Gamemaker - Unsere Erlösung - Kresley Cole - E-Book

Gamemaker - Unsere Erlösung E-Book

Kresley Cole

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Beschreibung

"Gamemaker - Unsere Erlösung": Der letzte Teil der dreiteiligen Chapter-by-Chapter-Veröffentlichung des Mega-Bestsellers aus den USA!


Alexander Sewastian weckt eine Leidenschaft in Natalie, von der sie vor ihrer Reise nach Russland nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Er liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab, und doch gelingt es Natalie nicht, emotional zu ihm durchzudringen. Natalie weiß, dass sie eigentlich so schnell es geht von Sewastian loskommen muss, und doch verliert sie sich mit jedem Tag mehr in dem unnahbaren Sibirier. Dabei wird ihr schmerzlich bewusst, wie gefährlich es werden kann, wenn auch die dunkelsten Wünsche in Erfüllung gehen ...

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Inhalt

Titel

Über dieses Buch

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Epilog

Anmerkung der Autorin

Über die Autorin

Impressum

KRESLEY COLE

Gamemaker

Unsere Erlösung

Ins Deutsche übertragen

von Bettina Oder

Über dieses Buch

Alexander Sewastian weckt eine Leidenschaft in Natalie, von der sie vor ihrer Reise nach Russland nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Er liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab, und doch gelingt es Natalie nicht, emotional zu ihm durchzudringen. Natalie weiß, dass sie eigentlich so schnell es geht von Sewastian loskommen muss, und doch verliert sie sich mit jedem Tag mehr in dem unnahbaren Sibirier. Dabei wird ihr schmerzlich bewusst, wie gefährlich es werden kann, wenn auch die dunkelsten Wünsche in Erfüllung gehen …

33

Kurz vor neun Uhr wurde ich damit fertig, mir das Haar hochzustecken. Dann überprüfte ich mein Erscheinungsbild noch einmal im Wandspiegel.

Das Kleid war einfach exquisit. Die Perlenstickerei war raffiniert und asymmetrisch, und das Muster wand sich meinen Körper hinauf und lenkte die Aufmerksamkeit dabei nacheinander auf den hohen Schlitz an meinem rechten Bein, auf meine runden Hüften und schließlich auf meine Brüste, die beinahe in voller Pracht zu bewundern waren.

Zuerst hatte ich gedacht, dass mir das Oberteil zu klein wäre, doch dann war mir klar geworden, dass es durchaus beabsichtigt war, dass meine Möpse oben herausquollen. Der Anhänger, den er mir geschenkt hatte, lag direkt auf meinem Dekolleté.

Dieser Look schrie natürlich nach Make-up, also hatte ich Lippenstift, Mascara und sogar ein wenig schimmernden Lidschatten aufgelegt, der meine Augenfarbe betonte. Dann hatte ich ein Selfie von meinem Aufzug geschossen und Jess geschickt. Sie hatte mich als heiße Braut bezeichnet. Sich selbst bezeichnete sie als heteroflexibel und überaus interessiert an einer aufregenden Begegnung mit üppigen Rothaarigen mit Sexappeal.

Trotzdem hatte ich Hemmungen, mich dermaßen aufgebrezelt in der Öffentlichkeit zu zeigen, da ich mich noch nie so angezogen hatte. Ich hatte ja auch keine Ahnung, wohin Sewastian mich ausführen oder ob er mich überhaupt ausführen würde. Vielleicht gehörte meine Aufmachung auch nur zu irgendeiner seiner Fantasien.

War ich nervös? Und ob. Diese Karte hatte mich ganz schön erschreckt. Doch dann erinnerte ich mich daran, was ich mir gewünscht hatte: unsere dunkelsten Wünsche zu erforschen – gemeinsam.

Mann, war ich bereit.

Außerdem war sein Zugeständnis ein Zeichen dafür, dass er zumindest versuchte, mich glücklich zu machen. Ich war bereit, alles, was er mir gleich zeigen würde, als Paartherapie zu betrachten, als Teambuilding für zwei –

Sewastian erschien in der Tür zu unserem Zimmer. Ich holte hörbar Luft, als ich seine atemberaubende Erscheinung wahrnahm.

Er trug einen einreihigen Smoking, offensichtlich maßgeschneidert. Die Jacke betonte seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust. Der Stoff wirkte extrem kostspielig, wenn der Schnitt auch konservativ war.

Dezente Accessoires – Manschettenknöpfe ohne Edelsteine, ein Einstecktuch aus dunkler Seide mit einem unauffälligen Muster, eine klassische Krawatte – vervollständigten das faszinierende Ensemble.

Beim Anblick seines glatt rasierten Gesichts juckte es mich in den Händen, die harten Linien zu liebkosen.

An diesem Abend trug er nur einen seiner Ringe, diesen sexy Daumenring. Zusammen mit seinen Tattoos bildete er einen mutigen Kontrapunkt zu der Eleganz des restlichen Outfits.

Sogar im Smoking war er immer noch mein Straßenkämpfer. Dieser Mann war auf dem besten Wege, der Meine zu werden. Schließlich unternahm er nun Schritte – wenn auch seltsame und geheimnisvolle –, um unsere Beziehung voranzutreiben.

Vielleicht würde er mit der Zeit auch etwas Tiefergehendes für mich empfinden können.

Er musterte mein Erscheinungsbild genauso begeistert wie ich seins. »Gespannte Erwartung steht dir«, murmelte er schließlich. Er trat zurück, um mich vom Kopf bis zu den Zehen betrachten zu können. »Ja potrjasjon.« Ich bin am Ende.

»Ich könnte dasselbe sagen.«

»Komm.« Als er mir die Hand auf die Hüfte legte, um mich die Treppe hinabzugeleiten, konnte ich die Hitze seiner Handfläche sogar durch den Perlenbesatz des Kleides hindurch fühlen. War er nervös? Oder nur so begierig?

»Wohin gehen wir überhaupt?«

»Zuerst zu Abend essen.«

Dann würden wir das Haus also verlassen, und ich sah aus wie Jessica Rabbit. Na, von mir aus. Mich zu sehen, heißt mich zu lieben, ihr kleinen Scheißer da draußen. »Und dann?«

»Geduld«, murmelte er, während er mir sanft in die Hüfte kniff.

Er half mir in eine elegante neue Stola – schon wieder Pelz, Sibirier? – und dann in unsere wartende Limousine. Als wir losfuhren, kam eine leichte Anspannung zwischen Sewastian und mir auf. Ich hatte keine Ahnung, was er dachte oder fühlte. Doch als ich mich in dem Kleid bewegte, sodass mein Strumpf durch den Schlitz zu sehen war, öffnete sich sein Mund, und er atmete hörbar aus.

Unser Ziel war ein schickes Restaurant namens Plaisirs. Die Gäste hatten sich mächtig in Schale geworfen – doch sogar sie verstummten und starrten Sewastian an, als wir vorbeigingen, und überall schwebten Gabeln voller Essen in der Luft. Sie starrten sogar mich an.

Das Landei aus Nebraska hat sich ganz schön rausgeputzt. Ich fühlte mich immer selbstbewusster, drückte die Schultern durch und hob das Kinn, was Sewastian zu gefallen schien.

Das Abendessen – am vermutlich besten Tisch des Hauses – war eine leichte, sinnliche Angelegenheit. Hummer, saftige Früchte, köstliche Trüffel, Petits Fours. Der Wein war so göttlich, dass ich nicht aufhören konnte, mir die Lippen zu lecken.

Sewastian bestellte einen Wodka mit Eis, den er dann nicht anrührte.

Ich war gerade beschwipst genug, um zu fragen: »Wenn du nicht trinkst, warum hast du ihn dann bestellt?«

Er stieß hörbar einen Atemzug aus, als ob er gewusst hätte, dass die Frage früher oder später kommen würde. Seine Antwort lautete: »Mein Vater war Alkoholiker. Ich will keiner werden.« Mal wieder typisch, diese Tiefstapelei. »Aber in Russland …«

»… gehört Alkohol bei so vielen Dingen einfach dazu?«

»Genau. Vielleicht tue ich es, um meine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen.«

Er hatte mir etwas anvertraut! Mein Herz flatterte ein wenig. Wir bewegten uns in die richtige Richtung. Und mit einem Mal ergab auch sein Kommentar Sinn, wie ironisch es sei, dass ausgerechnet er billigen Fusel schmuggelte. »Ist dein Vater noch am Leben?«

»Njet.« Hartes Nein. »Das ist ein Thema, über das ich lieber nicht rede.« Dann wurde sein Ton gleich wieder sanfter. »Jedenfalls nicht ausgerechnet heute Abend.«

»In Ordnung. Also … ein kleiner Hinweis darauf, wohin du mich als Nächstes bringst?«

»Das wirst du schon bald sehen.«

»Okay, Sibirier.« Ich zügelte meine Neugierde und nahm einen weiteren Schluck Wein, während sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen.

»Du bist … glücklich bei mir.« Er klang überrascht.

»Sehr.«

»Weil du glaubst, du hättest gewonnen. Dass ich vor dir kapituliert habe.«

Ich stellte mein Glas ab. »Nicht alles ist ein Spiel, Sewastian. Vielleicht will ich ja, dass wir beide gewinnen.«

»Und warum warst du dann mit mir zufrieden?«

»Weil du mir zugehört hast. Du hast eingestanden, dass mir in unserer Beziehung etwas gefehlt hat, und ich glaube, dass du vorhast, mir dieses Etwas heute Abend zu schenken. Du bemühst dich, und das lässt mich für die Zukunft hoffen.«

»Und vorher hattest du nichts als Zweifel?« Ein gefährliches Glitzern erschien in seinen Augen.

»Sewastian, es liegt an dir, ob ich Zweifel hege. Das hast einzig und allein du in der Hand.«

»Wenn du es so ausdrückst, klingt es einfach. Aber du musst wissen, dass dieser Abend für mich alles andere als einfach ist.«

Und trotzdem zog er es durch. »Ich verstehe.«

Er runzelte die Stirn. »Du erwartest viel von mir. Auf sehr vielen Gebieten unseres Lebens. Aber vielleicht … erkenne ich nicht alles, was eine junge Frau braucht.«

Was sollte ich denn mit diesem merkwürdigen Geständnis anfangen? Dann erinnerte ich mich aber, dass er abgesehen von Sex nicht viel Erfahrung mit Frauen hatte. Er hatte nie eine Beziehung gehabt, hatte keine Geschwister – also auch keine Schwestern – und auch keine Mutter mehr, seit er dreizehn oder sogar jünger war.

Kannte er sich mit dem Körper einer Frau aus? Zehn von zehn möglichen Punkten. Aber mit ihrem Kopf? Nicht unbedingt.

In trockenem Tonfall erwiderte ich: »Von jetzt ab werde ich immer deutlich sagen, was ich brauche. Du weißt schon – versuchen, bei dir nicht mehr die Schüchterne, Zurückhaltende zu spielen.«

Seine Miene verwandelte sich, er wirkte fasziniert; wieder so, als ob ich ein Geschöpf wäre, das er nie zuvor in der Wildnis gesehen hätte.

Wir starrten einander eine ganze Weile an, während ich versuchte, mir seine Gedanken vorzustellen. Ob er versuchte, die meinen zu entschlüsseln?

Schließlich zwang er sich, den Blick abzuwenden, um auf die Uhr zu schauen. Dann gab er dem Oberkellner ein Zeichen, gab ihm eine Anweisung auf Französisch, und er kam prompt mit meiner Stola und einem kleinen Kästchen zurück. Ich konnte mich nicht erinnern, dass Sewastian vorhin an der Tür so ein Kästchen abgegeben hätte.

Ich drehte mich zum Eingang, doch Sewastian nahm meinen Arm. »Hier entlang.« Das Kästchen in der Hand, führte er mich in den hinteren Teil des Restaurants, an den anderen Tischen vorbei … und dann durch eine Hintertür auf eine Gasse mit Kopfsteinpflaster.

»Stimmt etwas nicht?«, flüsterte ich. »Hast du eine Bedrohung gesehen?« Es wird doch wohl nicht irgend so ein Mafioso wagen, mir meinen Traumabend zu verderben …

»Nein. Wir gehen jetzt zu unserem nächsten Ziel«, verkündete er mit geheimnisvoller Miene.

»Oh.« Die Erregung in mir wurde neu entfacht. »Und was ist in dem Kästchen?«

Er sah sich um. »Ich nehme an, du kannst es jetzt bekommen.« Er reichte es mir.

Strahlend riss ich es auf, und darin befand sich die fantastischste Maske, die man sich vorstellen kann. Sie war aus leuchtend grünem Stoff, der perfekt zu meinem Kleid passte, und die Ränder waren mit Steinen besetzt, die echte Smaragde sein mussten.

An den Seiten weitete sie sich zu einer Art Schmetterlingsflügeln aus Seide. Unter den schrägen Ausschnitten für die Augen bildete der Stoff einen Schnörkel, einen spitz zulaufenden Flügel.

»Die ist einfach umwerfend, Sewastian!« Bereitwillig drehte ich ihm den Rücken zu, als er Anstalten machte, sie mir umzubinden. »Ist das für einen Maskenball?« Im letzten Roman aus Jess’ umfangreicher Sammlung, den ich gelesen hatte, einem historischen Liebesroman von einer Autorin mit einem merkwürdigen Vornamen, hatte es einen Maskenball für Kurtisanen gegeben. Die französische Heldin und ihr schottischer Held hatten teilgenommen, und es war zu allerlei Unanständigkeiten gekommen. »Gehen wir auf einen Ball?«

»Gewissermaßen«, murmelte Sewastian.

Ehe ich ihn wegen seines seltsamen Tonfalls befragen konnte, hatte er schon die Maske zugebunden und mich umgedreht, sodass er mir ins Gesicht sehen konnte.

»Du bist unvergleichlich«, sagte er mit solcher Ernsthaftigkeit, dass ich rot anlief.

Wer könnte einem solchen Mann widerstehen?

Eine bessere Frau als ich?

Dann zog er eine pechschwarze Dominomaske aus Seide aus seiner Tasche und band sie sich um.

Mein Verstand … war vorübergehend … wie leer gefegt.

Sobald mein Gehirn stotternd wieder in Gang kam, machte sich ein ganzer Wirrwarr von Gedanken darin breit. Sexy. Gefährlich. Heiß wie Lava. Spontaner Orgasmus.

Er könnte unmöglich noch verruchter aussehen. »Komm mit.«

Während er mich weiterführte, blickte ich immer wieder verstohlen in sein Gesicht.

»Es ist nicht mehr weit, Kleines.«

Ich war vor Neugier schier außer mir, während wir uns auf das Ende der nebligen Gasse zubewegten und das Klappern meiner Absätze von den Wänden widerhallte.

»Hier.« Er hielt vor einem geschwungenen eisernen Tor an, das aussah, als ob es noch aus dem Mittelalter stammte.

»Was ist dahinter?«

»Unser Ziel.« Er hob den Riegel und öffnete das Tor. Dann führte er mich in einen feuchten Tunnel. Eine Fackel erleuchtete den Weg vor uns.

»Äh, wir gehen da rein?«

»Hast du’s dir anders überlegt?«

Ich hatte es ja so gewollt. Bei diesem Mann musste ich jederzeit auf den freien Fall vorbereitet sein. »So leicht wirst du mich nicht los, Sibirier.«

War da ein Anflug von Überraschung in seiner Miene zu sehen? Hatte er gedacht, ich würde mich drücken? Oder es gehofft?

»Gib mir wenigstens einen Hinweis, wohin wir gehen.«

»Es ist ein Ort, an dem ich schon gewesen bin.«

Während wir dem Tunnel folgten, wurde mir langsam klar, dass wir immer weiter hinabstiegen, unter die Stadt. Ich hatte von den Katakomben unter den Straßen von Paris gelesen und brannte darauf, meine Umgebung genauer zu erkunden, doch er führte mich immer weiter.

Vor uns lag eine kreisförmige Kammer mit weiteren Fackeln. In der Mitte sprudelte ein Brunnen, Flammen tanzten über die Wasseroberfläche. Feuerschein flackerte über die gerundeten Wände, beleuchtete Mosaiken, die wollüstige Satyrn und Jungfrauen beim Koitus zeigten. Durch die Flammen sah es so aus, als ob sich die Satyrn bewegten, als ob sie wirklich zustießen.

Neben einem offiziell aussehenden Eingang befand sich ein Messingschild, auf dem vier Worte eingeprägt waren:

Le libertin

club privé

Ich murmelte ihm zu: »Ist das eine Art … Sexclub?« War Sexclub nicht ein Synonym für Swingerclub? Mir wurde schwindelig. Die Vorstellung, ihn zu teilen – oder selbst geteilt zu werden –, ließ mich innehalten.

»Hat dich etwa der Mut verlassen?«, fragte er. Natürlich hatte er meine Anspannung bemerkt.

»Ich will nicht, dass einer von uns mit einem anderen zusammen ist.«

Er drängte mich gegen die Mauer unter einer der Fackeln. Der Feuerschein legte sich auf sein Gesicht; hinter der Maske sahen seine Augen wie flüssiges Gold aus. »Du bist meine Frau. Meine. Und ich habe schon sehr früh im Leben gelernt, nicht zu teilen, was mir gehört. Glaubst du denn, ich würde zulassen, dass dich ein anderer berührt?«

Ich hob das Kinn. »Ich werde dich genauso wenig teilen.«

Das schien ihn zu erfreuen. »Dann sind wir uns ja einig. Irgendwelche anderen Grenzen, die ich kennen sollte?«

Ich dachte, er wolle sich über mich lustig machen, also verdrehte ich nur die Augen und murmelte: »Bring mich einfach in diesen verdammten Club, ehe ich noch vor Neugier sterbe.«

Drinnen begrüßte uns eine Frau hinter einem großen Schreibtisch. Auch sie trug ein Abendkleid und eine Maske – die einer Eule. Auch wenn diese einen Teil ihrer Gesichtszüge verbarg, waren ihre olivfarbene Haut, ihre geschmeidige Figur und dunklen Augen faszinierend. »Willkommen«, sagte sie mit deutlichem französischem Akzent, als sie mir aus meiner Stola half. Sobald sie diese aufgehängt hatte, sagte sie zu Sewastian: »Folgen Sie mir bitte zu Ihrem Séparée, Monsieur S.«

Wie oft war Sewastian schon hier gewesen?

Er antwortete etwas auf Französisch und geleitete mich dann weiter, seine besitzergreifende Hand wieder auf meine Hüfte gelegt. Während wir ihr durch eine Arkade folgten, waren immer deutlicher Fetzen lebhafter klassischer Musik zu hören. Wir näherten uns einer Doppeltür, die von Dienern in Livree flankiert wurde. Sie gewährten uns Eintritt, ohne eine Miene zu verziehen.

Hinter der Tür lag ein prächtiger Ballsaal mit hoch aufragender Decke, gefüllt mit festlich gekleideten Gästen.

Wir sind hier nicht in Nebraska, Leute.

Riesige Blumenarrangements erfüllten die Luft mit ihrem Duft. Kostbare Tapisserien, die weitere sinnliche Szenen darstellten, zierten die Wände. Passende Statuen von Venus – die aussahen, als ob sie in ein Museum gehörten – flankierten einen beeindruckenden Treppenaufgang, auf dessen Stufen lebende menschliche Standbilder mit golden bestäubter Haut Kerzenleuchter hielten, um den Weg zu erhellen.

Die dekadenten Samtstoffe, die Bahnen aus Seide und überhaupt die ganze von Kerzen erleuchtete Herrlichkeit vermittelten mir das Gefühl, mitten in einen französischen Kostümfilm hineingeplatzt zu sein. Endlich fand ich meine Stimme wieder und murmelte: »Wie alt ist dieser Ort?«

»Jahrhunderte.«

Anstelle dieses einen Wortes hätte er mir genauso gut eine Adrenalinspritze verpassen können. Ah, die Geschichte – ich atmete sie tief ein. Im Bemühen, mir jedes einzelne Detail einzuprägen, gaffte ich hemmungslos alles an.

Als wir durch die Gruppen attraktiver Partygäste schritten, fiel mir auf, dass alles sehr gesittet zuging. Es wurde getrunken und gelacht und geflirtet, aber nichts unterschied sich von dem, was man in einem normalen Club sehen würde.

Bildete ich mir das nur ein oder zogen wir eine Menge neugieriger Blicke auf uns? Sewastian schien sich darüber immer mehr aufzuregen.

»Was ist los?«, fragte ich ihn.

»Sie glauben, du seiest verfügbar. Dass du nicht zu mir gehörst.«

»Warum?«

»Weil du kein Halsband trägst.«

… dir ein Halsband umlegen und dich behalten. »Ähm, das ist echt heiß – auf eine total grauenhafte Art und Weise.« Aber hey, schließlich war das alles doch nur ein Spiel, alles Fantasiegespinste und seidene Dekadenz, richtig? Als mir auffiel, dass in der Tat viele der Frauen Halsbänder trugen, fragte ich ihn mit vorgetäuscht schmollender Stimme: »Warum hab ich denn kein Halsband?«

Er meinte es ernst, als er mir antwortete. »Du hast dir noch keins verdient.« Gerade als ich aufbrausen wollte, fügte er hinzu: »Und ich habe mir nicht das Recht verdient, dir eins umzulegen.« Er wirkte so aufgewühlt hinter seiner Dominomaske.

Ein durchtrainiert aussehender Mann mittleren Alters stellte sich uns in den Weg. Er trug eine Elefantenmaske mit übertrieben langem Rüssel. Sehr subtil, Junge, wirklich seeeehr subtil. Gerade als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, warf Sewastian ihm seinen typischen Killerblick zu – den, bei dem sich erwachsene Männer in die Hose machten.

Wir wurden kein zweites Mal aufgehalten.

Die Eulenfrau wartete am Fuß der großen Treppe. Wir folgten ihr in die erste Etage und durch einen Korridor, der von Gaslampen beleuchtet wurde.

»Wohin gehen wir, Sibirier?«

»Geduld«, mahnte er.

Nicht gerade meine Stärke. Schließlich war Ungeduld eine Schwester der Neugier.

Mir kam ein Gedanke. »Warum hast du eine Schmetterlingsmaske für mich ausgesucht?« Unter all den Tieren, die zur Wahl standen.

»Meinst du denn, es müsste einen Grund geben?«

»Ich meine, dass du nichts ohne Grund tust.«

»Vielleicht gab es auch einen …«

»Da sind wir.« Die Frau blieb vor einer unauffälligen Tür stehen. Sie schloss auf, und wir traten ein.

Ein kunstvoller, mit Kerzen bestückter Kronleuchter tauchte den Raum in gedämpftes Licht. In der Mitte des Zimmers befand sich ein großes Sofa, das mit einem kostspielig wirkenden Stoff bespannt war. Antike Stühle und Tische bildeten seitlich von uns eine Sitzgruppe; auf der anderen Seite befand sich eine kupferne Badewanne. Ein üppiger Theatervorhang bedeckte eine ganze Wand.

Die Luft war warm, sie roch nach Kerzenwachs und … irgendwie neu. Was komisch war, angesichts dessen, wie alt alles zu sein schien.

Und es roch nach Leder.

Die Frau öffnete eine Flasche gekühlten Champagners, die auf uns gewartet hatte, und goss ihn in zwei schlanke Gläser, ehe sie uns verließ. An der Tür zwinkerte sie mir noch wissend zu. Was wusste sie, das ich nicht wusste?

Vielleicht, dass gerade ein Zug über die Brücke donnerte? Oder wie tief das verdammte Wasser war?

Nur die Ruhe, Natalie. Ich vertraute darauf, dass dieser Mann mich beschützen würde, mir Vergnügen bereiten würde, alles sein würde, was er für mich sein musste.

Er zeigte auf das Sofa. »Setz dich.«

Ich tat es. Da erst merkte ich, dass es so aufgestellt war, dass man genau auf den Vorhang blickte. Ob wir uns einen Film ansehen würden? Ein unzüchtiges Theaterstück? Wir waren gar nicht dazu gekommen, den Maskenball zu genießen, dachte ich enttäuscht. In den Büchern durften die Leute immer wenigstens bis Mitternacht bleiben – nicht nur zehn jämmerliche Minuten.

Nachdem sich meine Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten, entdeckte ich überall im Zimmer zugedeckte Gegenstände – Gegenstände, die so ziemlich alles sein konnten. Aber ich hatte eine Idee. Meine Gedanken rasten zu diesen BDSM-Videos, die ich mir reingezogen hatte, dem Buch, das ich verschlungen hatte, dem Magazin, das ich ihm unter die Nase gehalten hatte. Gab es hier drin vielleicht einen Pranger oder eine Spanking-Bank oder eine Schaukel? Würde Sewastian mich fesseln und dann foltern?

Ein Teil von mir war angesichts dieser Aussicht erschrocken, aber ich war Frau genug, um zuzugeben, dass ich dabei verdammt nass wurde. Lass dir nichts anmerken.Mach einfach mit.

Als er sich neben mich setzte, fragte ich: »Was ist das für ein Zimmer?«

»Es gehört uns. Eines der wenigen Privatzimmer, die zur Verfügung stehen.«

Es gehörte uns? »Wie lange hast du es schon?«

»Ungefähr neun Stunden. Ich habe es heute renovieren und nach meinen Vorgaben ausstatten lassen.«

Seit unserem Streit heute Morgen? Das erklärte, warum es so neu roch. Ich konnte mir vorstellen, wie viel Geld er hatte lockermachen müssen, damit alles rechtzeitig fertig wurde.

Er nahm eine Fernbedienung vom Tisch neben dem Sofa. »Du hast mir doch gesagt, du wolltest gerne mehr von Paris sehen. Ich darf dir ein weiteres Stück präsentieren.« Er drückte auf einen Knopf. Der Vorhang begann sich zu öffnen. Dahinter wurde eine Wand aus Glas sichtbar.

Hinter dem Glas war … war …

Als mir klar wurde, was ich da sah, hauchte ich: »Oh. Mein. Gott.«

Sewastians Hand schoss vor, um meine Champagnerflöte aufzufangen, kurz bevor sie auf den Boden auftraf …

34

Als der Schock bis zu einem gewissen Grad nachließ, war ich imstande zu begreifen, was ich dort hinter der Glaswand des Zimmers sah.

Sewastian hatte mich in diesen Privatclub gebracht, damit ich eine … Orgie miterlebte.

Und es ging richtig zur Sache.

Es mussten wohl an die drei Dutzend Teilnehmer sein, alle überaus attraktiv. Sie befanden sich in einer Art Manege, wie im Zirkus, und wo man nur hinsah, befanden sich alle möglichen Sex-Spielzeuge.

Maskierte Männer und Frauen waren an x-förmige Gerüste gefesselt, standen am Pranger oder hingen an Ketten von der Decke. Eine Frau war an etwas festgebunden, das wie ein dem Körper entsprechend geformter Massagetisch aussah. Frauen und Männer lagen über karminrote Boudoirstühle gebeugt. Starke Hände packten gespreizte Fußknöchel.

Sobald ich mich weit genug erholt hatte, um zu einer Reaktion fähig zu sein, flogen meine Hände zu meiner Maske. »Können sie uns sehen, so, wie wir sie beobachten?«

»Sie können nicht hineinsehen«, versicherte Sewastian mir. »Sie sehen nur einen Spiegel, es sei denn, wir drücken auf einen bestimmten Knopf auf der Fernbedienung. Und sie sind sich bewusst, dass sie beobachtet werden, Natalie.«

Dann war ich soeben im Himmel für Voyeure gelandet. »Das – ist – scharf.«

»Durchaus.«

Eine nackte Frau hockte auf einem Trapez, sodass ihr Hintern dicht über der Stange schwebte. Dann wurde das Trapez hinabgelassen, bis ihr Geschlecht vor dem Gesicht eines Kerls schwebte, der dieses sogleich zwischen ihren Beinen vergrub, während ein muskelbepackter anderer Typ ihn langsam von hinten nahm.