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In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. E-Book 1: Liebe, sanft wie der Abendwind … E-Book 2: Die Frau, die er liebt – einem anderen versprochen E-Book 3: Zärtliche Melodie einer jungen Liebe E-Book 4: Der Traum, der sie zur Liebe führte E-Book 5: Tanja, die Herrin von Schloß Meerseck E-Book 6: Der Schritt vom Wege E-Book 7: Er schenkte ihr sein Schloss – und ging E-Book 8: Annelie wehrt sich gegen die Liebe E-Book 9: Als Fremde auf dem Schloss des Liebsten E-Book 10: Neues Glück im Frühling E-Book 11: Aschenputtel im eigenen Schloss? E-Book 12: Nur du sollst meine Fürstin sein E-Book 13: Die große Liebe für Komtess Regina E-Book 14: Friederikes arabischer Traum E-Book 15: Maskenball der Liebe E-Book 16: Kannst du mit mir glücklich werden? E-Book 17: Happy End auf Gut Renken E-Book 18: Ein Märchenprinz mit kleinen Fehlern E-Book 19: Doppelhochzeit auf Gut Regau E-Book 20: Braut wider Willen E-Book 21: Neues Glück auf Schloß Montblanche E-Book 22: Fürstin meines Herzens E-Book 23: Eine Fürstenkrone für Alex E-Book 24: Ein Prinz flieht vor der Liebe E-Book 25: Warte auf mich! E-Book 26: Komteß Wirbelwind E-Book 27: Flucht ins Glück E-Book 28: Schon immer hab' ich ihn geliebt E-Book 29: Vom Adel unerwünscht E-Book 30: Du wirst deinem Glück nicht entkommen E-Book 31: Wir beide auf der Fahrt ins Glück E-Book 32: In deinen Armen tanz ich ins Glück E-Book 33: Frag nur dein Herz, Isabell! E-Book 34: Als du in mein Leben kamst E-Book 35: Einsam und ein Herz voll Sehnsucht E-Book 36: Solche Augen lügen nicht! E-Book 37: Die Entscheidung des Fürsten Reilingen E-Book 38: Weil meine Sehnsucht dir gehört, Mariella! E-Book 39: Glaub an das Glück, Charlotte E-Book 40: Die Gefangenen von Schloß Ahrgau E-Book 41: Sein Traum vom Glück hieß Isabell E-Book 42: Was zählt, ist nur die Liebe E-Book 43: Die einsame Schlossherrin E-Book 44: Verzauberter Sommer in Venedig E-Book 45: Ihre Herzen standen in Flammen E-Book 46: Liebe auf Irrwegen E-Book 47: Erbin gesucht! E-Book 48: Die schöne Römerin E-Book 49: Das Schloss ohne Frauen E-Book 50: Ein Herz im Dornröschenschlaf E-Book 51: Wie in einem Märchen E-Book 52: Die Blumenkomtess E-Book 53: Antonia und der traurige Prinz E-Book 54: Ein Märchenschloss voll Traurigkeit E-Book 55: Ich warte auf Dich...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 25029
Liebe, sanft wie der Abendwind …
Die Frau, die er liebt – einem anderen versprochen
Zärtliche Melodie einer jungen Liebe
Der Traum, der sie zur Liebe führte
Tanja, die Herrin von Schloß Meerseck
Der Schritt vom Wege
Er schenkte ihr sein Schloss – und ging
Annelie wehrt sich gegen die Liebe
Als Fremde auf dem Schloss des Liebsten
Neues Glück im Frühling
Aschenputtel im eigenen Schloss?
Nur du sollst meine Fürstin sein
Die große Liebe für Komtess Regina
Friederikes arabischer Traum
Maskenball der Liebe
Kannst du mit mir glücklich werden?
Happy End auf Gut Renken
Ein Märchenprinz mit kleinen Fehlern
Doppelhochzeit auf Gut Regau
Braut wider Willen
Neues Glück auf Schloß Montblanche
Fürstin meines Herzens
Eine Fürstenkrone für Alex
Ein Prinz flieht vor der Liebe
Warte auf mich!
Komteß Wirbelwind
Flucht ins Glück
Schon immer hab' ich ihn geliebt
Vom Adel unerwünscht
Du wirst deinem Glück nicht entkommen
Wir beide auf der Fahrt ins Glück
In deinen Armen tanz ich ins Glück
Frag nur dein Herz, Isabell!
Als du in mein Leben kamst
Einsam und ein Herz voll Sehnsucht
Solche Augen lügen nicht!
Die Entscheidung des Fürsten Reilingen
Weil meine Sehnsucht dir gehört, Mariella!
Glaub an das Glück, Charlotte
Die Gefangenen von Schloß Ahrgau
Sein Traum vom Glück hieß Isabell
Was zählt, ist nur die Liebe
Die einsame Schlossherrin
Verzauberter Sommer in Venedig
Ihre Herzen standen in Flammen
Liebe auf Irrwegen
Erbin gesucht!
Die schöne Römerin
Das Schloss ohne Frauen
Ein Herz im Dornröschenschlaf
Wie in einem Märchen
Die Blumenkomtess
Antonia und der traurige Prinz
Ein Märchenschloss voll Traurigkeit
Ich warte auf Dich...
Eifersucht in Adelskreisen
Opfer einer Familienfehde
Rückkehr auf den Rosenhof
Sie spielte die Rolle der Braut
Julianes Prinzenmärchen
Aber du liebst mich doch!
Geheimnis um ein Waisenkind
Als zwei Freundinnen die Rollen tauschten
Nur du sollst meine Prinzessin sein
Süße Prinzessin Bianca-Marie
Die Erbtante
Trubel im Schlosshotel
Rätsel um ein Findelkind
Dich hat der Himmel geschickt
Sie stahl sein Herz - und ging
Schatten über Schloss Hohenstein
Der Prinz und die schöne Gärtnerin
Morgen wirst du um mich weinen
Du gibst mir den Himmel zurück
Träumen im Paradiesgarten
Der Stolz der schönen Diana
Doch ihr Herz war von Adel
Der heimliche Graf
Fürstin meines Herzens
Ich lass dich nicht aus meinen Armen
Dunkelrote Rosen aus des Königs Hand
Wo ist er - der Mann für Mama?
Der Prinz und die Skandal-Komtess
Beim Küssen spricht man nicht
Erfüllung auf der Schwarzenburg
Morgen ist es zu spät
Graf Freimund in Herzensnot
Eine neue Ehe für Fürstin Viviane
Mein Herz sagt. Ich liebe dich!
Und die Hochzeitskutsche wartet...
Der Butler, der ein Lord war
Die verlassene Braut
Unter südlicher Sonne
Ich gehe für immer
Verbotene Nächte im Schlosshotel
Mein Herz ruft nach dir
Dem Leben entsagt?
Die widerspenstige Erbin
Warum hast du mich verlassen?
Liebesgeheimisse in Schloss Lichtenau
Die Moorprinzessin
Leis' erklingt die Abschiedsmelodie
Das Geheimnis der Fürstin Carolin
Die bürgerliche Komtess
Heimweh nach Schloss Hohenfels
Die Erbin von Montfort
Es gibt eine Zukunft für uns
Tina läuft ins Glück
Nur ein Hauch Glückseligkeit
Das Schloss in Südtirol
Das verleugnete Fürstenkind
Wiener Liebesreigen
Eine Frau für René
Elisabeth und der verfemte Graf
Schöner als alle Träume
Ein Baby für Schloss Lindenbach
Der verschollene Graf
Im Sturm der Leidenschaft
Graf, Sie sind kein Ehrenmann
Graf Michael und die Malerin
Der letzte Fürst von Stolzenfels
Der Weg in die Heimat
Die falsche Gräfin
Immer Ärger mit der Liebe
Unvergesslich schön, doch ohne Herz
Liebe, wohin führst du mich?
Bleibt die Vergangenheit lebendig?
Mit dir nur will ich glücklich sein
Bau nicht dein Glück auf fremdes Leid
Nur die Gräfin wusste alles
Eine Liebe, die nie vergeht
Und plötzlich war er Graf
Gefangen in Pracht und Herrlichkeit
Bleib bei mir, Nora!
Schatten der Vergangenheit
Ich hol dich auf mein Schloss
Der falsche Graf
Eine Prinzessin verliert ihr Herz
Hochzeit auf Schloss Warenbach
Die Favoritin des Erbprinzen
Küsse in der Nacht
Ich bin nicht käuflich, Prinz
Happy-End im Stadtpalais
Geh nicht am Glück vorbei, Sybill
Wer mit wem?
Treibst du das Spiel zu weit, Prinzessin?
Der weite Weg zu dir
Liebesglück auf Schloss Waldstein
Deine Liebe gab mir Hoffnung
Die Liebenden von Andalusien
Ich kann dich nicht vergessen
Warum verfolgt man mich?
Die Entführung der schönen Helena
Deine Augen können nicht lügen
Ein Traum an der Reviera
Die geheimen Träume der Komtess
Wiedersehen am Traualtar
Aufgewacht aus seligen Träumen
Nur zusammen mit dir!
Iris – mein Lebensglück
Rendezvous zu viert
Bei den Tannen am Hügel
Prinz Stefan lügt aus Liebe
Diese Liebe darf nicht sein
Ein Herz aus blutroten Rubinen
Lass die anderen reden
Walzer auf Schloss Ravensburg
Entflammtes Fürstenherz
Das Mädchen aus dem Föhrenwald
Jetzt werd ich endlich deine Frau
Die Champagnerprinzessin
Eines Grafen Würde
Schicksal, nimm deinen Lauf
Ein Malheur aus der Vergangenheit
Henriette und der Fürst
Der Schlossherr von Doberstein
Liebe auf den letzten Blick
Wie die Spinne im Netz
Warum hast du mich verraten?
Das Schicksal einer Baronesse
Der Traum einer großen Liebe.
Ich suche dich ein Leben lang
Auch wenn ich dir Treue geschworen habe
Auch wenn ich dir Treue geschworen habe
Das Gelübde der Kronprinzessin
Eine Fürstentochter hat Probleme
Nimm mich fest in deine Arme
Geld oder Liebe?
Wenn Liebe schmerzen bringt
Doch sein Herz sagt etwas anderes...
Träume von gestern - Liebe von morgen
Was soll aus uns werden?
Eine Braut sagt nein
Alles aus Liebe
Ein Glück, das ohne Hoffnung ist?
Das Erbe von Kennwall
Ein Maler für Prinzessin Marie
Heimweh nach Schloss Wildenbruch
Warum hast du mich belogen?
Ein silbergrauer Sportwagen fuhr langsam die Pappelallee entlang, die zum Gutshof Abbensen führte. Der Fahrer summte leise vor sich hin und sah immer wieder in die weite Landschaft hinaus, die sich jenseits der Pappeln in schier endloser begrünter Ebene erstreckte. Dunkle Sommerwiesen und helle Felder lagen um den alten Gutshof, dessen dunkelrote Backsteingebäude nun sichtbar wurden.
Fürst Klaus von Bornschein parkte dicht vor dem Haupteingang und blieb einen Moment im Wagen sitzen, um den schönen alten Bau zu betrachten. Er hatte manch frohe Kindheitstage hier verbracht, damals als sein Onkel Reinhard noch lebte und die Neffen und Nichten im Sommer zu vergnügten Reiterferien einlud.
Der Fürst war vor einigen Wochen vierzig geworden, was ihn veranlasst hatte, genauer in den Spiegel zu schauen. Ja, da waren sie, die kleinen Fältchen, die sich in den Augenwinkeln angesiedelt hatten und die angeblich vom Lachen herrührten. Er konnte sich allerdings nicht entsinnen, in seinem Leben bisher übermäßig viel gelacht zu haben. Eigentlich hatte er kaum gelacht, besonders während der vergangenen Jahre hatte es wenig Anlass dazu gegeben, denn sein Leben bestand aus Arbeit.
Er stieg aus dem Wagen und betrat die Eingangshalle des Gutshofs. Auch hier hatte sich wenig verändert, die hohen Eichenstühle standen steif und unbequem wie eh und je und die Gemälde an der Wand blickten stumm auf den Besucher herab. Fürstin Anita, seine Frau, hielt viel auf Tradition, sie hatte so gut wie nichts an dem Gutshof verändert, seit Onkel Reinhard vor einigen Jahren verstorben war.
»Fürst Klaus! Meine Güte, so ganz unangemeldet! Was für eine Freude!«, rief eine bekannte Stimme aus dem Hintergrund, und eine weißhaarige Bediente trat ihm entgegen. Es war Anna, die alte Wirtschafterin seines Onkels, die trotz ihres hohen Alters nichts von Ruhestand hören wollte.
»Anna! Ich freue mich, dich so gesund und munter wiederzusehen!«
Sie wehrte lächelnd ab. »Gesund ist was anderes, Fürst. In meinem Alter, da kommen halt die Zipperlein an allen Ecken und Enden zum Vorschein und man muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Aber bisher hat es mich noch nicht umgeworfen, das ist wahr.«
»Das wird sicher noch lange so bleiben, Anna«, meinte er schmunzelnd. »Ist die Fürstin anwesend?«
Über das Gesicht der Bedienten glitt ein Schatten, sie nickte jedoch und sagte: »Fürstin Anita ist auf dem Reitplatz. Sie hat vor ein paar Tagen eine Stute gekauft und versucht nun täglich, ihr Vertrauen zu gewinnen.«
»Dann werde ich mir den Neuzugang einmal anschauen«, meinte er fröhlich und wandte sich zum Ausgang.
»Aber wollen Sie denn nicht zuerst etwas zu sich nehmen, Fürst?«, rief ihm die Bediente nach. »Nach der langen Reise sind Sie sicher durstig und wohl auch hungrig.«
»Später, Anna. Stell nur schon alles bereit. Du weißt ja, was ich hier in Abbensen bevorzuge.«
»Die Fürstin wird sicher gleich hier sein, Sie könnten genauso gut auf sie warten und dabei einen Imbiss nehmen …«
Aber er war schon zur Tür hinaus und in den Wagen gestiegen, um zu den Stallungen hinauszufahren. Die alte Anna stand auf der Schwelle des Hauses und sah ihm nach. Es war während der letzten Jahren nicht gerade häufig vorgekommen, dass Fürst Klaus seine Frau Anita auf Abbensen besuchte. Das Paar lebte zwar nicht offiziell getrennt, doch ging jeder seine eigenen Wege, Kinder waren nach einem Reitunfall der Fürstin nicht mehr zu erwarten. Die Fürstin, die eine passionierte Reiterin war, bevorzugte Gut Abbensen wegen der Pferdezucht und der abgelegenen Lage – der Fürst lebte in München und betätigte sich dort als Sachverständiger eines großen Kunstauktionshauses. In der nunmehr fünfzehn Jahre währenden Ehe herrschte kühle Toleranz – man akzeptierte die Lebensart des Partners, ohne sie zu teilen. Das hinderte die beiden nicht daran, bei großen Anlässen als Paar aufzutreten und freundschaftlich miteinander umzugehen.
Die alte Anna hatte trotz allem noch die Hoffnung, dass Fürst Klaus und Fürstin Anita eines Tages wieder als Paar auf Abbensen leben würden. Waren sie nicht damals in den ersten Ehejahren verliebt und glücklich gewesen? Was einmal war, das konnte auch wieder sein. Nur heute standen die Zeichen dafür nicht günstig.
Fürst Klaus war heute in der Tat ungeduldig, Anita wieder zu sehen. Das Paar hatte zuletzt vor einem halben Jahr gemeinsam an einer Familienhochzeit teilgenommen und man hatte sich recht gut miteinander verstanden. Anita hatte lächelnd nach seinem vierzigsten Geburtstag gefragt und sie hatten beide über die Möglichkeit einer Midlifecrisis gescherzt, die sich nun einstellen könnte. Er hatte Anita damals bezaubernd gefunden, so fröhlich und ungezwungen wie lange nicht mehr. Man hatte sich gegenseitig versprochen, recht bald einen Besuch zu machen und er hatte sie sogar zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen. Aber Anita hatte abgesagt, eine schlimme Zahngeschichte hielt sie in Abbensen zurück.
Nun aber, da ihn sein Weg sowieso nach Hamburg zu einer Expertise führte, hatte er beschlossen, in Abbensen, das dicht bei Hannover lag, überraschend vorzusprechen.
Die Stallungen waren recht ausgedehnt, sie schlossen einen Sandplatz ein, auf dem regelmäßig trainiert wurde, daneben einen Rasenplatz, wo etliche Hindernisse aufgebaut waren. Er konnte schon von weitem Anitas helle Stimme hören, die den Stallknechten Anweisungen zurief. Lächelnd schritt er auf den Sandplatz zu, wo seine Frau einem dunkelbraunen Pferd verschiedene Gehorsamsübungen abverlangte.
»Soll ich den Schimmel jetzt satteln, Fürstin?«
Die Frage wurde von einem jungen Mann gestellt, der soeben aus dem Stall trat und den Fürst Klaus noch nie zuvor gesehen hatte. Offensichtlich ein neuer Angestellter, ein hochgewachsener junger Mensch, mit dichtem blondem Lockenhaar.
Fürstin Anita vollendete die angefangene Übung und wandte sich dann für einen Moment um: »Wenn du das allein schaffst, mein kleiner Rittmeister. Sonst muss ich kommen und dir dabei helfen.«
Sie lachte hell, und der junge Mann errötete. Etwas linkisch wandte er sich um und begab sich zu den Pferden. Die Fürstin fuhr mit ihrer Arbeit fort, aber der Beobachter konnte sehen, dass ein kleines, glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht zurückgeblieben war.
Fürst Klaus war hinter den Stall getreten. Ohne genau zu wissen weshalb, hatte er sich den Blicken seiner Frau entzogen. Er spürte eine plötzliche, tiefe Beklemmung, die die frohe Stimmung, in der er angekommen war, hinwegwischte. Warum? Was war an dem Gehörten so bedrückend?
Es war nichts Neues und auch nichts Unerwartetes. Anita hatte eine kleine Affäre mit einem Angestellten. Es war nicht das erste Mal, das solches geschah, auch er selbst hatte in München hin und wieder eine kurze Beziehung gehabt.
Solche Vorkommnisse hatten ihre Freundschaft bisher kaum Beeinträchtigt. Wie konnte er ihr auch zumuten, monatelang wie eine Nonne zu leben? Sie war gerade einmal achtunddreißig und strotzte vor Energie und Lebenskraft. Er beobachtete, wie sie abstieg und den Braunen in den Stall führte. Er hatte wenig Lust, sie dort aufzusuchen. Vielleicht wäre er unpassend gekommen.
Langsam ging er zu seinem Wagen zurück und fuhr zum Gutshof. Dort hatte Anna für ihn ein Frühstück gerichtet und er nahm es ein, ohne auf Anita zu warten. Nachdenklich betrachtete er durch die hohen Fenster den blühenden Garten, der noch genauso erhalten war, wie er in seiner Kindheit ausgesehen hatte. Er war Anita dankbar dafür, dass sie diese Familientraditionen achtete – auch sie hatte als kleines Mädchen in diesem Garten gespielt. Auf der Schaukel hatte sie damals gesessen in einem weißen Kleid, und er hatte vor allen anderen Jungen das Vorrecht gehabt, sie anzustoßen. Lange vorbei! Er stand auf und trat dicht an eines der Fenster.
Was hatte ihn da nur für eine merkwürdige Traurigkeit ergriffen? Anita hatte eine Affäre – was störte es ihn? Was hatte er sich überhaupt von diesem Besuch erwartet?
Er trank den Kaffee aus und schob den Teller zurück. Draußen hörte er Schritte, Anita trat ins Haus und nicht nur sie allein. Auch die Stimme des blonden Rittmeisters war zu vernehmen. Fürst Klaus wappnete sich – er würde die Situation mit gewohnter Gelassenheit meistern. Das war er sich schuldig.
*
Das Unwetter fegte Äste und helle Papiertüten über die Autobahn, Regen peitschte gegen die Scheiben des Wagens, der Fürst konnte kaum das Steuer festhalten, so griffen die Böen den Wagen von der Seite an. Er konnte sich nicht entsinnen, schon einmal in ein ähnliches Unwetter geraten zu sein.
Man konnte nicht schnell fahren, es hatte wenig Zweck, die Fahrt fortzusetzen. Er bog in eine Raststätte ein, stieg aus dem Wagen und kämpfte sich durch Regen und Wind bis zum Eingang des Selbstbedienungsrestaurants. Dort besorgte er sich einen Kaffee und ließ sich an einem der Tische nieder.
Nachdenklich sah er nach draußen, wo in der Dunkelheit einzelne helle Lichter vorüberglitten und hin und wieder ein Mensch mit hochgestelltem Kragen und vorgebeugtem Oberkörper dem Gebäude zustrebte. Fürst Klaus stellte fest, dass dieses Unwetter nicht schlecht zu seiner eigenen trüben Stimmung passte, ja, es war ihm lieber, dass Himmel und Erde um ihn herum tobten, als dass er durch eine sanfte, stille Sommernacht fahren musste.
Er rührte Zucker in seinen Kaffee und wollte gerade ins Grübeln geraten, als sich die Tür auftat und eine junge Frau in den Raum trat, einen unförmigen und völlig durchnässten Rücksack im Arm. Sie schüttelte sich wie eine nasse Katze, dann trat sie mit raschen Schritten in den Raum, sah sich um und wandte sich mit einer raschen Drehung nach links.
Die Kaffeetasse des Fürsten wurde von ihrem Rucksack mit kühnem Schwung quer über den Tisch auf einen Kübel mit künstlichen Pflanzen zugeschleudert. Erschrocken drehte sie sich um und ließ den Rucksack fallen. »Ach, du Schreck!«, rief sie und musste lachen. »Das tut mir riesig Leid. Ich hole Ihnen gleich einen neuen. Mit Milch und Zucker, ja?«
Sie hatte große dunkelblaue Augen und schwarze Wimpern, aber das war es nicht, was ihn faszinierte. Es war ihre impulsive Art, ihr spontanes Erschrecken, ihr fröhliches Lachen, und das selbstverständliche Angebot, dass sie sofort in die Tat umsetzte. Bevor er protestieren konnte, hatte sie zwei Tassen Kaffee bestellt und trug sie zu ihm an den Tisch.
»Das war nicht nötig«, meinte Fürst Klaus.
»Und wie das nötig war«, gab sie zurück und stellte den Kaffee vor ihn hin. »Haben Sie schon einmal solch einen Sturm erlebt?« redete sie drauflos und wies zum Fenster, hinter dem ein Busch sich im Wind hin und her bog. »Einfach riesig, so was. Ich hab’ versucht, mich mit ausgebreiteten Armen gegen den Wind zu lehnen. Und was soll ich Ihnen sagen?«
»Nun?«, fragte er schmunzelnd, weil sie ihn erwartungsvoll ansah.
»Ich bin nicht umgefallen.«
»Aber ganz schön nass geworden?«
Sie rührte Zucker und Milch in ihren Kaffee und nickte dabei. »Das allerdings. Aber das trocknet wieder.«
Er beobachtete, wie sie trank, genussvoll seufzte und sich die nassen Haarsträhnen aus der Stirn strich. Sie war ungewöhnlich hübsch, ein zierliches, schlankes Geschöpf, fast noch ein Kind, wie es schien, und doch voller sprühender Lebendigkeit und Energie. Sogar in nassen Kleidern behielt sie ihren Optimismus.
»Wo wollen Sie denn hinreisen?«
Sie war beschäftigt, in ihrer nassen Jackentasche zu graben, um dort noch einige Münzen zu finden. Darum antwortete sie nicht gleich. »Nach München. Aber Frankfurt ist auch okay. Oder wenigstens Köln.« Sie hielt jetzt drei kleine Geldstücke in der Hand, wie er sehen konnte waren es nur Centmünzen. Ihr Blick glitt über die Glasvitrinen mit den belegten Brötchen, aber sie begriff, dass sie zu wenig Geld hatte und steckte ihre Barschaft wieder ein.
Fürst Klaus war gerührt. Sie hatte ihm einen Kaffee bezahlt und nun hatte sie selbst kein Geld mehr, um sich etwas zu essen zu kaufen. Was für eine Träumerin.
»Darf ich Sie zu einem Imbiss einladen?«
Ihr Blick glitt einschätzend über ihn und sie schüttelte den Kopf. »Nett von Ihnen, aber ich mag das Zeug hier sowieso nicht.«
»Wenigstens noch einen Kaffee?«
Sie lachte und lehnte wieder ab. »Auf keinen Fall. Sonst hebe ich gleich ab. Ich trinke sonst eigentlich Tee. Aber der Tee in solchen Restaurants ist halt immer nur Beuteltee.«
Es gefiel ihm, dass sie sich nicht einfach aushalten ließ. Obgleich er gern etwas für sie getan hätte. Wie sich eine so junge Frau einfach einem völlig unbekannten Autofahrer ausliefern konnte? Wer weiß, wem sie in die Hände fallen würde; sie schien ziemlich unerfahren zu sein.
»Ich fahre nach München«, sagte er. »Wenn Sie mitfahren möchten – es ist Platz genug in meinem Wagen.«
Sie grinste freundlich und nickte. »Gern. Da habe ich ja richtig Glück gehabt. Mit dem Rucksack und dem Kaffee – das sollte wohl so sein.«
Sie lachte so ansteckend, dass er mitlachen musste. Er spürte, dass seine Traurigkeit verflogen war. Diese junge Frau strahlte einen solchen Optimismus aus, dass daneben keine trübe Stimmung Platz hatte.
»Ich heiße Tina«, sagte sie und reichte ihm mit komischer Feierlichkeit die Hand.
»Ich bin Klaus von Bornschein.«
»Oha! Alter Adel?«
»Ja, schon recht alt.«, schmunzelte er.
Das Wetter hatte kaum nachgelassen, sie mussten Regen und Wind die Stirn bieten um zum Wagen zu gelangen. Dort schloss er zuerst die Beifahrertür auf und ließ sie einsteigen, dann verstaute er den Rucksack im Kofferraum. Völlig durchnässt setzte er sich dann hinter das Steuer und fuhr sich mit dem Ärmel über das nasse Gesicht.
»Sie sind ein richtiger Gentleman«, sagte Tina in verändertem Ton. »Ich hätte mein Zeug doch selber verstauen können, dann wären Sie jetzt nicht so nass geworden.«
»Ach«, meinte er schmunzelnd, »das trocknet wieder.« Er schaltete die Heizung ein und startete den Wagen. Immer noch musste er gegen heftigen Seitenwind ansteuern. Die Autobahn war voller Wagen, die so langsam fuhren, als läge dicker Schnee auf der Fahrbahn.
»Also, ich mache alles, was Sie wollen«, erklärte sie heiter. »Wenn Sie Ruhe beim Fahren wollen, dann halte ich den Mund. Wenn Sie aber Unterhaltung brauchen, um nicht einzuschlafen, dann bin ich besser als ein Radio. Sie müssen nur sagen, was ansteht.«
»Radio«, gab er lächelnd zurück.
»Okay. Aber immer schön die Hände am Steuer lassen! Ich erzähle haarsträubend aufregende Sachen.«
Sie war eine hinreißende Erzählerin. Was auch immer sie berichtete, es stand so plastisch vor seinen Augen, als habe er es selbst erlebt. Dazu war es ungeheuer spannend, ihr Mienenspiel zu betrachten, die raschen Veränderungen in ihren Zügen, denn sie Menschen oder Erlebnisse beschrieb, die ausdrucksvollen Bewegungen der Hände. Fürst Klaus musste wirklich aufpassen. Wenn die Witterungsverhältnisse verlangten seine volle Konzentration auf den Verkehr.
Hinter Köln wurde das Wetter ruhiger, in der Nähe von Frankfurt fuhr er an eine Raststätte, um eine kleine Pause zu machen.
»Kommen Sie mit?«
Sie schüttelte den Kopf und behauptete, zu müde zu sein. Als er aus dem Restaurant mit einer Tüte voller Sandwichs und einem Becher Kaffee zurückkam, lag sie zusammengerollt auf der Rückbank und schlief mit rosigen Wangen wie ein kleines Mädchen.
Er stieg leise ein und bemühte sich, so sacht wie möglich zu fahren, damit sie nicht aufwachte.
*
Fürst Klaus fand es ungewöhnlich, dass ihm diese junge Frau nicht mehr aus dem Kopf ging. Midlifecrisis. dachte er. Anita hat Recht gehabt. Ich werde alt und fange an, mich für junge Mädchen zu interessieren – keine ungefährliche Sache.
Die ersten Tage nach seiner Ankunft in München versuchte er sich nach bewährter Weise mit einem großen Arbeitspensum abzulenken. Aber seine Taktik führte nur teilweise zum Erfolg. Sicher war er während der Arbeit bei seinen Kunden und im Auktionshaus mit anderen Gedanken beschäftigt, aber an den Abenden, wenn er in seiner Wohnung saß und zu seiner gewohnten Lektüre greifen wollte, wanderten seine Gedanken wie von selbst zu der jungen Frau zurück, die sich als »Tina« vorgestellt hatte und die er nicht vergessen konnte.
Sie hatte unter anderem auch eine Menge über sich selbst erzählt, und er hatte darin so viele Ungereimtheiten gefunden, dass er ins Grübeln gekommen war. Angeblich hatte sie fünf Semester Kunstgeschichte studiert, dann aber das Studium aus irgendeinem Grund abgebrochen und seitdem jobbte sie sich durchs Leben. Als er sie nach dem Grund des Studienabbruchs fragte, erklärte sie, es sei eine »Familienangelegenheit« gewesen. Irgendwie habe es sie »aus der Bahn gehauen«, sie habe einfach keine Lust mehr auf Studieren gehabt.
Er hatte nicht nach ihrer Familie fragen wollen, schließlich ging es ihn nichts an. Nur vage hatte er dann einiges über sich selbst berichtet, über seine Arbeit und ganz am Rande, dass er verheiratet sei. Sie hatte sich für diese Tatsache wenig interessiert, war aber hellauf begeistert, als sie hörte, dass er für »Kufsteiner & Winter« arbeitete und Expertisen über mittelalterliche Gemälde und Skulpturen anfertigte. Gerade darüber habe sie an der Universität einige Veranstaltungen besucht, mittelalterliche Mariendarstellungen seien ihr Spezialgebiet gewesen.
Auch das war erstaunlich, es passte wenig zu ihrer lebhaften, ungestümen und unbefangenen Art. Und auch nicht zu dem, was sie momentan tat. Sie erklärte, ihr Geld als Bedienung im »Grünen Kaktus« zu verdienen, das sei eine Bar in Schwabing. Ob er dort schon einmal gewesen sei? Als er verneinte, meinte sie, er müsse unbedingt einmal vorbeikommen.
Was für ein Ansinnen! Er hatte zuletzt eine Bar betreten, als er Anfang zwanzig war und mit ein paar Freunden ausgezogen war, um, München zu erobern. In seinem Elternhaus hatte man ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass ein Prinz sich durchaus einmal – wie sein Vater es nannte – die »Hörner abstoßen« konnte, doch sollte es bei solchen Aktionen auf keinen Fall zu einem Skandal kommen. Fürst Klaus hatte sich damals die Wünsche seiner Eltern zu Herzen genommen, kurz darauf wurde seine Verlobung mit Prinzessin Anita von Bodenheim bekannt gegeben.
Hatte er seine Jugend verpasst? Im Vergleich zu Freunden und Verwandten seines Alters hatte er früh geheiratet und während der ersten Jahre seiner Ehe niemals irgendeine Affäre gehabt. Erst später, als das gegenseitige Desinteresse immer deutlicher wurde, gestattete auch er sich hier und da eine kleine Liebschaft. Allerdings waren diese Passionen ihm niemals wirklich nahe gegangen, noch nie zuvor hatte er sich über eine dieser Frauen den Kopf zerbrochen.
Der »Grüne Kaktus« war eine jener Bars, in denen das Leben erst ab zwei Uhr in der Nacht erwachte, wo hübsche Mädchen Männer zum Bestellen teurer Spirituosen verführten und man in verschwiegenen Ecken mit einem dieser Mädchen verschwinden konnte. Er wusste dies von Kollegen, selbst war er noch niemals dort gewesen.
Er brachte diese Dinge nicht zusammen. Dieses fröhliche, offene Wesen, das Interesse für mittelalterliche Marienbilder und auf der anderen Seite arbeitete sie in einem solchen Etablissement. Was sie dort tat, darüber wollte er nicht weiter nachdenken. Eine so hübsche junge Frau konnte in München rasch unter die Räder kommen.
Fürst Klaus stellte voll Erstaunen fest, dass ihm das Schicksal dieser jungen Frau am Herzen lag. Obgleich er sie nur ein paar Stunden lang erlebt hatte. Als er sie gegen Morgen in München weckte, hatte sie ihn völlig verschlafen und reizend verwirrt angeblinzelt.
Er hatte ihren Rucksack aus dem Kofferraum gehoben, hatte ihr zum Abschied die Hand reichen wollen. Tina jedoch war ihm unbekümmert um den Hals gefallen.
»Das war riesig nett von Ihnen«, hatte sie gesagt und ihn geküsst. »Danke für alles. Ich hoffe, wir sehen uns einmal wieder. Sie wissen ja: ›Grüner Kaktus‹. Okay?«
Er war überrascht von ihrem Ungestüm gewesen, gleichzeitig hatte er es rührend gefunden, denn die Umarmung hatte eher einem Vater und Beschützer gegolten, als einem Mann. Er hielt sie einen Moment lang fest.
»Grüner Kaktus? Und wann?«
»Jede Nacht ab zwei, vorher ist dort nix los.«
»Ich will sehen, was sich machen lässt. Die nächste Zeit habe ich beruflich viel zu tun …«
»Wann immer Sie Zeit haben. Ich würde mich freuen.«
Ihre Augen sahen in der Morgendämmerung fast schwarz aus und ihr Gesicht war rosig vom Schlaf. Es war etwas ungemein Zärtliches und Unschuldiges in ihrer Umarmung, etwas, das er glaubte, lange nicht mehr gespürt zu haben.
Und doch bediente sie in einer Bar, war vermutlich eine jener Frauen, die dort kaum bekleidet herumliefen und die Gäste zum Trinken animieren sollten.
Er konnte mehrere Nächte nicht schlafen, quälte sich mit einem Buch bis zum Morgengrauen und fiel dann in einen unruhigen Schlaf, aus dem der Wecker ihn viel zu früh herausholte. Todmüde stand er auf, um seine Termine wahrzunehmen, fuhr oft viele Kilometer mit dem Wagen in abgelegene Ortschaften, um dort in Gutshöfen oder Adelssitzen Kunstgegenstände zu begutachten, die von ihren Besitzern aus welchen Gründen auch immer veräußert werden sollten. Fürst Klaus verrichtete freudlos seine Arbeit. Er hätte ebenso gut auf seinem Familiensitz, Schloss Petersberg am Rhein, sitzen, nach den Gärten sehen, Spaziergänge durch die Weinberge unternehmen und Bücher lesen können.
Als er um die Mittagszeit in einem kleinen Café zu Apfeltorte und Tee einkehrte, hörte er plötzlich hinter sich das unbefangene, frohe Lachen einer jungen Frau. Er glaubte es zu erkennen und musste sich bemühen, seine Aufregung zu verbergen. Langsam und wie ohne Absicht wandte er sich um: Eine fremde dunkelhaarige Frau saß dort mit einem jungen Mann bei Kakao und Kirschwaffeln. Sie lachten über einen Witz, den der junge Mann erzählt hatte.
Er spürte, dass es keinen anderen Weg gab als Tina zu suchen. Er konnte ihr nicht mehr entkommen, sie hatte eine Saite in ihm angerührt, die nicht aufhören wollte zu klingen.
*
Am Anfang hatte Tina es im »Grünen Kaktus« recht gut gefallen. Sie war »die Neue« in der Bar, alle Männer flogen auf sie und sie hatte keine Probleme damit gehabt. Man musste nur deutlich machen, was ging und was nicht ging – und das von vornherein. Lachen, Spaß haben, ein Küsschen auf die Wange, ein wenig schmusen – das war okay. Etwas anderes nicht. Punktum. Der Job war eine Möglichkeit, rasch und gut zu verdienen, weiter nichts. Und weiter hatte sie auch nichts gewollt. Was vorher gewesen war, das zählte nicht mehr, weder das, was schön gewesen war, noch die schlimmen Dinge, die sie später eingeholt hatten. Vor allem die wollte sie so rasch wie möglich vergessen.
Tina hatte sich gleich in den ersten Tag mit Lore angefreundet und war schließlich bei ihr eingezogen. Lore war abends in der Bar die Lauteste, neulich hatte sie tatsächlich auf dem Tisch getanzt. Zu Hause war sie ganz anders. Eine ordentliche Hausfrau, kein Stäubchen lag auf dem Teppich, die Küche immer sauber und aufgeräumt, im Bad spiegelten die Kacheln. Dabei konnte Lore kochen wie eine Profi-Köchin. Manchmal kauften sie gemeinsam ein, dann kochte Lore ein Menü mit mehreren Gängen, das einem Fünfsternerestaurant alle Ehre gemacht hätte, und sie saßen beide stundenlang am Tisch, redeten, aßen und lachten. Lore konnte eine gute Freundin sein, eine, der man sich anvertrauen konnte, und auch Lore erzählte Dinge, die ihr auf der Seele lagen.
Tina hatte einige Tage gezögert, dann wusste Lore auch über ihre Begegnung mit »einem echten Fürsten« Bescheid.
»Mensch, Tina! Das ist deine Chance! Zieh den Typ an Land!«, regte sie sich auf. »Der ist garantiert märchenhaft reich.«
»Verheiratet ist er, Lorchen«, meinte Tina sachlich.
Lore zuckte die Schultern. »Na und? Das weiß doch jeder, dass man in solchen Kreisen allein aus politischen Gründen heiratet. Wie alt ist er? Um die vierzig? Na, da wird die Liebe auch nicht mehr so frisch sein. Der steht auf dich, Tina! Sonst hätte der dich nicht mitgenommen und dir auch noch etwas zu essen gekauft.«
Tina hatte selbst häufig darüber nachdenken müssen. Warum war dieser zurückhaltende und doch so sympathische Mann auf die Idee gekommen, sie mitzunehmen? Aus Fürsorge? Warum sonst, er hatte keinen einzigen Versuch unternommen, sie anzufassen. Er hatte sie einfach nur mitgenommen, wahrscheinlich, weil sie so nass und hungrig ausgeschaut hatte – wie ein Vöglein, das aus dem Nest gefallen war.
»Wenn du nicht so dämlich gewesen wärest, könntest du jetzt schon in einem Schloss sitzen und jeden Tag teuerste Klamotten und Juwelen haben. Warum hast du nichts mit ihm angefangen?«
»Aber er wollte nichts von mir!«
Lore fing an zu lachen. »Kind, was bist du lebensfremd. Der wollte ganz bestimmt. Aber weil er zu den schüchternen Typen gehört, hat er nicht gewusst, wie er es anfangen soll. Solchen Männern muss man ein wenig auf die Sprünge helfen, Mädchen …« Tina schüttelte den Kopf.
»Ich fand es schön so, verstehst du? Richtig schön. Ich habe mich in seinem Wagen so sicher und geborgen gefühlt. Ich hab’ sogar stundenlang geschlafen …«
»Wie in Abrahams Schoß. Amen«, unterbrach sie Lore ironisch.
»Wahrscheinlich hast du in dieser Nacht die Chance deines Lebens verpennt.«
Nachdenklich sah Tina zum Fenster hinaus, wo die Bäume schon die ersten gelben Blätter zeigten. »Er wollte kommen …«, murmelte sie. »Er hat nur momentan viel zu tun.«
Lore zuckte die Schultern und öffnete ihren Kleiderschrank, denn es war Zeit, sich für die Arbeit fertig zu machen.
»Das sagen sie alle«, meinte sie und zog ein frisch gebügeltes Oberteil aus dem Schrankfach. »Was meinst du? Soll ich heut’ mal in rot gehen?«
»Rot ist die Liebe«, witzelte Tina.
»Wo du Recht hast, hast du Recht«, gab Lore trocken zurück und zog das enge, weit ausgeschnittene Oberteil an.
Im »Grünen Kaktus« war um Mitternacht noch recht wenig los. Die Mädchen saßen an einem der Tische und schwatzten, der Barkeeper polierte seine Gläser und hielt sie immer wieder gegen das Licht. Jimmy, der Chef, saß abseits in einer Nische und unterhielt sich mit einem Bekannten. Als einige Gäste erschienen, schwärmten die Mädchen aus, um ihre Arbeit zu tun. Sofort wurde es an der Bar lebhaft, es wurden Getränke bestellt, laute Unterhaltung drang durch den Raum, einer der Gäste war bereits jetzt sturzbetrunken.
»Wo ist denn die Tina?«, lallte er. »Wegen der Tina bin ich extra gekommen und nun ist sie nicht da!«
Tina hatte wenig Lust, sich um den lästigen Typen zu kümmern, aber ein wachsamer Blick ihres Chefs deutete an, dass es Zeit war, ins Geschehen einzugreifen. Sie stand vom Tisch auf und ging langsam auf die Theke zu, wo der Gast auf einem Hocker saß und gerade Sekt für alle bestellt hatte.
»Bisschen kurzsichtig, wie?«, stellte sie grinsend fest und setzte sich neben ihn. »Na? Schweren Tag gehabt?«
Der Typ legte den Arm um sie und strahlte vor Zufriedenheit. Tina spürte seinen Alkoholatem und musste sich große Mühe geben, heiter und gelassen zu bleiben.
»Mensch, Mädchen, wenn du wüsstest, wie oft ich an dich gedacht hab«, lallte er und legte den Kopf an ihre Schulter. »Trink mal ’n Schluck.«
Sie nippte an dem Glas, das er ihr hingeschoben hatte und begann, ihm eine heitere Story zu erzählen. Es war nicht ganz einfach, seine Aufmerksamkeit durch Reden zu fesseln, denn er war viel zu betrunken, um den Sinn zu begreifen. Er hatte nur eine Sache im Sinn, seine Hand kroch unter ihr Shirt und suchte dort ungeschickt herum. Tina klopfte ihm energisch auf die Finger und prostete ihm fröhlich zu.
»Auf uns alle!«
Er nahm das Glas und glotzte sie an, gleich würde er vom Stuhl kippen. »Auf dich, Tina!«
Als er wieder den Arm um sie legte und sie dichter an sich zog, ging die Tür auf und ein neuer Gast trat ein. Tina erkannte ihn im Spiegel, der hinter der Theke hing und sie erschrak. Es war Fürst Klaus.
»He, was ist mit dir?«, nörgelte ihr betrunkener Verehrer.
»Bin gleich wieder da, Süßer.« Sie löste sich geschickt aus seiner Umklammerung und glitt vom Hocker. Der Fürst stand immer noch am Eingang, er hatte sie erkannt, doch machte er keine Miene, näherzutreten. Tina begriff, dass er sie in zärtlicher Pose mit dem Betrunkenen gesehen hatte, und sie schämte sich plötzlich für das, was sie hier tat. Wahrscheinlich dachte er jetzt, sie würde mit allen diesen Männern ins Bett gehen und auf diese Weise ihr Geld verdienen. Es war nicht die Wahrheit, aber wie sollte sie ihm das deutlich machen? Sie lief auf ihn zu und lächelte ihn an.
»Ich wusste, dass Sie kommen würden!«
Er hörte, wie ehrlich ihre Freude war, und sie sah beglückt, dass ein froher Zug in sein Gesicht trat. Auch er lächelte, wenn auch nicht unbefangen.
»Wir können uns dort hinten hinsetzen und ein wenig plaudern«, schlug sie vor. »Wenn es Ihnen Recht ist.«
»Sehr sogar. Für die Theke bin ich nicht der Typ. Viel zu laut und zu unruhig.«
Hinter ihnen erhob sich Lärm, denn Tinas Verehrer wollte sich sein Mädchen nicht so einfach abspenstig machen lassen. Aber Lore war auf Zack. »He, Süßer«, flirtete sie und drängte sich dicht an ihn heran. »Warum bist du denn so kühl zu mir? Was hat sie, was ich nicht habe?«
Der Betrunkene murrte noch herum, er sei nur wegen Tina hier, ließ sich dann aber beruhigen und spendierte noch eine Runde Sekt. Der Chef grinste Lore anerkennend zu und Lore war einen Moment lang glücklich. Nachher würde sie mal fünf Minuten zu ihm rübergehen, denn sie hatte sich unsterblich in Jimmy verliebt.
»Ich hätte Sie fast nicht erkannt«, gestand Fürst Klaus. »Damals im Rasthaus sahen Sie ganz anders aus.«
Tina wurde rot. Sie trug einen superkurzen schwarzen Rock und ein Oberteil mit freizügigem Ausschnitt. Aber sie zuckte die Schultern und bemühte sich, gelassen zu sein. »Berufskleidung. In Jeans und T-Shirt kann ich hier nicht ankommen. Und auch nicht ohne Kriegsbemalung.«
Sie lachte, als er ihr versicherte, sie sähe sehr hübsch aus. »Wenn ich ehrlich bin, dann haben Sie mir allerdings im Rasthaus besser gefallen«, bekannte er.
»Da war ich müde, habe gefroren wie ein Schneider und nass war ich auch«, meinte sie kopfschüttelnd.
»Und so was gefällt Ihnen?«
»Sie wissen, was ich meine oder?«
Sie senkte den Kopf und nickte. Natürlich wusste sie, wovon er sprach. Es gefiel ihr sehr, dass er so mit ihr redete. Ernsthaft und ohne Flirt. Aber dennoch regte sich in ihr ein gewisser Trotz. Einer, der einen Adelstitel hatte, einen einträglichen Job und noch dazu Schloss und Besitzungen und was nicht noch alles – der konnte gut reden.
»Ich muss schließlich Geld verdienen, oder?«
Er sah ihr in die Augen, und sie spürte, dass er viel mehr von ihr begriff, als sie wahrhaben wollte.
»Es gibt andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, Tina. Warum haben Sie ihr Studium nicht beendet?«
»Meine Mutter ist gestorben.«
Es war etwas in ihrem Ton, dass Fürst Klaus veranlasste aufzuhorchen, eine unausgesprochene Bitte, die Grenze zu beachten. Er verstand, wollte nicht weiter in sie dringen. Sie schien ihre Mutter sehr geliebt zu haben. Vermutlich hatte sie nach deren Tod nicht mehr die Mittel gehabt, ein Studium zu finanzieren.
»Ich würde Ihnen gern eine Chance geben«, sagte er vorsichtig. »Was halten Sie davon, bei ›Kufsteiner & Winter‹ zu arbeiten?«
Mit großen, erstaunten Augen sah sie ihn an. »Aber … aber ich kann nicht einmal einen Computer bedienen … Und einen Studienabschluss habe ich auch nicht …«
»Das weiß ich.« Er lächelte. »Aber ich würde versuchen, etwas für Sie zu finden. Wenn Sie das wollten …«
Wieder begegneten sich ihre Blicke und beide spürten, dass da etwas war, das sie anzog, und sie musste aufpassen, nicht den Halt zu verlieren.
»Ich will schon«, sagte sie leise.
»Aber ich bin nicht sicher, ob ich es schaffe …«
Er fasste ihre Hand und drückte sie fest, als wollte er ein gegebenes Versprechen bekräftigen. »Geben Sie mir Ihre Nummer, ich rufe morgen an.«
»Das passt dir wohl, hier mit meinem Mädchen rumzumachen?«
Erschrocken sah Tina auf. Vor ihr stand der betrunkene Gast, der sich inzwischen auch von Lores intensiven Bemühungen nicht mehr abhalten ließ. Er musste sich zwar am Tisch festhalten, aber er war immer noch stimmgewaltig.
»He, du bist hier auf dem falschen Dampfer«, sagte Tina zornig. »Dort drüben steht dein Mädchen, klar?«
Der Betrunkene kniff die Augen zusammen und schwankte so übel, dass er fast gefallen wäre.
»Du bist mein Mädchen, Tina!«, sagte er. »Und du kommst jetzt mit mir. Weil ich das so will.«
Tina spürte, wie ein riesiger Zorn sie überkam. Drüben sah der Chef mit misstrauischen Augen zu ihnen hinüber; der Betrunkene war ein guter und stets spendabler Gast. Es galt, ihn zur Vernunft zu bringen, ohne viel Ärger dabei zu provozieren. Normalerweise eine leichte Übung. Der Typ war so besoffen, dass ein weiteres Glas genügen würde, ihn zum Kippen zu bringen.
Aber Tina hatte gerade jetzt keine Lust, diesem widerlichen Typen zu schmeicheln, ihn zum Trinken zu überreden, sich von ihm anfassen zu lassen.
»Setz dich hin, sonst kippst du gleich um«, sagte sie kurz angebunden.
»Du hast wohl nicht ganz kapiert!«, begehrte der Mann auf und griff sie am Arm. Im gleichen Moment wurde er jedoch energisch an der Schulter gepackt und auf einen Stuhl gedrückt. Verblüfft und benommen blieb der Betrunkene sitzen und glotzte den Fürsten an, der immer noch lächelnd vor ihm stand.
»Ganz ruhig bleiben, mein Freund. Sehen Sie: Die junge Dame ist mit mir verabredet. Und ich mag keine Einmischungen, wenn ich mich unterhalte.«
Fürst Klaus wandte sich ohne den Mann weiter zu beachten an Tina: »Machen Sie mir die Freude, Sie nach Hause begleiten zu dürfen?«
Sie sah aller Augen auf sich gerichtet und spürte, dass dies eine Entscheidung war. »Gern«, sagte sie. »Ich hole nur meine Jacke.«
*
»Du hast ja den Verstand verloren!«
Lore hielt sich beide Hände auf die Schläfen vor Verzweiflung. So naiv zu sein, das konnte wirklich nur Tina passieren.
»Ich glaube, dass es so richtig ist«, beharrte die, während sie im Schlafanzug auf ihrem Bett hockte und Knäckebrot mit Schnittkäse knabberte.
»Ein dummes Huhn bist du!«, regte sich Lore auf. »Ins Messer läufst du, das ist alles. Außerdem machst du mit dem Knäckebrot dein ganzes Bett voller Krümel.«
Tina interessierten diese Warnungen wenig.
Lore ging in die Küche, um einen Teller zu holen. Dazu brachte sie auf einem Tablett eine Flasche Orangensaft, Gläser, Servietten und eine Rolle Schokokekse. »Jetzt leg das Zeug schon auf den Teller. Ich kann Krümel im Bett nicht sehen«, bat sie.
»Ach, Lorchen. Es ist doch bloß mein Bett. Du und dein Putzfimmel!«
Lore seufzte und öffnete die Packung mit den Schokokeksen. »Du und deine naive Lebenseinstellung!«, erwiderte sie bekümmert. »Merkst du denn nicht, was der Typ vorhat?«
»Er will mir einen Job besorgen, das ist doch okay, oder?«
Lore biss erstmal in den Keks und dachte nach. Wie sollte sie ihrer Freundin die Taktiken verheirateter Männer in Bezug auf junge Frauen nur klarmachen? »Abhängig machen will er dich, Mädel. Wenn du erst bei dieser Firma arbeitest, hat er dich in der Hand. Er ist da, eine große Nummer, verstehst du nicht? Ein Wort von ihm und du fliegst.«
Tina schaute sie ungläubig an. »Das ist doch Quatsch. Warum sollte er mir einen Job besorgen, wenn er mich gleich wieder rauswerfen will? Du redest Schwachsinn, Lore.«
»Kein Schwachsinn. Natürlich will er dich nicht gleich wieder rauswerfen, dein feiner Fürst. Nicht, solange du seine Wünsche erfüllst.«
Tina schob das letzte Stück Knäckebrot in den Mund und griff nach der Keksschachtel. »Ach nee! Und was sollten das für Wünsche sein?«, fragte sie angriffslustig.
Lore hielt das für eine rhetorische Frage. »Was schon? Du darfst dir deine Kohle selber verdienen, und der Herr kehrt ab und zu – wenn seine Gattin weit weg ist – bei dir ein. Kein Schloss und keine teuren Klamotten. Strengste Diskretion eingeschlossen. Hast du keine Lust oder vielleicht sogar einen anderen Freund – dann ist dein Job weg. So schaut das aus, wenn’s fertig ist, meine Liebe«, erklärte Lore eindringlich.
Tina grinste ungläubig und kaute den zweiten Keks. »Fragen Sie Frau Lore, was? Du würdest eine hervorragende Zeitschriftentante abgeben. Die moralisch wertvolle Beratung für Jungfrauen und solche, die es werden wollen.«
»Du kannst glauben, was du willst, Tina. Aber meiner Erfahrung nach läuft der Hase in diese Richtung.«
Tina seufzte tief und nahm den dritten Keks in Angriff. Vielleicht hatte Lore ja Recht. Vielleicht war sie nur auf einen Adelstitel und ein wenig Taktik hereingefallen. Der zurückhaltende Kavalier, der Wohltäter, der sie aus dem zweifelhaften Etablissement befreit, um sie zu seiner Geliebten zu machen. Mein Gott, es war ja wohl nicht das erste Mal, dass so etwas passierte.
»Ich kann das einfach nicht glauben«, seufzte Tina. »Du hast ihn doch auch gesehen. Ich denke immer, dass er so ehrlich und aufrichtig ausschaut. Ein richtiger Kavalier. Er hat mich beschützt und nach Hause begleitet.«
Lore machte eine wegwerfende Handbewegung. Die Kekse gingen langsam zur Neige – aber sei’s drum. Die Hauptsache war, dass Tina zur Vernunft kam. »Nach Hause begleitet. Sehr schön …«, murmelte sie.
»Ja. Er hat mich mit seinem Wagen bis vor die Haustür gefahren.«
Lore kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Und dann?«
»Nichts«, gab Tina mit ernstem Gesicht zurück. »Überhaupt nichts. Wir haben uns verabschiedet, und er hat versprochen, morgen anzurufen.«
Lore schüttelte den Kopf. Ihrer Kalkulation nach hätte er in diesem Moment zumindest ein zartes Küsschen auf die Wange riskieren müssen. Oder einen feurigen Handkuss. Typen, die den aufrichtigen Kavalier spielten, gingen fast immer so vor.
»Also, komisch ist das schon«, murmelte sie. »Da gibt’s zwei Möglichkeiten.«
»Du liebe Güte!« Tina stöhnte. »Verschone mich mit deinen Mutmaßungen.«
»Also, entweder ist er impotent oder schwul«, meinte Lore mitleidslos.
»Vielleicht ist er einfach nur ein wertvoller Mensch.«
Lore lachte auf. »Mein liebes Mädchen. Wertvolle Menschen kannst du mit der Laterne bei helllichtem Tage suchen. Und ich schwöre dir, dass ich im ›Grünen Kaktus‹ davon noch keinen einzigen gesichtet habe.«
Seufzend legte Tina die leere Keksschachtel beiseite und begab sich ins Bad, um die Zähne zu putzen.
Danach kroch sie in ihr Bett, was Lore zu einem leichten Schauder veranlasste. Nicht einmal die Krümel hatte Tina herausgefegt.
»Schlaf gut«, sagte Lore sanft. »Morgen schaust du, ob du im ›Grünen Kaktus‹ noch etwas kitten kannst. Der Chef war stocksauer, das kannst du glauben. Unseren besten Kunden hast du verschreckt. Noch dazu wegen einem, der nicht einmal ein müdes Wasser bestellt hat.«
»Der ›Grüne Kaktus‹ kann mir den Buckel herunterrutschen«, knurrte Tina, die sich fest in ihre Decke eingewickelt hatte.
»Schlaf dir Verstand an, Mädel!«, gab Lore zurück, sammelte das Geschirr zusammen und trug es in die Küche.
Tina hatte kaum die Augen geschlossen, da war sie schon fest eingeschlafen. Erst gegen Morgen, als das Sonnenlicht durch die Jalousie blitzte, erwachte sie. Er will heute anrufen, dachte sie und spürte, dass sie unruhig war. Drüben in Lores Schlafzimmer war noch nichts zu hören, die Freundin schlief meist bis gegen Mittag, kein Wunder wenn man bis vier Uhr in der Nacht gearbeitet hatte.
Tina stand leise auf und zog die Jalousie hoch. Ein wundervoller Spätsommertag begrüßte sie mit heiterem Himmel und Sonnenstrahlen, die in den Fenstern der gegenüberliegenden Häuser aufblitzten. Sie rieb sich die Augen und hatte das Gefühl, etwas Unangenehmes sei geschehen. Nachdenklich ging sie ins Bad, duschte und lief im Bademantel in die Küche, um die Kaffeemaschine anzuwerfen. Was konnte es nur sein, das sie so belastete? Das Wetter jedenfalls nicht, es war ein absoluter Bilderbuchtag.
Klaus von Bornschein, murmelte sie. Fürst Klaus von Bornschein … Fürst Klaus … Da war er, der Schatten, der sich über ihr Gemüt gelegt hatte. Ein Unglück, das sie im Begriff war zu wiederholen. Ein Irrtum, eine betrogene Hoffnung, eine unglückliche Liebe und das Ende, das so bitter gewesen war.
Sie hatte ihre Mutter sehr geliebt. Was auch immer die Leute im Dorf über sie geredet hatten, Tina hatte zu ihrer Mutter gehalten, hatte mutig Antworten gegeben, wenn jemand etwas Schlimmes über die Mutter gesagt hatte. Nur das Gerede hinter ihrem Rücken, dagegen konnte man sich nicht wehren. Daran war die Mutter zu grunde gegangen. Daran und an ihrem Kummer, den sie mit Wein und Schnaps zu ertränken versucht hatte. Vielleicht letztlich auch, weil die Tochter die letzten Jahre so weit entfernt gewesen war, in München studierte und in den Semesterferien Exkursionen und Reisen gemacht hatte. Tinas Mutter hatte nur ihre Tochter gehabt, sonst keinen Menschen auf Erden.
Die Nachricht vom Tod der Mutter, hatte Tina in Italien erreicht, wo sie mit einer Gruppe Studenten Besichtigungen unternommen hatte. Per Anhalter war sie nach Deutschland zurückgefahren, gerade rechtzeitig zur Beerdigung auf dem kleinen Dorffriedhof angekommen. Dort hatte der junge Pfarrer fast alleine gestanden, nur zwei alte Frauen und die Sargträger waren gekommen. Alle anderen waren daheim geblieben, missgünstig und hasserfüllt bis über den Tod hinaus.
Niemand hatte sie trösten wollen, als sie in dem kleinen, halb verfallenen Haus gestanden hatte, inmitten der Dinge, die ihr seit der Kindheit so vertraut waren und die nun in völliger Verwahrlosung herumlagen. Die Mutter hatte Schulden gemacht, um ihr das Studium und die Reisen bezahlen zu können. Das Haus und alles was darin war, gehörte längst nicht mehr ihr. Tina hatte ein paar Fotos mitgenommen, alles andere hatte sie liegengelassen. Sie hatte dort nichts mehr zu suchen gehabt.
»So geht’s halt, wenn man sich mit so einem einlässt«, hatte ein Nachbar gesagt, als sie aus dem Haus trat. In diesem Dorf wurde nichts vergessen.
Tina seufzte und füllte den Kaffee in die Tasse. Warum kam ihr das alles gerade heute wieder in den Sinn? Es war jetzt fast ein Jahr her, und sie hatte gedacht, es längst überwunden zu haben. Was kümmerte sie noch das blöde Dorf? Sollten die doch zum Teufel gehen mit ihrer Hartherzigkeit und ihrer Bosheit.
Sie hockte sich auf den Boden neben das Fenster und schaute in den großen Kirschbaum, der im Garten stand. Warum sollte er ihr keinen Job besorgen? Bei »Kufsteiner & Winter« zu arbeiten, das wäre doch großartig. War sie ihm dafür etwa irgendwie verpflichtet? Was für ein Blödsinn. Wenn sie ihre Arbeit gut machte, dann würde sie ihr Geld auf eine Weise verdienen, die sinnvoller und angenehmer war als das, was sie bisher tat.
Und wenn Lore Recht hatte? Wenn er tatsächlich vorhatte, sie zu seiner Geliebten zu machen? Nun, sie würde vorsichtig sein. Wenn er mit so etwas anfing, dann war eben Schluss. Sie würde dem Job keine Träne nachweinen, wenn sie ihn durch so etwas verliere. Sie musste den Kopf oben behalten, das war wichtig. Sie würde schon wieder etwas anderes finden.
Tina trank die Tasse leer und stellte sie vor sich auf den Boden. Was machte sie sich überhaupt für unnötige Gedanken? Vielleicht rief er überhaupt nicht an.
Sie schrak zusammen, weil das Telefon genau in diesem Moment ihre Gedanken Lügen strafte. Wo war das dumme Teil nun wieder? Immer ließ sie das tragbare Telefon irgendwo herumliegen. Im Bad? Nein.
Im Flur? Auch nicht. Es würde doch nicht bei Lore im Schlafzimmer sein?
Nein, es lag doch im Flur neben der Kommode auf dem Boden. Keine Ahnung, wie es dort hingekommen war.
»Tina Strecker.«
»Guten Morgen. Ich hoffe, ich rufe nicht zu früh an.«
Es war seine Stimme. Sie spürte: wie es sie warm durchrieselte. »Überhaupt nicht. Tut mir Leid wegen gestern. Dieser Typ war schrecklich.«
»Nicht weiter schlimm. Ich denke, Sie sind das letzte Mal dort gewesen, Tina.«
»Das denken Sie?«
Er schien verunsichert durch ihre Gegenfrage.
»Ich hatte Ihnen doch versprochen, mich im Auktionshaus für Sie zu verwenden. Das habe ich heute früh getan. Mit Erfolg.«
Sie spürte, wie ihr Atem kürzer wurde. »Es hat wirklich geklappt?«, sagte sie leise. »Und was werde ich zu tun bekommen?«
»Ich würde es Ihnen gern an Ort und Stelle zeigen, Tina. Könnten Sie in einer Stunde hier bei ›Kufsteiner und Winter‹ sein?«
»Muss ich da im grauen Kostüm und weißer Bluse aufkreuzen?«, fragte sie besorgt.
Sie hörte, dass er leise vor sich hinlachte. »Jeans und T-Shirt werden es auch tun.«
*
Schon lange hatte der Fürst nicht mehr so viel Vergnügen an einer dienstlichen Reise gehabt. Es lag eindeutig an seiner Begleitung. Neben ihm im Wagen saß jene junge Frau, die er endlich nach längerem Zögern und einigen Verhandlungen für sich gewonnen hatte. Tina war von »Kufsteiner & Winter« zur Probe angestellt worden und man war überein gekommen, dass er sich während dieser Probezeit um sie kümmerte.
»Die nächste Abfahrt und dann immer in Richtung Bingen halten.«
»Alles klar. Sie sind eine ausgezeichnete Führerin, Tina.«
Sie lachte und klappte den Autoatlas zu. Um sie herum verteilt, lagen verschiedene Keksschachteln, eine leere Coladose, ein Schlüsselbund und anderes mehr.
Er konnte sich nicht erinnern, dass in seinem gepflegten und stets peinlich sauberem Wagen jemals solch eine Unordnung gewesen war. Aber es stimmte ihn heiter. Vielleicht war es das, was ihm gefehlt hatte: Ein wenig Unordnung in seinem so eintönigen, geregelten Leben.
»Karten lesen kann ich ganz gut!«, bestätigte sie. »Bloß wenn ich dann keine Karte habe, dann komme ich in Schwierigkeiten.«
»Keine Sorge. Ich habe den Instinkt eines Zugvogels. Irgendwie ist mir immer klar, in welche Richtung wir fahren müssen.«
Sie lachte fröhlich und meinte, damit würden sie beide ja gut zueinander passen.
»Das glaube ich auch.«
»Soll ich erzählen?«
»Bitte. Ich freue mich schon darauf.«
»Irgendwelche besonderen Wünsche?«
Einen Augenblick lang war Fürst Klaus versucht, sie nach ihrer Mutter zu fragen. Aber er unterließ es. Es war zu früh. Irgendwann, wenn sie Vertrauen zu ihm gefasst hatte, würde sie es ihm von selbst erzählen. »Was immer Ihnen in den Sinn kommt«, sagte er daher.
Sie erzählte heitere Begebenheiten aus der Zweisamkeit mit ihrer Freundin Lore, die angeblich einen grässlichen Putzfimmel hatte und außerdem eine ganz großartige Freundin war. Nur, dass sie sich ausgerechnet in diesen Jimmy verliebt hatte, das konnte ja nicht gut gehen. »Wo die Liebe eben so hinfällt«, witzelte sie.
Dann hielt sie inne weil das Rheintal vor ihnen lag und sie von der Schönheit dieser Landschaft überwältigt war. Im Talgrund glitzerte der Fluss wie ein silbriges breites Band, zu beiden Seiten stiegen dunkelgrüne und leicht rötlich gefärbte Weinberge empor, die sich weithin über die Hänge hinzogen, bis hinauf in die äußersten Spitzen des Schiefergesteins. Hier und da stand ein weißes, von der Sonne beschienenes Gebäude in den Weinbergen. Eine kleine Kapelle ragte hervor, ein Türmchen aus grauem Gestein, das an mittelalterliche Zeiten gemahnte.
»Ist das nicht ein Traum?«, schwärmte sie. »Was für ein Licht! Was für Farben – man könnte hineintauchen und darin untergehen, in lauter warmen, leuchtenden Farben!«
Er lächelte über ihre Begeisterung. Wie oft war er hier unterwegs gewesen, hatte die Landschaft zwar mit Wohlgefallen, aber dennoch eher flüchtig gesehen, weil er mit den Gedanken längst bei seiner Arbeit gewesen war. Nun begriff er, wie viel ihm entgangen war. Diese junge Frau in ihrer unbefangenen, spontanen Art sah die Welt mit dem Staunen eines Kindes. Und sie zeigte ihm damit, dass Glück auf so einfache Weise erlangt werden konnte: Man musste nur die Augen öffnen und sich auf die Schönheiten dieser Erde einlassen.
Er hielt den Wagen in einer Ausbuchtung der Straße an und betrachtete mit Tina gemeinsam das sonnenbeschienene Tal. Immer neue Einzelheiten entdeckten sie dabei, machten sich gegenseitig auf Türmchen, Schiffe oder besonders geformte Felsen aufmerksam und mutmaßten, dass an dieser Stelle wohl schon so mancher Wanderer gestanden haben mochte, der den gleichen Anblick genossen hatte.
»Wie einfach das heute ist, nicht wahr? Früher musste man eine solche Landschaft auf Schusters Rappen erobern«, meinte Tina nachdenklich.
»Oder in einer Reisekutsche, durchgeschüttelt, zwischen anderen Reisenden eingeklemmt«, fügte er hinzu.
»Schon. Aber die wohlhabenden Herren, die hatten immer schon bequeme Kutschen mit eigenen Pferden, nicht wahr?«
Er nickte und beobachtete ihre Züge. Sie hatte diesen Satz mit einem besonderen Unterton gesprochen. Ähnlich jenem, den sie bei der Erwähnung ihrer Mutter angeschlagen hatte. Es musste da etwas in ihrer Vergangenheit geben, das sie vor ihm verbarg. Etwas, das in irgendeiner Weise gegen ihn gerichtet war.
»Wir sollten jetzt weiterfahren damit wir nicht zu spät kommen.«
Tina nickte und ließ die Fensterscheibe wieder hochfahren, dann befestigte sie das lange Haar, mit dem der Wind gespielt hatte, wieder am Hinterkopf und lächelte ihm dabei zu. »Ihr Kunde ist wahrscheinlich ein ziemlicher Kunstbanause, stimmt’s?«, fragte sie.
»Ich kenne ihn nicht«, meinte er vorsichtig. »Er hat vor einigen Monaten das Anwesen seiner Eltern geerbt und möchte einige Bilder veräußern.«
Sie gab sich damit nicht zufrieden. »Aber er hat doch am Telefon gesagt, er wolle renovieren und den ganzen alten Plunder loswerden. Das haben Sie doch erzählt.«
Er musste zugeben, dies gesagt zu haben. Dennoch könne man den junge Mann doch nicht gleich vorverurteilen, vielleicht seien die Bilder ja tatsächlich nicht viel wert.
»Dann würde er damit bestimmt nicht zu ›Kufsteiner & Winter‹ gehen, sondern zum Müllcontainer.«
»Vermutlich. Aber dennoch müssen wir höflich sein, Tina. Das gehört zu unserer Arbeit.«
Sie lachte ihr unbekümmertes Kinderlachen. »Sie werden gleich sehen, wie höflich ich sein kann«, versprach sie.
Er war ein wenig besorgt, als sie die enge Fahrstraße zum Anwesen seines Kunden hinauffuhren. Es handelte sich um einen alten Adelssitz, ein Gebäude, das aus dem Mittelalter stammte und seitdem immer wieder renoviert und verändert worden war, bis es so viele Stilepochen in sich vereinigte, dass niemand mehr sagen konnte, welcher es eigentlich angehörte. Fürst Klaus fuhr den Wagen durch das gemauerte Eingangstor, dessen verschnörkelte, schmiedeeiserne Flügel weit offen standen. Der hübsche Innenhof war arg vernachlässigt, Kisten und Kartons standen herum, ein Container, in dem Schutt und anderes gesammelt wurde, etliche Autoteile rosteten in einer Ecke zwischen hohen Unkräutern vor sich hin. Das Auffälligste war aber ein roter Sportwagen, der unter der alten Linde stand und einen unnatürlich harten Farbfleck vor den alten Steinmauern abgab.
»Romantisch!«, murmelte Tina und fing einen belustigten Seitenblick ihres Begleiters auf.
Sie stiegen aus dem Wagen und hatten Mühe, die Türglocke in Betrieb zu setzen. Offensichtlich war die Stromversorgung nicht in Ordnung, schließlich benutzte Fürst Klaus den großen Türklopfer, der in Gestalt eines dicken Bronzerings, von einem Löwenmaul gehalten, an der Tür befestigt war.
»Da kommt jemand.«
Ein junger Mann im hellen, leicht zerknitterten Anzug öffnete die Tür, musterte die Ankömmlinge voller Misstrauen, dann hellten sich seine Züge auf. »Kommen Sie vom Auktionshaus?«, wollte er wissen.
»Ganz recht. Klaus von Bornschein ist mein Name, dies ist meine Kollegin, Frau Strecker.«
Der junge Mann fuhr sich mit der Hand über das schlecht rasierte Kinn, als er Tina sah und schien leicht verlegen, wegen des knittrigen Anzugs. Er trat vom Eingang zurück, um die beiden Gäste eintreten zu lassen.
»Herzlich willkommen. Treten Sie doch näher. Leider ist hier alles in Unordnung. Sie verstehen, ich lasse das Anwesen gerade renovieren. Genauer gesagt, ich bin bei der Planung einer solchen Renovierung. Hier zum Beispiel, wird ein großzügiger Raum mit einer Glaskuppel darüber entstehen. Wahrscheinlich lasse ich einen Pool einbauen und ein Solarium. Mit Grünpflanzen und allem, was so dazugehört.«
Er machte eine unbestimmte Geste in die Eingangshalle hinein, die noch die gotische Gewölbedecke hatte, von dorischen Säulen gestützt. Tina entdeckte auf den ersten Blick einige Gemälde, die schon von den Wänden abgehängt worden waren und verstaubt an der Mauer lehnten.
»Und diese Sachen wollen Sie verkaufen?«
Er nickte und beeilte sich, ihr beim Zurechtrücken eines der Bilder behilflich zu sein. Es war eine Mariendarstellung, die leider schon unter der Feuchtigkeit des alten Gebäudes gelitten hatte, dennoch aber wunderschön war.
»Eine Mariengeburt«, sagte Tina entzückt. »Das schaut nach Ende des fünfzehnten Jahrhunderts aus. Wahrscheinlich – ein unbekannter Meister. Aber ein Könner. Schauen Sie doch, wie prächtig er das Interieur dieses Raumes gemalt hat. Die Tapete allein ist ein kleines Kunstwerk in goldenen Ornamenten vor schwarzem Grund.«
Der junge Mann hatte nur kurz auf das Bild geschaut, dann war sein Blick zu Tina zurückgekehrt. »Wenn es Geld einbringt, bin ich zufrieden«, prahlte er. »Darf ich Sie beide zu einer kleinen Erfrischung einladen? Sekt? Wein? Nein? Wenigstens eine Limonade oder eine Tasse Kaffee?«
»Ein Kaffee wäre nicht schlecht«, meinte Tina unbefangen, während der Fürst die Gemälde mit Sachkenntnis musterte. Er war überrascht von Tinas Urteil, sie hatte vollkommen Recht. Die übrigen Gemälde, die im Raum standen, waren Familienportraits, alle von hervorragenden Künstlern gemalt, keines davon war jedoch mit der Mariendarstellung zu vergleichen.
»Ich habe momentan leider kein Personal, aber ich denke, einen Kaffee bekomme ich hin«, meinte der junge Mann.
»Dann komme ich am besten mit in die Küche«, entschied Tina spontan. »Sonst dauert es zu lange.«
Verblüfft sah der Fürst den beiden jungen Menschen nach, die in einer Seitentür verschwanden und ihn mit den Gemälden in der Halle zurückließen. Er lauschte auf die Stimmen, die durch die oben gebliebene Tür drangen, hörte Tinas helles Lachen, ihr fröhliches Plaudern und ein beklommenes Gefühl breitete sich in ihm aus.
Was bildete er sich da ein? Sie war jung und gehörte zu ihren Altersgenossen. Dieser junge Mensch, der weder Kenntnisse noch Charakter zu haben schien, war ihr hundertmal näher als er, Fürst Klaus, ein vierzigjähriger Mann, der noch dazu seit fünfzehn Jahren verheiratet war. Wie war er nur auf die Idee gekommen, ein so junges Geschöpf an sich zu binden?
Dabei brauchte er ihre Frische, ihre jugendliche Unbefangenheit, ihre Fröhlichkeit, um seinen eigenen Lebensüberdruss zu überwinden. Aber was konnte er ihr bieten? Einen sicheren Job? Einige Kenntnisse? Ein wenig Schutz vor den Unbillen der Welt? Ach, all das konnte sie doch überall finden.
Er hörte den jungen Mann laut auflachen, gleich darauf stimmte Tina ein. Eifersucht stieg in Fürst Klaus auf. Er hatte kein Recht auf dieses Gefühl, das wusste er. Aber es war da und beherrschte ihn. Und da entschied er, dass er um sie kämpfen würde. Warum auch immer? Er brauchte diese junge Frau. Er konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
Tina erschien mit einem Tablett in Händen, auf dem Kaffeetassen und eine Kanne standen. Prinz Klaus erkannte auf den ersten Blick, dass es sich um Meißner Porzellan handelte, alte Stücke, die in Sammlerkreisen hervorragende Preise erzielen würden. Aber das sah er nur nebenbei, viel wichtiger war ihm Tinas Gesichtsausdruck. War sie von diesem jungen Menschen geblendet, gar in ihn verliebt?
Er war erleichtert, als er den ironischen Zug um ihre Mundwinkel entdeckte. Sie machte sich über diesen Menschen lustig, das war offensichtlich. Es war alles in Ordnung. Warum war er nur so misstrauisch? So unsicher?
»Kaffeepause, Herr Sachverständiger«, verkündete Tina heiter. »Es gibt sogar Milch und Zucker dazu, und wenn wir uns gut benehmen auch einen Schuss Cognac.«
»Letzteres wäre mir um diese Tageszeit noch zu früh«, gab Fürst Klaus lachend zurück. »aber eine Tasse Kaffee ist eine sehr gute Sache.«
Sie stellte das Tablett auf einen kleinen Steinsockel, goss ein und reichte beiden die gefüllte Tasse. Fürst Klaus konnte nicht umhin, die Tasse so zu fassen, dass er dabei ihre Finger berührte. Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte, also gab es eine Spannung zwischen ihnen. War es Ablehnung? War es Erwartung? Er trank einen Schluck und versuchte, seine gewohnte Ruhe wiederzufinden.
»Die Gemälde sind alle von guter bis hervorragender Qualität«, erklärte er dem aufgeregt lauschenden jungen Mann. »Es gibt jedoch Unterschiede. Den höchsten Preis würde ohne Zweifel die Mariengeburt erzielen.« Er nannte Zahlen, die jedoch nur Anhaltspunkte waren, der wirkliche Erlös in einer Auktion war von vielen Faktoren abhängig, nicht allein vom künstlerischen Wert.
»Gerade in diesem Fall würde ich jedoch einen Mindestpreis veranschlagen, unter dem Sie das Gemälde auf keinen Fall veräußern sollten. Es wäre ein Jammer.«
Der junge Mann schluckte seinen Kaffee und nickte zu den Ausführungen des Fürsten. Vermutlich standen ihm die Schulden bis zum Hals. Es war vorauszusehen, dass er alle Bilder ohne Rücksichten auf ihren wirklichen Wert losschlagen würde, Hauptsache, es kam Geld herein.
»Wir werden – falls es Ihnen Recht ist – die Gemälde dann morgen abholen, damit sie in der nächsten Auktion am Samstag angeboten werden können.«
»Wunderbar. Ich bedanke mich.«