Fremdheitserlebnisse und Helferphantasien unter dem Einfluss von Ethnozentrismus - Stefan Wahle - E-Book

Fremdheitserlebnisse und Helferphantasien unter dem Einfluss von Ethnozentrismus E-Book

Stefan Wahle

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Beschreibung

In diesem Buch geht es um Fremdheitserlebnisse und Helferphantasien unter dem Einfluss von Ethnozentrismus. Dabei werden auch bekannte Persönlichkeiten analysiert und des latenten Rassismus überführt. Auszüge: Jeder Missionar solle eine gründliche Bildung besitzen, um in Afrika nicht geistig zugrunde zu gehen, um nicht zu "verniggern", wie es Schweitzer ausdrückte. Das "Verniggern" zeige sich insbesondere dadurch, dass man die großen Gesichtspunkte aus den Augen verliere, seine geistige Spannkraft einbüße und wie ein Neger anfange, sich mit den kleinen Dingen des Lebens unnötig aufzuhalten und diese auszudiskutieren. (Albert Schweitzer 1995b: S. 142) ... Der Neger sei schließlich ein Kind (!), bei dem man ohne Autorität nichts auszurichten vermag. Freundlichkeit sei also immer mit Autorität zu verbinden. Dabei müsse der Weiße als "älterer Bruder" auftreten. Die Distanz aufzugeben hieße Einfluss und Macht zu verlieren, wie Schweitzer anhand eines praktischen Beispiels eines Missionars erfuhr, der diesen Grundsatz missachtete. Das "Wort des Weißen" gelte dann nichts mehr und er müsse mit den Negern diskutieren, als wäre er ihresgleichen. (Albert Schweitzer 1995b: S. 115 f.) Der Diplom-Sozialökonom und Diplom-Sozialwirt Stefan Wahle ist seit fast 30 Jahren als Verleger und Autor im Buchgeschäft tätig. Er hat an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg BWL, VWL, Rechtswissenschaften und Soziologie studiert.

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www.sw-sportbuch.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung, Fragestellung

Allgemeine Ausführungen zum Thema

2.1. Ethnozentrismus

2.2. Das Bild des Schwarzafrikaners und seine Entstehungsgeschichte

Ethnozentrismus in der typischen Weise des Eurozentrismus gegenüber Afrika anhand von zwei Beispielen

3.1. Beispiel Karlheinz Böhm

3.1.1. Kurzer Lebensabriss

3.1.2. Der Helfer Karlheinz Böhm

3.2. Beispiel Albert Schweitzer

3.2.1. Kurzer Lebensabriss

3.2.2. Der Helfer Albert Schweitzer

Ethnozentrismus anhand eines Beispiele innerhalb Europas (Reisebericht von George Sand: “Ein Winter auf Mallorca”)

4.1. Hintergrund französische Wirtschaftsgeschichte

4.2. Zur Person “George Sand”

4.3. Der Reiseverlauf und die Teilnehmer

4.4. Beschreibung der volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf Mallorca

4.5. Wie George Sand die Bewohner Mallorcas sah und einschätzte

4.6. Wie die Bewohner George Sand und ihre Reisegefährten sahen und beurteilten

4.7. Das grundsätzliche Problem und das Fazit daraus

Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung, Fragestellung

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Fragestellung „In welchem Maß werden Fremdheitserlebnisse und Helferphantasien durch Ethnozentrismus beeinflusst und wie wirkt sich dieser Umstand auf die „Bilder in unseren Köpfen“ aus?“.

Jeder Mensch hat im Rahmen seiner Sozialisation die in seiner Gesellschaft vorherrschenden Normen und Werte internalisiert und nimmt im Rahmen dieses Gesamtkontextes Sinneseindrücke wahr. Aufgrund dieser Tatsache, die vom Betroffenen nicht bewusst wahrgenommen wird, gibt es quasi keine reinen objektiven Erkenntnisse. Die Art und Weise der Wahrnehmung und der Umgang mit dem Wahrgenommenen unterliegen also verschiedenen Einflüssen, wobei sich dieses Buch mit dem Einflussfaktor Ethnozentrismus auseinandersetzt. Im Sinne dieses Buches wird unter Ethnozentrismus die Setzung der eigenen Ethnie als Maßstab jeglicher Beurteilung verstanden. So wird die eigene Gesellschaft, deren Organisation, die eigene Kultur und die Werte und Normen auf den Altar des göttlichen gehoben, indem man das „Eigene“ als einzig erstrebenswerte ansieht, in den Mittelpunkt setzt und das „Fremde“ an diesem Maßstab misst und beurteilt (Stichwort Fremdheitserlebnisse; wie objektiv können diese überhaupt sein?). Andersartiges wird nicht als gleichwertig akzeptiert, sondern als „unterentwickelt“ bezeichnet. Gleichzeitig setzt geradezu ein missionarischer Eifer ein, dem „Unterentwickelten“ auf eine höhere Stufe des Daseins zu verhelfen (Stichwort Helferphantasien).

Bei den für diesen Bereich ausgewählten Beispielen, die noch näher betrachtet werden sollen, handelt es sich um so bekannte Autoren und Helfer, wie Albert Schweitzer und Karlheinz Böhm. Deren allgemein hochgeschätztes Engagement für die Hilfe in unterentwickelten Ländern kann der dahinterstehende, durchaus gut gemeinte Wille mit Sicherheit nicht abgesprochen werden. Dennoch ist es u.a. Zweck dieser vorliegenden Studie, die Arbeit und die Aussagen der besagten Helfer genau zu prüfen. In ihrer Sprache und ihrem Denken können nämlich wohlmöglich unterschwellig rassistische Einstellungen ausgemacht werden, die ihnen selbst nicht bewusst sind, da auch hier wieder internalisierte Normen und Werte die Sichtweisen und das eigene Denken prägen. Letztendlich ist jeder Mensch ein Produkt seiner Gesellschaft, in der er lebt. Diesem gesellschaftlichen Entwicklungsprozess der Menschen kann sich kaum jemand entziehen.

Der Eurozentrismus ist eine spezielle Form des Ethnozentrismus, indem hier Europa und dessen Kultur als Mittelpunkt und Maßstab angesetzt werden. Dies geschieht insbesondere gegenüber den Ländern Afrikas, worauf später noch ausführlich eingegangen wird. Dass jedoch Europa selbst keine homogene Zone der Geburtsstätte der „höheren Kultur“ darstellt, zeigen zum Teil erhebliche europainterne Unterschiede, die zu Problemen führen können. Auch hierfür wurde zur Illustration ein Beispiel herausgegriffen, wofür der Reisebericht „Ein Winter auf Mallorca“ von George Sand aus dem 19. Jahrhundert ausgewählt wurde.

Zunächst wird unter Gliederungspunkt 2. dieser Studie allgemein auf das Thema eingegangen. Es werden nähere Ausführungen zum Begriff des Ethnozentrismus und zum Bild des Schwarzafrikaners, und wie es bei uns (in Europa) entstanden ist, gemacht. Besonders interessant erscheint dabei die Darstellung des Wandels vom „edlen Wilden“ (eher positives Bild, obwohl auch hier bereits die Begrifflichkeiten kritisiert werden könnten) zum „faulen Neger“ (extrem negatives Bild) und welche Absichten mit dieser geradezu künstlichen Konstruktion verfolgt wurden und zum Teil heute noch werden. Denn das Bild des hilflosen, unterentwickelten, unterprivilegierten, unfähigen und manchmal auch faulen sowie als gefährlich eingestuften (da animalisch triebbehafteten) Negers prägt noch heute, in unser doch eigentlich aufgeklärten Zeit und Welt, die Bilder in unseren Köpfen. Vorgefasste Meinungen im Sinne von Vorurteilen ohne jegliche Auseinandersetzung mit den Sachverhalten spielen hier eine große Rolle. Vielfach kann sogar eine Ablehnung, sich mit dem „Fremden“ überhaupt in sachlicher Art und Weise auseinanderzusetzen, beobachtet werden. So entstehen schlechtesten Falls falsche Angst- und Feindbilder, die dann u.a. wieder für politische Zwecke missbraucht werden (beispielsweise durch rechtsradikale Parteien).

Im Hauptteil wird dann unter Gliederungspunkt 3. und 4. das Thema dieses Buches anhand einiger praktischer Beispiele (auto-)biographischer Literatur bekannter Autoren angegangen. Unter Punkt 5. folgt ein zusammenfassendes Fazit und dahinter unter 6. das Literaturverzeichnis.

Die in diesem Buch auftauchenden Begriffe, wie „Neger“, „Kaffer“, „Schwarzer“, „Mohr“, „Schwarzafrikaner“, „schwarze Afrikaner“, „Afrikaner“, „Äthiopier“ usw. werden jeweils im Kontext ihrer geschichtlichen Gebräuchlichkeit verwendet, in dem sie zeitlich entstanden und üblich waren. Dabei muss man sich der Schwierigkeit bewusst sein, dass es zur Bezeichnung der genannten Personengruppe keinen Begriff gibt, der nicht in irgendeiner Form eine Wertung vornimmt (auch, wenn dies nicht beabsichtigt wird) und der nicht geschichtlich vorbelastet ist. Es konnte jedoch auch keine Lösung ausgemacht werden, sich aus diesem Dilemma zu befreien. Auf dieses Problem haben auch schon andere Autoren hingewiesen. (Martin 1993: S. 14)

2. Allgemeine Ausführungen zum Thema

2.1. Ethnozentrismus

Um den Begriff Ethnozentrismus näher durchleuchten zu können, muss zunächst auf die Begriffe „Ethnie“ und (ethnische) „Konflikte“ eingegangen werden.

Verschiedene Ethnien sind Gruppen von Menschen, die sich durch bestimmte Merkmale, wie z.B.

Sprache,

Kultur (inkl. Werte, Normen, Verhaltensmuster, Einstellungen usw.),

historische Erfahrungen,

phänotypische Unterschiede,

Religion,

soziale und räumliche Segregation,

Glaube an eine gemeinsame Abstammung und ein

Wir-Gefühl,

gegeneinander abgrenzen (Flohr 1994: S 20, 62).

Laut Flohr ist „der Glaube an eine gemeinsame Abstammung“ das wichtigste Merkmal einer ethnischen Gruppe. Daraus ergeben sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine kollektive Identität, was zur Selbstschätzung der eigenen und Abgrenzung von anderen Gruppen führt. (Flohr 1994: S. 62)

Dabei ist der tatsächliche empirische Nachweis einer wahren genetischen Verwandtschaft nicht möglich und auch nicht erforderlich, da in erster Linie der Glaube an die gemeinsame Abstammung zählt (Flohr 1994: S. 63).

Die „ethnische Identität“ ist das ethnische Bewusstsein, der Wille zur Einheit, der mit einer Abgrenzung zu anderen Ethnien verbunden ist. Die ethnische Identität drückt sich in einem starkem „Wir-Gefühl“ aus. (Flohr 1994: S. 64)

Der Zusammenhalt der „Wir-Gruppe“ ist gekennzeichnet durch Solidarität mit den eigenen Gruppenmitgliedern und Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe. Daraus folgend ergibt sich eine Distanzierung und Ablehnung von Fremdgruppen. (Flohr 1994: S. 86, vgl. auch S. 177)

Der Begriff „Ethnie“ leitet sich ursprünglich vom griechischen Wort für Nation „Ethnos“ ab (Flohr 1994: S. 60). In Europa sind ursprünglich unter Ethnien in erster Linie autochthone Siedlungsgruppen, unabhängig von ihrem Mehrheits- oder Minderheitsstatus, zu verstehen (Flohr 1994: S. 61). Auf den Unterschied zwischen Volk und Nation (Demos und Ethnos) soll hier aus Kapazitätsgründen nicht eingegangen werden (bei Interesse siehe Ausführungen von Flohr 1994: S. 68 f.).

Zusammenfassend können wir also eine Ethnie als eine Gruppe von Menschen verstehen, die wesentliche Elemente der Gestaltung des Lebens (wie bereits aufgezählt: Sprache, Verhaltensmuster, Mentalität, „Sicht der Welt“ usw.) bewusst miteinander teilen. Hinzu kommen spezielle biologische Gemeinsamkeiten, wie z.B. Rasse oder gar Verwandtschaft (wobei wiederum hier der Glaube an eine gemeinsame Verwandtschaft ausreicht). Das bereits erwähnte territoriale Element spielt nur eine sekundäre Rolle, da auch lokal ungebundene Ethnien entstehen konnten (z.B. Nomaden). (Flohr 1994: S. 165)

„Ethnische Konflikte“ sind in Europa nichts Neues. Beispiele sind hierfür die Konflikte im Baskenland, Nordirland und auf Korsika. Aber auch längst vergessene Konflikte, wie z.B. Südosteuropa und in den Republiken der ehemaligen Sowjetunion, brechen in jüngster Zeit wieder auf (Stand 1997). Der „ethnische Konflikt“ löste quasi den Konflikt der Systeme (zwischen Ost und West) ab. (Flohr 1994: S. 11)

Das Wort Konflikt leitet sich von dem lateinischen Wort confligere ab, das so viel wie zusammenstoßen und kämpfen bedeutet (Flohr 1994: S. 13). Für die Entstehung von Konflikten seien laut Marx kapitalistische Wirtschaftsstrukturen verantwortlich, die unvermeidlich ökonomische Verteilungskämpfe nach sich zögen (Flohr 1994: S. 14). Auf der anderen Seite sind Konflikte zwischen Menschen in einer Welt knapper Ressourcen nichts Ungewöhnliches (Flohr 1994: S. 18). Den Aspekt der ungerechten Verteilung in einer kapitalistischen Gesellschaft sollten wir jedoch als interessanten gesellschaftlichen Ansatz im Hinterkopf behalten, da hierzu später noch einige Ausführungen gemacht werden. Natürlich existieren mit Sicherheit noch eine Reihe weiterer gesellschaftlicher, psychischer und sonstiger Entstehungsfaktoren. Dieses hier vorliegende Buch beschäftigt sich jedoch nicht in erster Linie mit der Ursachen-/Entstehungsforschung (Genese) von Konflikten und Ethnozentrismus. Dies wäre ein möglicher Themenschwerpunkt für eine eigene Untersuchung, die aber in diesem bescheidenen Rahmen nicht getätigt werden kann. Vielmehr soll es hier in erster Linie um die Erforschung der Auswirkungen von Ethnozentrismus insbesondere auf die menschliche Wahrnehmung und auf das menschliche Verhalten gehen. Die in diesem Zusammenhang beschriebenen Konflikte treten meist nicht offen zu Tage (zumindest nicht im Sinne einer kriegerischen Auseinandersetzung, wie z.B. in Südosteuropa) bzw. sind den betroffenen Personen bei ihrem Handeln oftmals nicht bewusst. Bei diesen Konflikten handelt es sich um soziale, besser noch kulturelle Konflikte zwischen Ethnien oder, wie in dieser Studie vorgestellt, ganzer „Kulturkreise“.

Ethnische Konflikte kamen in Europa mit der organisatorischen Zusammenfassung der mittelalterlichen Gebietskörperschaften in Nationalstaaten, verbunden mit der Vereinheitlichung der dort ansässigen Bevölkerungsgruppen, auf. Dabei wurde ethnische Homogenität und somit Deckungsgleichheit ethnischer und staatlicher Grenzen als Legitimation des Staates angesehen. Dies beinhaltet einen starken Konformitätsdruck und die Konstruktion einer Gemeinschaft durch die Suche nach gemeinsamen Wurzeln, früheren Volkshelden, einer gemeinsamen Geschichte, sowie gemeinsamen Normen und Werten. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Fiktion. In der Realität waren diese Nationalstaaten bunte Gemische von Ethnien mit verschiedenen Sprachen/Dialekten, Sitten und Traditionen. (Flohr 1994: S. 20 ff.)

Die in Afrika von den Kolonialmächten vorgenommenen Grenzfestlegungen zwischen den unabhängig gewordenen Staaten bieten noch heute Anlass zu zahlreichen ethnischen Konflikten, da die Staatsgrenzen oft willkürlich unter Nichtbeachtung der Verläufe ethnischer Grenzen gezogen wurden (Flohr 1994: S. 26, 122, Geiß 1992: S. 34).

Die ehemalige Sowjetunion und die meisten Staaten Osteuropas weisen eine äußerst heterogene ethnische Zusammensetzung auf, was ein hohes Potential an Rivalitäten und Konflikten bietet. Dieses Potential wurde unter der totalitären Herrschaft des Kommunismus lange Zeit unterdrückt. Nach Zerfall des Kommunismus kamen daher zahlreiche latente Konflikte wieder zum Ausbruch. (Flohr 1994: S. 28)

Sie finden ihren Höhepunkt in „ethnischen Säuberungen“, wie sie z.B. durch die Serben durchgeführt wurden (Flohr 1994: S. 29, 122, 203).

Aber auch in Westeuropa kommt es heutzutage zu fremdenfeindlichen Übergriffen auf ethnische Minderheiten, wie z.B. Arbeitsmigranten, Flüchtlinge oder Asylbewerber (Flohr 1994: S. 34). Auch Deutschland ist von diesem Trend nicht ausgenommen. Hier richtet sich die Ausländerfeindlichkeit gegen Gastarbeiter (z.B. Türken) und zunehmend auf afrikanische und asiatische Asylbewerber und andere ethnische Minderheiten (wie z.B. Juden, Sinti und Roma). Kaum diskriminiert werden Ausländer, die äußerlich nicht vom Erscheinungsbild eines Deutschen abweichen, z.B. Schweden, Dänen, Franzosen oder Amerikaner. Flohr erwähnt hier in diesem Zusammenhang einen möglichen Einfluss rassistischer Komponenten der Fremdenablehnung. (Flohr 1994: S. 38 f.)

Dabei ist jedoch wichtig zu betonen, dass Rasse (und damit Rassismus) lediglich ein Faktor von vielen ist, der die Ablehnung von Fremden hervorrufen kann. (Flohr 1994: S. 181)

Nach meinem Eindruck sind es in erster Linie die Kulturunterschiede, also die anderen/fremden Normen und Werte, Sitten, Gebräuche, Lebensstile und Verhaltensmuster, die den Menschen in Deutschland Angst machen. Das fremde Äußere dient dabei nur als Erkennungsmerkmal, dass der betreffende Gegenüber aus einer fremden (angstmachenden) Kultur kommt. Dabei wird ihm zugeschrieben, dass je fremder er aussieht, desto fremder seine Kultur ist. „Schreckensbilder“ aus dem Fernsehen tun ihr Übriges, wie z.B. fanatisch wirkende islamische Fundamentalisten mit in den Himmel gestreckten drohenden Fäusten sowie abgefeuerte Salven aus Maschinengewehren sind angstmachende Szenarien, die uns fast täglich begegnen und somit prägend wirken. Ähnliche westliche Kulturen, mit uns ähnlichen Staatsbürgern wirken da weniger bedrohlich und wecken somit weniger Ängste und Abwehrhaltungen. Zusammenfassend kann hier also eine Angst vor dem fremden Unbekannten, dem Andersartigen ausgemacht werden, wobei keine Bereitwilligkeit, sich überhaupt mit dem Fremden auseinanderzusetzen, zu bestehen scheint.

Der Ethnozentrismus setzt sich aus dem Wir-Gefühl, also einem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit, der eigenen Gruppe, verbunden mit einem gleichzeitigen Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Gruppen, zusammen. Der eigenen Kultur werden fast ausschließlich positive Eigenschaften zugeschrieben, während die Kulturen anderer Ethnien eher negativ bewertet werden. Ethnozentrismus ist ein Bündel von sozialen Vorurteilen und ist zunächst dem kognitiven Bereich zuzuordnen. Dies beinhaltet einschätzende Bewertungen der eigenen und anderen Ethnien, wobei diese Bewertungen zumeist nicht realistisch, sondern eher verallgemeinernd, vereinfachend, klischeehaft, oft unbewusst und vor allem äußerst widerstandsfähig gegen anderslautende Informationen (vgl. hierzu auch Flohr 1994: S. 205) sind. Durch die Bildung von Schubladen (Bildung von Stereotypen), in die man sich selbst und andere sowie Erlebnisse einordnen kann, wird die Komplexität der Wirklichkeit reduktioniert und für sich selbst leichter begreifbar gemacht. (Flohr 1994: S. 70 ff., 177)

Diese Realitätsbewältigung ist für das Individuum zur Vermeidung persönlicher Krisen (ausgelöst durch eine Nichtbewältigung und daraus sich ergebende Verhaltensunsicherheiten) sehr wichtig. Das Individuum weiß so jederzeit, wo es steht und wie es sich in der betreffenden Situation zu verhalten hat.

Das Mitglied einer Gruppe wächst im Rahmen seines Sozialisationsprozesses in seine Kultur hinein, saugt diese geradezu auf und wird so mit ihr eng verbunden. Dieses stetige Erleben des Selbstverständlichen wird in dem Moment erschüttert, wenn der Betreffende auf eine fremde Kultur trifft. Dies wird oftmals als unangenehme Erfahrung wahrgenommen. Anstatt offen auf die fremde Kultur zuzugehen, diese kennenzulernen und einen „objektiven“ Vergleich der Kulturen vorzunehmen, wird das Fremde pauschal abgelehnt, wobei dies nicht rein kognitiv, sondern vor allem emotional geschieht. Die Ablehnung richtet sich gegen die fremden und in der Regel auch unbekannten Verhaltensmuster und die fremden Gegenüber. Und dahinter steht nichts anderes als die Entstehung ethnischen Bewusstseins, nämlich die Herausbildung und Akzeptanz gruppeneigener Normen, Werte und Verhaltensmuster. (Flohr 1994: S. 164)

Als in Gemeinschaften lebende Menschen sind wir auf der anderen Seite auf die Akzeptanz durch unsere Gruppe angewiesen. Diesem kann sich niemand entziehen. Zu früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte war das Wohlwollen der Gruppe sogar überlebenswichtig. Als Voraussetzung für die Akzeptanz durch die Gruppe werden die Erfüllung der Gruppenerwartungen, vor allem die Praktizierung der verlangten Verhaltensweisen, erwartet, wobei die Konformität am besten erreicht wird, je besser die Erwartungen und die Selbstverständlichkeit der Erfüllung dieser internalisiert wurden (kein Verstellen, kein Vortäuschen). (Flohr 1994: S. 199)

Fremde Ethnien werden diskriminiert und abgewertet, während die eigene Gemeinschaft an der Spitze der Werteskala eingeordnet wird. In dieser „psycho-logischen“ Realität wird das Prinzip der doppelten Übertreibung angewendet. Während sich die einen selbst besser bewerten, als sie es in Wirklichkeit sind, werden die anderen von diesen umso schlechter bewertet; schlechter, als sie es eigentlich verdienen. Dies stellt eine erhebliche Verzerrung der Wirklichkeit dar und beinhaltet die schon angedeuteten Bestrebungen nach eindeutiger (vereinfachter) Differenzierung und Abgrenzung, begründet durch ein Bedürfnis nach psychischer Sicherheit (schon erwähnt: eigener Standpunkt und Verhaltenssicherheit gegenüber anderen) und einem tief verwurzelten Argwohn bis zur Angst gegenüber Fremden. Letzteres war in den früheren Zeiten menschlicher Geschichte mit Sicherheit zum Selbstschutz unbedingt erforderlich und mag heute noch in unseren Genen gespeichert sein (vgl. zur biologischen Verankerung von Ethnozentrismus auch Flohr 1994: S. 205), obwohl es in dieser Form nicht mehr zeitgemäß erscheinen mag. Die Evolution hängt hier offensichtlich der schnellen Entwicklung einer nun veränderten Realität hinterher. (Flohr 1994: S. 176)

Dass die Angst vor dem Fremden biologisch verankert zu sein scheint und sich nicht ausschließlich aus dem Sozialisationsprozess ergibt, kann aus dem bei Kindern zu beobachtenden Vorgang des „Fremdelns“ als Teil des genetisch programmierten Reifeprozesses abgeleitet werden. Als „Fremdeln“ versteht man das fremdenablehnende und zumeist mit Angst verbundene Verhalten von Kleinkindern, das seinen Höhepunkt etwa im Alter zwischen sechs und acht Monaten hat und unabhängig von früheren Erfahrungen des Kindes ist. So konnte ein derartiges Verhalten sogar bei blind und taub geborenen Kindern beobachtet werden. Die Fremdenangst wird erst im Laufe einiger Monate mit zunehmendem Kontakt mit anderen Menschen und einer Erkundung der Umwelt abgebaut. (Flohr 1994: S. 205 f. und 236)

Eine Vertrauensbasis ergibt sich in der Regel aus verwandtschaftlichen Beziehungen. Daher werden Fremde ängstlichen Kleinkindern gegenüber gern als „Onkel“ oder „Tante“ präsentiert, um diese Vertrauensbasis herzustellen. (Flohr 1994: S. 196)

Das „Wir-Gefühl“ der Gruppe erfüllt besonders in Zeiten der Krise (wirtschaftliche Notzeiten, nach schweren Naturkatastrophen, bei Kriegsgefahr oder gar Krieg; aktuelles Beispiel 1997: Überflutungen an der Oder in Ostdeutschland und die neu gelebte Solidarität) eine wichtige Aufgabe für den Einzelnen (Flohr 1994: S. 194)