Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten - Thomas Blubacher - E-Book

Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten E-Book

Thomas Blubacher

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Beschreibung

»Äußerst unterhaltsam, mit viel Witz und Beobachtungsgabe.« Stuttgarter Zeitung Wussten Sie, was eine Schmetterlingsfahrt ist und warum Schiffe nur von Frauen getauft werden? Thomas Blubacher, passionierter Kreuzfahrer, war im Mittelmeer und in der Ostsee, in der Karibik und im Indischen Ozean, in der Antarktis und auf den großen Flüssen der Welt unterwegs. Ob Viermastbark, Expeditionsschiff, Ozeanriese oder Luxusliner – unterhaltsam erzählt er vom Alltag an Bord, berichtet von Wellnessoasen und belauscht unfreiwillig Kabinennachbarn. Er verrät, wie sowohl Neulinge als auch erfahrene »Repeater« die passende Reise für sich finden. Und wie man in puncto Nachhaltigkeit Zeichen setzen kann. Er weiß, für wen die Donaufahrt oder die Expeditionsreise in die Antarktis, das Heavy-Metal- oder das FKK-Schiff, die Familien-Schiffsreise oder die Single-Kreuzfahrt am besten geeignet ist, kennt die technischen Details der Schiffe und kann über die Hierarchie der Besatzung und das Leben der Passagiere an Bord anschaulich erzählen. Diese Gebrauchsanweisung zeigt auch die neuesten Entwicklungen im Kreuzfahrt-Tourismus: Die wachsende Zahl der Expeditionsfahrten genauso wie die immer beliebter werdenden Familienkreuzfahrten mit Kindern. Und das Ringen der Branche um Nachhaltigkeit. »Die, für die Kreuzfahrten überhaupt nicht infrage kommen, werden sich ebenso bestätigt fühlen, denn Blubacher hält trotz seiner lesbaren Liebe zu Kreuzfahrten humorvoll Distanz.« Berliner Zeitung

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Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe 2024

© Piper Verlag GmbH, München 2016 und 2024

© Thomas Blubacher 2016 und 2024

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de

Coverabbildung: die AIDAluna (Yellow Boat / AdobeStock)

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

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((Text bei Büchern ohne inhaltsrelevante Abbildungen wie z.B. Schmuckvignetten))

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Leinen los!

Stößchen!

Schnuppern auf der Königin

Unter weißen Segeln

Planken, die die Welt bedeuten

One Kugel Schdratzadella

Viva Italia!

Große Freiheit de luxe

Die kolossale Verlockung

Der Himmel auf See

Mein Butler und ich

Wenn Trolle zaubern

Im Eis

Panta rhei

Piranhas, Pharaonen und Pagoden

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Leinen los!

»Kreuzfahrt ist sexy geworden«, freute sich 2015, ein Jahr bevor die Erstausgabe dieser »Gebrauchsanweisung« erschien, der damalige CEO von Hapag-Lloyd Cruises Karl J. Pojer. Das Passagieraufkommen hatte sich fast verzehnfacht seit dem Jahr 1993, in dem gerade einmal 183 000 Deutsche eine mehrtägige Seereise mit Rundumversorgung gebucht hatten. Vier Jahre später, also 2019, waren es dann bereits rund 2,5 Millionen. Weltweit gingen fast 30 Millionen auf Kreuzfahrt, die Branche beschäftigte mehr als eine Million Menschen, machte einen Umsatz von 47 Milliarden US-Dollar, und der Boom schien kein Ende zu nehmen. Zugleich aber wurde – und wird – über weniges derart leidenschaftlich gestritten. Für die einen sind Kreuzfahrten die komfortabelste Weise, die Welt zu entdecken. Andere sehen sie nicht als authentische Reiseerfahrung, sondern als oberflächliches Vergnügen mit Fast-Food-Landgängen, als Abhaken vieler Reiseziele in kurzer Zeit. Und so mancher Kreuzfahrt-Basher scheut nicht einmal davor zurück, diesen »kontrollierten Massentourismus« als »eine Erscheinungsform des Faschismus« zu bezeichnen.

Gemeinsam haben Kreuzfahrtfans und -gegner allein ihre minimale Ambiguitätstoleranz, und es gibt wohl kaum jemanden, der nicht beschimpft oder sogar »entfreundet« worden ist, weil er sich in den Sozialmedien als Cruiser geoutet hat. Dabei wäre eine konstruktive Diskussion über branchenrelevante Themen wie ressourcenschonende Technologien, Übertourismus und humanere Arbeitskonditionen, die nicht gleich die Reiseform per se verteufelt, weiß Gott wünschenswert.

Nachdem im Februar 2020 der größte Covid-19-Ausbruch außerhalb des chinesischen Festlands ausgerechnet auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess stattgefunden hatte – der WHO wurden über siebenhundert Infizierte an Bord gemeldet, von denen mehr als zehn starben –, schlossen weltweit Länder ihre Grenzen. Tausende wurden auf Schiffen unter Quarantäne gestellt, während man verzweifelt einen Hafen zum Anlegen suchte. Die große Freiheit auf See mutierte zum klaustrophobischen Albtraum. Rund 800 deutsche Gäste der Artania wurden aus Australien ausgeflogen, damit sie die auferlegte Quarantäne zu Hause verbringen konnten. Der von der brasilianischen Gesundheitsbehörde für virusfrei erklärten Amera verweigerte man die Ausschiffung in Manaus, alle 568 Passagiere mussten per Schiff nach Deutschland zurück: 18 Tage ohne Landgang, ohne Warenaufnahme und Müllabgabe.

In der Bundesrepublik sank das Passagiervolumen gegenüber 2019 um 79,5 Prozent. Nahezu alle Kreuzfahrtschiffe dümpelten zeitweise auf Reede oder in einem Hafen vor sich hin und verursachten Kosten, ohne Einnahmen zu generieren. Die Anbieter schrieben tiefrote Zahlen. Während Stammfahrende unter Entzugserscheinungen litten, stimmten Umweltaktivistinnen und -aktivisten bei jedem Schiff, das verschrottet wurde, Freudengesänge an und hätten am liebsten gesehen, dass die lahmgelegte Kreuzfahrt für immer eingestellt werde, doch war diese, kaum schien die Pandemie vorüber, wieder das am schnellsten wachsende Segment der Reisebranche. Die Monate Januar und Februar 2023 wurden für die deutschen Marktführer TUI Cruises und AIDA Cruises die bis dato buchungsstärksten in der Unternehmensgeschichte. Kreuzfahrt ist für viele nach wie vor sexy.

Und wer hat’s erfunden? Nein, für einmal nicht die Schweizer. Nicht die Reederei Noah & Söhne, die vor viereinhalbtausend Jahren eine unkomfortable 375-tägige Jungfernfahrt ohne Landausflüge veranstaltete. Nicht der König von Ithaka, dessen Odyssee durchs Mittelmeer denkbar unentspannt war. Und nicht Papst Urban II., der 1095 die ersten Kreuzfahrer der Geschichte zum Eroberungstrip animierte. Es war der 1857 in Hamburg geborene Sohn eines aus Dänemark eingewanderten Juden: Albert Ballin, Vorstandsmitglied der 1847 gegründeten Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag.

Weil die Hapag-Transatlantikdampfer in den stürmischen Herbst- und Wintermonaten schlecht ausgelastet und damit unrentabel waren, kam er 1890 auf die Idee, eine Reise anzubieten, die nicht der Beförderung, sondern der Erholung und der Bildung dienen sollte: eine »Exkursion nach Italien und dem Orient« mit gut organisierten Landausflügen in verschiedenen Häfen – der Begriff »Kreuzfahrt«, hergeleitet vom Kreuzen, dem Hin- und Herfahren zwischen den Häfen, kam in Deutschland erst 1928 auf und wurde ab den 1950er-Jahren populär. Wilhelm II. höchstpersönlich verabschiedete am 22. Januar 1891 in Cuxhaven das Hapag-Flaggschiff Augusta Victoria. Dass die Kaisergattin eigentlich Auguste Victoria hieß, war keinem der Verantwortlichen aufgefallen; 1897 wurde der Irrtum stillschweigend berichtigt. An Bord des 1888 in Dienst gestellten, 144,80 Meter langen und 16,62 Meter breiten Doppelschrauben-Schnelldampfers befanden sich 241 »kühne Passagiere«, wie Albert Ballin sie nannte, aus dem In- und Ausland, darunter 67 Damen vornehmlich aus England – in Deutschland galten längere Touren damals als körperlich und geistig zu anspruchsvoll für Frauen. Bezahlt hatten die elitären Gäste für die Reise zwischen 1600 und 2400 Goldmark, das doppelte bis dreifache Jahreseinkommen eines Arbeiterhaushalts. Umsorgt wurden sie von 245 Crewmitgliedern, auf den ersten Blick ein luxuriöses Passagier-Crew-Verhältnis, doch über die Hälfte der Besatzungsmitglieder arbeitete als Maschinisten, Heizer oder Kohlenzieher. Überhaupt hielt sich, gemessen am heutigen Standard, der Komfort in Grenzen. Sechs Quadratmeter maßen die in der Regel mit zwei Passagieren belegten Kabinen der ersten Klasse. Bäder und Toiletten waren Gemeinschaftseinrichtungen.

Über Southampton, Gibraltar und Genua fuhr die Augusta Victoria nach Alexandria, wo den Gästen fünf Tage blieben, Kairo und die Pyramiden zu besichtigen. Von Jaffa aus besuchte man Jerusalem, von Beirut aus erkundete man Damaskus. In Konstantinopel machte der türkische Sultan seine Aufwartung, in Piräus wurde das Schiff auf Anordnung des griechischen Königs mit 15 Schuss Salut begrüßt. Über Malta, Palermo, Neapel, Lissabon und Southampton kehrte man nach exakt 57 Tagen, 11 Stunden und 3 Minuten zurück nach Cuxhaven.

Nach zwei ähnlichen Reisen lief die Augusta Victoria 1894 zur ersten Nordlandreise aus, 1896 ging ihr Schwesterschiff Columbia auf »Westindien«-Fahrt. »Der Comfort und die Eleganz, die auf den Schiffen zur Geltung gebracht sind, stellen Alles in den Schatten, was bisher auf Oceanschiffen geleistet wurde. Die großen und prächtigen Salons, Damen-, Musik- und Rauchzimmer u. s. w. sind im reichsten Style ausgestattet worden; die besten Künstler wurden herangezogen, sie durch Gemälde, Schnitzereien und Decorationen zu schmücken«, warb man vollmundig und reklamierte stolz »die Abwesenheit schlechter Dünste und lästigen Geräusches«. Die Vergnügungsreisen wurden neben dem Linienverkehr zum unverzichtbaren Bestandteil des Hapag-Angebots, und 1900 lief mit der 192 Passagiere fassenden Prinzessin Victoria Luise, benannt nach der einzigen Tochter des Kaisers, das erste eigens für Kreuzfahrten gebaute Luxusschiff vom Stapel, mit großzügigen Gesellschaftsräumen, einer »Halle für schwedische Heilgymnastik« und sogar einer »Dunkelkammer für Amateur-Photographen«. Die Betten standen in den sechs bis zwölf Quadratmeter großen Kabinen nicht mehr wie üblich übereinander, sondern einander gegenüber; über ein eigenes Bad und WC verfügten allerdings nur die beiden Suiten. 1906 setzte Kapitän Brunswig die »Lustyacht« an der jamaikanischen Küste auf eine Sandbank, suchte seine Kabine auf und erschoss sich, die Passagiere konnten samt Gepäck an Land gebracht werden.

Der Begeisterung für die Kreuzfahrt tat dies keinen Abbruch, und Hapag, seit 1970 mit dem Norddeutschen Lloyd fusioniert, veranstaltet nach wie vor Luxusreisen – genauer gesagt: Hapag-Lloyd Cruises, seit 2020 eine Marke von TUI Cruises, eines Joint Ventures der TUI und der Royal Caribbean Group. Andere Veranstalter bedienen, wie es im Jargon der Branche heißt, den Volumenmarkt. Längst ist die Kreuzfahrt keine Extravaganz mehr für eine betuchte und betagte Klientel, die elitäre Urlaubsform hat sich zum Massenphänomen entwickelt. Schon in den 1960er-Jahren, als der interkontinentale Flugverkehr die transatlantischen Schiffspassagen ablöste, boten Reedereien Fahrten in sonnige Gefilde an, die sich auch Lieschen und Otto hätten leisten können. Dennoch blieb die Kreuzfahrt zunächst ein Distinktionsmerkmal privilegierter Silver und Golden Ager. Die Indienststellung der AIDA 1996 markierte auf dem deutschen Markt den Beginn zwangloserer, auf jüngere Aktivurlauber und Familien mit Kindern ausgerichteter Kreuzfahrten ohne die traditionellen Bordrituale – eine überfällige Ergänzung zum betreuten Wohnen in maritimen Seniorenresidenzen, mitunter »Mumienschlepper« genannt.

Bald darauf schwappte aus den USA der Trend zu immer gigantischeren schwimmenden Freizeitparks über, und mittlerweile gibt es auf internationalen Megalinern nahezu nichts, was sich nicht unternehmen ließe. Wer mag, kann surfen oder Schlittschuh laufen, sich die Zähne bleichen oder die Stirn durch Botox-Injektionen glätten lassen. Seefahrerromantik sucht man vergebens, die mobilen Erlebniswelten lassen einen allzu leicht vergessen, dass man sich auf dem Meer befindet. Eingehüllt in einen komfortablen Kokon, sieht man, so man seinen Blick überhaupt schweifen lässt, die Landschaft wie unwirklich vorbeiziehen. Doch für viele ist das eigentliche Ziel ohnehin der Aufenthalt auf dem Schiff; sie wollen sich entspannen und amüsieren.

Zielgruppenorientiert vermarktet man die unterschiedlichsten Schiffe als perfekt inszenierte Ferienwelten für jeglichen Geschmack, verkauft Reisen für jedes Portemonnaie und spricht damit alle Milieus und Altersgruppen an: amüsierwütige Thirtysomethings aus der tätowierten Mittelschicht ebenso wie die mittlerweile vom Aussterben bedrohte Spezies der zobelbepelzten Wilmersdorfer Witwen mit ausgeprägtem Geltungsbedürfnis. Weniger als 50 Jahre beträgt, nicht zuletzt dank der zahlreichen Kinder auf See, das Durchschnittsalter der bundesrepublikanischen Kreuzfahrenden, wobei die Gruppen der 50- bis 59-Jährigen und der 60- bis 69-Jährigen mit Abstand die beiden größten sind und auf traditionelleren Schiffen noch immer das Publikum jenseits der Pensionsgrenze dominiert.

Auch mit körperlichen Einschränkungen wie einer Geh- oder Sehbehinderung kann man prinzipiell in See stechen, sollte aber sämtliche Aspekte vorab mit dem Reiseveranstalter klären. 2015 machte der Fall eines gesundheitlich angeschlagenen 86-Jährigen Schlagzeilen, der, noch bevor das Schiff ablegte, vom Kapitän wieder nach Hause geschickt wurde; AIDA Cruises verwies auf die Geschäftsbedingungen, laut derer »der geistige oder körperliche Zustand« eines Passagiers keine »Gefahr für den Kunden selbst oder jemanden sonst an Bord« darstellen dürfe. Babys lässt man in der Regel erst ab einem Alter von sechs Monaten mitreisen; Schwangere müssen nicht selten eine ärztliche Reisefähigkeitsbestätigung vorlegen, nicht befördert werden sie zum Beispiel bei AIDA Cruises und TUI Cruises ab der 24. Woche, denn bei allfälligen Komplikationen ist die medizinische Versorgung an Bord nicht sichergestellt. Dennoch konnte auf der Costa Toscana am 28. April 2023 eine 25-jährige Französin, der es offenbar gelungen war, die Vorschriften zu unterlaufen, in der 32. Woche einen Jungen zur Welt bringen.

Abgesehen vom angesichts der üblichen Gewichtszunahme von zwei, drei Pfund pro Woche nur bei viel Willensstärke vermeidbaren Verlust der Strandfigur liegen die Pluspunkte einer Kreuzfahrt auf der Hand. Innerhalb weniger Tage erhalten Sie einen risikoarmen, wenn auch flüchtigen Eindruck touristischer Highlights in mehreren Ländern, und das ohne lästiges andauerndes Ein- und Auspacken der Koffer. Ihr schwimmendes Hotel mit Vollpension und vielfältigem Freizeit- und Wellnessangebot bringt Sie im Schlaf, während Sie einem Streichquartett lauschen oder in der Disco abtanzen, von Insel zu Insel oder von Stadt zu Stadt – wesentlich komfortabler als ein landestypischer Fernbus oder ein Flugzeug, in dessen engen Sitzen Sie eine Thrombose riskieren. Sie erkunden unbekanntes Terrain, lernen fremdes und vielleicht befremdliches Brauchtum kennen, bleiben aber dank Ihres Zuhauses auf Zeit geborgen in Ihrer vertrauten Kultur – zumindest auf deutschsprachigen Schiffen, auf denen Sie in Ihrer Muttersprache kommunizieren und Gerichte ordern können, die auch der sprichwörtliche Bauer, ohne zu zögern, verspeist –, finden stets serviceorientierte Ansprechpersonen für alle Fragen und können im Bedarfsfall einen Arzt konsultieren. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis lässt sich im Vergleich mit Hotelferien durchaus sehen.

Im Mittelalter zählte zu den Vorteilen einer Kreuzfahrt nicht zuletzt die Möglichkeit, einen Ablass zu erwerben. Auf eine moderne Form des Ablasshandels konnten sich bis vor wenigen Jahren auch moderne Kreuzfahrende einlassen: Die Klimaschutzorganisation »atmosfair« bot in Kooperationen mit Reedereien wie Hapag-Lloyd Cruises oder AIDA Cruises einen »Klimarechner« an, mit dem man ermitteln konnte, wie hoch der CO2-Ausstoß einer Kreuzfahrt und der entsprechende finanzielle Ausgleich ausfallen. Doch 2019 hat man dieses Angebot eingestellt: Kreuzfahrten seien nicht kompensationsfähig.

Tatsächlich steht angesichts des Klimawandels neben den Arbeitsbedingungen der Crew, der fragwürdigen Steuervermeidung der Kreuzfahrtunternehmen und der Lebensmittelverschwendung sowie den überfallartigen Landgängen Tausender Passagiere mehr denn je die Umweltbelastung im Zentrum der Kritik. Zweifelsohne sind ökologische Bedenken angesichts eines Touristikmarktsegments, dessen Zuwachsrate noch schneller steigt als der Meeresspiegel, angebracht. Als problematisch gelten neben Abwässern, festen Abfallstoffen, Klärschlamm und mit Öl- und Kraftstoffresten kontaminiertem Bilgenwasser vor allem die Schadstoffe, die bei der Verbrennung des Treibstoffs entstehen. Feinstaub, Ruß, Stickoxide und Schwefeloxide gefährden Gesundheit, Klima und Biodiversität. Manche Kreuzfahrtschiffe gehören, deutlich gesagt, zu den größten Dreckschleudern der Welt. Die Nachrüstung mit Effizienztechnologien oder, falls das nicht möglich ist, das Abwracken sind dringend geboten, wobei Letzteres oft kostensparend unter für die Arbeiter lebensgefährdenden Bedingungen in Indien geschieht.

Nach Angaben des naturgemäß kreuzfahrtkritischen Naturschutzbunds Deutschland (NABU) aus dem Jahr 2012 emittiert ein einziges Kreuzfahrtschiff täglich so viel CO2 wie 83 678 und so viel Stickoxide wie 421 153 Pkw, so viel Feinstaub wie mehr als eine Million und so viel Schwefeldioxid wie gut 376 Millionen Autos. Fans führen dagegen gerne ins Feld, dass die geliebte Kreuzfahrt gerade mal 0,13 Prozent der gesamten CO2-Emissionen und weniger als 2 Prozent der weltweiten Handelsschifffahrt ausmache. Somit trage sie nur in geringem Umfang zu deren Treibhausgasemissionen bei, und die Proteste kreuzfahrtkritischer Aktivistinnen und Aktivisten richteten sich nur deshalb nicht gegen Schweröl verbrennende Frachtschiffe, weil sie dann konsequenterweise auf japanische Autos, brasilianischen Kaffee und kolumbianische Bananen verzichten müssten.

Unbestreitbar hat sich die unter ihrem schlechten Öko-Image leidende Branche in den letzten Jahren um Verbesserungen bemüht. Viele jüngere Schiffe nutzen Technologien, die sowohl die Treibhausgas- wie auch die Luftschadstoffemissionen deutlich reduzieren. Zahlreiche Neubauten sind für den Anschluss an die Landstromversorgung ausgerüstet, was einen nahezu emissionsfreien Schiffsbetrieb während der Liegezeit im Hafen ermöglicht, und von 2030 an müssen Passagierschiffe ihren gesamten Strombedarf durch Landstrom decken, liegen sie in großen EU-Häfen am Kai. Strömungsoptimierte Rümpfe mit speziellen Anstrichen senken den Treibstoffverbrauch, Umkehrosmoseanlagen dienen der Aufbereitung von Meerwasser, und der Einsatz biologischer Kläranlagen führt dazu, dass das Abwasser nahezu Trinkwasserqualität erreicht. SCR-Katalysatoren, die den Stickoxidausstoß um bis zu 95 Prozent reduzieren, und »Scrubber« genannte Gaswäscher, die den Schwefelausstoß um bis zu 99 Prozent verringern können, gelten als Übergangslösung. Als Übergangskraftstoff betrachtet die Branche das 2018 erstmals von der neu in Dienst gestellten AIDAnova verwendete LNG, auf –162 Grad Celsius heruntergekühltes und somit in flüssigem Zustand befindliches Erdgas, das keine Schwefel-, 85 Prozent weniger Stickoxid-, fast 100 Prozent weniger Partikel- und 20 Prozent geringere Treibhausgasemissionen verursacht. Auch wenn LNG nahezu schadstofffrei verbrennt, handelt es sich freilich um einen fossilen Brennstoff, der überdies zu großem Teil durch Fracking gewonnen wird, und das bei seiner Förderung, bei Transport und Verbrennung entweichende Methan ist um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2. Doch werden LNG-fähige Schiffe künftiger Generationen nachhaltigere Schiffskraftstoffe nutzen können, und so investieren Kreuzfahrtreedereien in Pilotprojekte zur Entwicklung von »Bio-Fuels« und synthetischen Kraftstoffen. Sogar der NABU hat attestiert, dass die Innovationsfähigkeit der Kreuzfahrtanbieter als Impuls- und Taktgeber der gesamten Hochseeschifffahrt agiert. 2022 haben sich die Hochseekreuzfahrt-Mitglieder der CLIA, des Weltverbands der Kreuzfahrtreedereien, verpflichtet, bis 2050 eine kohlenstofffreie Kreuzfahrt anzubieten. AIDA und TUI Cruises haben erste Schiffe, die klimaneutral betrieben werden können, für 2030 angekündigt.

Auch im Detail bemüht man sich um Nachhaltigkeit. Viele Reedereien haben nicht nur Trinkhalme und Wasserflaschen, sondern nahezu alle Einwegkunststoffe verbannt und durch ökologische Alternativen ersetzt. Selbst der nicht völlig zu vermeidende Food Waste der Buffetrestaurants konnte deutlich reduziert werden. Tagesprogramme werden nicht mehr gedruckt, sondern papiersparend in digitaler Form angeboten, täglich wechselnde Restaurantkarten sind mittels Scannens eines QR-Codes auf dem Handy lesbar. Und auch bei Landgängen versucht man, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. So führte AIDA Cruises 2023 »National Geographic Day Tours« ein, mit dem Fokus auf Bildung und nachhaltigen Tourismus konzipierte Halb- und Ganztagestouren in bewusst kleinen Gruppen und mit lokalen, von National Geographic geschulten Reiseleitern. Sie erfüllen die Kriterien des Global Sustainable Tourism Council, die sich auf nachhaltiges Management, sozioökonomische, kulturelle und Umweltauswirkungen konzentrieren.

Nicht nur bei der Hochsee-, auch bei der Flusskreuzfahrt hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So gilt die 2022 in Dienst gestellte A-ROSA Sena mit ihrem Hybridantrieb aus Diesel- und Elektromotor als Prototyp für künftige Schiffsgenerationen. Ein Batteriespeicher mit einer Kapazität von 1,4 Megawattstunden ermöglicht das sogenannte Peak Shaving und ein temporär rein elektrisches Fahren. Das »E-Motion Ship« kann nahezu emissionsfrei und geräuschlos in die Häfen gleiten.

Dabei sollte man eines nicht außer Acht lassen: Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit kosten Geld, die Nachfrage nach einwöchigen Mittelmeerkreuzfahrten für unter 500 Euro aber ist enorm. Obschon man wohl nie ohne ökologische Bedenken kreuzfahren wird – zumal schon die etwaige Anreise per Flugzeug problematisch ist –, findet wer will mit der Wahl eines etwas umweltgerechteren Schiffes aber auch jetzt schon eine Möglichkeit, mit weniger schlechtem Gewissen auf Kreuzfahrt zu gehen.

Zum Glück! Schließlich ist keine andere Art des Reisens so bequem, so erholsam und so vergnüglich. Und so hat es, obwohl ich gewöhnlich meine Vorurteile liebevoll pflege, nicht lange gedauert, bis ich vom eingeschworenen Individualreisenden zum passionierten Kreuzfahrer wurde. Wobei ich auch nach über sechzig Reisen noch immer ein blutiger Anfänger bin, verglichen mit Cruise Junkies, die auf dreitausend oder mehr Nächte an Bord zurückblicken, und ich nur einen Bruchteil der rund vierhundert Kreuzfahrtschiffe gesehen habe, die auf den Weltmeeren unterwegs sind.

Kennenlernen würde ich sie am liebsten alle – Hauptsache ich bin unterwegs. Oder wie Graf von Platen es formulierte: »Es scheint, dass das Reisen für mich eigentlich die zuträglichste Lebensart ist.« Der mir zuträglichste Ort an Bord ist überall der gleiche: Achtern, am Heck, blicke ich auf all das zurück, was hinter uns liegt. Ich lasse los. Und wenn uns dann noch Delfine ein Stück auf dem Weg zum nächsten Sehnsuchtsort begleiten, ist mein Glück beinahe vollkommen.

Stößchen!

Auf der AIDAaura in der Karibik

»Für dich ist das nichts«, erklärte Neffi bestimmt. Er hatte meine ach so wichtige vormittägliche Buchvorstellung im Berliner Ensemble verschlafen, und so trafen wir uns, ich leicht verstimmt, er schwer verkatert, Stunden später am Potsdamer Platz. Ich hatte Neffi fünf Jahre zuvor am Schlosstheater Celle kennengelernt, wo er mir bei zwei Inszenierungen assistiert hatte, seither tratschten wir sporadisch über Kollegen, diesmal aber berichtete er Spektakuläres. Eben hatte er am Theater Bielefeld gekündigt, um in Berlin die erste gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin zu beziehen, als diese ihn, wie er aus der »Bunten« hatte erfahren müssen, unversehens wegen eines Fernsehstars hatte sitzen lassen. So war er, ohne Frau, ohne Bleibe, ohne Job und ohne Geld, frei nach Lolitas Schlager zur Erkenntnis gekommen, dass allenfalls die Fremde auf ihn warte: »Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne, […] deine Liebe ist dein Schiff, deine Sehnsucht ist die Ferne.« Das zumindest war meine romantisierende Interpretation seines Entschlusses, bei AIDA Cruises als Theatermanager anzuheuern. So bedauernswert sein Schicksal gewesen sein mag, meine Augen glänzten, als säße ich dem »Traumschiff«-Kapitän persönlich gegenüber. Vor meinem geistigen Auge stand Neffi in strahlend weißer Montur an der Reling, einen Mojito in der Hand und eine Blondine im Arm. Zwei Einsätze habe er bereits hinter sich, in wenigen Tagen werde er auf der AIDAaura drei Monate lang durch die Karibik schippern. Durch die Karibik …

»Dir würde es nicht gefallen«, riss er mich aus meinem Tagtraum.

Meine Gesichtszüge entgleisten: »Warum denn nicht?«

»Kreuzfahrten sind Gruppenreisen. Du bist ... wie soll ich sagen? … eher ein Mensch, der für sich sein will. Möchtest du am Buffet Schlange stehen, um dann mit Fremden an einem 6er- oder 8er-Tisch zu essen?«

»Ich mag Menschen!«

»Ja, so wie Einstein: ›Ich liebe die Menschheit, ich kann nur Leute nicht ausstehen.‹ Du bist ein typischer Individualist. Geführte Ausflüge sind nicht dein Ding.«

»Aber ich könnte doch auf eigene Faust an Land unterwegs sein, oder?«

»An Seetagen liegen tausend eingeölte Sonnenhungrige am Pool. Zum Sardinengrillen muss man geboren sein. Und das Poolradio würde dich nur nerven.«

»Da dudelt Musik am Pool?«

»Musik läuft fast immer und überall, aber beim nachmittäglichen Poolradio wird sie moderiert. Zwischen den Schlagern animiert man die Gäste zu Spielchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet du animiert werden möchtest.«

»Werde ich zu Wet-T-Shirt-Contests oder Schlimmerem gezwungen?«

»Wenn jemand in Ruhe lesen will, wird das respektiert.«

»Lesen kann man auf diesem Pooldeck ja wohl schwerlich …«

»Weiter unten, auf Deck 6, findet man immer ein ungestörtes Schattenplätzchen.«

»Ich fahr doch nicht in die Karibik, um blass wie ein Grottenolm nach Hause zu kommen!«

»Na ja, es gäbe noch den FKK-Bereich auf Deck 12: wenige Gäste, keine Musik. Aber du …«

In meiner Brust zwitscherte kampfstark der Vogel der Hoffnung: »Wenn ich auf einige Quadratzentimeter Stoff verzichte, bekomme ich ein paar Quadratmeter Platz? Ich fahre mit!«

Keine acht Wochen später stand ich auf Deck 10 der AIDAaura an der Reling und sah zu, wie die schweren Trossen über die Poller gehoben wurden. Das Typhon, die mit Druckluft betriebene Schiffssirene, gab drei lange, tiefe Töne von sich, und wir setzten uns in Bewegung, über uns den Sternenhimmel, hinter uns den immer kleiner werdenden Hafen von La Romana und vor uns, irgendwo in der Weite des Ozeans, puderzuckerweiße Strände und mit üppigem Tropengrün bewachsene Vulkanhänge …

Aus den Lautsprechern schallte eine Coverversion des Enya-Titels »Orinoco Flow«, gefolgt von »Sail Away«. Es ist beim Kreuzfahren wie beim Sex. Das erste Mal bleibt unvergesslich. Keine Auslaufmusik wird mich jemals so berühren wie dieses von Martin Lingnau komponierte Instrumentalstück, da kann der Sänger der Musikgruppe Unheilig noch so inbrünstig die »Große Freiheit« auf seinem oder meinem Schiff beschwören. Und auch der Schauer, der mir über den Rücken läuft, wenn Andrea Bocelli auf einem Costa-Kahn verkündet, es sei »Time to Say Goodbye«, ist kein wohliger. Bei »Sail Away« aber bekomme ich, konditioniert wie ein pawlowscher Köter, bis heute Sehnsucht nach Meer.

Doch der Reihe nach. Neffi und ich verständigten uns auf den gemeinsamen Nenner, dass ich mit einer Buchung kein großes Risiko einginge. Schlimmstenfalls würde diese erste meine letzte Kreuzfahrt werden, doch bräuchte ich nicht allzu tief ins Portemonnaie greifen. Bei den meisten Reedereien können Lebenspartner und Familienangehörige der Mitarbeitenden Restplätze zu günstigen Konditionen belegen. Nun war ich zwar nicht verwandt, geschweige denn verpartnert mit Neffi, doch ließ er mich – unter lautstarken Bekundungen, dass er keine persönliche Verantwortung für mein Urlaubsglück oder, wie er befürchte, -unglück übernehme – für das »Freunde und Partner«-Programm akkreditieren, heute polyglott »Family & Friends« genannt.

Sogleich begann ich, mich intensiv mit der Kreuzfahrt zu beschäftigen. Als treuer »Traumschiff«-Zuschauer war ich darauf vorbereitet, an Bord einer vor Jahrzehnten in der Antarktis verschollenen Jugendliebe, einem mir unbekannten Zwillingsbruder oder meiner soeben volljährig gewordenen Tochter, von deren Existenz ich nicht das Geringste geahnt hatte, zu begegnen. Auch dass Spontanheilungen letaler Krankheiten im Endstadium zum Schiffsalltag gehören, war mir bewusst. Nun ergänzte ich diese profunden Kenntnisse durch die Visionierung cineastischer Meisterwerke wie »Poseidon Inferno«, »Titanic« und »Speed 2 – Cruise Control«, die mein Vertrauen in die Personenschifffahrt erheblich zu stärken vermochten; lediglich »Cruising« mit Al Pacino erwies sich unter maritimen Aspekten als unergiebig. Ich las Thomas Manns »Meerfahrt mit Don Quijote« (»Unausbleiblich der Nervenschock der ersten Stunden nach Vertauschung der gewohnten stabilen Grundlage mit einer labilen«, erfuhr ich mit Besorgnis) und »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich« des genialen David Foster Wallace, der sich erst wenige Wochen zuvor erhängt hatte. So war ich gewappnet für das »Unterdruck-Abwasser-System« von Schiffstoiletten, die auch nicht anders funktionieren, als man das aus dem ICE kennt, und mir darüber im Klaren, dass ich mich mit Fragen wie »Schläft die Crew auch an Bord?« keineswegs als originell profilieren würde.

Schließlich erhielt ich die Nachricht, dass auf der Karibiktour vom 6. bis 20. Dezember noch einige Kabinen frei, aber leider sämtliche Flüge ausgebucht seien, abgesehen von wenigen Plätzen in der »Comfort Class« einer Vollchartermaschine ab München; alternativ könne ich mich selbst um die Anreise kümmern. Ich überlegte nur kurz, ob ich mich auf die Suche im Internet begeben sollte. Was würde ich machen, wenn sich einer der Flüge verspätete oder gar storniert würde? Dem Schiff hinterherschwimmen? Das An- und Abreisepaket der Kreuzfahrtveranstalter ist meist etwas teurer als eine individuelle Flugbuchung, doch wartet das Schiff notfalls auf Pauschalgäste. Und am Ende der Reise genügt es, dass der starke Wellengang das Anlegen um ein paar Stunden verzögert – was gar nicht selten vorkommt –, und schon hat man den Heimflug verpasst.

Kurz und gut, zwei Wochen später saß ich champagnerschlürfend in der Maschine nach La Romana. Passenderweise, wie ich fand, am Nikolaustag, denn der vielfältig einsatzfähige Heilige ist nicht nur der Schutzpatron der Bankiers und der Diebe, der Prostituierten und der unschuldigen Kinder, sondern auch der Reisenden und Seeleute. Doch war auch der Schiffsname ein gutes Omen? Aura, die griechische Göttin der Morgenbrise, wurde nach der Vergewaltigung durch Dionysos schwanger und verfiel dem Wahnsinn. In der Medizin bezeichnet der Begriff Aura psychische Erlebnisse kurz vor einem epileptischen Anfall. Überdies ist Aura der Name eines finnischen Blauschimmelkäses. Notzucht, Krampfanfall und Käse – was mag das bedeuten? Sind Kreuzfahrten denn keine fröhliche Angelegenheit?

Über diesen und ähnlich bedeutsamen Reflexionen verging mein Flug tatsächlich wie in einem solchen. Unmittelbar nach der Landung bestiegen wir noch auf dem Rollfeld, ohne zeitraubende Personen- oder Zollkontrolle, den Transferbus zum Hafen, wo das Schiff mit dem charakteristischen Kussmund am Kai lag. In einer offenen Halle lächelten hinter einer ganzen Reihe von Check-in-Schaltern hübsche AIDA-Mitarbeiter beiderlei Geschlechts jenes »Professional Smile«, das David Foster Wallace beschrieben hatte, und erledigten zügig die Formalitäten.

Das Schiffsmanifest, auch Bordmanifest oder Einschiffungsformular genannt, hatte ich bereits online ausgefüllt. Es enthält alle persönlichen Daten, die der Veranstalter bei den für die Einreise zuständigen Behörden einreichen muss, also Geburtsdatum und -ort, Wohnadresse sowie Nummer, Ausstellungsort, Ausstellungs- und Ablaufdatum des Reisepasses. Für den Notfall soll eine Kontaktperson angegeben werden. Viele Reedereien erfragen zugleich Essenswünsche wie vegetarische oder glutenfreie Kost und eine mögliche Mobilitätseinschränkung. Beim Check-in musste ich nur noch meinen Voucher vorzeigen und meinen Pass abgeben, wurde ohne größere künstlerische Ambitionen fotografiert und erhielt eine scheckkartengroße Plastikkarte mit dem eben geschossenen Porträt darauf, dem man auch bei flüchtiger Betrachtung ansah, dass mich die Anreise doch etwas ermüdet hatte – mittlerweile werden diese vorteilhaften Fotos nicht mehr aufgedruckt, sondern im Computer abgespeichert.

Die Bordkarte wird jeweils beim Verlassen und beim Betreten gescannt, damit nachvollziehbar ist, wer sich an Bord befindet. Zudem dient sie als Kabinenschlüssel und als Zahlungsmittel: Bequemerweise benötigt man kein Bargeld, sondern alle Nebenkosten, beispielsweise die Auslagen für Getränke oder Ausflüge, werden dem sogenannten Bordkonto belastet, dessen Stand man in der Regel über das interaktive Fernsehen einsehen kann. Eine detaillierte Endabrechnung findet man dann am Morgen der Abreise an der Kabinentür. Die Kontrolle ist unerlässlich, Fehler passieren. Den extremsten Fall habe ich auf einem amerikanischen Megaschiff erlebt, wo ein Österreicher 12 276 Dollar bezahlen sollte. Als er reklamierte, beschied man ihm, annähernd der gesamte Betrag stamme von einem einzigen Abend, er habe wohl eine großzügige Lokalrunde geschmissen? Konsterniert bestand er auf genauerer Überprüfung, und nach einiger Zeit hatte man immerhin ermittelt, dass er die Summe nicht etwa für Premiumalkoholika hatte springen lassen, sondern, erstaunlich spendabel, als Trinkgeld. Erst nach langer Diskussion fiel einer Mitarbeiterin ins Auge, dass die Höhe dieses Trinkgelds zufällig der Kabinennummer entsprach.

Beglichen wird das Bordkonto über die beim Check-in oder später – oftmals an Self-Service-Terminals – registrierte Kreditkarte; alternativ können Sie auch eine Baranzahlung leisten. Während AIDA in Euro und aus Deutschland abrechnet, lassen einem einige Gesellschaften die Wahl, in welcher Währung die Karte belastet werden soll. Beachten Sie den zugrunde gelegten Wechselkurs und dass mitunter Umrechnungsgebühren anfallen. Dazu kommen, falls die Abwicklung über einen Firmensitz beispielsweise in den USA erfolgt, ohnehin die Gebühren für den Auslandseinsatz.