Verlockung des Mondes - Kresley Cole - E-Book

Verlockung des Mondes E-Book

Kresley Cole

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Beschreibung

Uilleam MacRieve glaubt, seine dunkle Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Doch als nach grausamer Folter seine Erinnerungen zurückkehren, sehnt er nur noch seinen Tod herbei. Bis er der schönen Chloe Todd begegnet, die als Sklavin verkauft werden soll. MacRieve rettet Chloe und entdeckt dabei eine Leidenschaft in sich, die er längst für verloren hielt.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Prolog

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Epilog

Danksagungen

Aus dem Lebendigen Buch des Mythos …

Die Autorin

Impressum

KRESLEY COLE

Verlockung des Mondes

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Bettina Oder

Zu diesem Buch

Uilleam MacRieve ist ein Lykae, der mit seinen Eltern und einem Zwillingsbruder im schottischen Hochland seine Kindheit verbrachte. Doch ein Sukkubus raubte kaltherzig Wills Unschuld. Seine Eltern, die diesem Drama Einhalt gebieten wollten, verloren dabei ihr Leben. Will ist gebrochen: Er glaubt, Mitschuld am Tod seiner Mutter und seines Vaters zu tragen, und die Misshandlungen des Sukkubus haben ihn mit tiefen Narben in der Seele zurückgelassen. Der mächtige Unsterbliche kann keine Liebe mehr empfinden, und er schafft es nicht, seine Bestie, die jedem Lykae innewohnt, zu zügeln. Gewalt, Brutalität und Zorn beherrschen sein Tun. Bis er eines Tages auf Chloe Todd trifft. Will erkennt in ihr umgehend seine Seelengefährtin. Aber das Schicksal ist trügerisch: Chloe ist die Tochter des Mannes, der sich mit dem Orden die Ausrottung der Unsterblichen zum Ziel gemacht hat. Will, der gerade erst aus deren Gefängnis entkommen konnte, ist fassungslos – auch wenn er sich unwiderstehlich zu der jungen Frau hingezogen fühlt. Da macht Will eine noch schrecklichere Entdeckung: Chloe ist zur Hälfte ein Sukkubus, der durch seine Berührung erweckt wurde! Alte Wunden reißen auf, und der Schmerz aus Jahrhunderten bricht über Will herein. Kann er es schaffen, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und Chloe sein Herz zu öffnen?

Für die Lykae-Fans der

Immortals-After-Dark-Gemeinschaft.

Ich widme euch dieses Buch

von ganzem Herzen.

Prolog

In den Wäldern von Murk, Schottland

Vor einigen Jahrhunderten …

In einem finsteren Wald, in einem kargen Land, stand ein verzaubertes Cottage. In seinem Inneren stritt Uilleam MacRieve mit seiner Gefährtin, Lady Ruelle.

Wieder einmal.

Während der Schneesturm vor der Hütte immer heftiger wurde, saß Will erschöpft auf der Bettkante und bereitete sich auf die Schlacht vor.

»Nur noch ein einziges Mal, mein Geliebter.« Ruelle seufzte und zog die Seidendecke ein wenig beiseite, sodass ihre bloßen Brüste entblößt wurden.

Früher hätte er jene wogenden Hügel begierig angestarrt, doch jetzt hatte er für ihre Spielchen nur noch einen finsteren Blick übrig. »Du weißt genau, dass ich nicht bleiben kann.« Immer diese Mätzchen. Merkte sie denn gar nicht, wie viel sie ihm an diesem Abend bereits abverlangt hatte?

»Bis zur Morgendämmerung dauert es noch Stunden.« Sie erhob sich auf die Knie, sodass ihre verlockende Stimme direkt an seinem Ohr erklang. »Ich werde dich nicht lange aufhalten.« In ihren Worten lag der exotische Hauch weit entfernter Königreiche.

In diesen nördlichen Landen der Lykae stellte Ruelle eine Rarität dar: Sie war eine fremdländische Frau, die sich in Spitze und Seide kleidete und nicht mit dem Schwert umzugehen wusste. Sie lebte ganz allein hier in den finsteren Wäldern von Murk, einem Ort voller Hexenringe und Flüche, voller Portale, die auf andere Ebenen führten, und uralten Geschöpfen, die sogar die Lykae fürchteten.

Erst als die anderen Jungs ihn herausgefordert hatten, hatte Will es gewagt, jenen schaurigen Wald erstmals zu betreten.

»Noch ein Mal?« Er stand auf, um sich zu waschen. Er wagte zu bezweifeln, dass er noch eine einzige Runde überstehen könnte. Nein, keine Runde – das würde ja bedeuten, dass es zwei Teilnehmer gab. »Und danach bettelst du nur um noch ein weiteres Mal.« Selbst wenn er körperlich dazu in der Lage wäre, musste er doch unbedingt nach Conall Keep zurückkehren, ehe es seiner Familie auffiel, dass er fort war. »Ich habe dir doch bereits jeden deiner Wünsche erfüllt.«

Während er am Waschbecken stand, erblickte er sie in dem übergroßen Spiegel hinter sich – seine Ruelle konnte zuweilen ein klein wenig eitel sein. Im Schein des Feuers schimmerte ihr Haar rötlich, und auch ihre Wangen und Lippen waren passend dazu rot überhaucht und hoben sich deutlich von ihrer milchweißen Haut und ihren grauen Augen ab.

Sie sah hübsch aus, wenn sie schmollte. Aber schließlich sah sie immer hübsch aus, ganz gleich, was sie tat. Sogar wenn sie sich liebten, war sie bezaubernd – im Gegensatz zu den Schlampen, mit denen sich seine älteren Cousins regelmäßig im Heu wälzten. Danach wirkten diese Frauenzimmer immer erschöpft und befriedigt zugleich, während sie aussahen, als hätten sie im Heu eine Schlacht ausgetragen: Ihre Gesichter und Brüste waren von der Anstrengung rot angelaufen, Kleidung und Haar unordentlich und zerzaust.

Ruelle sah nie so aus. Mit einem Anflug von Bedauern gestand er sich ein, dass sie nie vollkommen … erfüllt gewesen war, wenn er sie verlassen hatte.

Häufig bettelte und schmeichelte sie, bis er sich noch einmal mit ihr vereinte, und dann noch einmal, bis er schließlich vollkommen erschöpft war. »Sieh dich doch an – wer könnte mir daraus einen Vorwurf machen?«, fragte sie dann stets. Sie hatte ihm erklärt, dass seine Art auf sie wirke wie Katzenminze auf Katzen – allein sein Gesicht bringe sie zum Seufzen. Als er ihr einmal im Scherz vorgeworfen hatte, sie versuche, ihn umzubringen, hatte sie verärgert reagiert.

Das Zusammensein mit ihr fühlte sich an, als würde man in eisigem Wasser schwimmen: belebend, bis die Eiseskälte einen in die Tiefe zu ziehen drohte. Von Zeit zu Zeit musste er all seine Kraft aufbieten, um überhaupt Luft zu schöpfen, wenn er unter ihr lag, weil seine Lungen sich so eingeschrumpft anfühlten.

Er betrachtete diesen Umstand als beschämende Schwäche, denn Ruelle war wunderschön und sinnlich. Jeder junge Mann würde sich glücklich schätzen, in ihr Bett eingeladen zu werden. Aber sie war seine Gefährtin. Davon waren sie beide überzeugt.

»Du könntest noch etwas essen.« Sie deutete auf das Festmahl, das sie für ihn vorbereitet hatte: Süßigkeiten und Delikatessen, die bei ihm zu Hause nur selten erlaubt waren. Er schüttelte den Kopf, da er schon mehr als genug gegessen hatte.

Anfangs hatte sie ihn immer dazu verleitet, sich den Bauch vollzuschlagen. Lachend hatte sie ihn in seine schlanken Finger gekniffen und ihn für untergewichtig erklärt.

Jetzt sagte er: »Nein, Ruelle. Ich gehe.«

»Es ist deine eigene Schuld, wenn du so verführerisch bist.« Sie ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen, während er sich gründlich wusch. Gleich zu Anfang hatte sie ihn gewarnt, dass seine Familie in der Lage sein würde, sie an ihm zu wittern.

»Du bist doch diejenige, die darauf besteht, dass wir diese Sache mit uns geheim halten. Wenn ich es nur meinem Va…«

»Nein! Das ist unmöglich!« Sie erbleichte unter ihren rosigen Wangen. »Sie werden niemals akzeptieren, was zwischen uns ist.«

»Dann muss ich rechtzeitig dort sein, um meine Pflichten zu erledigen.« Seine Arbeit begann bei Sonnenaufgang, und sein Zwillingsbruder Munro betrachtete es ohnehin bereits mit Misstrauen, dass sich Will jede zweite Nacht davonstahl.

»Du entstammst einer der reichsten Familien des Landes – du gehörst zu den Wächtern, um der Götter willen –, und dennoch lässt dein Vater dich schuften wie einen Leibeigenen?«

»Vater glaubt, dass das den Charakter formt.« Will zog sich die Tunika über den Kopf. Das enge Kleidungsstück schmiegte sich an Brust und Arme. Sein Zwillingsbruder und er wuchsen wie Unkraut, zu schnell für die geplagte Näherin in Conall.

Er betrachtete sein Spiegelbild und fuhr sich mit der Hand über das magere Gesicht. Und trotzdem immer noch kein Bartwuchs?

»Ah, Dùghlas MacRieve, der große Lord von Conall, sagt, es forme den Charakter? Dein Vater irrt sich – dein Charakter ist bereits ausgeformt, und zwar vorbildlich. Du hast dir das Recht erworben, als Mann angesehen zu werden.«

»Ich weiß, dass ich ein Mann bin«, beteuerte er, während er dachte: Vielleicht bin ich noch kein Mann.

Ach was, aber natürlich war er das. Jedes Mal, wenn Will und Ruelle sich zankten, begriff er, dass er wahrhaftig heranreifte zu einem ausgewachsenen Lykae. Erwachsene stritten, und sie wurden von Sorgen geplagt, die die Jungen nicht hatten.

Doch wenn er erwachsen war, warum war er nicht imstande, sie zu befriedigen? Zu seiner eigenen Überraschung loderte Zorn in ihm auf. »Wenn du dich berufen fühlst, meinen Vater zu kritisieren, dann tu es so, wie es die Lykae tun: Sag es ihm ins Gesicht.« Sobald die Worte seinen Mund verlassen hatten, bereute er sie schon. Ihre Spezies war dazu geschaffen, zu lieben, nicht um zu kämpfen. Die Vorstellung, Ruelle könne jemanden offen kritisieren, der so viel stärker war als sie, war lächerlich.

Wie aufs Stichwort füllten sich ihre grauen Augen mit Tränen. Sogar wenn sie weinte, war sie hübsch. »Du weißt doch, dass ich das nicht tun kann. Ich kann ihnen niemals mein Gesicht zeigen, denn sie werden mich töten, nur weil ich bin, was ich bin.«

Seine Eltern würden sie nicht unbedingt mit offenen Armen im Rudel aufnehmen, aber Ruelle übertrieb doch sicherlich, wenn sie deren Reaktion in so grausigen Farben ausmalte. »Kein Lykae würde jemals der Gefährtin eines anderen etwas antun. Die Verbindung zweier Gefährten ist uns heilig.«

»Und wenn sie nicht an das glauben, von dem wir wissen, dass es wahr ist?« Sie zog die Seidendecke schützend über ihre Brüste. »Warum streitest du nur immerzu mit mir?«

»Weil es mich krank macht, es so lange geheim zu halten.« In letzter Zeit lastete das Geheimnis immer schwerer auf ihm, aber er würde zumindest warten, bis seine Mutter ihr Kind zur Welt gebracht hatte, ehe er es preisgab. Die Schwangerschaft war noch nicht allzu weit fortgeschritten und zeigte sich erst so langsam. Ihre »drei Hübschen«, wie sie ihren Ehegatten, Will und Munro zu nennen pflegte, spürten, dass sie diesmal eine Tochter trug, und waren darüber außer sich vor Glück. Seine Mam wollte sie Isla nennen.

Ein kleines Mädchen, das sie verwöhnen konnten? Selbst in diesem Augenblick verzogen sich Wills Lippen zu einem erwartungsfrohen Lächeln. Munro und er konnten es kaum erwarten, dass sie alt genug war, um jagen und fischen zu lernen.

Aye, seine Familie konnte in dieser Zeit keinen Trubel brauchen. Am besten sah er zu, dass er jetzt so rasch wie möglich nach Hause kam. »Wir reden später darüber.«

»Nein, werden wir nicht.« In ihren grauen Augen flackerte es jadegrün auf, was für gewöhnlich das einzige Anzeichen war, dass sie sich aufregte. »Wenn du meine Wünsche in einer derart wichtigen Angelegenheit nicht respektieren kannst, brauchst du in den nächsten vier Nächten nicht wiederzukommen.«

Will erstarrte. Das Feuer im Kamin knisterte. Der Wind schleuderte Schneeflocken gegen die Fenster. »Das ist nicht dein Ernst.«

»Oh doch.«

»Vier!«, brüllte er ungläubig. »So hart willst du mich bestrafen?« Die längste Zeit, die er durchgehalten hatte, waren drei Nächte gewesen. Es war ihm so schlecht gegangen, dass er nur mit knapper Not überlebt hatte.

»Ich wünschte, du würdest mich nicht dazu zwingen.«

»Ich zwinge dich?« Immer war alles sein Fehler. Als sie sich zum ersten Mal geliebt hatten, war er in Panik geraten und hatte warten wollen, aber sie hatte nichts davon hören wollen, und das war allein seine Schuld, weil er für sie »einfach unwiderstehlich« war. Er hatte all die Geschenke, die sie ihm gemacht hatte, mit nach Hause nehmen wollen – in erster Linie, um sie seinem Zwillingsbruder unter die Nase reiben zu können –, aber sie hatte es ihm verboten. »Deine Eltern werden Verdacht schöpfen. Schließlich ist es nicht meine Schuld, dass du in eine so engstirnige Familie geboren wurdest.«

Und jetzt sollte er fast eine Woche lang nicht zurückkehren dürfen? Bei dem Gedanken an die Todesqualen, die damit auf ihn zukämen, rührte sich seine Lykae-Bestie. Obwohl sein Vater, seine Onkel und seine älteren Cousins ihn trainierten, damit er lernte, diese unbändige Macht in sich zu zügeln, ließ Will sie doch jedes Mal los, wenn er mit Ruelle schlief.

»Eines Tages, Ruelle, wirst du es zu weit treiben.«

»Ach ja? Und was wirst du dann tun?«, fragte sie mit triumphierendem Blick, denn sie kannten beide die Wahrheit.

Er gehörte bis in alle Ewigkeit ihr, und das auf doppelte Weise: Sie war nicht nur seine Lykae-Gefährtin, sondern er hatte sich nach drei Abstechern in ihr Bett auch freiwillig an sie gebunden. Nun war er für den Rest seines Lebens an sie gekettet, beziehungsweise für die Dauer des ihren.

»Doch ehe du gehst, mein Liebster, muss ich dich noch ein einziges Mal spüren.«

Eine Welle des Schmerzes überrollte ihn, als sein erschöpfter Körper gegen seinen Willen reagierte und sich darauf vorbereitete, von ihr genommen zu werden. Er verzog das Gesicht, Panik stieg in ihm auf, seine Atmung wurde flacher. »Du hast mir versprochen, deine Listen nicht noch einmal einzusetzen!« Auf diese Weise hatte sie ihn anfangs dazu gebracht, mit ihr ins Bett zu gehen. Er erschauerte, als er sich daran erinnerte, und Übelkeit breitete sich in seinem Bauch aus, als er darum kämpfte, ihr zu widerstehen, wohl wissend, dass dies vergebens war.

»Warum bekämpfst du mich?« Ihre Augen leuchteten grün, als sie die Decke fallen ließ. »Jeder Mann würde töten, um mit mir zusammen zu sein.« Sie glitt zu ihm hinüber, umarmte ihn und drückte sein Gesicht an ihre Brüste, an ihr duftendes weißes Fleisch.

Er bekam keine Luft mehr. »Ich kann nicht – Ruelle, nein!« Doch seine Bestie war schon dabei, sich beschützend zu erheben.

Sie zog sich zurück und packte ihn mit festem Griff beim Kinn. »Deine Augen färben sich blau«, sagte sie mit einem zufriedenen Lächeln. »Deine Bestie und ich werden uns um alles kümmern, so wie wir es immer tun.«

»Du hast es mir versprochen!«

Sie drückte ihn auf ihr Bett hinab und setzte sich auf ihn – die Stellung, die sie unweigerlich jedes Mal wählte. »Sieh dich nur an, mein Geliebter. Wer könnte es mir wohl verdenken?«

Und dann wurde er in die Tiefe hinabgezogen …

Conall Keep, nördlicher Außenposten am Dunkelwald von Murk

Drei Nächte später

Während des Tages hatten sich seine Qualen verschlimmert, bis Wills Körper nur noch aus Schmerz zu bestehen schien. Gegen Mitternacht hatte er das Gefühl, seine Knochen würden zerbersten. Draußen tobte ein Unwetter mit heftigem Sturm, doch die mächtige Festung Conall Keep kümmerte das nicht.

Will saß auf seinem feuchten Bettzeug, schlang die Arme um den Leib und wiegte den Oberkörper vor und zurück, während er betete, er möge diesmal wenigstens von den Halluzinationen verschont bleiben.

Es hatte keinen Sinn, dagegen anzukämpfen. Heute Nacht würde er Ruelle aufsuchen.

Die Vorstellung, in dieser Verfassung meilenweit durch einen Schneesturm zu laufen, ließ ihn erschaudern. Ganz zu schweigen davon, dass er den Wald mitten in der Nacht betreten musste, völlig allein und schwach. In diesem Wald wimmelte es von fantastischen Kreaturen und blutdürstigen Wesen aus anderen Reichen.

Munro rührte sich in seinem Bett, das nicht weit von Wills eigenem stand, als spürte er selbst im Schlafe die Qualen seines Zwillings. Will beneidete Munro, der in seinem behaglichen Bett liegen bleiben durfte, warm und sicher in der uneinnehmbaren Festung ihrer Vorfahren.

Dieser Ort war von ihnen für zukünftige Wächter des Waldes errichtet worden, für jene Krieger, denen die Pflicht auferlegt worden war, dafür zu sorgen, dass die Kreaturen von Murk niemals die Grenzen des Waldes überschritten – und dass kein Lykae sich je dort hinein verirrte.

Als Will aufstand, um sich anzukleiden, und in seine Hose stieg, erwachte Munro und setzte sich auf. »Wohin gehst du?« Er zündete eine Kerze an, die den gemeinsamen Wohnraum erleuchtete.

»Das geht dich nichts an.«

Munros goldene Augen funkelten gekränkt. Seine Augen glichen den seinen bis ins kleinste Detail, nur wirkten sie … ernsthafter. Obwohl sie eineiige Zwillinge waren, besaßen Munro und er vollkommen unterschiedliche Persönlichkeiten. Will bezeichnete man häufig als ebenso impulsiv wie ihre Mutter, Munro als so ernst wie ihren Vater.

»Früher hast du mir alles erzählt, Will.«

Ruelle hatte ihn davor gewarnt. Sie hatte ihm geholfen, Munros eifersüchtigen Charakter zu erkennen. Munro war neidisch auf seinen Zwilling, und in ihm brodelte der Hass auf den geringfügig älteren Bruder, den Erben.

Ich bin für mein Alter viel reifer. Munro weiß dies und kann es nicht ertragen.

Ruelle hatte Will dabei geholfen, im Grunde die Fehler all seiner Freunde zu sehen.

»Gehst du in den Wald?«, fragte Munro, der jetzt seine eigene Hose anzog. »Um diese Frau in dem seltsamen Haus zu treffen?«

Ruelles in leuchtenden Farben bemaltes Cottage bildete einen krassen Gegensatz zur düsteren Monotonie des Waldes. Mit seinem reich verzierten Dachgesims und den zahlreichen Türmchen sah es aus, als stammte es aus dem Traum einer Fee. Dabei hatte Munro es noch nicht einmal von innen gesehen! Es war nicht nur fantastisch, sondern auch mystisch. Sie hatte ihm erzählt, es stehe schon seit Jahrhunderten dort und sei immun gegen den Zahn der Zeit.

»Was weißt du von ihr?« Will versuchte verzweifelt, sich zu konzentrieren, als bei der nächsten Schmerzwelle alles vor seinen Augen verschwamm. Das Oberteil, das er gerade erst angezogen hatte, war bereits nass vom Schweiß.

»Ich kenne die Geschichten, die man sich über sie erzählt.«

»Dass sie eine hässliche alte Hexe ist, die junge Männer verführt und in ihr Verderben schickt? Dass sie sie füttert, bis sie schön fett sind, und sich dann von ihrem Fleisch ernährt? Die Gerüchte sind falsch.« Die Tatsache, dass Ruelle wahre Festmähler für ihn kochte und anschließend seinen Körper benutzte, um ihre Nahrung daraus zu beziehen, war Will dabei durchaus bewusst. »Wirst du es Pa sagen?« Oder, mögen die Götter es verhüten, ihrer Mutter. Keine Wölfin könnte grimmiger sein als Ailis MacRieve.

Es war eine Sache, dass Wills Gefährtin einer anderen Spezies entstammte, doch eine ganz andere, dass er sie alle belog.

»Nicht nötig«, erwiderte Munro ruhig. »Mam und Pa ahnen sowieso schon, dass du dich nachts davonschleichst.«

»Weil du es ihnen verraten hast!«

Wieder dieser gekränkte Blick, wie bei einem Tier, dem man einen Tritt verpasst hatte. »Du weißt doch, dass ich das nicht tun würde, Bruder.«

Will … glaubte ihm. Bei solchen Gelegenheiten, wenn Munro sich immer wieder als loyal erwies, fiel es Will schwer, all die Dinge zu glauben, die Ruelle ihm erzählt hatte.

Seine Bestie war ein Teil derselben Seele wie Munros. Sie sehnte sich danach, für alle Zeit an der Seite seines Bruders zu laufen. Sicherlich fühlte Munro genau dasselbe?

»Was ist nur mit dir geschehen, Will? Warum sprichst du nicht mehr mit mir? Warum spielst und lachst du nicht mehr?« Munro wirkte misstrauisch und verletzlich – wie ein kleiner Junge.

Sehe ich auch so jung aus? »Es ist kompliziert. Lass mich einfach nur tun, was ich tun muss, dann bin ich bald wieder zurück.« Will hatte sich fertig angekleidet. »Vielleicht reden wir dann.«

Ohne einen Blick zurück eilte er aus dem Zimmer, lief die Haupttreppe hinunter und hinaus in die stürmische Nacht. Gerade als er das erste Knirschen von Schnee unter seinen Stiefeln spürte, hörte er eine Stimme. »Was glaubst du wohl, wohin du gehst, Uilleam Andriu MacRieve?«

Mam. Oh Scheiße! Er wandte sich zu ihr um und versuchte krampfhaft zu verbergen, wie heftig er inzwischen zitterte.

Sie trat aus den Schatten heraus und musterte ihn zwischen den wirbelnden Schneeflocken. Ihre Wangen waren rosig, ihre rehbraunen Augen schmale Schlitze. »Du warst heute zu krank, um zu den Mahlzeiten herunterzukommen – oder um deine Arbeiten zu verrichten –, und jetzt stiehlst du dich mitten in der Nacht davon?«

Er hätte nicht so lange warten, sondern bereits letzte Nacht zu Ruelle gehen sollen. Wenn Mam ihn heute Nacht von ihr fernhielt … dann würde es nicht mehr lange dauern, und er würde den Verstand verlieren. Eine Halluzination tanzte am Rand seines Sehfelds. Die Dunkelheit drohte ihn zu verschlucken. Er trat von einem Fuß auf den anderen. Beide Beine fühlten sich an, als könnten sie jeden Moment entzweibrechen.

Sie legte den Kopf auf die Seite. »Du willst zweifellos ein Mädchen treffen. Dreizehn ist zu jung, mein Sohn. Dein Vater wird dir dasselbe sagen.«

»Ich weiß, Mam. Tut mir leid.« Oh ihr Götter, meine Knochen!

Als sie sein feuchtes Gesicht umfasste, wurden ihre Augen groß. »Ach, mein Uilleam, du glühst ja!«

»Ich muss gehen!« Er konnte Ruelles Parfüm beinahe schon riechen und ihr Rouge schmecken, mit dem sie ihre Haut schmückte. Fast spürte er schon ihre milchweißen Arme, die sich um ihn legten. »Kannst du mir nicht vertrauen, Mam?«

»Du bist krank, kannst nicht klar denken. Du darfst nicht in den Schnee hinaus, du gehörst ins Bett.«

»Bitte, geh einfach wieder hinein und mach dir deswegen keine Sorgen. Ich komme bald wieder.«

Sie packte seinen Arm und schrie über die Schulter hinweg: »Dugh! Komm raus! Sofort.«

Will hörte zwei Paar Füße die Treppe zur Haupthalle hinunterstapfen. Pa und Munro.

Verzweiflung überkam ihm. »Ich muss gehen!« Er riss sich von seiner Mutter los und versetzte ihr einen Schubs.

Mam stolperte und fiel in den festgetretenen Schnee. Sie starrte mit Tränen in den Augen zu ihm auf. »Will?«

Er war entsetzt. Er würde lieber sterben, als ihr etwas anzutun. »Es tut mir so leid! Hab ich dir wehgetan? Oder dem Baby?«

Ihre Hände legten sich auf ihren Bauch, als ob sie das kleine Mädchen beschützen wollte. Sie muss Isla vor mir beschützen?

Doch dann trockneten Mams Tränen. Ihre innere Bestie erhob sich, ihre Augen färbten sich eisblau. Das war niemals, niemals ein gutes Zeichen. Scheiße!

»Du hast mir nicht wehgetan, Junge«, knurrte sie. Ihre Fänge wurden länger. »Mach dir lieber Sorgen um deine eigene Haut.«

Gerade als Pa und Munro aus der Tür traten, fuhr sie Will an: »Schaff deinen Arsch wieder rein. Sofort!«

Pa half Mam auf die Beine, während er mit offenem Mund von ihr zu seinem Sohn blickte. »Hast du denn völlig den Verstand verloren, Will?«

Aye! Über die Schulter hinweg warf Will einen Blick in Richtung Dunkelwald und dachte an den Moment der Erleichterung, das Ende seiner Pein. Er wimmerte …

Sein Vater schloss seine feste Hand um Wills Nacken. »Rein mit dir!« Er zerrte Will auf einen Sitz vor dem großen Kaminfeuer der Haupthalle. Nachdem er das Gesicht seines Sohnes noch einmal genauer gemustert hatte, legte er ein weiteres Scheit auf.

Jetzt, wo die hochgewachsene Gestalt seines Vaters vom flackernden Feuerschein umrissen wurde, sah er sogar noch einschüchterner aus als gewöhnlich. Will schluckte und warf seinem Zwillingsbruder einen Blick zu.

Munros langsames Nicken und ruhiger Blick schienen zu sagen: Wir werden das durchstehen. Nur die Ruhe. Es half.

Ihre Mutter setzte sich dicht neben ihren Gefährten. Mam und Pa waren einander immer nahe, als ob ihre Bestien mit einer unsichtbaren Leine aneinandergebunden wären.

Ihr Zorn schien offensichtlich schon wieder zu verrauchen, als sie in Wills schwitzendes Gesicht starrte. »Dugh, wir müssen nach einem Medicus schicken.«

»Ich fürchte, ich weiß, was ihm fehlt.« Pa wandte sich zu ihm um. »Wohin wolltest du gehen, Sohn?« Er schien die Luft anzuhalten.

Will konnte ihm nicht ins Gesicht lügen. Außerdem vertraute er entgegen Ruelles hysterischen Vorhersagen darauf, was er über den Charakter seines Vaters – und das Gesetz der Lykae – wusste: Kein Lykae wird der Gefährtin eines anderen etwas antun. »Ich wollte meine Gefährtin treffen, eine Frau, die im Wald lebt.«

Es folgte absolutes Schweigen, während seine Worte in der Luft hingen.

Als Pa bestürzt den Atem ausstieß und Will den fassungslosen Blick seiner Mutter auffing, überkam ihn ein ungutes Gefühl.

Ruelle hatte vorhergesagt, dass sie es nicht verstehen würden, aber sie hatte nie davon gesprochen, dass sie angewidert reagieren würden.

Mam wandte sich an Pa. »Zu jung, oh ihr Götter, er ist zu jung«, murmelte sie. Dann erhob sie sich ein wenig wackelig, um eine Decke zu holen, die sie Will um die Schultern legte. »Wärme dich, mein Junge. Du hast eine lange Nacht vor dir.« Er registrierte mit Schrecken, dass sich in ihren Augen erneut Tränen sammelten.

»Warum bin ich zu jung? Menschen heiraten, wenn sie nicht viel älter sind als ich.« Selbstverständlich hatte er diese Argumente vorbereitet, nach dem Vorbild dessen, was er Ruelle hatte sagen hören.

»Die Menschen sind dazu gezwungen!« Pa begann auf und ab zu gehen. »In diesen rauen Landen werden sie kaum älter, als du jetzt bist! Aber du, Will, du kannst im Prinzip bis in alle Ewigkeit leben. Jedenfalls bist du viel zu jung, um einer wie ihr in die Fänge zu geraten.«

Sprach er etwa von seiner Gefährtin? Offensichtlich tat er das.

»Weißt du denn nicht, was sie ist?« Pa spuckte die Worte förmlich aus. »Sie ist ein Sukkubus.«

»Doch, Ruelle hat mir das gleich gesagt.«

»Aye, aber begreifst du auch, was das Wort bedeutet? Weißt du, was eine ihrer Art tut?«

Wills Blicke zuckten hin und her. »Es bedeutet, dass wir auf eine besondere Weise verbunden sind, dass wir leiden, wenn wir nicht zusammen sind.« Wenn ein Mann sich drei Nächte mit einem Sukkubus gepaart hatte, nahm er ihre Essenz auf, ihr mystisches Gift, und band sich auf diese Weise bis zum Tode an sie.

»Es bedeutet, dass sie ein Parasit ist«, sagte Mam. Tränen rannen aus ihren Augen. »Sie hat ihre Klauen in meinen Jungen geschlagen.« Er hatte seine Mutter noch nie zuvor weinen gesehen. »Sie hat dich vergiftet. Deshalb bist du krank.«

»Dann muss ich zu ihr. Es ist jetzt drei Tage her. Wenn ich mich so fühle, wird es ihr genauso gehen.«

Pa schüttelte den Kopf. »Im Gegensatz zu dir kann sie sich einen anderen ins Bett holen. Ich wäre mehr als überrascht, wenn sie nicht einen ganzen Stall von Liebhabern hätte. Selbst im Wald könnte sie andere ködern.«

Unmöglich. Ruelle liebte nur Will allein.

Pa ließ sich neben Mam niedersinken. »Wie lange triffst du sie schon?«

Will zögerte.

»Wie – lange?«, fuhr Pa ihn in einem Ton an, der keinen Ungehorsam duldete.

Will zwang sich, die Schultern durchzudrücken, als er antwortete. »Vor vier Jahren bin ich das erste Mal in ihrem Haus gewesen.«

Pa sprang sofort wieder auf. Seine Mutter presste den Handrücken auf ihren Mund, um ein Würgen zu unterdrücken. War da etwa ein Funken Wut in den Augen seines Vaters aufgeglommen? Hatte er einen flüchtigen Blick auf dessen Bestie erhascht? Nie zuvor hatte Pa sie vor ihnen entfesselt.

Sollte Will denn auf seine Gefährtin verzichten, nur weil Ruelle und er in unterschiedlichen Zeiten geboren worden waren? Wieso reagierten seine Eltern nur so heftig auf etwas ganz Natürliches? Für gewöhnlich waren sie nicht so voreingenommen.

Will zog die Decke enger um sich. Er bemühte sich, sein Schaudern zu verbergen. Der Schmerz hämmerte wie eine Trommel in ihm. Er schlug auf ihn ein, zerbrach ihn. Seine Knochen …

»Mein geliebter Junge«, brachte Mam mit erstickter Stimme heraus. Sie erhob sich. »Dies ist eine widerwärtige Perversion«, sagte sie zu Pa. »Ich begreife nicht, wie er ihre Gier überleben konnte, obwohl er noch so jung ist, weit entfernt von seiner Unsterblichkeit.«

Überleben? Hätte er denn sterben können? Will war doch nur mit einer wunderschönen Frau im Bett gewesen.

»Seine Bestie ist stärker als die meisten anderen, ein echtes Alphatier«, erwiderte Pa. »So wie Munros. Ich habe es schon früher festgestellt.«

Will erinnerte sich. Pa hatte zugleich stolz und ängstlich geklungen. Die Bestie konnte ein Segen und ein Fluch sein, sie konnte Kraft verleihen, aber auch den Verstand vernebeln.

»Hat sich deine Bestie erhoben, wenn du mit ihr zusammen warst?«

Will nickte abwesend.

»Sonst hätte sie dich getötet – und diese Tatsache war ihr wohlbekannt, Sohn.«

Nein, das konnte nicht wahr sein. Nichts konnte ihn davon überzeugen, dass Ruelle jemals sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Sie konnte anspruchsvoll sein, ihn an seine Grenzen bringen, aber doch nur, weil er stark war und dies aushalten konnte. Er war in der Tat kräftig für sein Alter. Sie hatte dies wiederholt bestätigt.

»Sieh nur, wie unser Sohn zittert. Das ist das Werk ihres Gifts. Wir müssen darauf reagieren!«, rief Mam.

»Das werden wir, Liebes. Ich mache mich gleich bei Eintritt der Morgendämmerung auf den Weg in den Wald. Ich werde um die Erlaubnis bitten, eintreten zu dürfen. Die Ältesten werden sie mir sicherlich erteilen, ehe sie einen Welpen leiden lassen.«

Reagieren? Will begriff immer noch nicht ganz, was sie sich eigentlich hatten zuschulden kommen lassen. Seine älteren Cousins trieben es immerzu mit irgendwelchen Frauen, und sie hatten damit begonnen, als sie kaum älter waren als Will jetzt.

Doch ich habe sogar noch früher angefangen. Er sah zu Munro, auf der Suche nach einem Verbündeten. Munro warf ihm einen verwirrten Blick zu.

»Nein. Dùghlas!« Mams Bestie rührte sich erneut. »Ich kenne ihre Art! Sie wird ihren Charme spielen lassen und dich manipulieren, bis auch du ihr verfällst. Die Männer dieses Rudels reden seit Jahr und Tag davon, sie aus dem Wald zu jagen, und nichts ist geschehen.«

»Der Wald gehört nicht zu dem Gebiet, in dem wir Wache halten!« Pa fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Und sie hat nie zuvor eins unserer Jungen ins Visier genommen. Sie hat noch nie einen unserer Männer vergiftet. Bis morgen Abend wird unser Junge wieder frei sein. Spätestens übermorgen, das schwöre ich dir.«

»Frei?« Der einzige Ausweg war Ruelles Tod. »Ich … ich muss sie sehen. Nur heute Nacht.« Seine Gefährtin und er könnten fliehen.

Ich soll meine Familie verlassen?

Ein ganzes Leben lang immer wieder ertrinken …?

»Nein!« Mam fletschte die Zähne. »Nur über meine Leiche! Du wirst sie niemals wiedersehen!«

Pa legte ihr den Arm um die Schultern. »Warte einen Augenblick, Liebes. Nimm dir einfach einen Augenblick Zeit. Sammle dich. Denk an das Baby.«

»Wenn ich die Kinder, die ich habe, nicht beschützen kann, verdiene ich es nicht, dass die Götter mir ein weiteres schenken!«

»Schscht, Liebes! Ich werde mit ihm reden, und morgen werden wir dem ein Ende setzen. Geh, trink deinen Tee und beruhige dich.«

Als sie den Raum verließ, warf sie einen letzten Blick über die Schulter zurück. Die Wut in ihrer Miene verwandelte sich in … Mitgefühl, als sie Will in die Augen sah. »Niemals eine wie sie, mein Uilleam.« Dann war sie fort.

Mitgefühl? Dann wurde ihm schlagartig etwas klar. Ich habe ein Unrecht begangen. Ich habe Mam wehgetan.

Zuvor hätte er am liebsten der ganzen Welt von Ruelle erzählt. Jetzt schämte er sich, auch wenn er immer noch nicht ganz begriff, warum das so war. Er hatte mit einer schönen Frau geschlafen, seiner Frau. Warum fühlte sich seine Haut dann so an, als ob sie von Maden übersät wäre?

Seine Nase brannte, er sah alles verschwommen. Tränen? Er hatte Tränen so satt. Er hatte mehr als genug davon vergossen, in jenem ersten Jahr, in dem er mit ihr zusammen gewesen war. Seine Stimme brach, als er nun sagte: »Ich wollte nichts Unrechtes tun, Pa. Bist du wütend wegen meines Alters oder wegen dem, was Ruelle ist? Wie alt hätte ich denn sein sollen?«

»Du bist noch nicht so weit, Sohn. Und wie deine Mutter schon sagte: Niemals mit einer wie ihr.«

»Aber sie ist meine Gefährtin.«

Sein Vater schlug die Fänge aufeinander, als hätte Will eine Blasphemie geäußert. »Nein! Das ist sie nicht!«

So wütend hatte Will seinen Pa noch nie gesehen. Dennoch fragte er: »Woher weißt du das?«

»Weil sie krank im Kopf ist!« Er fuhr sich mit den Fingern durch das dichte schwarze Haar. »Wenn sie die Deine wäre, würde dein Instinkt sich laut und deutlich melden und dir sagen, dass sie es ist. Ist das geschehen?«

Wills Instinkt, die innere Stimme, die alle Lykae besaßen, schwieg in ihrer Gegenwart für gewöhnlich. Doch nicht von Anfang an – er hatte ihn davor gewarnt, das Haus zu betreten, hatte ihn flüsternd vor der Gefahr gewarnt, die darin lauerte. Aber wie sollte von einer zarten Schönheit wie Ruelle eine Gefahr ausgehen? Die Vorstellung war ihm lächerlich erschienen.

»Denk nach, Sohn. Wenn sie wahrhaftig deine Gefährtin wäre, hättest du den überwältigenden Drang verspürt, ihren Hals mit deinen Zähnen zu zeichnen. Und nach all dieser Zeit hättest du sie längst geschwängert. Aber ich weiß, dass nichts davon geschehen ist.«

Will schüttelte den Kopf. »Ruelle muss die Meine sein, sonst würde ich doch nicht solche Gefühle haben«, murmelte er.

»Nein, sie hat dich verzaubert, wie es die Art der Sukkuben ist. Erwachsene Männer werden von ihnen verführt und von ihrem verführerischen Gift in die Falle gelockt. In deinem Alter hattest du keine Chance.«

Bei Pa klang es, als wäre sie eine Zauberin oder, schlimmer noch, eine Hexe. So wie es auch die Gerüchte besagten …

»Du hast Zweifel. Ich sehe es in deinen Augen. Weißt du denn nicht, wie es ist, Sohn? Wenn du deine Gefährtin findest, fühlt es sich an, als ob die Götter selbst die Hände ausgestreckt hätten, um dich zu berühren, als ob deine Seele gebrandmarkt worden wäre. Es besteht nicht der geringste Zweifel. Und du könntest dich keinesfalls freiwillig von ihr trennen, so wie es offenbar jahrelang mit diesem Sukkubus der Fall war. Will, merke dir meine Worte: Wohin auch immer deine Gefährtin geht, dorthin gehst auch du.«

Will verzog das Gesicht, als eine Welle stechenden Schmerzes ihn überspülte. Pa redete einfach weiter, offenbar mit dem Ziel, ihn abzulenken. Er erzählte Will und Munro alles darüber, wie er Mam zum ersten Mal getroffen hatte, eine Geschichte, die sie schon früher gehört hatten. Doch heute Nacht wurden dadurch gewisse Aspekte von Wills erster Begegnung mit Ruelle in ein anderes Licht gerückt.

Sie hatte ihn mit Süßigkeiten in ihr Cottage gelockt. Er hatte lange gezögert, hatte einerseits schreckliche Angst vor ihr gehabt, war andererseits aber auch fasziniert gewesen. Als er widerstrebend eingetreten war, hatte sie ihn mit Geschenken überschüttet, ihm Komplimente gemacht, als ob sie ihn … zähmen wollte.

Oder sie hatte ihn in eine Falle locken wollen.

Gerade als der Schein des Feuers schwächer wurde, befahl Wills Instinkt auf einmal: Rette sie!

Pa und Munro mussten dieselbe Warnung erhalten haben. Sie sprangen sofort auf.

»Ailis?« Pa legte den Weg zum Korridor mit langen Schritten zurück. »Komm und gesell dich zu uns.«

Keine Antwort.

»Liebes?« Sein Vater erstarrte und hob das Gesicht, um die Luft zu wittern. Will und Munro folgten seinem Beispiel.

Mam war fort. Will konnte sie nirgendwo in der Festung wittern.

Es gab nur einen Grund, wieso sie ihr Heim während dieses Unwetters hätte verlassen sollen.

Blitzartig schoss Pa auf die Eingangstür zu. Will und Munro folgten ihm in den Schneesturm hinaus, sie rannten durch den Schnee und folgten Mams Geruch und Fußstapfen in Richtung des Waldes.

Mit jedem Schritt verwandelte Pa sich mehr, und seine Lykae-Bestie trat an die Oberfläche. Seine Fänge und schwarzen Klauen wurden länger, sein Gesicht verformte sich, bis es dem eines Wolfs glich. Seine Muskeln schwollen an, der Schatten seines inneren Wolfs erhob sich und schwebte über seiner Gestalt – eine bösartige, hoch aufragende Kreatur mit wahnsinnigen weißblauen Augen.

Will konnte sehen, dass sein Pa darum kämpfte, die wilde Bestie im Zaum zu halten, klar zu denken, nicht den Verstand zu verlieren.

Damit er seine Gefährtin so gut wie möglich beschützen konnte.

Will und Munro blieben rasch hinter ihrem verzweifelt davoneilenden Vater zurück. Zwei junge Lykae mitten in der Nacht im Wald. Sie hatten ihre Unsterblichkeit noch nicht erreicht und konnten daher ihre Verletzungen nicht regenerieren.

Während das Unwetter an Stärke noch zunahm, näherten sich ihnen die Schatten. Der Schnee wirbelte umher, die Bäume bogen sich. Der Sturm heulte und störte Wills Gehör und Geruchssinn. Windböen trugen verwirrende Gerüche den weiten Weg vom Meer herbei, die er noch nie zuvor wahrgenommen hatte.

Seine Zähne klapperten. Die schmerzenden Regionen in seinem Körper hatten sich vereinigt, sodass er sie nicht mehr voneinander unterscheiden konnte – die Knochen taten weh, der Kopf drohte zu zerspringen.

Will spähte während des Laufens mit zusammengekniffenen Augen durch den Schnee, vermochte seinen Pa aber kaum auszumachen, der sich Ruelles Cottage rasch näherte. Zwischen den bemalten Läden leuchtete ein sanfter Lichtschein durch die beschlagenen Fenster.

Pa rannte die Tür ein. Selbst über den Sturm hinweg hörte Will sein Brüllen.

Voller Kummer und Leid.

Nein! Ruelle konnte Mam unmöglich etwas angetan haben. Wills Mutter war eine Wölfin im besten Alter, so wild wie der Sturm. Ruelle war schwach und hilflos.

Die Brüder stürmten durch die zersplitterte Tür, um gleich darauf angesichts des Anblicks, der sich ihnen bot, zu erstarren. Ruelle stand in ein Laken eingehüllt zitternd hinter einem verängstigten Jungen, der kaum älter als Will aussah.

Vampir.

Ihr natürlicher Feind. Hier, so weit im Norden? Will hatte noch nie einen gesehen, wusste nur, dass er diese Kreatur töten musste.

Der Blutsauger schwang ein blutiges Schwert, um Ruelle vor Pa zu beschützen, dessen Bestie sich inzwischen vollständig erhoben hatte. Sie lag wie ein Schatten über ihm, ein schauerliches Ungeheuer, das sogar Will einen Schock versetzte.

Kein Wunder, dass der Vampir vor Angst außer sich war. Aber warum war der Mann nur halb bekleidet? Wessen Blut war das an seiner Klinge? Wo war Mam?

Langsam wagte Will sich tiefer in das Cottage hinein. Hinter dem Sofa … sah er sie.

Einen Teil von ihr.

Der Schock raubte ihm den Atem und dämpfte seine Gedanken. Er fragte sich vage: Wo ist nur der Kopf meiner Mutter?

Das Gebrüll seines Vaters erschütterte das Häuschen, dass der Staub von den Balken rieselte.

Der Vampir hätte sich davontranslozieren und im Handumdrehen an einen sicheren Ort teleportieren können. Doch er schien fest entschlossen, Ruelle zu beschützen – als ob er sie liebte. Mit einem gebrochenen Schrei griff er an, translozierte sich von einem Ort zum anderen um Pa herum und schlug mit brutalen Schwerthieben auf den Älteren ein. Doch dieser schien sie nicht einmal zu spüren.

Immer wieder verschwand der Blutsauger, bis es Pa gelang, vorherzusehen, wo er als Nächstes erscheinen würde. Mit einem einzigen Hieb seiner gespreizten Klauen erledigte er den Vampir.

Als sich Pa Ruelle zuwandte, wich sie zurück. Sogleich flossen ihre Tränen, als ob eine Pumpe in Gang gesetzt worden wäre. »Wir hatten keine Wahl. Sie hat uns angegriffen und wollte mich vernichten.«

Während Pa mit einem mörderischen Blick in seinen eisblauen Augen auf sie zuschritt, beäugte Ruelle das Schwert des Vampirs, das in ihrer Reichweite lag. Doch anstatt es zu ergreifen, presste sie die gefalteten Hände an ihre Brust und flehte Will an: »Mein Geliebter, hilf mir! Er wird mich töten!«

Sie verzichtete auf eine Waffe, um stattdessen um ihr Leben zu betteln?

In diesem Moment begriff Will, dass sie immer noch ihre wertvollste Waffe besaß: ihre Tücke. Sie wirkte zerbrechlich, hilflos und so verdammt schön. Sogar jetzt noch spürte er den Drang, sie zu verteidigen.

»Mein Geliebter, ich flehe dich an! Tu etwas!« Ihre Augen leuchteten grün.

Zu seinem eigenen Entsetzen stellte er fest, dass er über die Leiche seiner Mutter hinweg auf Ruelle zustolperte. Ich habe unrecht getan. Obwohl er wusste, dass er seinem Vater in keiner Weise gewachsen war, baute sich Will vor seiner Frau auf …

Pa fletschte die Fänge und versetzte ihm mit dem Handrücken einen gewaltigen Schlag ins Gesicht. Während Will zu Boden geschleudert wurde, erhob Pa erneut die Hand. Mit dem nächsten Schlag enthauptete er Ruelle mit seinen Klauen.

Wie durch einen Schleier sah Will, wie ihr Kopf fiel. Doch ihr Körper brach nur langsam zusammen. Selbst im Tod war sie noch anmutig.

Gleich darauf wich der Schmerz aus Wills Knochen, das Fieber sank augenblicklich. Sein Körper war frei. Doch sein Geist …

Kummer, Schuldgefühle und Hass bekriegten einander in seinem Inneren.

Pa fiel neben der zugedeckten Leiche ihrer Mutter auf die Knie. Munro musste eine Decke über sie gelegt haben.

Will war völlig taub, unfähig, sich zu rühren. Falsch. Alles ist falsch. Alles meine Schuld.

Irgendwie fand er die Kraft, sich zu erheben. Durch tränenfeuchte Augen blickte Will auf seine zerbrochene Familie.

Munro kniete neben Pa, drückte dessen Schulter und weinte. Pa tätschelte unbeholfen Mams schlaffe Hand, während sich seine Bestie ein wenig zurückzog. In diesem Zustand war Pa immer unbeholfen, seine Hände zu groß, seine Klauen zu lang. Tränen strömten ihm über das wölfische Gesicht. Seine blauen Augen waren leer.

Er hob Mams Hand an sein Gesicht. Als sie seine Wange nicht liebevoll streichelte, wie sie es tausendmal zuvor getan hatte, brüllte Pa noch einmal laut auf, doch sein Schrei endete in einem gramerfüllten Wimmern.

Mam war wegen Will an diesen verfluchten Ort gekommen, sie wollte ihren Sohn retten. Er wusste nicht, was ihn mehr anwiderte: seine Rolle in alldem oder die Tatsache, dass er Ruelle beinahe so sehr betrauerte wie seine Mutter.

Bei diesem Gedanken rammte er sich beide Fäuste gegen den Kopf, sein Gesicht eine verzerrte Grimasse. Wasstimmt nur nicht mit mir? Krank, krank! Seine Bestie versuchte immer wieder, sich zu erheben, um Will gegen den Schmerz abzuschirmen, aber Will wollte die Qualen, brauchte sie.

Seinetwegen war alles verloren. Ihre Familie zerbrochen.

Oh nein, das kleine Baby. Die kleine Isla. Er raufte sich die Haare und fiel neben Munro auf die Knie. Alles meine Schuld.

Er wünschte bei jedem Gott im Himmel, dass er einen blutigen Tod sterben möge, auf der Stelle, dass er sein Leben gegen das seiner Mutter eintauschen könnte.

Munro drehte sich zu ihm um. Doch anstelle des Hasses, den Will erwartet hatte, flackerte in Munros nassen Augen Mitleid auf. Ich habe kein Mitleid verdient. Er wünschte, sein Vater hätte härter zugeschlagen und öfter. Er wünschte, Munro würde ihn schlagen.

Weinend starrten Will und Munro einander an. Hasse mich, Bruder! So wie ich mich selber hasse!

Nach einer Zeitspanne, die sich wie Stunden anfühlte, wandte sich Pa an seine Söhne. Seine Augen loderten vor Emotion. Aber es war nicht die Trauer, die Will erwartet hatte.

Es war Entschlossenheit.

Und Will wusste, dass sein Vater innerhalb einer Woche tot sein würde. Wohin auch immer deine Gefährtin geht, dorthin gehst auch du …

»Feuer existiert in verschiedener Intensität. Eine heißere Flammenzunge kann eine andere verschlingen. Sicherlich kann die heißeste einen Mann reinwaschen.«

– Uilleam Andriu MacRieve, Stammesfürst der Siedlung des MacRieve-Clans in Nova Scotia.

»Leute, die still stehen, gelangen nie zur rechten Zeit an den rechten Ort.«

– Chloe Todd, alias Baby T-Rex, Olympische Hoffnung, nichtsahnende Unsterbliche.

1

Starfire Stadium, Seattle,

Endrunde der Fußballmeisterschaft der Frauen

Gegenwart

»Wenn du noch ein einziges Mal an meinem Trikot ziehst, Todd, kriegst du meinen Schuh in die Fotze!«, fauchte Nummer elf.

»Wer hat dir verraten, dass ich das mag?«, keuchte Chloe mit weit aufgerissenen Augen. Chloe und ihre Mannschaftskameradinnen von Seattle Reign nannten diese Spielerin immer »lahme Kröte«, um sie zu provozieren. »Und wovon träumst du nachts, lahme Kröte?« Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, zog Chloe gleich noch einmal am Trikot von Nummer elf, während sie mit der viel größeren Frau um die bessere Position kämpfte.

Fiese Sprüche und raue Sitten gehörten nun mal zum Profifußball dazu. Chloe war mit ihren Narben – und ihrem großen Mundwerk – der beste Beweis dafür.

Auf der anderen Seite des Spielfelds ging der Ball ins Aus. Sie atmete tief durch und benutzte den Saum ihres Trikots, um sich das Gesicht abzuwischen. Als daraufhin ein wahres Blitzlichtgewitter ausbrach, verdrehte sie nur die Augen. Sie warf einen Blick auf die Tribüne, sah die Reihen ihrer männlichen Fans, die sich den nackten Oberkörper mit den Farben der Reigns angemalt hatten: Königsblau und Mitternachtsschwarz. In der Halbzeit hatten sie für sie You’ve Lost That Lovin’ Feeling gesungen und »Marry me, T-Rex« gebrüllt – das war ihr Spitzname beim Fußball.

Obwohl sie die kleinste Mittelfeldstürmerin der gesamten Liga war – traditionsgemäß nahm eine große, kräftige Spielerin diese Position ein –, war Chloe möglicherweise die beste und auf jeden Fall ein Publikumsliebling. Es gefiel den Fans, wie leidenschaftlich sie auf dem Feld kämpfte und dass sie dabei auch noch Klasse hatte.

Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr kurzes Haar, während sie die vorangegangenen Spielzüge analysierte. Heute Abend war sie einfach nicht zu stoppen gewesen, und sie hatte Chancen und Wege gesehen, während sich die anderen Spieler in Zeitlupe zu bewegen schienen. Sie hatte bereits zwei Tore gegen die Boston Breakers erzielt, sodass es jetzt unentschieden stand. Noch ein Tor, und Chloe hätte einen Hattrick geschafft – keine schlechte Leistung in der Meisterschaft.

Irgendwo auf der Tribüne beobachtete der Kotrainer der Olympiamannschaft aufmerksam diese Zitterpartie. Sogar Chloes Dad, der wegen seines Jobs ständig auf Reisen war, hatte sich die Zeit genommen, hier zu sein. Er stand ganz allein im Gang neben den VIP-Plätzen und gab ihr Handzeichen. Ihr Teilzeittrainer und größter Fan.

Ja, sie war in diesem Spiel echt gut drauf gewesen. Doch zugleich war sie auch schrecklich nervös. Im Laufe der letzten paar Tage hatte sie einige … Veränderungen an sich beobachtet, als ob all ihre Sinne auf einmal überempfindlich wären.

Oder sie wurde einfach verrückt.

In manchen Momenten hatte sie das Gefühl, ihre Augen würden sich in Sucher verwandeln, wie bei einem Fotoapparat. Außerdem hörte sie immer wieder Geräusche aus viel zu großer Entfernung. Auch jetzt wieder hätte sie schwören können, dass sie die Pfefferminzbonbons in der Tasche ihres Trainers riechen konnte. Und den Lippenpflegestift mit Kirschgeschmack, den einer der Fans trug. Außerdem wachte sie in letzter Zeit jede Nacht schweißnass aus bizarren Träumen auf, die sie völlig aus der Bahn warfen …

Der Schiedsrichter blies in seine Pfeife, der Ball war wieder auf dem Feld. Jegliche Unruhe war vergessen. Chloe und die lahme Kröte begannen erneut, um die beste Position zu kämpfen.

»Sieh zu und staune, Dumpfbacke«, rief Chloe, während sie herumwirbelte und ihrer Gegnerin auswich. Sie nahm einen weiten, hohen Pass mit dem Innenrist an, drehte sich blitzschnell in die andere Richtung und legte sich den Ball für den Schuss vor …

Mit einem Mal stolperte sie. Über all den Lärm im Stadium hinweg hatte sie ein einzelnes Handy so laut klingeln gehört, dass sie zusammenzuckte. Die lahme Kröte fackelte nicht lange, und beinahe wäre es ihr gelungen, sich den Ball zu erkämpfen, doch Chloe kickte ihn mit der Hacke nach hinten. Zum Glück befand sich genau in diesem Moment eine Teamkameradin dort, die ihn annehmen konnte, sodass es aussah wie geplant.

Nur ihre eigene Mannschaft konnte bemerken, dass etwas nicht stimmte. Denn wenn Chloe den Ball in solcher Nähe zum Tor vor die Füße bekam, war sie tödlich – und egoistisch. Als Torjägerin war sie darauf trainiert, den Ball nicht mehr abzugeben, wenn sie sich so kurz vor dem Ziel befand.

Wie Dad zu sagen pflegte: »Man gibt den Ball nicht an eine schwächere Spielerin ab, und sie sind alle schwächer. Sie spielen dir den Ball zu.«

Warum hatte sie sich dann nicht auf den Schuss konzentrieren können? Warum hatte sie bei all dem Lärm ausgerechnet ein Telefon herausgehört? Sie sah zu ihrem Dad, der einen Anruf entgegengenommen hatte und im Gang auf und ab marschierte. Was zur Hölle war denn wichtiger als das finale Meisterschaftsspiel seiner einzigen Tochter? Sicher, sein Job verlief nicht immer reibungslos, aber wenn er es schaffte, sich eins ihrer Spiele anzusehen, dann war er normalerweise mit Leib und Seele dabei.

Auf der anderen Seite des Spielfelds schnappte sich der Rechtsaußen der Breakers in einem fairen Zweikampf den Ball. Chloe konnte nur abwarten und hoffen, während die Gegnerin mit einem gekonnten Dribbling über das Spielfeld lief. Der Jubel der Zuschauer war inzwischen ohrenbetäubend; die andere Mannschaft kam so richtig in Fahrt.

Und doch konnte Chloe die Stimme ihres Vaters hören, als ob er direkt neben ihr stände.

»Wurde die Gefangennahme des Lykae abgeschlossen?«, erkundigte er sich gerade.

Lykae? Gefangennahme? Noch seltsamer als die Tatsache, dass sie ihren Vater hören konnte, war, dass sie sogar Bruchstücke der Antwort mitbekam. Sie nahm tonnenweise Hintergrundgeräusche wahr – wie in einem CNN-Bericht aus einem Kriegsgebiet –, und die Stimme eines Mannes: »… läuft noch, Sir … nicht ohne Gegenwehr ergeben … haben ihm Beruhigungsmittel verpasst … nur noch eine Frage der Zeit, Commander.«

Hatte der Typ Dad gerade »Commander« genannt, verdammte Scheiße?

»Welche Schäden sind zu vermelden?«, fragte Dad.

»… uns mit unserem eigenen Panzer beworfen, Sir.«

Dad fuhr sich mit der Hand über seinen grau melierten Bürstenschnitt. »Ich hatte euch doch davor gewarnt, euch einen Wolf in Abwesenheit von Magister Chase vorzunehmen.«

Magister, Wolf, Lykae? Panzer, die durch die Luft flogen? Was sollte der Scheiß?

Ihr Dad war früher bei der Army gewesen und verkaufte heute Computersysteme an militärische Einrichtungen. Dustin Todd war durch und durch ein Technikfreak und der trockenste, fantasieloseste Mann, der je gelebt hatte. Er redete einfach nicht über paranormales Zeug, und ganz gewiss würde er niemals mit irgendeinem anderen Kerl fachsimpeln, als ob sie Dungeons & Dragons-Fans wären.

Ihr wurde schwindelig, so surreal war die Situation. Wie konnte das alles möglich sein?

»Ich verstehe immer noch nicht, warum die Wahrsagerin auf gerade diesem bestanden hat«, sagte Dad. »Worin liegt der taktische Wert eines Werwolfs? Hat sie das gesagt?«

Du liebe Güte, jetzt redete Dad über ein mythologisches Monster und eine Hellseherin.

»Nein, Sir … verließ uns, sobald wir die Falle gestellt … der Wolf geht endlich zu Boden … Sie kommen … ich werde die Gefangennahme bestätigen.«

Offenbar hatte ihr Dad eine Art psychotischen Zusammenbruch oder so.

Und sie selbst vielleicht auch. Schließlich war es unmöglich, dass sie ihn hören konnte. Sie war dabei, den Verstand und – was genauso wichtig war – das Spiel zu verlieren.

»T-Rex!«

Chloes Kopf fuhr herum. Sie hatte einen Pass verschlafen und gar nicht mitbekommen, dass sich das Blatt gewendet hatte. Jetzt war die lahme Kröte im Ballbesitz, sie rannte über das Mittelfeld, wollte den Ball gerade ihrer Stürmerin zuspielen …

Mit zusammengekniffenen Augen rannte Chloe die Frau einfach um. Sie grätschte von hinten in die Beine ihrer nichts ahnenden Gegnerin hinein, dass diese glaubte, sie wäre von einem Zug gerammt worden.

»Du blöde Kuh!«, kreischte die lahme Kröte, während der Schiedsrichter pfiff.

Foul. Gelbe Karte. Scheiße!

Am Spielfeldrand drohte Chloes Trainer auszuflippen. Die lahme Kröte erhielt einen Freistoß in Tornähe.

Während die Frau sich den Ball zurechtlegte, ermahnte Chloe sich, dass sie in diesem Moment nichts am Zusammenbruch ihres Dads ändern konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zuerst die letzten Minuten dieses für ihre Zukunft so wichtigen Spiels hinter sich zu bringen.

Dad war derjenige, der ihr beigebracht hatte, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren, sich niemals unterkriegen zu lassen und eine Sache selbst dann zu Ende zu bringen, wenn’s mal nicht so toll läuft.

Die Torhüterin parierte den Schuss der lahmen Kröte – oooh, das tut mir aber leid – und machte einen weiten Abstoß in die Hälfte der Breakers.

Eine ihrer Mittelfeldspielerinnen spielte Chloe einen nahezu unmöglichen Pass zu, den sie natürlich trotzdem zu erreichen versuchte. Die lahme Kröte war ihr dicht auf den Fersen. Die blöde Kuh schlitterte über den Rasen in Chloes Hacken, sodass diese den Ball verlor und unversehens auf dem Hintern landete. Zu allem Überfluss verdrehte Chloe sich dabei auch noch den Knöchel. Die lahme Kröte konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen und rammte ihr zur Krönung auch noch den Ellenbogen in die Kehle.

Kein Pfiff? Chloe rappelte sich auf und hob die Hände in einer »Was soll der Scheiß?«-Geste. Es stand unentschieden, nur noch zwei Minuten zu spielen – sie hatte keine Zeit für so einen Mist. Die Zuschauer buhten, aber der Schiri starrte sie nur mit versteinerter Miene an.

Chloe trabte wieder auf ihre Position, während sie sich bemühte, das Ganze zu vergessen, auch wenn ihr Knöchel gerade unangenehm anschwoll.

Sie ignorierte den Schmerz und sagte sich im Geist immer wieder: Stell dich nicht so an!

Das hatte Chloe ihr ganzes Leben lang von sämtlichen Trainern zu hören bekommen, als Antwort auf so ziemlich alles – vom aufgeschlagenen Knie bis hin zur Gehirnerschütterung. Das war Trainersprache für: Nimm’s hin und lächle, oder ich setz die zweite Garde ein.

Der Spruch war inzwischen quasi zu ihrem Lebensmotto geworden. Das Training war mies gelaufen? Stell dich nicht so an. Eine kleine Verletzung? Stell dich nicht so an. Die Worte waren zu einem optimistischen Mantra geworden, das es ihr ermöglichte, die Zähne zusammenzubeißen, egal, welches Hindernis sich ihr in den Weg stellte, und ein »Ich bin ja so glücklich, hier zu sein, Trainer«-Lächeln aufzusetzen. Es brachte sie dazu, in jeder Lage die positive Seite zu sehen.

Wenn ihr Dad allerdings wirklich durchdrehen sollte … da konnte ihr auch ihr Motto nicht mehr helfen. Das wäre aus keinem Blickwinkel positiv. Er war alles an Familie, was sie auf dieser Welt besaß.

Reiß dich zusammen, Chloe! Konzentrier dich.

Doch genau in dem Moment, als sie sich ein wenig beruhigt und ihre Aufmerksamkeit wieder vollkommen auf das Spiel gerichtet hatte, drang aus dem Telefon ihres Vaters ein … Brüllen – ein solch Furcht einflößendes Tiergebrüll hätte sie sich nie im Leben vorstellen können. Auf ihrer nass geschwitzten Haut breitete sich Gänsehaut aus, und ihr Kopf fuhr zu ihrem Vater herum.

Sie stand einfach nur da, mitten auf dem Spielfeld, während Tausende von Zuschauern sie fassungslos anstarrten.

Denn als Dad diesen Laut gehört hatte, hatte er gelächelt …

In dem Moment traf sie ein satter Schuss mitten ins Gesicht, und ihr Körper flog durch die Luft. Niedergestreckt lag sie platt und wie betäubt auf dem Rücken und starrte in die Lichter der Stadionscheinwerfer, die hoch über ihr durcheinanderwirbelten. Das Publikum wurde mucksmäuschenstill.

Stell dich nicht so an! Die positive Seite? Jetzt besaß sie immerhin wieder die volle Aufmerksamkeit ihres Dads, der seinen Anruf beendet hatte. Das unheimliche Gebrüll des Wolfs war verstummt.

2

Die Gegend um New Orleans, Louisiana

Eine Stunde zuvor

»Ich würde ja nie behaupten, dass du keine fantastische Autofahrerin bist«, sagte Will zu der dreitausend Jahre alten wahnsinnigen Walküre auf dem Fahrersitz neben ihm, »aber da wir in Eile sind, ist es vielleicht nicht die beste Option, im Rückwärtsgang zu fahren.«

Nïx die Allwissende fuhr mit ungefähr fünfundzwanzig Stundenkilometern auf der linken Spur der I-10 über die Lake-Pontchartrain-Brücke. Rückwärts.

Sie kroch dahin, der allgemeinen Verkehrssituation – mehr oder weniger – angepasst, nur dass die Scheinwerfer ihres misshandelten Bentleys den Fahrer anstrahlten, der ihnen folgte. Zur Orientierung benutzte sie den Rückspiegel – und vermutlich ihre verdammten hellseherischen Kräfte, aber was wusste er schon davon.

Die Fahrzeuge stauten sich kilometerweit hinter ihnen, ohne dass sie es auch nur zu bemerken schien. Immer wieder wurden sie von Autos überholt, deren wütend brüllende Fahrer ihr den Mittelfinger zeigten – bis sie einen Blick auf die extrem attraktive und zugleich so chaotische Kreatur warfen, die allgemein als die komplett durchgeknallte Nïx bekannt war.

Sie war von übernatürlicher Schönheit, doch ihre Augen starrten leer ins Nichts und ihre wilde rabenschwarze Mähne war zerzaust und verfilzt. Sie trug ein T-Shirt in Neonpink, auf dem in fetten Buchstaben das Wort »Flittchen« prangte.

Darunter stand in kleinerer Schrift: »Freizügig und hemmungslos«.

Und was saß auf ihrer Schulter? Eine lebendige Fledermaus.

Die Hellseherin war im Grunde völlig verrückt und verlor immer mehr jegliches Gefühl für die Zeit und die Realität. Verständlich, da sie seit Jahrtausenden die Zukunft voraussah.

Ein Handgelenk hatte sie lässig auf den Lenker gelegt, und es lief gerade Jay-Z im Radio, als sie sagte: »Ist doch lächerlich, dass ein so teures Auto keinen Tempomat für den Rückwärtsgang hat.«

»Willst du vielleicht, dass ich fahre?«

Sie hatte ihn auf seiner Privatnummer angerufen – die Zahlen hatte sie vermutlich in einer Vision gesehen – und verlangt, ihn unter vier Augen zu treffen. Sie hatte ihn schwören lassen, dass er niemandem etwas von ihrem »Rendezvous« erzählte, nicht einmal Munro. Will hatte sie bereits gefragt, warum sie ihn treffen wolle (Antwort: ein leeres Starren) und ob er irgendetwas für sie tun könne (Antwort: ein noch leereres Starren).

»Vielleicht sollte ich eine deiner Schwestern anrufen? Du siehst ein wenig müde aus, Walküre.«

»Mir geht’s gut«, sagte sie geistesabwesend. »Bertil ist ja bei mir.«

Oh. Die Fledermaus. Will beschloss, dass es ihm verdammt noch mal scheißegal war, wenn die komplett durchgeknallte Nïx rückwärtsfahren und keine seiner Fragen beantworten wollte.

Schließlich hatte er nichts Besseres zu tun, als die Fahrt zu genießen. Also lehnte er sich entspannt in den weichen Sitz zurück, stolz auf seine Lässigkeit. Auch wenn er Überraschungen nicht mochte und es verabscheute, von Frauen dazu gedrängt zu werden, Geheimnisse zu bewahren, hielt sich sein Unbehagen heute Abend in Grenzen.

Vielleicht bedeutete das, dass er – endlich – über den Berg war.

Genau in diesem Moment warf Nïx einen Blick auf Will und blinzelte überrascht. Ihr Gesichtsausdruck besagte deutlich: Hey, wie kommst du denn hierher, Kollege?

Ihre Miene hellte sich auf. »Heiß von den Heiß-und-Heißer-Zwillingen!«, begrüßte sie ihn. »Oder bist du Heißer? Ich kann euch einfach nicht auseinanderhalten. Ihr habt beide diese leuchtenden goldenen Augen und diese verträumten Gesichtszüge. Vielleicht hat ja einer von euch etwas längere Haare?«

Munro und er hassten es, wenn sie von Frauen Heiß und Heißer genannt wurden, als wären sie nur zwei austauschbare Bestandteile eines Witzes. »Nïx. Schön, dich zu sehen«, sagte er – zum zweiten Mal heute Abend.

Zumindest war es mit ihr nie langweilig, und die meisten würden ein Vermögen für ein Treffen mit ihr zahlen. Sie war imstande, einem Mythenweltbewohner aus so ziemlich jedem Schlamassel herauszuhelfen.

Allerdings traf das gegenwärtig nicht auf Will zu. Er schlug einfach bloß weiter seine Zeit tot, es sei denn, Nïx könnte ihn in der Zeit zurückschicken oder ihn die Vergangenheit vergessen lassen.

Die letzten paar Jahrhunderte hatten Munro und er in Bheinnrose gelebt, einer Kolonie, die sie in Nova Scotia gegründet hatten. Will war der Anführer dieses Zweigs des MacRieve-Clans, aber diesen Job könnte ja nun wirklich jeder machen. Seine Aufgabe bestand lediglich darin, jede Menge Formulare zu unterzeichnen. Für gewöhnlich, nachdem Munro sie gelesen hatte.

Da sie sich nicht mit einem netten, grausamen Krieg – oder einer Mission, auf die sie ihr König entsandte – die Zeit vertreiben konnten, hatten sich die Brüder auf den Weg nach Süden gemacht, nach Louisiana, auf der Suche nach Abwechslung. Während einer Akzession war an einem Brennpunkt der Mythenwelt wie New Orleans immer etwas los. Zum Beispiel konnte man hier Nïx treffen.

Außerdem hatte Will inzwischen sämtliche zur Verfügung stehenden Nymphen im Norden durch, da er nie zweimal mit derselben Frau schlief. Für gewöhnlich beruhte dieses Arrangement auf Gegenseitigkeit.

Der Fahrer eines Sattelzuges tauchte neben dem Bentley auf und drückte so nachdrücklich auf seine Hupe, dass der ganze Wagen vibrierte.

»Sterbliche.« Nïx seufzte. »Also, worüber wolltest du mit mir reden, Uuielliehhm?«

Er runzelte angesichts der etwas verhunzten Aussprache seines Vornamens die Stirn, glaubte aber, ein Funkeln in ihren Augen wahrgenommen zu haben. »Nenn mich doch einfach MacRieve. Und was dieses Treffen angeht, du hast mich angerufen, weißt du nicht mehr? Ich bin davon ausgegangen, dass du über Munro reden wolltest.«

»Ähmm, nein.«

Peinliche Stille. Na ja, wenn er schon mal eine Hellseherin neben sich sitzen hatte … »Vielleicht willst du mir ja verraten, wo er seine Gefährtin findet.« Ein Lykae wurde stets von dem Trieb beherrscht, die Frau zu finden, die ihm das Schicksal zugedacht hatte, und Nïx hatte allein während dieser Akzession bereits drei Mitgliedern des Clans geholfen, die ihre ausfindig zu machen und für sich zu gewinnen – und das obwohl die Voraussetzungen extrem ungünstig gewesen waren.

»Du fragst nach seiner Gefährtin und nicht nach deiner?«

»Munro hat schreckliche Sehnsucht nach ihr.« Er brauchte diese Frau, um die Kinder zu bekommen, die er unbedingt haben wollte. Er sehnte sich mehr nach Nachwuchs als eine Glucke. Sein Bruder hatte bereits zwei junge Lykae in ihr Haus geholt, die er als Pflegevater aufzog.

Doch Munro sollte lieber vorsichtig sein mit seinem Wunsch. Ein altes Orakel hatte einst vorhergesagt, dass er aufgrund eines Fluches eine wahre »Xanthippe« als Gefährtin erhalten würde.

»Hast du denn keine Sehnsucht nach der deinen? Du kannst es Nïxie ruhig erzählen. Ich werde es niemandem weitersagen. Dieser Abend wird unser kleines Geheimnis bleiben.«

Als hätten diese Worte Will nicht schon genug irritiert, wählte die Fledermaus ausgerechnet diesen Augenblick, um an Nïx’ Vorderseite hinabzuklettern und ihre Flügel auszubreiten, sodass sie sich über Nïx’ Schlüsselbeine erstreckten. Die winzigen Klauen krallte das Tierchen in Nïx’ T-Shirt.

»Es ist kompliziert.« Er hatte einmal geglaubt, seine Gefährtin gefunden zu haben. Was für ein dämlicher Idiot du doch warst.

»Bring mich nicht dazu, den Wagen zu wenden, Wolf.«

Er hob eine Braue. »Nun gut. Ich habe andere Männer oft beneidet, die ihre gefunden haben. Aber ich befinde mich im Moment nicht gerade in bester Verfassung.« Er zupfte an seinem Kragen. Das war die Untertreibung des Jahres. Hallo, ich bin MacRieve, und dies ist meine Lykae-Bestie. Gewöhn dich lieber an sie, denn du wirst sie noch häufiger sehen.

Dennoch musste er sie einfach fragen. »Hast du meine denn vorhergesehen?«

»Oh! Hier ist meine Ausfahrt!« Mit der Präzision eines Profis fuhr Nïx quer über die andere Fahrbahn auf die Ausfahrt. Sie bogen, nach wie vor im Rückwärtsgang, auf eine schmalere Landstraße ein.