Parlament kam überein, dass die geplante militärische Formation nicht im französischen Mutterland eingesetzt werden dürfe, es sei denn, dieses wäre direkt von außen bedroht. Das Kriegsministerium gab daraufhin Anfang März bekannt, dass die neue Truppe für Algerien gedacht sei. Am 8. März 1831 nahmen die beiden Kammern des Parlamentes das „Gesetz betreffend der Aufstellung einer Legion von Fremden in Frankreich“ mit großer Mehrheit an, das der König am nächsten Tag unterzeichnete. Es bestimmte, wie vom Parlament gewünscht, dass die neue Truppe zwar in Frankreich aufgestellt, aber nur außerhalb des Mutterlandes eingesetzt werden durfte. Diese Regelung war im Kontext des Jahres 1831 notwendig, weil man zum einen die ausländischen politischen Flüchtlinge als potenzielle Unruhestifter schnell und effektiv aus Frankreich entfernen wollte. Zum anderen sollte durch die Bestimmung der Formation für Auslandseinsätze sichergestellt werden, dass nicht wieder im Mutterland eine dem König treu ergebene Prätorianergarde entstand wie zuvor die Schweizerregimenter, die 1792 und 1830 in Paris gegen das Volk eingesetzt worden waren.3

Eine königliche Verordnung vom 10. März und eine weitere Instruktion des Kriegsministers vom 18. März machten detailliertere Vorgaben hinsichtlich der neuen Formation.4 Sie erhielt den Namen „Légion étrangère“ (Fremdenlegion). Er knüpfte an die „Légion royale étrangère“ an. So hatte das spätere Regiment Hohenlohe zunächst nach dem Sturz Napoleons geheißen, bevor es 1821 den Namen seines neu ernannten deutschen Kommandeurs erhielt, Ludwig Aloysius Fürst von Hohenlohe. Die Gliederung der Bataillone der Fremdenlegion, ihre Uniform sowie der Sold ihrer Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere richteten sich nach den Bestimmungen für die französische Linieninfanterie. Erkennen konnte man die Legionäre anfangs nur daran, dass die Metallknöpfe ihrer Uniformen die Prägung „Légion étrangère“ aufwiesen. Es ist das einzige bis heute durchgängig genutzte äußere Distinktionsmerkmal der Formation.5 Dass die Fremdenlegion eine Fußtruppe werden sollte, entsprach den Traditionen vor 1789 respektive vor 1830, als die meisten Ausländereinheiten ebenfalls Infanterieregimenter gewesen waren. Zudem wäre die Aufstellung einer Kavallerieeinheit den Steuerzahler wesentlich teurer gekommen und hätte körperlich geeignetere und geschicktere Rekruten erfordert, die bereits im Umgang mit Pferden erfahren waren. Die Bestimmung hinsichtlich des Soldes erschien auf den ersten Blick überraschend. Ausländische Söldnertruppen waren nicht nur in Frankreich traditionell eher gut bezahlte militärische Spezialisten gewesen, die über Waffensysteme oder Fertigkeiten verfügten, welche es im eigenen Land in der Regel nicht in ausreichendem Maße gab, oder die durch eine überdurchschnittliche Besoldung besonders an den Arbeitgeber gebunden werden sollten.6 Hier aber schuf man eine Einheit, bei der sich die Bezahlung der Mannschaften am mageren Sold der französischen Wehrpflichtigen orientierte. Sie bot also einen geringen finanziellen Anreiz für militärische Profis aus dem Ausland, zumal im Gegensatz zu dieser Neugründung andere europäische Söldnerformationen traditionell ein Handgeld auszahlten, sobald ein Mann seine Verpflichtung unterzeichnete. Weil die Regierung jedoch 1831 das französische Staatsbudget von den Unterhaltszahlungen für die Flüchtlinge entlasten wollte, wäre es widersprüchlich gewesen, den Haushalt an anderer Stelle durch finanzielle Großzügigkeit für die zu Soldaten mutierten Exilanten zu belasten. Außerdem sollte 1831 jeder Eindruck vermieden werden, dass die neue Formation an die frühere, unpopuläre Bevorzugung der Schweizerregimenter anknüpfte, in denen Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere mehr Geld verdient hatten als ihre Kameraden in den französischen Einheiten. Die geringe, an den Sold der Wehrpflichtigen angelehnte Bezahlung blieb bis in die 1960er Jahre für die Mannschaften der Legion kennzeichnend.

Die Bataillone und Kompanien der Fremdenlegion sollten sich, soweit möglich, aus Männern der gleichen Nationalität und Sprache zusammensetzen. Hier stand das Modell der früheren Ausländerregimenter Pate, die ebenfalls national und sprachlich im Wesentlichen homogen gewesen waren. Allein schon aus Gründen der effektiven Kommunikation zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften schien dies geboten. Ferner durften nur Freiwillige angenommen werden, die eine Verpflichtungserklärung für drei oder fünf Jahre unterschrieben. Im Vergleich zur Dienstzeit der französischen Wehrpflichtigen, die seit 1824 für acht, ab 1832 für sieben Jahre eingezogen wurden, war sie in der Fremdenlegion also relativ kurz bemessen.7 Doch eine lange Erstverpflichtungszeit hätte zu viele Flüchtlinge vom Engagement abgeschreckt. Außerdem hätte eine längere Dienstzeit den französischen Staat rechtlich und finanziell zu sehr gebunden. Die neue Formation war ursprünglich nur als kurzzeitige Verlegenheitslösung gedacht. Die Freiwilligen mussten zwischen 18 und 40 Jahre alt sein. Die im Vergleich zur regulären Armee weiter gefassten Altersgrenzen für die Fremdenlegion wie auch die damals vergleichsweise kurze Mindestdienstzeit von drei Jahren unterstrichen, dass es nicht in erster Linie darum ging, eine militärisch effiziente Truppe aufzustellen. Stattdessen sollten möglichst viele Ausländer in die neue Formation gelockt werden, um sie auf diese Weise schnell aus dem Land expedieren zu können.

Die Freiwilligen sollten laut Verordnung vom 10. März eine Geburtsurkunde und ein Führungszeugnis vorlegen. Konnten sie diese Dokumente nicht beibringen, musste der Kommandant jenes Garnisonsortes, in dem sich die Kandidaten für den Eintritt in die Fremdenlegion präsentierten, entscheiden, ob er den Mann trotzdem annahm. Die flexible Regelung berücksichtigte die Tatsache, dass viele der in Frankreich aufgenommenen politischen Flüchtlinge keine Personalpapiere aus ihren Heimatländern besaßen. Sie war ursprünglich nur für Ausnahmefälle gedacht. Dies verdeutlichte die Instruktion vom 18. März, die verfügte, dass Schweizer, Franzosen und Verheiratete nicht in die Fremdenlegion aufgenommen werden dürften. Die Durchführung dieser Bestimmung hätte die Überprüfung von entsprechenden Urkunden erfordert, um derartige Kandidaten auszuschließen. De facto erfolgte schon ab 1831 die Einstellung auf Basis der mündlichen Angaben der Freiwilligen.

Die großzügig gehandhabte Einstellung ohne Papiere, gegebenenfalls auch unter einer falschen Identität, und ohne Auskunft über die Motive der Verpflichtung geben zu müssen, machte die Legion im 19. Jahrhundert und darüber hinaus für Gescheiterte, Verzweifelte, Flüchtlinge, politisch Verfolgte und Kriminelle attraktiv. Dieses Verfahren führte der Legion Menschen zu, deren letzte Rettung die Söldnertruppe schien. Sie identifizierten sich daher umso stärker mit ihr. Viele Legionäre, die im Zivilleben gescheitert oder in Konflikt mit den (Militär-)Behörden ihres Heimatlandes geraten waren, erwiesen sich durchaus als brauchbare, teilweise todesmutige Soldaten, sobald sie in dieser französischen Institution im Gegensatz zu ihren Herkunftsländern eine nicht von Vorurteilen und vom Vorleben getrübte Chance zur Bewährung erhielten. Bei den Franzosen handelte es sich oft um Soldaten, die in der regulären Armee disziplinarisch aufgefallen und daher vorzeitig unehrenhaft entlassen worden waren. Durch eine Verpflichtung unter einer anderen Identität in der Fremdenlegion konnten sie, sofern sie hier nicht wieder Probleme bereiteten, 15 Dienstjahre zusammenbekommen, die notwendig waren, um eine Pension vom Staat zu beziehen. Dazu mussten sie am Ende ihrer Legionskarriere ihre wahre Identität enthüllen, um die Dienstzeit in dieser Truppe zu jener in der regulären Armee addieren zu können.

Die „Identité declarée“ ermöglichte der Legion, Franzosen oder andere offiziell unerwünschte Nationalitäten (wie etwa 1831 die Schweizer) dennoch einzustellen. In der Regel wusste man seitens der Führung sehr wohl, wer in den Reihen der Fremdenlegion diente. Die meisten Legionäre machten, wenn sie einmal angenommen worden waren, gegenüber Kameraden wie Vorgesetzten wenig Hehl aus ihrer wahren Herkunft. Zudem ist es schwer, über mehrere Jahre tagtäglich in engstem Kontakt mit anderen Männern und in zum Teil extremen Situationen vorzugeben, jemand anderes zu sein.

Seit 1997 weist die Legion jedem Rekruten eine falsche Identität zu, wobei die Initialen von Vor- und Familienname bleiben. So wurde aus dem 1999 rekrutierten US-Amerikaner Jaime Salazar der Legionär Juan Sanchez. Außerdem änderte die Legion seinen Geburtsort und das Geburtsdatum. Bei Franzosen wird zusätzlich die Nationalität mit der eines anderen frankophonen Landes vertauscht. Mit dieser Praxis will die Fremdenlegion unterstreichen, dass der Eintritt in die Truppe einen gänzlich neuen Lebensabschnitt darstellt, in dem sich der Freiwillige von seiner Herkunft ablöst und gleichsam Mitglied einer neuen Familie Gleichgesinnter wird. Nach einem Jahr des Dienstes können die Männer auf Antrag wieder ihre wahre Identität annehmen, was die meisten umgehend tun. Vor 1997 ist es stets die Entscheidung des Freiwilligen gewesen, ob er sich unter einer falschen Identität verpflichtete. Die große Mehrheit der Legionäre hat bis 1997 von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.8

Verpflichtungserklärung des aus Essen stammenden Alexander Caspar, der im Januar 1958 im Alter von 29 Jahren als Etienne Castor aus Dortmund in die Legion eintrat. Er fiel im November 1959 in Algerien. Bildnachweis: Alexander Caspar, Zürich

Ob die Legionäre unter einer Identité declarée dienten oder unter ihrem wahren Namen, sie blieben, sofern sie es wünschten, vor Nachfragen von außen geschützt. Um 1900 war der Grundsatz des „Anonymats“, also des unerkannten Dienstes in der Fremdenlegion, in seiner bis heute gültigen Form weitgehend ausgeprägt. Das Anonymat verpflichtet die Institution ebenso zur Verschwiegenheit, wenn es um ihre Angehörigen geht, wie Ärzte und Rechtsanwälte hinsichtlich ihrer Patienten und Mandanten. Das Anonymat schirmt den Legionär allerdings lediglich während des Dienstes gegen Nachforschungen ab, also etwa bei Auslandseinsätzen oder wenn er sich auf dem Gelände einer Legionskaserne befindet. Der Legionär erhielt respektive erhält außer seinem militärischen Dienstausweis, der ihn zum Aufenthalt in Frankreich beziehungsweise seinen Überseebesitzungen berechtigt, keine Personalpapiere mit der neuen Identität. Damit ist die Identité declarée nicht rechtlich verbindlich, wenn es beispielsweise um Kaufverträge, Erbschaftsangelegenheiten, eine Heirat oder die Anerkennung von Kindern geht. Auf den heutigen Dienstausweisen der Legionäre ist in Rot aufgedruckt, dass das Papier für Rechtsgeschäfte oder Behördengänge keine Gültigkeit besitzt. Können Strafverfolgungsbehörden nachweisen, dass Monsieur X jetzt als Legionär Y mit einer bestimmten Personenkennziffer, der „matricule“, in der Truppe dient, so kann er durch Entscheidung der französischen Regierung an die in- oder ausländische Justiz ausgeliefert werden. Dabei wird eine Abwägung getroffen zwischen der Schwere des Deliktes und den bislang für die Legion geleisteten militärischen Diensten, wobei Mörder seit den 1920er Jahren auf jeden Fall übergeben werden. Anders sah und sieht es bei kleineren Vergehen aus. So verurteilte beispielsweise ein Baseler Gericht den Schweizer Kaspar Petermann im Mai 1946 wegen Straßenraubs und Hochstapelei zu drei Jahren Gefängnis. Petermann flüchtete in die Fremdenlegion, wo er sich unter einem falschen Namen verpflichtete. Als die Schweizer Regierung im Frühjahr 1947 seine Auslieferung verlangte, teilte das französische Kriegsministerium mit, dass man den Gesuchten nicht in der Legion finden könne.9

Das Anonymat ermöglicht dem Legionär gegebenenfalls eine Bewährungszeit in der Truppe. Er kann durch ein vorbildliches Verhalten als Soldat auf eine mildere Beurteilung von Verfehlungen aus der Zeit vor Eintritt in die Söldnertruppe durch die französische Justiz hoffen und sich gleichsam einen gesellschaftlichen Neuanfang erdienen. Wenn ein Mann die Legion nach Ablauf seines Vertrages verlässt, erhält er keine neuen Personalpapiere vom französischen Staat für die für die Legion gewählte Identität. Auch die seit 1889 existierende Möglichkeit für Ausländer, nach mindestens drei Jahren des unbeanstandeten Dienstes die französische Staatsbürgerschaft zu erwerben, besteht nur, wenn der Legionär zuvor seine wahre Identität mit Dokumenten belegt. Spätestens wenn die Männer die Söldnertruppe verlassen, informieren sie diese über ihre tatsächliche Identität. Denn das „Certificat de bonne conduite“, das Zeugnis über eine anstandslos absolvierte Dienstzeit, mit dem man seit dem 19. Jahrhundert gegebenenfalls eine Pension beziehen, sich in Frankreich niederlassen, die französische Staatsbürgerschaft erwerben oder eine (bescheidene) Anstellung im dortigen öffentlichen Dienst etwa als Parkwächter oder Pförtner ergattern kann, ist wertlos, wenn der darauf angegebene Name nicht mit jenem auf den anderen Personalpapieren übereinstimmt.

Der Kodifizierung des Anonymats, das sich wie viele Eigenheiten und Traditionen der Fremdenlegion erst im Verlauf von Jahrzehnten langsam herausgebildet hat, steht seit den 1920er Jahren eine immer genauere Überprüfung des Vorlebens und der Motivation der Legionskandidaten durch die Institution gegenüber. Die Hürde für die Aufnahme in die Legion ist seitdem wesentlich höher als im 19. Jahrhundert mit seiner großzügigeren Einstellungspraxis. Seit einigen Jahrzehnten muss ein Kandidat einen gültigen Pass oder als EU-Bürger zumindest einen Personalausweis vorlegen, wenn er in die Legion eintreten will. Ein spezieller Stab, die „Direction de statistiques et de la protection de la Légion étrangère“, überprüft in Zusammenarbeit mit anderen Behörden genau, ob es sich bei den Dokumenten um keine Fälschungen handelt.

Der ursprüngliche Verzicht der Fremdenlegion auf die Vorlage von Personalpapieren bei der Musterung sowie die Möglichkeit des Freiwilligen, eine andere Identität anzunehmen und in der Fremdenlegion unterzutauchen, haben wesentlich zum berühmt-berüchtigten Ruf der Fremdenlegion beigetragen. Dabei haben Männer, die etwas aus ihrem Vorleben zu verbergen hatten, eine neue Identität annahmen oder sich ihrer Umwelt durch den Dienst in der Legion entziehen wollten, unter den bislang knapp 700 000 Legionären stets eine kleine Minderheit dargestellt. Weil diese jedoch die Fantasie der Öffentlichkeit beflügelt, schlagzeilenträchtiger ist und zudem weitgehende Unkenntnis über die Subtilitäten und Grenzen des Anonymats vorherrscht, hat man die Fremdenlegion häufig pauschal zu einem Zufluchtsort von kriminellen oder zumindest dubiosen Personen stilisiert. Den Legionären werde, so das Klischee, eine zweite, unerkannte Existenz und weitgehende Immunität geboten, ähnlich einem mit den Ermittlungsbehörden kooperierenden Mafiaboss, der von einer Kronzeugenregelung mit anschließendem Zeugenschutzprogramm profitiert.

Man sieht an den Ausführungsbestimmungen vom März 1831 für die entstehende Fremdenlegion, dass sich die Militärbehörden teilweise an den Ausländerregimentern vor 1830 orientierten. Vor allem hielt man am Grundsatz national homogener Einheiten fest. Zugleich bemühte sich das Kriegsministerium, allzu starke Parallelen zwischen den aufgelösten Schweizerregimentern und der Neugründung zu vermeiden, welche die französische Öffentlichkeit und den Gesetzgeber hätten beunruhigen können. Deutlich wird Letzteres an dem allerdings von Anfang an nicht konsequent angewendeten Vorsatz, keine Schweizer in die neue Formation aufzunehmen, an der Bestimmung, ihre Soldaten nicht besser zu besolden als jene in den anderen Einheiten der französischen Armee, sowie dem Grundsatz, die Legion nur außerhalb Frankreichs zu verwenden.

Das Gesetz vom 9. März 1831 und die ergänzenden Richtlinien vom 10. und 18. März bildeten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Fremdenlegion. Sie sind zum Teil noch heute für die Institution maßgeblich. Das Verbot des Einsatzes der Fremdenlegion im Mutterland bei innenpolitischen Spannungen wurde erst seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre im Zuge der Terrorismusbekämpfung aufgeweicht, als man erstmals Legionäre zur Unterstützung von Polizei und Zoll an Flughäfen und Grenzübergängen einsetzte. In der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts patrouillierten nach den islamistisch motivierten Mordanschlägen in Paris und Nizza mit Dutzenden von Toten bewaffnete Fremdenlegionäre ebenso wie andere Soldaten des Heeres regelmäßig in den französischen Großstädten. Die Altersbegrenzung von 18 bis 40 Jahren für Rekruten gilt bis heute. Wegen der im Vergleich zu früher wesentlich höheren physischen Mindestanforderungen, die heutzutage an Freiwillige gestellt werden, ist jedoch eine Einstellung bis zum 40. Lebensjahr eher eine theoretische, der Tradition geschuldete Altersobergrenze, die in der Praxis keine Rolle mehr spielt. Das Prinzip der Freiwilligkeit besteht bis heute. Entgegen vielen Legenden ist seit 1831 niemand in die Fremdenlegion gezwungen oder unter falschen Voraussetzungen in sie gelockt worden. Allerdings stellte für viele Verzweifelte der Dienst in der Söldnertruppe nur das kleinere Übel zu einer noch unattraktiveren Lebensperspektive dar. Die Legion verlangte bis in die 1960er Jahre von potenziellen Interessenten keine Personalpapiere. Bis heute haben sie die Möglichkeit, den gesamten Dienst unter einer neuen Identität abzuleisten. Die Vertragsdauer bei der Erstverpflichtung beträgt immer noch fünf Jahre, während der Eintritt auf drei Jahre bereits 1864 abgeschafft wurde. Weiterverpflichtungen sind seit 1831 beliebig oft für ein bis fünf Jahre möglich. Schließlich werden bis heute nur Ledige angeworben beziehungsweise stuft man alle Freiwilligen bei ihrer Erstverpflichtung als unverheiratet und kinderlos ein, um Frankreich im Falle des Todes eines Legionärs Unterhaltszahlungen an dessen Ehefrau oder Kinder zu ersparen. Und bis heute dürfen Franzosen nur unter Angabe einer anderen Nationalität in die Fremdenlegion eintreten.

Das Personal der Gründungsjahre

Entsprechend der königlichen Verordnung vom 10. März, die national weitgehend homogene Bataillone für die Fremdenlegion vorsah, entstanden in Frankreich seit Frühjahr 1831 fünf Sammelpunkte für die Freiwilligen. In Bar-le-Duc und Langres wurden die ersten drei Bataillone für die Schweizer, die Deutschen und die ehemaligen Angehörigen des Regimentes Hohenlohe gebildet, in Agen sammelte sich das vierte Bataillon aus Spaniern, in Auxerre das fünfte aus Italienern, und in Chaumont entstand 1832 das sechste Bataillon für Wallonen, Flamen und Holländer. Jedes Bataillon sollte entsprechend dem Vorbild der Linieninfanterie acht Kompanien à 112 Männer umfassen. Im Sommer 1831 trafen die ersten Bataillone in Algerien ein. 1832 entstand dort noch das siebte Bataillon aus Polen, die nach der Niederschlagung ihres Aufstandes gegen die Zarenherrschaft im Herbst 1831 nach Frankreich geflohen waren. Insgesamt verpflichteten sich 1831/32 rund 5500 Männer für die Fremdenlegion.

Die relativ geringe Zahl von Polen, welche 1832 in die Fremdenlegion eintrat, zeigt, dass die neue Formation nicht unbedingt attraktiv auf ihre ursprüngliche Zielgruppe wirkte, die politischen Flüchtlinge, die von Anfang an ohnehin nur eine Minderheit der Legionäre stellten. Zahlreiche unter ihnen verpflichteten sich nur aus der Illusion heraus, die national zusammengestellten Bataillone der Fremdenlegion seien kleine Exilarmeen, welche Frankreich helfen sollten, die Revolution doch noch in die Nachbarländer zu tragen. Derartige Gerüchte hörte beispielsweise der Tübinger Student Hermann Hauber, der als Liberaler ins Visier der württembergischen Behörden geraten war und sich als eine Art Revolutionstourist seit 1831 in Frankreich aufhielt. Ebenfalls geflohene Kommilitonen berichteten ihm von einem in Aufstellung befindlichen Freikorps für deutsche Flüchtlinge, für das noch Offiziere gesucht würden. Er verpflichtete sich daher am 28. Mai 1832 für drei Jahre in Bar-le-Duc, wo unter den Freiwilligen zahlreiche Gerüchte über den Einsatzort ihres Bataillons zirkulierten. Allerdings wurde er nicht wie ursprünglich erhofft als Offizier eingestellt, sondern mangels militärischer Vorkenntnisse lediglich als einfacher Soldat.10 Als die politischen Flüchtlinge erkannten, dass die Fremdenlegion nicht für die Befreiung ihrer Heimatländer vorgesehen war, sondern in Algerien zum Einsatz kommen sollte, verflog bei vielen die Bereitschaft, Legionär zu werden.

Die Fremdenlegionäre der 1830er Jahre stellten, wie einer ihrer ersten Kommandeure, Joseph Bernelle, in seiner 1850 erschienenen Geschichte der Truppe schreibt, eine bunte Mischung dar aus politischen Flüchtlingen, ehemaligen Soldaten der 1830 aufgelösten Schweizerregimenter, Gesetzesbrechern, Tagelöhnern sowie Abenteurern, die gerade der Einsatz im exotischen Algerien reizte. Stark vertreten waren Deserteure aus anderen europäischen Armeen, die sich durch den Wechsel von einem militärischen Arbeitgeber zum nächsten ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie ließen sich von einer Streitmacht anwerben, kassierten ihr Handgeld, dienten eventuell eine gewisse Zeit, flohen dann und verkauften dabei ihre Ausrüstungsgegenstände. War das Geld aufgebraucht, unterschrieben sie beim nächsten Staat.11

Das Offizierskorps der Fremdenlegion war in den Anfangsjahren ebenfalls sehr heterogen. Unter den 200 Offizieren fanden sich Ausländer („officiers à titre étranger“) aus den Schweizerregimentern und dem Regiment Hohenlohe. Ferner gab es Männer, die sich mit ihrem in einer fremden Armee erworbenen Offizierspatent für einen Posten in der Fremdenlegion bewarben, um à titre étranger Frankreich zu dienen. Das traf zum Beispiel in den 1830er Jahren bei einigen der geflüchteten Polen zu.12 In den 1830er Jahren waren circa 30 Prozent der Offiziere der Fremdenlegion Ausländer. Ein weiterer erheblicher Teil verfügte zwar über die französische Staatsbürgerschaft, besaß jedoch einen Migrationshintergrund. So war der erste, kurzzeitige Kommandeur der Fremdenlegion, Oberst Christophe Stoffel, 1780 in Madrid als Sohn eines Schweizer Offiziers in spanischen Diensten zur Welt gekommen. Stoffel diente zunächst ebenfalls den spanischen Bourbonen. Nach der französischen Invasion 1808, die zum Sturz der Dynastie führte, trat Stoffel mit seinem Regiment in die Armee Napoleons über und blieb auch nach 1814/15 Offizier. 1817 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft.13 Außerdem versetzte Paris französische Offiziere in die Fremdenlegion, die dem in der Juli-Revolution gestürzten Regime zu nahe gestanden hatten. Es traf außerdem solche, die wegen eines schlechten Lebenswandels den Ruf ihrer Regimenter in Frankreich gefährdeten. Die Fremdenlegion wirkte anfangs aufgrund ihrer ungewissen Zukunft und ihres Charakters als Sammelbecken gescheiterter Existenzen nicht sehr attraktiv auf prestigebewusste französische Offiziere. Selten betrieben sie ihre Versetzung in die Fremdenlegion. Falls ihnen befohlen wurde, in diese zu wechseln, fassten sie es zumeist als Strafe auf.

Offiziere à titre étranger stellten nur in den Anfangsjahren ein quantitativ bedeutsames Phänomen in der Fremdenlegion dar. Je länger die Formation existierte, desto stärker wurde das Offizierskorps von Franzosen geprägt. Schon 1841 schrieb Clemens Lamping, der in die Legion eingetreten war, nachdem er seinen Dienst als Leutnant in der oldenburgischen Armee quittiert hatte, weil er auf eine kriegerischere Betätigung hoffte, als sie die Streitkräfte des Deutschen Bundes bieten konnten, in einem Brief: „Die Offiziersstellen werden größtenteils von Franzosen besetzt, die es als Mittel betrachten, in kurzer Zeit ein Avancement zu machen. Außerdem findet man einige Polen und Schweizer […] Für Ausländer ist es, wenn nicht unmöglich, doch sehr schwer, hier Offizier zu werden.“14 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat der Anteil ausländischer Offiziere in der Fremdenlegion stets unter 10 Prozent betragen. Sie werden bis heute langsamer befördert und seltener mit militärischen Auszeichnungen bedacht. Bei gleichem Rang ist stets der französische Offizier ungeachtet des Dienstalters dem ausländischen übergeordnet. Ferner dürfen Offiziere à titre étranger nie als Standortkommandeure, Befehlshaber isolierter Stellungen oder autonom operierender Einheiten fungieren.

In der Fremdenlegion wie in der regulären französischen Armee gibt es seit den Revolutionskriegen (und im Gegensatz etwa zur deutschen oder britischen Armee) für fähige Mannschaften und Unteroffiziere die Möglichkeit, zum Offizier aufzusteigen („sorti du rang“) – gemäß Napoleons Diktum, jeder einfache Soldat trage den Marschallstab im Tornister. So bestand zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Offizierskorps der Fremdenlegion zu einem Zehntel aus Männern „sortis du rang“. Sie haben sich im Verlauf vieler Jahre vom einfachen Legionär zum Leutnant, Hauptmann, vereinzelt selbst zum Major (Commandant) oder Oberstleutnant hochgearbeitet, im Falle der Ausländer meist in Verbindung mit der Annahme der französischen Staatsbürgerschaft. Vor allem unter den Leutnants der Fremdenlegion hat es immer Ausländer „sortis du rang“ gegeben, die weiterhin als Offiziere à titre étranger dienten.

Söldner und Wehrpflichtige

Historisch gesehen bezeichnet man als Söldner Männer, die aus materiellen Erwägungen freiwillig militärischen Dienst leisten, ohne dem jeweiligen „Arbeitgeber“ und dessen Kriegszielen innerlich verbunden zu sein. Somit unterscheidet sich der Söldner vom mittelalterlichen Ritter, den ein persönliches Treueverhältnis mit seinem Kriegsherrn verband, vom Wehrpflichtigen, der nur seiner Nation dient, ohne dafür hohe materielle Gegenleistungen zu erwarten, sowie vom ideologisch motivierten ausländischen Kriegsfreiwilligen, der sich individuell und idealistisch einer Sache verschreibt. Zu Letzteren zählen zum Beispiel die Männer, die in den 1930er Jahren in den „Internationalen Brigaden“ im Spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus kämpften.15

Wendet man diese historischen Definition des Söldners auf die Fremdenlegion an, so gehören deren Mannschaften und Unteroffiziere trotz ihrer bis in die 1960er Jahre eher schlechten Bezahlung in diese Kategorie: Sie waren überwiegend Ausländer, die nicht aus innerer Überzeugung für Frankreich kämpften, sondern aus materieller Not, Heimatlosigkeit, Abenteuerlust oder Berufung zum militärischen Metier. Allerdings hat Frankreich stets vermieden, die Angehörigen der Formation öffentlich als Söldner zu bezeichnen. Der Begriff ist in Europa immer anrüchig gewesen, setzte man ihn doch mit schnödem Materialismus, Unzuverlässigkeit und besonderer Brutalität gleich. Er hätte möglicherweise Männer vom Engagement in der Fremdenlegion abgehalten. So heißt es in einem auf Deutsch abgefassten Werbezettel der Fremdenlegion aus den frühen 1970er Jahren: „Legionäre sind weder Söldner noch Galgenvögel!“ Sie seien stattdessen „Männer, die ihr Wort geben, die die Legion als ihr Vaterland ansehen und unter dem Motto ‚Ehre und Treue‘ dienen“. Sie seien „Männer der Tat, Facharbeiter, Elitesoldaten“.16

Die Hochzeit des Söldnertums begann in Europa im 14. Jahrhundert parallel zum Niedergang des mittelalterlichen Rittertums und zur von den oberitalienischen Städten ausgehenden Kommerzialisierung und Professionalisierung des Kriegswesens. Die Französische Revolution schien in Europa das Ende des Söldnerwesens einzuläuten. Neben den Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurde auch das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht für die Angehörigen eines Staatswesens zu einer international erstrebenswerten Norm. Man sah seit den 1790er Jahren die Wehrpflicht als effektives militärisches Mittel an, weil man mit ihr mehr Soldaten kostengünstiger ins Feld führen konnte. Außerdem verkörperte sie die Idee der Gleichheit aller Männer in einer Nation, weil jeder ungeachtet seiner Herkunft mobilisiert und Offizier werden konnte. Die Befürworter der Wehrpflicht sahen sie nicht als lästigen Dienst an, sondern als eine erstrebenswerte Mitgestaltungsmöglichkeit in der Gesellschaft wie das Wahlrecht. Es handelte sich um ein Privileg, das Ausländern mit ihren dubiosen Loyalitäten nach Möglichkeit nicht zukommen sollte, und ebenso wenig vorbestraften eigenen Staatsbürgern. Dieses Verständnis des Militärdienstes als Ehrendienst an der Nation bewirkte unter anderem, dass Franzosen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und trotzdem eine militärische Karriere einschlagen wollten, seit dem 19. Jahrhundert nur der Ausweg geblieben ist, unter Annahme einer anderen Nationalität in die Fremdenlegion einzutreten. Der neue Bürgersoldat zog, so die sich im frühen 19. Jahrhundert in Europa durchsetzende Auffassung, angeblich motivierter in den Krieg. Er setze sich für ein Ideal ein, das bereits in seiner eigenen Armee zum Ausdruck komme. Im Gegensatz dazu seien die Söldnerformationen, die bisher die europäischen Streitkräfte geprägt hatten, lediglich Werkzeuge der Herrscher gewesen ohne Verankerung in der Gesellschaft, für welche sie marschierten. Unüberwindliche soziale Gräben zwischen einem aristokratisch geprägten Offizierskorps und dem Gros der Soldaten aus den Unterschichten Europas sowie das Fehlen des Ideals eines Vaterlandes hätten zur Folge gehabt, dass diese Soldaten unselbstständiger und unmotivierter kämpften. Sie seien folglich den Heeren aus Bürgersoldaten des neuen Zeitalters unterlegen. Sinnbildlich hierfür schien die Niederlage der preußischen Armee gegen Napoleons Truppen im Jahre 1806 zu stehen. Erstere verkörperte noch die absolutistische Militärverfassung des 18. Jahrhunderts mit seinen starren Ständeschranken und einem relativ hohen Anteil landesfremder Söldner.17

Selbst die Bourbonen, die 1814/15 in Frankreich auf den Thron zurückkehrten, konnten sich diesem anscheinend militärisch effizienteren, aber zum Erbe der verhassten Revolution gehörenden militärischen Prinzip nicht verschließen und übernahmen es zumindest in Teilen. Andernfalls hätten ihnen nicht genügend Soldaten zur Verfügung gestanden, beziehungsweise der Unterhalt eines ausreichend großen Heeres wäre finanziell nicht tragbar gewesen. Das Gleiche galt für die konservativen Großmächte Preußen und Österreich. Obwohl sie gerade das napoleonische Frankreich mit besiegt hatten und ihre Monarchen wie die Bourbonen in Frankreich am liebsten zur Gesellschaftsordnung vor 1789 zurückgekehrt wären, konnten sie sich allein schon aus Gründen des Selbsterhalts trotz innerer Vorbehalte nicht der Wehrpflicht verweigern.

Angesichts dieser Entwicklung wirkte die Fremdenlegion auf den ersten Blick schon bei ihrer Gründung wie ein Anachronismus. Doch die sich in Europa nach 1789 verbreitenden Vorstellungen über die militärische wie moralische Überlegenheit des Modells der Wehrpflicht entsprachen Mitte des 19. Jahrhunderts in mehrfacher Hinsicht und in diversen Ländern noch nicht der militärischen Realität. Die Fremdenlegion war daher zur Mitte des 19. Jahrhunderts gar nicht so aus der Zeit gefallen, wie es zunächst im historischen Rückblick erscheinen mag.

Zum Ersten gab es Mitte des 19. Jahrhunderts noch mehrere Staaten in Europa, die Ausländer unter Vertrag nahmen, sei es zum Dienst in Europa oder in ihren Kolonien, und dies nicht nur in außenpolitischen Spannungszeiten. Schweizerregimenter gab es beispielsweise bis 1829 im Königreich der Niederlande, in dem von den Bourbonen regierten Königreich Neapel und im Kirchenstaat des Papstes in Italien sogar bis 1859. Die Niederlande warben zudem zwischen 1815 und 1909 etwa 70 000 Ausländer, vor allem Deutsche, Schweizer und Belgier, für den Dienst in ihrem von der Heimatarmee gesonderten Kolonialheer in Ostindien an, dem heutigen Indonesien, einer der ertragreichsten europäischen Überseebesitzungen überhaupt. Die Regierung fand nicht genügend eigene Staatsangehörige, um den gefährlichen Dienst in den Tropen zu verrichten, wo vor allem Krankheiten einen hohen Blutzoll forderten. Daher bestanden die niederländischen Kolonialeinheiten in den ersten Dekaden nach 1815 zu etwa 60 Prozent, gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch zu etwa 20 Prozent aus Ausländern. Wie bei der Fremdenlegion dienten sie zusammen mit den niederländischen Soldaten in denselben Einheiten, wobei – auch dies eine Parallele zur französischen Söldnertruppe – das Offizierskorps aus Holländern bestand. Im Gegensatz zur Fremdenlegion, die man eher aus einer spontanen innenpolitischen Verlegenheit gegründet und zur Kolonialtruppe in Nordafrika gemacht hatte, handelte es sich im Falle der Niederlande um eine bewusste militärpolitische Entscheidung. Die Praxis, ausländische Soldaten nach Ostindien zu schicken, reichte bereits in das 18. Jahrhundert zurück.18

Zum Zweiten lässt sich für die Jahrzehnte nach 1815 in Europa keine deutliche Trennung zwischen Söldnertruppen und Formationen aus Wehrpflichtigen vornehmen. Alle europäischen Staaten führten, sofern sie überhaupt das Modell übernahmen, die Wehrpflicht nach 1815 nur selektiv durch. Man war nach dem Sturz Napoleons allseits kriegsmüde. Indem die Regierungen das theoretisch zur Verfügung stehende demografische Potenzial an jungen Männern bei Weitem nicht ausschöpften, ließen sich die Militärausgaben auf ein verantwortbares Maß beschränken. In Frankreich, den Einzelstaaten des Deutschen Bundes, Österreich, Spanien, den Niederlanden, Belgien und Schweden griff man auf eine Lotterie zurück: Nur jene, die eine schlechte Losnummer zogen, mussten zu den Fahnen. Das betraf in den meisten Ländern nicht mehr als ein Viertel oder Fünftel aller wehrpflichtigen Männer eines Jahrganges. Zudem gab es in allen Staaten mit Ausnahme Preußens für die Betroffenen die Möglichkeit, im Falle einer schlechten Losnummer einen Ersatzmann zu stellen. In Frankreich entwickelte sich hierfür ein ausgefeiltes Versicherungswesen. Familien konnten eine Police für den Fall abschließen, dass es eines ihrer männlichen Mitglieder traf. Die Versicherungen besaßen eine Liste potenzieller Ersatzmänner („Remplaçants“), von denen einer für das Geld der Police anstelle des Pechvogels in die Armee einrückte. Der Remplaçant (oder in vielen Fällen dessen Familie) erhielt ungefähr das Drei- bis Fünffache des Jahresgehaltes eines Tagelöhners, das heißt ein Remplaçant wurde im Vergleich zu einem Fremdenlegionär, dem nur der Tagessold zustand, geradezu fürstlich entlohnt. Die Wehrpflicht blieb also von 1815 und bis in die 1870er Jahre in Frankreich wie andernorts weit vom Ideal einer allgemeinen, gleichberechtigten Mobilisierung entfernt. De facto handelte es sich beim Militärdienst weiterhin um ein Unterschichtsphänomen, so wie beim Söldnertum im Absolutismus. Jene, die nicht das Geld besaßen, sich aus dem Armeedienst freizukaufen, mussten dienen. Jene, die keine lukrativeren Verdienstmöglichkeiten im Zivilleben sahen, aber ein gutes Los gezogen hatten, stellten sich als Remplaçant gegen Bezahlung zur Verfügung. Etwa 20 bis 30 Prozent der Mannschaftsdienstgrade im französischen Heer bestanden Mitte des 19. Jahrhunderts nicht aus Wehrpflichtigen, sondern aus Remplaçants. Vergleichsweise wenige, dafür lang dienende Soldaten galten zudem in Frankreich als weniger gefährlich für die innere Stabilität und die Außenwirkung des Landes als viele kurzzeitig zu den Fahnen gerufene Bürger, die zu sehr an die revolutionäre Massenmobilisierung der 1790er Jahre und die napoleonischen Kriege erinnerten.19 Frankreich besaß zwar zwischen 1815 und den 1870er Jahren theoretisch die Wehrpflicht, verfügte praktisch aber über eine Berufsarmee, in der nur ein kleiner Teil der männlichen Bevölkerung diente, und zwar der politisch und ökonomisch benachteiligte. Nur deshalb war der jahrzehntelange Einsatz eines erheblichen Teils der französischen Armee zur Eroberung Algeriens überhaupt im Mutterland politisch durchsetzbar. Die Trennung zwischen Söldnern als lang dienenden professionellen Kriegshandwerkern aus der Unterschicht und politisch bewussten Wehrpflichtigen als nur kurzzeitigen Bürgersoldaten erwies sich also in Frankreich wie in anderen europäischen Ländern für große Strecken des 19. Jahrhunderts noch als unscharf. Dies war umso mehr der Fall, als sich viele Wehrpflichtige beziehungsweise Remplaçants für mehrere Dienstzeiten hintereinander verpflichteten und sich damit immer stärker von der Zivilgesellschaft entfernten, der sie gemäß den Vorstellungen von 1789 eigentlich dienen sollten.

Drittens besagte die Wehrpflicht, die letztlich ein idealisiertes Konstrukt des nationalistisch geprägten und patriotisch verklärten 19. Jahrhunderts war, noch lange nicht, dass die davon betroffenen Landeskinder tatsächlich aus größerer innerer Verbundenheit und damit effektiver dem Staat dienten, der sie zu den Waffen rief, als ein ausländischer Söldner, der mit diesem aus freier Entscheidung einen Vertrag schloss. Erstere mochten ihm zwar formal angehören, standen ihm aber vielleicht distanziert bis ablehnend gegenüber. Das traf beispielsweise auf viele ethnische Minderheiten in den multinationalen Staaten wie der Habsburgermonarchie oder Preußen mit seiner teilweise polnischen Bevölkerung zu. Ähnlich unpopulär war die Wehrpflicht im 19. Jahrhundert in den ländlichen Gebieten Frankreichs, wo sie vielerorts in erster Linie als ungerechtfertigter und störender Eingriff („Blutsteuer“) der Zentralmacht in die bäuerlich verfasste Gesellschaft angesehen wurde, der ihr die Arbeitskräfte für die familiären Kleinbetriebe entzog. Wer es sich leisten konnte, sorgte dafür, dass ein Remplaçant die lästige Aufgabe erledigte.20

Gleichwohl vollzog sich im 19. Jahrhundert ein grundsätzlicher Einstellungswandel in Europa gegenüber der Anwerbung von Ausländern als Soldaten, sodass es für Staaten schwieriger wurde, diese unter Vertrag zu nehmen. Im 18. Jahrhundert war es noch üblich gewesen, dass europäische Regierungen geschlossene militärische Verbände inklusive des Offizierskorps und der ursprünglichen Uniformierung anderen Staaten gegen Bezahlung überließen. Diese Einheiten behielten ihre innere Autonomie und Kommandostruktur und blieben dem Heimatland in gewisser Weise verbunden, weil die Überlassungsverträge bestimmte Einschränkungen für den fremden Dienstherrn vorsahen. Neben dem am meisten verbreiteten Modell der Schweizerregimenter, die es vor 1789 unter anderem in den Königreichen Frankreich, Spanien, Neapel und Sardinien-Piemont sowie in der Republik Genua und den niederländischen Generalstaaten gab, ist im deutschsprachigen Raum vor allem der Landgraf von Hessen-Kassel bekannt geworden. Er vermietete zwischen 1776 und 1783 etwa 20 000 Soldaten in geschlossenen Einheiten an Großbritannien zum Kampf gegen die nordamerikanische Unabhängigkeitsbewegung. Ein weiteres Beispiel für dieses Überlassungsmuster mittels zwischenstaatlicher Verträge ist das „Kap-Regiment“, das der Herzog von Württemberg an die niederländische Vereinigte Ostindische Kompanie verkaufte. Es kam zwischen 1787 und 1808 im südlichen Afrika sowie in Ostindien zum Einsatz.21

Im 19. Jahrhundert kam die Überlassung geschlossener Einheiten an fremde Mächte durch zwischenstaatliche Verträge und gegen Bezahlung aus der Mode. Eine gewandelte politische Öffentlichkeit dachte in allen Ländern als Folge der Französischen Revolution stärker in nationalen Kategorien und erwartete eine gewisse Teilhabe an der Macht. Der Militärdienst, den nun in vielen Fällen Wehrpflichtige leisteten, wurde mit der Verteidigung des Vaterlandes gleichgesetzt. Ausländische Truppen wie etwa die Schweizerregimenter schienen in den aufgeklärteren Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden hingegen auf die mangelnde Legitimation der Herrschenden gegenüber ihrem Volk hinzudeuten. Der „Soldatenhandel“ galt nun als unmoralisch und als Überbleibsel aus der Zeit des Absolutismus, als geldgierige und unverantwortliche Herrscher ihre Landeskinder verkauft hätten. Es setzte sich vor allem in Hinblick auf die Kolonialtruppen der europäischen Mächte nach 1815 anstelle des politisch nicht mehr akzeptablen Modells der Überlassung geschlossener Formationen inklusive ihrer Offiziere mittels zwischenstaatlicher Vereinbarungen das Muster des Einzelsöldners wie in der Fremdenlegion oder der niederländischen Kolonialarmee durch. Er trat auf Basis eines individuellen Vertrages mit der fremden Macht in deren Kriegsdienst und wurde nun in der Regel von Offizieren geführt, welche die gleiche Nationalität wie der Auftraggeber besaßen.

Zudem bemühten sich seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts immer mehr europäische Staaten, die grenzüberschreitende militärische Migration einzuschränken. Dazu dienten Ausreiseverbote, die Ausweisung fremder Rekrutierungsagenten, der Entzug der Staatsbürgerschaft beim Eintritt in den fremden Kriegsdienst oder Gefängnisstrafen für die Angeworbenen und deren in- wie ausländische Anwerber. Mochte man selbst noch gelegentlich auf ausländische Soldaten zurückgreifen, so trachtete man doch nun danach, den Kriegsdienst der eigenen Bürger im Ausland oder Anwerbungsversuche anderer Staaten auf eigenem Territorium zu unterbinden. Frankreich machte den Anfang und verbot 1804 seinen Staatsbürgern, ohne Genehmigung der Regierung im Ausland zu dienen, Großbritannien folgte 1819 und Russland 1845. Die Schweiz als bekanntester und über die Jahrhunderte kontinuierlichster Lieferant von Söldnern in Europa erhielt nach dem „Sonderbundskrieg“ von 1847 zwischen den unterlegenen konservativen, auf ihre Unabhängigkeit bedachten katholischen und den siegreichen, eine stärkere Zentralisierung anstrebenden protestantischen Kantonen eine neue Verfassung. Sie untersagte den Kantonen, weitere Kapitulationen mit ausländischen Staaten zur Aufstellung von Schweizerregimentern zu vereinbaren. 1853 verbot die Eidgenossenschaft ausländische Anwerbungsaktivitäten auf Schweizer Boden. Seit 1859 durften ihre Bürger auch nicht mehr individuell in fremde Heere eintreten, während zugleich die letzten noch gültigen Kapitulationen ausliefen. Dies bedeutete das Ende des Modells der Schweizerregimenter, die es bis dahin noch im Königreich Neapel und im Kirchenstaat gegeben hatte. Eine systematische strafrechtliche Verfolgung von Schweizern in fremden Kriegsdiensten durch die eidgenössischen Behörden setzte allerdings erst Ende der 1920er Jahre ein.

Andere Staaten verboten nicht den Eintritt ihrer Angehörigen in fremde Dienste, sofern die Wehrpflicht im eigenen Land bereits abgeleistet war, sondern stellten lediglich die Anwerbungsversuche für fremde Dienste auf ihrem Territorium unter Strafe, wie etwa Österreich seit 1852, Sardinien-Piemont seit 1859 und das Deutsche Reich seit 1871, dessen neues Strafgesetzbuch im § 141 den Versuch, Deutsche für ausländische Streitkräfte zu rekrutieren, mit Gefängnis sanktionierte. Die europäischen Regierungen versuchten zum einen mit diesen Gesetzen zu verhindern, dass sie durch den Kriegsdienst ihrer Staatsangehörigen in anderen Ländern in auswärtige Konflikte hineingezogen wurden, bei denen sie eigentlich neutral bleiben wollten. Die kontinentaleuropäischen Länder wollten ausschließen, dass sich Landeskinder ihrer Wehrpflicht womöglich durch Anmusterung in anderen Ländern entzogen, die bessere Bedingungen boten. Generell sollte das Prinzip durchgesetzt werden, dass man Militärdienst nur noch für das eigene Land leistete, um die innere Nationsbildung und die Verteidigungsfähigkeit, die Definitionsmacht hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und das jeweilige staatliche Machtmonopol bei der Gestaltung der Beziehungen zum Ausland zu stärken.22

Die Gründung der Fremdenlegion erfolgte also an einem Scheitelpunkt europäischer Militärgeschichte. Spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in vielen Staaten, beeinflusst von den Ideen der Aufklärung, von der Französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen, ein Stimmungsumschwung in der Öffentlichkeit ab. Diese wandte sich zunehmend gegen das zwar bereits zurückgedrängte, aber immer noch existente Söldnerwesen, das als ineffizient und volksfremd galt. Stattdessen idealisierte man das Prinzip der – allerdings überall nur partiell durchgeführten – Wehrpflicht für die eigenen Staatsangehörigen. Die Öffentlichkeit in den fortgeschrittenen europäischen Ländern wollte weder länger den fremden Kriegsdienst der eigenen Landsleute noch Anwerbungsversuche anderer Staaten dulden. Eigene Ausländereinheiten sollten allenfalls noch in überseeischen Besitzungen stationiert werden. Ein näherer Blick auf die Praxis der Wehrpflicht etwa in Frankreich zeigt jedoch, dass auch sie noch Elemente des Söldnerwesens – also des Kriegsdienstes gegen Bezahlung – aufwies. Man konnte sich vom Dienst durch Stellung eines Ersatzmannes freikaufen, der stattdessen gegen eine Ablösesumme Soldat wurde. Das französisches Heer bestand daher zu einem erheblichen Teil aus sehr lang dienenden, materiell motivierten Männern aus den Unterschichten, die nicht notwendigerweise eine engere Bindung zur Fahne, zum Zentralstaat oder der französischen Zivilgesellschaft aufwiesen als die ausländischen Söldner der Fremdenlegion.

Leben und Sterben in Algerien