0,00 €
Gratis E-Book downloaden und überzeugen wie bequem das Lesen mit Legimi ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 287
Anmerkungen zur Transkription
Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet und in kursiv gesetzten Abschnitten so ausgezeichnet.
Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
mit Einschluss
der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad, des Voigtlandes und des Granulitgebietes an den unteren Mulden.
Ein Reisehandbuch
mit Reisekarte von Ingenieur Rudolf Henke und einer Routenkarte.
Dresden.
Verlag von Bleyl & Kaemmerer.
Unzählige Reisen, die der Verfasser des vorliegenden Buches in das beschriebene Gebiet unternommen, seine erzgebirgische Heimathliebe und seine Freude an der eigenartigen Gebirgsnatur, wie an dem treuherzigen, regsamen und originellen Volksstamm, der dies Gebirge bewohnt, haben ihm die Arbeit erleichtert, der er sich überdies mit erklärlicher Vorliebe hingegeben. Möchte sie nun nicht minderen Anklang finden, wie die touristischen Skizzen, welche unter dem Titel »Partien in's Sächsische Erzgebirge« im Chemnitzer Tageblatt erschienen sind und die durch berechtigten und unberechtigten Nachdruck, wie auch durch Herausgabe in Buchform eine ungewöhnliche Verbreitung erlangten.
Um dem raschen Wechsel menschlicher Einrichtungen allzeit Rechnung zu tragen, sind Touristen und vor Allem die Eckpfeiler der Touristik, die Gebirgsvereine, sowie auch Ortsbehörden und Hotelbesitzer gebeten, Mittheilungen über etwaige Mängel, Veränderungen oder wünschenswerthe Ergänzungen an den Verfasser gelangen zu lassen.
Dresden-Altstadt.
Th. Gampe.
Einleitung.
Die Landschaftsform des Erzgebirges
1
.
Klima des Erzgebirges
4
.
Die Bewohner des Erzgebirges
6
.
Praktische Winke für den Umgang
9
.
Wie bereist man am Besten das Erzgebirge
11
.
Wann bereist man am Besten das Erzgebirge
12
.
Einiges über Reisemärsche
13
.
Gastronomisches
14
.
Pass und Zoll
15
.
Reisekosten
16
.
Geldvaluta
16
.
A.
Aberg
102
.
Adelsberg
60
.
Adlerstein
80
.
Adlerfelsen
127
.
Adorf
147
.
Ahornberg
53
.
Altenberg
32
.
Altenhahn
61
.
Altväterwasserleitung
51
.
Altzella
52
.
Amerika b. Penig
77
.
Annaberg
91
.
Arnsgrüner Kuppe
149
.
Asch
150
.
Aschberg
137
.
Aue
120
.
Auerbach
135
.
Auersberg
127
.
Auerswalder Mühle
63
.
Augustusberg
19
.
Augustusburg
65
.
B.
Bärenstein
95
.
Bärenstein b. Glashütte
31
.
Bäringen
124
.
Bernsteinberg
83
.
Beierfeld
120
.
Berggiesshübel
19
.
Bermsgrün
122
.
Beutenberg
60
.
Bieberstein
51
.
Bienenmühle
52
.
Bilin
26
.
Bockau
134
.
Bocksgrün
107
.
Böhrigen
71
.
Borcen
26
.
Brand
54
.
Breitenbrunn
122
.
Brunnersdorf
105
.
Brüx
103
.
Buchholz
95
.
Burgstädt
63
.
Burkhardsdorf
61
.
Buttertöpfchen
44
.
C.
Callenberg, Dorf
78
.
Callenberg, Stadt
67
.
Capellenberg b. Hohenstein
67
.
Capellenberg
, Voigtland
150
.
Chemnitz
55
.
Chemnitzthal
63
.
Colditz
74
.
Cottaer Spitzberg
18
.
Crottendorf
113
.
Cunnerstein
65
.
D.
Dallwitz
99
.
Deutschneudorf
83
.
Dippoldiswalde
37
.
Dittersdorfer Höhe
61
.
Dittmannsdorfer Bergteich
81
.
Döbeln
71
.
Döben (Schloss)
75
.
Dohna
30
.
Domina-Schönlind
97
.
Dörnthal
54
.
Dux
25
.
E.
Ebersdorf
63
.
Edle Krone
42
.
Eger
152
.
Ehrenberg (Schloss)
69
.
Ehrenfriedersdorf
110
.
Eibenstock
126
.
Eichenhof
103
.
Eichwald
35
.
Einsiedel
(Bad)
53
.
Einsiedel
b. Chemnitz
61
.
Einsiedel bei Seiffen
53
.
Eisenberg
(Schloss)
84
.
Ellbogen
155
.
Elster
, Bad
148
.
Elsterberg
143
.
Elsterperlenfischerei
147
.
Elsterthalbrücke
143
.
Elterlein
111
.
Engelshalde
60
.
Engelhaus
102
.
Erdmannsdorf
65
.
Ernstthal
66
.
F.
Falkenstein
146
.
Falkenau
155
.
Fichtelberg
106
.
Filzteich
133
.
Flachsgrund
83
.
Fley
44
.
Flöha
55
.
Flossgrabentour
134
.
Frankenberg
64
.
Franzensbad
150
.
Frauenstein
43
.
Freiberg
45
.
Friebus
129
.
Friedrichshöhe
38
.
Frohburg
78
.
Fürstenberg
112
.
Fürstenwalde
31
.
G.
Gabrielenhütten
85
.
Gebirgsneudorf
83
.
Gelenau
108
.
Georgenfeld
34
.
Georgensdorf
44
.
Georgenthal
44
.
Geisberg
84
.
Geising (Berg)
34
.
Geising (Stadt)
35
.
Geithain
78
.
Geyer
110
.
Geyersberg
61
.
Geyersburg
29
.
Giesshübler Sauerbrunnen
103
.
Glashütte
31
.
Glauchau
115
.
Gleesberg
133
.
Globenstein
124
.
Gnandstein
(Schloss)
79
.
Göhrn
53
.
Göhrener Viaduct
72
.
Goldne Höhe
36
.
Göltzschthalbrücke
142
.
Görkau
84
.
Gottesgab
106
.
Gottleuba
19
.
Grabentour
b. Freiberg
51
.
Grasslitz
137
.
Graupen
28
.
Greifenstein
109
.
Greiz
144
.
Grimma
74
.
Grosssedlitz
30
.
Grüne Grabentour
87
.
Grüner Frosch
149
.
Grünhain
111
.
Grünhainichen
80
.
Grünthal
82
.
H.
Haan
39
.
Hainichen
70
.
Halsbrücke
50
.
Hammer
54
.
Harrasfelsen
64
.
Hartenstein
114
.
Harthau
61
.
Hassenstein
105
.
Hassberg
104
.
Hauensteine
107
.
Hauenstein
(Schloss)
98
.
Heideberg b. Colditz
74
.
Heilingfelsen
102
.
Hellendorf
19
.
Hemmschuhberg
38
.
Hetzdorfer Viaduct
55
.
Hetzdorfer Schweiz
66
.
Hilbersdorf
63
.
Himmelstein
98
.
Hintergrund
86
.
Hirschenstein
131
.
Höckendorf
42
.
Hoheneck
67
.
Hohenfichte
80
.
Hohenstein
66
.
Hoher Stein
138
.
J.
Janegg
25
.
Jerisau
115
.
Joachimsthal
108
.
Johanngeorgenstadt
122
.
Jöhstadt
104
.
Joketa
143
.
Jungenhengst
123
.
K.
Kaaden
105
.
Kahleberg
34
.
Kallich
85
.
Kammerbühl
152
.
Kapellenberg b. Hohenstein
67
.
Kapellenberg
, Voigtland
150
.
Karlsbad
99
.
Karlsfeld
129
.
Katharinenberg
83
.
Katzenstein
87
.
Keilberg
106
.
Kemmler
145
.
Kemptau
61
.
Kirchberg
131
.
Klaffenbach
61
.
Kleinbobritzsch
42
.
Klingenthal
138
.
Klostergrab
39
.
Klösterle
97
.
Kniebreche
88
.
Kohlberg
18
.
Kohren
79
.
Kolkau
74
.
Kommotau
85
.
Königsberg
155
.
Königstanne
81
.
Königswart
156
.
Kostenblatt
25
.
Kranichsee, der
129
.
Kreuzweg
(Dorf)
53
.
Kriebethal
70
.
Kriebstein
69
.
Kreischa
32
.
Krummhennersdorf
51
.
Krzmusch
25
.
Kuhberg
b. Schönheide
130
.
Kühberg b. Netzschkau
142
.
Kulm
20
.
Kulmer Schlachtdenkmäler
20
.
Kupferberg
96
.
Kurprinz (Huthaus)
51
.
L.
Langenleuba
80
.
Langenwiese
44
.
Langhennersdorfer Wasserfall
18
.
Lastau
74
.
Laubberg
131
.
Lauenstein
31
.
Lauter
120
.
Lauterbacher Knochen
81
.
Lauterstein
86
.
Leisnig
75
.
Lengefeld
80
.
Lengenfeld
136
.
Lerchenberg
36
.
Leskau, Ruine
97
.
Lichtenstadt
124
Lichtenstein
67
.
Lichtenwalde
64
.
Lichtenwaldstein, Jagdschloss
44
.
Liebau, Ruine
143
.
Liebstadt
27
.
Limbach
62
.
Lockwitz
32
.
Lössnitz
114
.
Lössnitzgrund
66
.
Luchberg
32
.
Lugsteine
34
.
Lugthurm
32
.
Lunzenau
76
.
M.
Mahlitzsch
71
.
Mariakulm
155
.
Mariaschein
29
.
Marienbad
156
.
Marienberg
88
.
Marieney
141
.
Marienhütte
118
.
Markneukirchen
139
.
Maxen
31
.
Millischauer
24
.
Minkwitz
76
.
Mittweida
68
.
Morgenleithe
121
.
Morgenröthe
130
.
Mückenthürmchen
28
.
Muldenhütten
48
.
Mylau
141
.
N.
Nancy, Forsthaus
129
.
Natzschungsthal
85
.
Netzschkau
142
.
Neudeck
128
.
Neue drei Brüder
91
.
Neues Haus
106
.
Neuhausen
53
.
Neukirchen
68
.
Neustadt
39
.
Neustädtl
133
.
Neuwernsdorf
81
.
Niclasberg
39
.
Niederrabenstein
62
.
Niederschlema
132
.
Nimbschen (Kloster)
75
.
Nollendorfer Höhe
20
.
Nossen
51
.
O.
Oberleitensdorf
54
.
Oberrabenstein
62
.
Oberreinsberg
51
.
Obersachsenberg
137
.
Oberwiesenthal
105
.
Oederan
55
.
Oelsen
19
.
Oelsnitz
147
.
Oelsnitz b. Würschnitz
67
.
Olbernhau
81
.
Ossegg
40
.
P.
Papiermühlenfelsen
144
.
Penig
77
.
Peterswalde
20
.
Petschau
159
.
Pfaffroda
81
.
Pirkenhammer
102
.
Pirna
17
.
Planitz
118
.
Platten
123
.
Plauen
144
.
Pöbelknochen
38
.
Pobershau
87
.
Pockau
81
.
Pressnitz
104
.
Prinzenhöhle
120
.
Probstauer Park
27
.
Purschenstein
53
.
Pürstein
97
.
Q.
Quinau
84
.
Quohrener Kipse
36
.
R.
Rabenau
36
.
Rabenauer Grund
36
.
Radelstein
26
.
Raschau
113
.
Raubschloss Ringethal
69
.
Rautenkranz
135
.
Rehefeld-Zaunhaus
38
.
Reiboldsgrün
135
.
Reichenbach
141
.
Reinhardsgrimma
32
.
Reitförster
107
.
Reitzenhain
87
.
Rentzschmühle (Steinigt)
143
.
Riesenburg
45
.
Ringethal
69
.
Rittersgrün
125
.
Rochlitz
73
.
Rochlitzer Berg
73
.
Rochsburg
77
.
Roschwitz
97
.
Rosenburg
28
.
Rösselberg
103
.
Rosswein
71
.
Rothengrube
83
.
Rothenhaus
84
.
Rothenthal
85
.
Rothschönberger Stolln
51
.
Rottwerndorf
18
.
Rössgener Höhe
69
.
Rübenau
87
.
Rüdigsdorf
80
.
Ruppendorf
42
.
S.
Sachsenburg
64
.
Salesiushöhe
40
.
Sandberg
43
.
Sattelberg
19
.
Satzung
87
.
Sauerbrunnen
26
.
Sayda
54
.
Saydenberg
54
.
Scharfenstein
89
.
Scheibenberg
113
.
Scheibenberger Hübl
113
.
Schellenberg
65
.
Schlackenwerth
98
.
Schlettau
112
.
Schlössel
96
.
Schmiedeberg
37
.
Schmiedeberg b. Weipert
96
.
Schnarrtanne
131
.
Schneckenstein
136
.
Schneeberg
132
.
Schönborn
65
.
Schöneck
140
.
Schönerstädter Höhe
55
.
Schönfeld
111
.
Schönheide
130
.
Schwartenberg
83
.
Schwarzenberg
120
.
Schweissjäger
35
.
Schweizerthal
63
.
Schweta (Schloss)
76
.
Seeberg
84
.
Seestadtl
103
.
Seifen b. Gottesgab
123
.
Seiffen
82
.
Siegmar
62
.
Sonneberg
97
.
Sophienstein
81
.
Spiegelwald
111
.
Steinbach
123
.
Steingrün
97
.
Steinigt
143
.
Stein (Schloss)
119
.
Sternmühle
61
.
Stollberg
67
.
Stürmer
39
.
T.
Tannenberg
110
.
Taurasteine
63
.
Tellerhäuser
125
.
Tellkoppe
37
.
Teplitz
21
.
Teplitzer Schlossberg
23
.
Tepl Stift
158
.
Tharandt
41
.
Thierfeld
114
.
Thum
109
.
Treppenhauer
65
.
Tuppelburg
35
.
Turner Park
21
.
V.
Viamala
69
.
W.
Wachberg b. Waldheim
70
.
Wachholderberg
24
.
Wachhübel
83
.
Waldenburg
78
.
Waldheim
70
.
Warmbad Wolkenstein
90
.
Warmbad Wiesenbad
91
.
Wechselburg
72
.
Weesenstein
30
.
Weingarten (Dorf)
85
.
Weipert
95
.
Wendelstein
146
.
Wendishain
76
.
Wiesa
63
.
Wiesenburg
119
.
Wildenfels
125
.
Wildenthal
128
.
Wilhelmshöhe
29
.
Wilisch
32
.
Wittgensdorf
62
.
Wolfsstein
39
.
Wolkenburg
77
.
Wolkenstein
90
.
Wüstenbrand
62
.
Z.
Zehista
27
.
Zeisig
77
.
Zinnwald
34
.
Zettlitz
124
.
Zöblitz
86
.
Zschopau
88
.
Zwickau
115
.
Zwittermühl
123
.
Zwönitz
114
.
Seit geologisch festgestellt worden, dass die Bergzüge im Granulitgebiet zwischen den unteren Mulden nicht Ausläufer, sondern neue Gebirgserhebungen sind, fallen auch die wissenschaftlichen Grenzen im Norden des Erzgebirgs mit den Grenzen zusammen, wie sie seit Langem in der Volksanschauung leben; sie laufen mit der grossen Verkehrsstrasse Reichenbach-Zwickau-Chemnitz-Freiberg-Dresden parallel. Bei Freiberg freilich erstrecken sich die erzgebirgischen Gneiszüge noch weit über diese Linie hinaus, doch ist ihre Bodenplastik eine wenig ausgeprägte, so dass sie bei Betrachtung des Gesammtgebirges nicht von Belang sein können.
Genau in der Richtung dieser Linie (O. O. N.) verläuft auch der Kamm des Gebirgs und zeigt dieselbe Längenausdehnung von circa 130 km. Bei solcher Structur kann die Entfernung des Kammes von der Nordgrenze nur wenig variiren, sie beträgt im Durchschnitt 38 km. Dieselbe Regelmässigkeit zeigt auch die Südgrenze; sie wird gebildet durch den Fuss eines Steilhanges der im Durchschnitt nur 7 km vom Kamm entfernt liegt und der sehr schroff mit halb alpinen Character nach dem böhmischen Tiefland zu abfällt. Die Höhe (nicht Seehöhe) dieser imposanten Bergkegel von Grasslitz ab bis zum Nollendorfer Pass schwankt zwischen 550 und 800 m vom Fuss aus gerechnet. Etwas höher ist die Steigung vom nördlichen Fuss bis zum Kamm, doch vertheilt sich dieselbe auf jene Durchschnittsentfernung von 38 km und kann darum landschaftlich nicht so unmittelbar zur Geltung kommen. Im Osten stösst das Gebirge an das Elbsandsteingebirge, das an der Grenze von der Grundform des Erzgebirges nicht abweicht und im Westen grenzt es an das Elstergebirge, das gleichfalls verwandte Formen aufweist.
Wir haben kein Haufengebirge vor uns, wohl aber eine gewaltige Gesammterhebung, der nach Höhe und Ausdehnung unter den deutschen Mittelgebirgen nur das Riesengebirge, der Böhmerwald, der Schwarzwald und Wasgenwald vorangehen. Ein Modell des Gebirges würde einem Festungswall nicht unähnlich sein, dessen Front gegen den Süden gerichtet ist. Auf der Höhe des Kammes stehen wie Bastionen der Mückenthürmchenberg (815 m), der Wieselstein und Schwarzeberg (930 m), der Bernsteinberg (919 m), der Hassberg (991 m), der Spitzberg bei Orpus (920 m), Keil- und Fichtelberg (1238 und 1213 m), der Spitzberg bei Gottesgabe (1107 m), der Queesberg (1021 m), der Rammelsberg (965 m) und der Aschberg (925 m). Das Fundament dieser Berge, das Kammplateau, schwankt zwischen 700 und 1000 m. Doch leidet dieses Plateau keineswegs an einer langweiligen Regelmässigkeit; so ist es in der Nähe der beiden Hünen Keil- und Fichtelberg fast aufgehoben, am Pass bei Gebirgsneudorf über Olbernhau fehlt es gänzlich und es gleicht dieser kürzeste Pass des ganzen Gebirgs in seiner hausdachförmigen Schroffheit sehr dem Loibelpass in den Karawanken, auch am Mückenthürmchen ist von einem Plateau in strengerem Sinne wenig zu spüren. In den Steilhang des Südens schneiden sich fjordartige Thäler oft dicht unter den Bastionen ein mit Thalgehängen bis zu 400 m Höhe – also colossale Thalschluchten von grossartigem landschaftlichem Character. Den Nordabhang durchfurchen zahlreiche Bergflüsse, die ihr Bett bis 200 m tief eingruben. Zu nennen sind hier die Zschopau, das Schwarzwasser, die beiden Mulden, die Flöha, die beiden Weisseritzflüsschen, die Müglitz, die Gottleuba und der Seidewitzbach. Ueberragt wird dieser Nordhang von einer grossen Zahl isolirter Bergkegel, die durch ihre Menge schon Protest dagegen erheben, dass das Gebirge hier einförmig sei. Besonders reich und energisch ist die Bodenplastik in der Annaberger Gegend, sodann folgt Altenberg im Osten und die Eibenstocker Granitregion im Westen. Sehr zu Gute kommen der Landschaftsform die vielen dominirenden Basaltdurchbrüche durch den Gneis im Osten und den Glimmerschiefer im Centralerzgebirge. Im Osten ragen auf der Wilisch, der Luchberg, der Sattelberg, der Geising, im Centralgebirge der Hass-, Pöhl- und Scheibenberg und der Bärenstein; ferner beleben die weitzerstreuten Granit-, Porphir-, Gneis- und Glimmerschieferkuppen, die fast alle, mehr oder weniger isolirt, weite Landstriche beherrschen, die Landschaftsform des Erzgebirgs.
Die Structur der Haufengebirge ist zwar landschaftlich im Allgemeinen malerischer, touristisch sind sie indes selten dankbarer, man geht in ihnen oft tagelang ohne einen freien Blick, während wir im Erzgebirge auf bequemen Strassen weite Strecken wandern können, ohne dass der Blick dauernd beschränkt würde, dazu dominiren die einzelnen Bergkegel viel mehr, als in den Haufengebirgen und gewähren, wenn auch nicht an allen Orten malerische, so doch stets sehr umfassende Rundsichten. Grossartig und unvergleichlich schön sind die Ausblicke von den Bastionen auf dem Kamin oder auch von den meisten der Strassen der 14 Hauptpässe des Gebirgs hinab ins Böhmerland und auf das nachbarliche bizarr-pittoreske, vulkanisch-wilde Mittelgebirge in Böhmen. Mit diesen landschaftlichen Reizen kann kein zweites deutsches Mittelgebirge rivalisiren. – Die eigenartige, höchst überraschende Landschaftsform dieser eruptiven Schuttmassen kehrt eben nirgends in Deutschland wieder. Am grossartigsten sind die Blicke vom östlichen, wie vom Centralgebirgskamm; relativ am wenigsten dankbar sind die Pässe von Kallich und Sebastiansberg, weil hier statt des grotesken Hintergrundes ein, allerdings lachendes Gefild, die Saazer Ebene sich ausbreitet und weil hier der Steilhang des Erzgebirgs selbst am wenigsten ausgeprägt erscheint und durch Vorberge etwas verwischt wird.
Einen besonderen Reiz bilden auch die frischen, tiefgrünen Stromthäler und die unabsehbaren Hochwälder, die den ganzen Kamm bedecken. Die Kronen dieser Wälder sind die Olbernhauer und die Eisenberger Buchenforsten, die ersteren zwischen Töltzsch- und Flöhathal, die letzteren am Pass von Gebirgsneudorf hinab nach Obergeorgenthal und Eisenberg. Ein grosses Verdienst hat sich die sächsische Regierung erworben durch die Wiederbeforstung der vielen kahlen Bergkegel, die während der Blüthezeit des Bergbaues zum Schaden der allgemeinen Wohlfahrt wie der Naturästhetik abgeholzt worden waren; selbst am Fichtelberg auf einer Höhe von über 1200 m ist es, wenn auch nach unendlichen Mühsalen, gelungen, die offene Wunde verharschen zu machen durch eine neue grüne Walddecke, die dem Berg schon jetzt recht anmuthig zu Gesicht steht.
Die Landschaftsform des Granulitgebietes zwischen und an den unteren Mulden gleicht dem niederen Erzgebirge, nur sind die Stromthäler noch mannigfaltiger. Die höchsten Erhebungen sind der Rochlitzer Berg (352 m) und der Kapellenberg bei Hohnstein (479 m). Die hauptsächlichsten landschaftlichen Reize bestehen in den waldigen burgengeschmückten Thälern, durch welche sich die nunmehr wasserreicheren Bergströme winden.
Das Voigtland, das, wie das Erzgebirge allmählig zu dem 765 m hohen Kapellenberg ansteigt und sich an das fränkische Gebirge, wie an die Thüringer Vorberge anlehnt, zeigt mit seinem Elsterthal ganz die Landschaftsform des nachbarlichen Erzgebirges, dessen westlicher Grenzwall überall sichtbar ist. Auch hier sehen wir ein thälerdurchfurchtes Hochland mit zerstreuten aber dominirenden Bergkuppen, das gegen den Süden ansteigt und wie das Erzgebirge gegen das Egerland abfällt, das freilich selbst 400 m über See liegt. Die höchsten landschaftlichen Reize hat das Voigtland am erzgebirgischen Grenzwall (Schöneck und Goldene Höhe) und im unteren Elsterthal (Steinicht) aufzuweisen.
Der lange Abhang des Gebirges wendet seine Front gegen den kalten Norden, dementsprechend zeigt sich auch das Klima. Die Durchschnittswärme der Norddeutschen Tiefebene von 9 bis 10° C. wird im ganzen Erzgebirge nicht erreicht. Im mittleren Gebirge schwankt die Durchschnittswärme zwischen 6 und 8° C., das obere Gebirge muss sich mit 4 bis 6° C. begnügen. Der Temperaturausgleich zwischen Nord und Süd erhält eine höchst lebhafte Verkehrsstrasse über den 130 km langen Kamm offen; die Folge davon sind schwere Winterstürme mit Schneetreiben, die den Eisenbahnlinien und den Wegemachern viel Noth bereiten; von der armen Bevölkerung jedoch werden sie als ein Segen betrachtet, weil sie durch Schneeschaufeln Verdienst ins Land bringen. Die Linie Annaberg-Weipert-Domina-Schönlind hat, was winterliche Verkehrsstockungen anlangt kaum ihres Gleichen in ganz Mitteleuropa.
Die Regenmenge wächst rapid mit der Höhe des Gebirgs. 1878 hatte Leipzig 536, Chemnitz 727, Annaberg 830 und Oberwiesenthal 1228 mm Regenhöhe. 1879 stellte sich diese auf 643, 863, 945 und 1026 mm. Es ist zu beklagen, dass auf dem Fichtelberg nicht wie auf dem Brocken eine menschliche Ansiedlung mit meteorologischer Station existirt. Die Resultate würden sicher manches Ueberraschende und wissenschaftlich Werthvolle zu Tage fördern.
Die vorzüglichsten landwirthschaftlichen Producte von durchschnittlich ausgezeichneter Güte sind Kartoffeln, Hafer, Flachs und Wiesenheu, dem die erzgebirgische Butter ihren bekannten Wohlgeschmack zu danken hat. Getreide wird zwar bis auf den Kamm hinauf gesäet, rentirt jedoch wegen starker Einfuhr aus den für Getreidebau günstiger gelegenen Tiefländern von Jahr zu Jahr schlechter. In der Gegend von Gottesgabe (1027 m) hört die Agricultur auf und wenn wir hier einem Haferfeld begegnen, so will es mehr scheinen als speculire es nur auf das Mitleid der Vorübergehenden.
Die Winter mit ihren Schneetreiben, Rauhfrösten, Eisduft, Stürmen und haushohen Verwehungen tragen echt nordischen Character. Der Frühling ist kurz, die Maiblume (Löwenzahn) spriesst oft schon hervor, wenn daneben der Schnee noch die Wiesengräben füllt. Der Sommer zeigt sich heiss und feucht mit starken Gewittern und leider empfindlich kühlen Abenden, die den Mangel an öffentlichen Sommergärten in den oberen Städten völlig erklären. Die schönste Jahreszeit ist der Herbst mit seiner erstaunlich klaren Luft und seinem allzeit frischen Grün. Einen todten Herbst, wie ihn das Tiefland besäufzt, kennt das Erzgebirge nicht. Die Einwinterung geschieht meist rasch und vollständig. Ausgedehntes Sumpfland findet sich mit Ausnahme des Kranichsees bei Karlsfeld nirgend und auch dieser bleibt bei dem frischen Gebirgsklima ohne schädlichen Einfluss. Der waldbedeckte Kamm ist in seiner ganzen Länge für Gebirgsluftkuren ausserordentlich geeignet. In Aufnahme als Luftkurorte sind besonders Reiboldsgrün, Reitzenhain und die Bäder Wolkenstein, Wiesenbad und Einsiedel. Der östliche Kamm ist von Leidenden bis jetzt wenig beachtet worden, obwohl hier wirksamere Kurorte aufzufinden wären, wie im tieferen Sandsteingebiet der Sächsischen Schweiz, die neuerdings von Sommerfrischlern und Erholungsbedürftigten überlaufen wird. Sehr milde Gebirgslüfte wehen über den südlichen Thalgehängen bei Graupen, Eichwald, Ossegg, Oberleitensdorf und Eisenberg. Eichwald ist im besten Zuge, ein fashionables Luxusbad zu werden und der Ort, am Südhang und inmitten der grossen dichten Wälder der Fürsten Clary und Lobkowitz gelegen, verdient diese Bevorzugung vollauf.
Es muss gelehrten Forschern überlassen bleiben, ob nicht schon Kelten im Erzgebirge angesiedelt waren; ich will hier nur darauf aufmerksam machen, dass so mancher Name in unserem Gebiet auffällig treffend sich den keltischen Theorien des Dr. Riecke und anderer Keltenforscher anfügt. Es sind hier zu nennen: Thum, Dorf Elend, die Elenswiesen bei Thum, die sicher nicht erst wie die Sage will, nach dem 30jährigen Krieg im Volksmund einen Namen erhielten, ferner Afalter, Mehltheuer, Klaffenbach und vor Allem die vielen Glasberge, Haarthen, die der irischen Bezeichnung analog stets lange Bergrücken darstellen; es finden sich solche bei Einsiedel, bei Hohenofen in Böhmen und der lange Serpentinrücken bei Zöblitz heisst gleichfalls die Haarth. Auch die vielen Leithen (einseitige Berghänge) stimmen zu jenen Forschungen.
Dass die Sorben im Besitz des ganzen Gebirges waren, ist zweifellos. Sie mögen auf dem Kamm nur sehr dünn oder auf Strecken gar nicht angesiedelt gewesen sein, sie haben aber sicher die Pässe schon benutzt. Ueber Eibenstock haben alle Bergbäche auf dem Kamm slavische Namen, auch bei Wiesenthal fliesst, wie bei Raschau, eine Biela (Weisswasser, jetzt Pöhla), ein »Kretscham« steht zwischen Neudorf und Unterwiesenthal, auf der Kammhöhe liegt Pressnitz, Saydowa (Saida) liegt an einer uralten Heerstrasse zwischen Prag und Leipzig, Purschenstein dürfte eine Tautologie und mit dem Böhmischen Borzen (spr. Borschen) verwandt sein, und so liessen sich noch eine Menge solcher natürlicher Urkunden und Beweisstücke aufzählen, welche die bekannte Annahme hinfällig machen, die Sorben seien erst, durch die Deutschen bedrängt, bis höchstens in die Gegend von Zöblitz und Eibenstock verschlagen worden.
Mit der Gründung der Mark Meissen (928) begann die gewaltsame Germanisirung der Slaven auch im Erzgebirge und mit ihr jedenfalls eine grössere germanische Einwanderung, um aber den unwirthlichen Miriquidiwald dicht zu bevölkern, brauchte es noch eines gewaltigen Anstosses und das war das Fündigwerden des Erzreichthums im grossen Massstabe. Zwar hatten die Sorben schon Bergbau getrieben, wie aus vielen technisch-bergmännischen Ausdrücken, die dem Slavischen entstammen, hervorgeht, aber die Deutschen bemächtigten sich der für die damalige Zeit ungeheuren Bodenschätze mit ganz anderer Energie. Die Sage erzählt, ein Halle'scher Salzfuhrmann habe eine Erzstufe in den Gleisen in der Gegend, wo jetzt Freiberg steht, gefunden, habe sie in Goslar untersuchen lassen und darauf hin habe sich denn eine ganze Völkerwanderung nach dem Erzgebirge vollzogen. Wie noch heut bei ähnlichen Auffindungen im Westen mag die Sage von Erzschätzen mit allen den Uebertreibungen, wie sie noch immer im Schwange sind, in die Welt hinausgegangen sein. Intelligente Abenteurer (wohl auch Proletariat) strömten aus weiten Ländern herbei; den grössten Antheil an der Einwanderung scheinen die Niedersachsen, die Franken und die Böhmen zu haben. Actiengesellschaften traten ins Leben, grossartige Wasserbauten wurden ausgeführt, so bei Freiberg und bei Schneeberg, Städte schossen auf wie die Pilze, imposante Bergkirchen wuchsen über die Dachfirsten empor, zahllose Kauen und Berghütten belebten die sonst so stillen Gehänge, in den Wäldern fiel Stamm um Stamm dem Bergbau zum Opfer, die Erzhütten qualmten und die Bergglöcklein schallten allerorts, kurz, es mag ein Leben gewesen sein, wie es heut zu Tage nur noch die Minenregionen Amerikas überbieten. Diese überaus rührigen Miners sind die Urväter der heutigen Bevölkerung und sie haben ihren Fleiss, ihre Verträglichheit, ihren vergnügten Sinn ungeschmälert hinterlassen, während der Drang nach reichem Erwerb in eine oft rührende Genügsamkeit umgeschlagen scheint.
Die Tiefländer, die auf reicheren Ackergründen sitzen, sind stets abgeschlossener, unzugänglicher und stolzer während eine kargere und rauhere Gebirgsnatur die Menschen enger zusammendrängt und darauf ist die ausgeprägte Geselligkeit der Gebirgler wohl zurückzuführen. Freilich, so gemüthlich und gesellig, wie das Erzgebirgische ist selten ein Bergvolk und dabei ist es von einer tiefen Liebe zu seiner Scholle durchwärmt. Man muss die Herzenstöne selbst hören, die ein Erzgebirger in die Worte legt »Mei Arzgebirg, mei Haemeth.«
Mit dem Zurückgehen der Erzwerthe und der Erschöpfung vieler Gruben kehrte auch die Nahrungssorge im Erzgebirge ein. Die Landwirthschaft war nicht sehr ausgiebig und so griff die Bergbevölkerung zur Industrie, welche heut in unserem Gebirge die grossartigsten Formen angenommen. Eine statistische Zusammenstellung vom Reg.-Rath Dr. Victor Böhnert wirft die glänzendsten Schlaglichter auf den Sächsischen Gewerbfleiss, an dem das Erzgebirge am stärksten participirt.
Sachsens Bevölkerung beträgt dem Reich gegenüber 6,46%. Zu den 925 457 Personen, welche 1875 in Deutschland in der Textilbranche beschäftigt waren, stellte Sachsen 203 780 Personen, also 22,02%. In einzelnen der Textilindustrien beschäftigt Sachsen allein mehr Personen als das übrige Deutsche Reich. In der Strumpf- und Strickwaarenindustrie waren im Reich 60 620 Personen thätig, davon gehörten 35 166, also 58% dem Königreich Sachsen an. In der Spitzen- und Weisszeugfabrikation arbeiteten im Reich 12 904 Personen, in Sachsen davon 7696, mithin 59,6%, in den Webereien von gemischten Waaren sind im Reich thätig 11 055 Personen, in Sachsen davon 10 709, mithin 96,9%. In den Appreturanstalten für Strumpfwaaren im Reich: 3701 Person, davon in Sachsen 3632, also 98,1%.
Auch in anderen Gewerbzweigen liefert Sachsen einen auffällig grossen Procentsatz, so z. B. im Metallbergbau, wenn wir Eisen und Stahl ausschliessen, 15%, in der Fabrikation von Musikinstrumenten 31,7%, in der Papier- und Pappenfabrikation 18,5%, in der Wachstuch- und Lederfabrikation 49,2%. In Preussen leben auf den Quadratkilometer nur 10,4 Erwerbstätige, in Sachsen dagegen 42. Nur Reuss ä. L. reicht mit 37,2 in Deutschland an diese Ziffer heran.
Nach einigen Schriftstellern soll die erzgebirgische Gemüthlichkeit die Thatkraft lähmen – nun, die vorstehenden Zahlen geben die beste Antwort darauf. Im Gegentheil, ein permanent fröhlicher, nie übermüthiger Gemüthszustand hat die Unverdrossenheit im Gefolge und diese ist eine Grundbedingung des Gewerbfleisses. Stünde das Gebirge allein dem Reich gegenüber, dann würden die Procentsätze noch überraschender ausgefallen sein und jene Schriftsteller würden die Mütze noch tiefer ziehen müssen, vor der »durch das Gemüth lahmgelegten Thatkraft« und der »Energielosigkeit«, die auf den verlassenen Bergzechen so colossale Blüthen emportrieb. Landschaftlich hat das Erzgebirge bedeutende Rivalen, für industrielle Excursionen aber steht es ausser Concurrenz. Wer sich nicht nur über Berg und Thal, wer sich auch über fleissige Menschen in ihren mannigfaltigen Werkstätten freuen kann, dem sei die »Industrielle Excursion« in ihrer Zusammenstellung angelegentlichst empfohlen. Siehe dieses Register.
Der Menschenschlag ist keineswegs degenerirt wie im Ausland oft behauptet wird, wir finden unter den Hammerschmieden, Bauern und Holzknechten sogar herculische Gestalten, nur in den Weber-, Posamenten- und Strumpfwirkerdistricten haben die Stubenluft und die zeitweilig geringe Nahrung in verdienstlosen Zeiten ihre Wirkungen unverkennbar hinterlassen. Auffällig sind die durchgängig intelligenten Gesichtszüge; selbst unter dem landwirthschaftlichen Gesinde begegnen wir nur selten einem stumpfen, nichtssagenden Gesicht. Die Frauen sind meist geschmeidige Gestalten, zierlich, gazellenartig und selbst bei der Arbeit nicht ungefällig gekleidet. Befremdlich für einen germanischen Stamm sind die vielen braungrauen, braunen und schwarzen Augen. Leider heirathen die Frauen sehr früh und altern früh. Der Tanz ist äusserst beliebt und wird meist ohne Tanzlehrer in höchst vollendeter Weise geübt.
Der Erzgebirger aus dem Volke erwartet bei seiner offenen, munteren Gemüthsart, dass der Fremde sich auch so zeige und dieser kann sich ohne alle Gefahr in vertraulicher Weise nähern, er bleibt trotzdem stets eine Respectsperson. Ueberaus freut sich der Erzgebirger, wenn sich der Fremde für seine Heimath und vor Allem für seine Arbeit und Erwerbsverhältnisse interessirt, er lässt ihn mit vieler Treuherzigkeit in seine innersten Angelegenheiten blicken. Mit kalter Vornehmthuerei imponirt dem Erzgebirger Niemand, der Hochmuth ist ihm etwas Lächerliches. Neidlos blickt er auf den besseren Rock, lernend blickt er zu der höheren Intelligenz auf, der Standesunterschied ist ihm anerkannte Thatsache, nur will er diesen am Liebsten selbst markiren.
Es darf nicht auffallen, wenn sich der Fremde schon nach einer einzigen Frage an den Wirth mit allen übrigen Gästen in ein Gespräch verwickelt sieht. Man drängt sich ein, man überbietet sich, um dem Fremden zu dienen. Die Neugier spielt dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Für Scherzworte ist der Erzgebirger äusserst empfänglich und meist reagirt er sofort. Man kann in erzgebirgischen Schenken scherzhafte, schlagkräftige Wortgefechte sehr oft zu Gehör bekommen. Die Frauen und Mädchen singen gern. Leider sind sie schwer zu bewegen, ihre Volksgesänge vor dem Fremden anzustimmen, sie lachen der Aufforderung und achten ihre Kunst wirklich für zu gering.
Aus den oft sehr ungenirten Scherz-Reden zwischen beiden Geschlechtern wolle der Fremde ja nicht auf sittliche Missstände schliessen, er würde irren, wenigstens stellt sich der anzügliche Procentsatz nicht höher, als anderswo. Gefälligkeiten erweist der Erzgebirger sehr gern und er kennt dabei keinen egoistischen Hintergrund; Trinkgelder werden zwar nicht verschmäht, doch nimmt er sie selten ohne einige Verlegenheit. Knaben, die uns stundenweit begleiten, freuen sich über wenige Groschen von Herzen, Erwachsene übernehmen Führungen mit Vergnügen für 2 bis 3 Mark per Tag.
Desselben Stammes ist die Bevölkerung auf böhmischer Seite, sie lebt unter gleichen Verhältnissen, treibt vielfach dieselben Gewerbe, nur bekennt sie sich zu einer anderen Kirche. Doch herrscht an der Grenze der tiefste Religionsfriede unter den Gebirglern; gegen Fremde ist der Böhme neuerdings etwas misstrauischer. Der Grund hiervon mag sein, dass viele Reisende über den Kamm herüber kommen und ohne bösliche Absichten, nur aufgeregt durch Freiheit, Natur und Wanderlust in übermüthiger Stimmung den alten Spruch nicht beachten:
Noch sei hier erwähnt, dass in stillen Thälern, auf einsamen Höhen, in Gehöften und Mühlen oft seltsame Käuze zu finden sind, die mit gutem Erzähltalent haarsträubende Geschichten zum Besten geben. Die Einsamkeit, die Wildheit der Natur, die Unbill des stürmischen Winters, die Waldgeheimnisse der unabsehbaren Forsten haben die Phantasie dieser schlichten Leute angeregt und eigenthümliche Blüthen gezeitigt. Man kann sich durch treuherzige Annäherung einen unerschöpflichen Sagenborn erschliessen, freilich sind diese Sagen zuweilen wild und unheimlich, oft aber auch von frischer Anmuth, sie gleichen ganz der erzgebirgischen Natur – sie sind ja selbst ein Product der Natur.