Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten - Thomas Blubacher - E-Book

Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten E-Book

Thomas Blubacher

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Beschreibung

Wussten Sie, dass Schiffe nur von Frauen getauft werden? Dass der Seemannssonntag am Donnerstag stattfindet? Und was eine Schmetterlingsfahrt ist? Thomas Blubacher, passionierter Kreuzfahrer, war in der Karibik und im Indischen Ozean, im Mittelmeer, in der Ostsee und auf europäischen Flüssen unterwegs. Ob Ozeanriese oder Luxusliner, Segelboot oder Eisbrecher – er weiß, wie man die passende Reise für sich findet. Berichtet von Weihnachtsmarkttouren und Gin Tastings, vergoldeten Wasserhähnen und Wellnessoasen. Erhält Einblicke in den verborgenen Crewbereich, unterhält sich mit einer Ärztin und einem Pastor über ihre Einsätze an Bord. Und verrät, wie viele Hummer ein Passagier pro Woche verzehrt. Danach ist vom Neuling bis zum »Repeater« garantiert jeder für das Captain’s Dinner bereit.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

ISBN 978-3-492-97532-2

September 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

© Thomas Blubacher, 2016

Coverkonzeption: Büro Hamburg

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaasbuchgestaltung.de

Covermotiv: MS Europa bei der Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal (rtn, Ute Strait, Picture Alliance)

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

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Leinen los!

»Kreuzfahrt ist sexy geworden«, freut sich Karl J. Pojer, CEO von Hapag-Lloyd Cruises. Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Passagieraufkommen in Deutschland mehr als verdreifacht, 2015 unternahmen 1812968 Bundesbürger eine Hochseereise, zwei Drittel davon buchten bei deutschen Reedereien. Dank des anhaltenden Wachstums darf die Fernwehbranche damit rechnen, in wenigen Jahren die Drei-Millionen-Grenze zu überschreiten, zugleich steigt der Wettbewerbsdruck. Und wer hat’s erfunden? Nein, ausnahmsweise nicht die Schweizer. Auch nicht die Reederei Noah & Söhne, die vor viereinhalbtausend Jahren eine unkomfortable 375-tägige Jungfernfahrt ohne Landausflüge veranstaltete, nicht der König von Ithaka, dessen Odyssee durchs Mittelmeer denkbar unentspannt war, und nicht Papst Urban II., der 1095 die ersten Kreuzfahrer der Geschichte zum Eroberungstrip nach Palästina animierte. Es war der 1857 in Hamburg geborene Sohn eines aus Dänemark eingewanderten Juden: Albert Ballin, Vorstandsmitglied der 1847 gegründeten Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag.

Weil die Hapag-Transatlantikdampfer in den stürmischen Herbst- und Wintermonaten schlecht ausgelastet und damit unrentabel waren, kam er 1890 auf die Idee, eine Reise anzubieten, die nicht der Beförderung, sondern der Erholung und der Bildung dienen sollte: eine »Exkursion nach Italien und dem Orient« mit gut organisierten Landausflügen in verschiedenen Häfen – der Begriff »Kreuzfahrt«, hergeleitet vom Kreuzen, dem Hin- und Herfahren zwischen den Häfen, kam in Deutschland 1928 auf und wurde ab den 1950er-Jahren populär. Ob Ballins »Lustfahrt« nun wirklich die weltweit erste kommerziell vermarktete Vergnügungsreise auf See und er damit tatsächlich der Vater der modernen Kreuzfahrt war, oder ob dieses Lorbeerkränzchen nicht eher dem britischen Schiffseigner John L. Clark zusteht, der 1882 den umgebauten P&O-Postdampfer Ceylon losschickte, ist umstritten – und sei dahingestellt: Albert Ballin veranstaltete jedenfalls die erste Luxuskreuzfahrt im heutigen Sinne.

Wilhelm II. höchstpersönlich, von seinem Volk »Reisekaiser« tituliert, weil er gewöhnlich mehr als die Hälfte des Jahres unterwegs war und von 1889 an jeden Sommer auf Nordlandfahrt ging, verabschiedete am 22. Januar 1891 in Cux­haven das Hapag-Flaggschiff Augusta Victoria. Dass die Kaisergattin und Namenspatin eigentlich Auguste Victoria hieß, war keinem der Verantwortlichen aufgefallen; 1897 wurde der Irrtum stillschweigend berichtigt. An Bord des 1888 in Dienst gestellten, 144,80 Meter langen und 16,62 Meter breiten Doppelschrauben-Schnelldampfers befanden sich 241 »kühne Passagiere«, wie Albert Ballin sie nannte, aus dem In- und Ausland, darunter 67 Damen vornehmlich aus England – in Deutschland galten längere Touren damals als körperlich und geistig zu anspruchsvoll für Frauen. Bezahlt hatten die elitären Gäste für die Reise zwischen 1600 und 2400 Goldmark, das doppelte bis dreifache Jahreseinkommen eines Arbeiterhaushalts. Umsorgt wurden sie von 245 Crewmitgliedern – auf den ersten Blick ein luxuriöses Passagier-Crew-Verhältnis. Doch über die Hälfte der Besatzungsmitglieder arbeitete als Maschinisten, Heizer oder Kohlenzieher. Überhaupt hielt sich, gemessen am heutigen Standard, der Komfort in Grenzen. Sechs Quadratmeter maßen die in der Regel mit zwei Passagieren belegten Kabinen der ersten Klasse; Bäder und Toiletten waren Gemeinschaftseinrichtungen.

»Nicht nur für das leibliche Wohl ist auf das Umfassendste gesorgt, sondern auch Musik und Spiel werden die Stunden beflügeln, während der schwimmende Palast immer neuen Zielen entgegenfliegt«, versprach die erste Ausgabe der an Bord gedruckten »Augusta-Victoria Zeitung«. Über Southampton, Gibraltar und Genua fuhr die Augusta Victoria nach Alexandria, wo sie fünf Tage blieb, damit die Gäste Zeit hatten, Kairo und die Pyramiden zu besichtigen. Von Jaffa aus besuchte man Jerusalem, von Beirut aus erkundete man Damaskus. In Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, machte der türkische Sultan seine Aufwartung, in Piräus wurde das Schiff auf Anordnung des griechischen Königs mit 15 Schuss Salut begrüßt. Auf Malta folgten Palermo und Neapel, Lissabon und Southampton; nach exakt 57 Tagen, 11 Stunden und 3 Minuten kehrte man zurück nach Cuxhaven.

Nach zwei ähnlichen Reisen in den folgenden Jahren lief die Augusta Victoria 1894 zur ersten Nordlandreise aus, 1896 ging ihr Schwesterschiff Columbia auf »Westindien«-Fahrt, die in 65 Tagen von Genua unter anderem über New York, Haiti, Antigua, Martinique, St. Lucia, Barbados, Jamaika und Kuba nach Hamburg führte. »Der Comfort und die Eleganz, die auf den Schiffen zur Geltung gebracht sind, stellen Alles in den Schatten, was bisher auf Oceanschiffen geleistet wurde. Die großen und prächtigen Salons, Damen-, Musik- und Rauchzimmer u.s.w. sind im reichsten Style ausgestattet worden; die besten Künstler wurden herangezogen, sie durch Gemälde, Schnitzereien und Decorationen zu schmücken«, warb man vollmundig und reklamierte stolz »die Abwesenheit schlechter Dünste und lästigen Geräusches«. Die Vergnügungsreisen wurden neben dem Linienverkehr zum unverzichtbaren Bestandteil des Hapag-Angebots, und 1900 lief mit der 192 Passagiere fassenden Prinzessin Victoria Luise, benannt nach der einzigen Tochter des Kaisers, das erste eigens für Kreuzfahrten gebaute Luxusschiff vom Stapel, mit großzügigen Gesellschaftsräumen, einem »Lesezimmer mit reichhaltiger Bibliothek«, einer »Halle für schwedische Heilgymnastik« und sogar einer »Dunkelkammer für Amateur-Photographen«. Die Betten standen in den sechs bis zwölf Quadratmeter großen Kabinen nicht mehr übereinander, wie üblich, sondern einander gegenüber; über ein eigenes Bad und WC verfügten allerdings nur die beiden Suiten. 1906 setzte Kapitän Brunswig die »Lustyacht« an der jamaikanischen Küste auf eine Sandbank, suchte seine Kabine auf und erschoss sich, die Passagiere konnten samt Gepäck an Land gebracht werden.

Der Begeisterung für die Kreuzfahrt tat dies keinen Abbruch, und Hapag, seit 1970 mit dem Norddeutschen Lloyd fusioniert, veranstaltet nach wie vor Luxusreisen – genauer gesagt: Hapag-Lloyd Cruises, eine Tochter der TUIAG; ihre Schiffe MS Europa und MS Europa 2 gelten als die besten weltweit. Andere Veranstalter bedienen, wie es im Jargon der Branche heißt, den Volumenmarkt. Längst ist die Kreuzfahrt keine Extravaganz mehr für eine betuchte und betagte Klientel, die elitäre Urlaubsform hat sich zum Massenphänomen entwickelt. Schon in den 1960er-Jahren, als der interkontinentale Flugverkehr die transatlantischen Schiffspassagen ablöste, boten Reedereien Fahrten in sonnige Gefilde an, die sich auch Lieschen und Otto hätten leisten können. Dennoch blieb die Kreuzfahrt zunächst ein Distinktionsmerkmal privilegierter Silver Ager; 1993 buchten gerade einmal 183000 Deutsche eine mehrtägige Seereise mit Rundumversorgung. Die Indienststellung der AIDA drei Jahre später markierte auf dem deutschen Markt den Beginn zwangloserer, auf jüngere Aktivurlauber und Familien mit Kindern ausgerichteter Kreuzfahrten ohne die traditionellen Bordrituale – eine überfällige Ergänzung zum betreuten Wohnen in maritimen Seniorenresidenzen, gemeinhin »Mumienschlepper« genannt, die sich dank der demografischen Entwicklung nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen.

Bald darauf schwappte aus den USA der Trend zu immer gigantischeren schwimmenden Freizeitparks über, und mittlerweile gibt es auf internationalen Megalinern nahezu nichts, was sich nicht unternehmen ließe. Wer mag, kann surfen oder Schlittschuh laufen, sich die Zähne bleichen oder die Stirn durch Botox-Injektionen glätten lassen, sein Geld für Designerhandtaschen oder am Roulettetisch verprassen, vormittags einen Gottesdienst oder ein original bayerisches Bierfest und abends ein Broadway-Musical oder ein Klassikkonzert besuchen. Seefahrerromantik sucht man freilich vergebens, die mobilen Erlebniswelten lassen einen allzu leicht vergessen, dass man sich auf dem Meer befindet. Eingehüllt in einen komfortablen Kokon, sieht man die Landschaften wie unwirklich vorbeiziehen. Doch für viele ist das eigentliche Ziel ohnehin der Aufenthalt auf dem Schiff; sie wollen sich entspannen und amüsieren. Dass verschiedene Häfen angelaufen werden, dient, wie es der Autor Andreas Lukoschik formulierte, allenfalls »der folkloristischen Ergänzung des Bordprogramms«.

Neben dem Mainstream- erfreuen sich auch das Luxus- und das Expeditionssegment steten Wachstums, Themen- und Eventreisen sind gefragt wie nie. Zielgruppenorientiert vermarktet man die unterschiedlichsten Schiffe als perfekt inszenierte Ferienwelten für jeglichen Geschmack, verkauft Reisen für jedes Portemonnaie und spricht damit alle Milieus und Altersgruppen an, amüsierwütige Thirtysomethings aus der tätowierten Mittelschicht ebenso wie zobelbepelzte Wilmersdorfer Witwen mit ausgeprägtem Geltungsbedürfnis. 50,1 Jahre betrug, nicht zuletzt dank der zahlreichen Kinder auf See, das Durchschnittsalter der bundesrepublikanischen Kreuzfahrer im Jahr 2015, auf internationalen Schiffen lag der Schnitt der deutschen Reisenden mit 52,2 Jahren etwas höher als auf denen deutscher Reedereien – Erika und Max Mustermann waren dort gerade mal 49,2 Jahre alt.

Auch mit körperlichen Einschränkungen wie etwa einer Geh- oder Sehbehinderung kann man prinzipiell in See stechen, sollte aber sämtliche Aspekte vorab mit dem Reiseveranstalter oder der Reederei klären. 2015 machte der Fall eines gesundheitlich angeschlagenen 86-Jährigen Schlagzeilen, der, noch bevor die AIDAcara ablegte, vom Kapitän wieder nach Hause geschickt wurde; AIDA Cruises verwies auf die Geschäftsbedingungen, laut derer »der geistige oder körperliche Zustand« eines Passagiers keine »Gefahr für den Kunden selbst oder jemanden sonst an Bord« darstellen dürfe. Babys lässt man in der Regel erst ab einem Alter von sechs Monaten mitreisen; Schwangere müssen nicht selten eine ärztliche Reisefähigkeitsbestätigung vorlegen, nicht befördert werden sie zum Beispiel bei MSC Kreuzfahrten ab der 23., bei AIDA Cruises, Costa Crociere und TUI Cruises ab der 24. Woche – bei allfälligen Komplikationen ist die medizinische Versorgung an Bord nicht sichergestellt.

Im Mittelalter standen die geistlichen Vorteile einer Kreuzfahrt außer Frage, etwa die Anrechnung als Bußleistung oder die Möglichkeit, damit einen Ablass zu erwerben. Die Teilnehmer riskierten allerdings ihr Leben nicht allein auf dem Schlachtfeld, rund 15 bis 20 Prozent gingen an Mangelernährung zugrunde. Die Chance eines modernen Kreuzfahrers zu verhungern dürfte gleich null sein, gilt doch eine Gewichtszunahme von zwei, drei Pfund pro Woche als üblich. Aber abgesehen vom nur bei viel Willensstärke vermeidbaren Verlust der Strandfigur, von der ich mich ohnehin bereits vor Jahren verabschieden musste, liegen für mich die Vorteile auf der Hand: Innerhalb weniger Tage erhalten Sie einen risikoarmen, wenn auch flüchtigen Eindruck von touristischen Highlights in mehreren Ländern, und das ohne lästiges andauerndes Ein- und Auspacken der Koffer. Ihr schwimmendes Hotel mit Vollpension und vielfältigem Freizeit- und Wellnessangebot bringt Sie im Schlaf, während Sie einem Streichquartett lauschen oder in der Disco abtanzen, von Insel zu Insel oder von Stadt zu Stadt – wesentlich komfortabler als ein landestypischer Fernbus oder ein Flugzeug, in dessen engen Sitzen Sie eine Thrombose riskieren. Ohne sich um Einreiseformalitäten kümmern zu müssen, können Sie fremdes Terrain erkunden, lernen fremdartiges und vielleicht befremdliches Brauchtum kennen, bleiben aber dank Ihres Zuhauses auf Zeit geborgen in Ihrer vertrauten Kultur – zumindest auf deutschsprachigen Schiffen: Sie kommunizieren in Ihrer Muttersprache, verzehren gesundheitlich unbedenkliche Gerichte, unter denen sich neben kulinarischen Kapriolen garantiert solche befinden, die auch der sprichwörtliche Bauer ohne zu zögern verspeist, finden stets serviceorientierte Ansprechpartner für alle Fragen – und können im Notfall umgehend einen Arzt konsultieren. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis lässt sich im Vergleich mit Hotelferien durchaus sehen.

Kreuzfahrtskeptiker führen nicht zuletzt die Umweltbelastung ins Feld. Angesichts eines Touristikmarktsegments, dessen Zuwachsrate schneller steigt als der Meeresspiegel, sind ökologische Bedenken zweifelsohne angebracht; Kreuzfahrtschiffe gehören, deutlich gesagt, zu den größten Dreckschleudern der Welt. Als problematisch gelten nicht nur Abwässer (pro Person und Tag fallen 32 Liter Schmutzwasser und 350 Liter fäkalienfreies Grauwasser an), feste Abfallstoffe, Klärschlamm und mit Öl- und Kraftstoffresten kontaminiertes Bilgenwasser sowie die Emissionen der Müllverbrennungsanlagen, sondern vor allem die Schadstoffe, die bei der Verbrennung des Treibstoffs entstehen. Feinstaub, Ruß, Stickoxide und Schwefeloxide gefährden Gesundheit, Klima und Biodiversität. Schon lange fordern Umweltaktivisten deshalb den Umstieg vom giftigen Schweröl auf umweltfreundlicheren Marinediesel und den Einbau von Abgastechnik.

Erst nach langer Trägheit hat sich die unter ihrem schlechten Öko-Image leidende Branche um schrittweise Verbesserungen bemüht – notgedrungen verwenden viele Reedereien mittlerweile nicht nur LED-Lampen und verbauen ökozertifiziertes Holz, sondern rüsten allmählich auf umweltverträglichere Techniken um und geben energieeffizientere und emissionsärmere Schiffe in Auftrag. Strömungsoptimierte Rümpfe mit speziellen Anstrichen verringern den Treibstoffverbrauch, zudem berechnen verantwortungsbewusste Reedereien die Strecken ihrer Schiffe mit einer ökonomischen Durchschnittsgeschwindigkeit, die weit unter der Höchstleistung liegt. Umkehrosmose-Anlagen dienen der Aufbereitung von Meerwasser, und der Einsatz biologischer Kläranlagen führt dazu, dass das Abwasser nahezu Trinkwasserqualität erreicht, bevor es entsorgt wird – im Prinzip könnte man aus diesem Grauwasser tatsächlich Trinkwasser gewinnen, doch ist das passagierpsychologisch heikel.

Auf Deck 2 der Mein Schiff 4 konnte ich sehen, wie sorgfältig man Glas, Metall, Blechdosen, Plastik, Papier und anderen Restmüll sortiert und presst, einige weitere Abfälle werden entwässert und geschreddert, Wertstoffe, Aschenreste und Klärschlämme (die entstehen, wenn stark verschmutztes Schwarzwasser entkeimt und gefiltert wird), wenn möglich, an Land abgegeben und recycelt oder entsorgt. Durch eine ansonsten für Passagiere ebenfalls verschlossene Tür auf Deck 15 durfte ich einen stickig-heißen Raum betreten und stand unmittelbar vor dem dick in Isoliermaterial verpackten Scrubber, in diesem Fall einem kombinierten Entschwefelungs-Stickoxidkatalysator-System, das sich über sämtliche Decks erstreckt. Der bei der Verbrennung des Schweröls entstehende Qualm wird mit Wasser besprüht, so reduziert man den Schwefelausstoß um bis zu 99 Prozent, die Rußpartikel um 60 Prozent; zugleich filtert ein Katalysator 75 Prozent der Stickoxide heraus; übrig bleibt ein Schlamm, der an Land entsorgt wird.

Der Naturschutzbund Deutschland hält indes die Scrubber lediglich für eine Übergangslösung, zumal sie die nicht sichtbaren, potenziell krebserregenden Feinststäube durchlassen. Er fordert den völligen Verzicht auf Schweröl. Immerhin konnte der NABU, der Jahr für Jahr die geplanten europäischen Schiffe hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit untersucht, 2015 konstatierten, dass die Modelle der führenden Anbieter sauberer würden. Die AIDAprima und ihr Schwesterschiff stufte der NABU im Vorfeld als die Neubauten mit der besten Abgastechnik ein; zwei weitere AIDA-Neuzugänge sollen mit umweltfreundlicherem Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden, das nahezu ohne die Entstehung von Schadstoffen verbrannt werden kann. Ganz ohne ökologische Bedenken wird man zwar nie kreuzfahren, zumal schon die Anreise per Flugzeug problematisch ist, doch wer will, kann zumindest mit der Wahl eines umweltgerechteren Schiffes einen Beitrag leisten. Hapag-Lloyd Cruises beispielsweise, deren Europa 2 Marinediesel mit nur 0,1 Prozent Schwefelgehalt und als erstes Kreuzfahrtschiff SCR-Katalysatoren, die den Stickoxidausstoß um fast 95 Prozent reduzieren, verwendet, bietet in Zusammenarbeit mit der Klimaschutzorganisation atmosfair die Kompensation des CO2-Ausstoßes für die Seepassage an. Passagiere können sich vorab über den entsprechenden Klimaschutzbeitrag ihrer Reise informieren und deren unvermeidbare Emissionsbelastung ausgleichen; ein Viertel der Summe wird dabei von Hapag-Lloyd Cruises übernommen.

Wer will, findet also Möglichkeiten, ohne schlechtes Gewissen auf Kreuzfahrt zu gehen – zum Glück! Schließlich ist keine andere Art des Reisens so bequem, so erholsam und so vergnüglich. Und so hat es, obwohl ich gewöhnlich meine Vorurteile liebevoll pflege, nicht lange gedauert, bis ich vom eingeschworenen Individualreisenden zum passionierten Kreuzfahrer wurde. Wobei ich noch immer ein blutiger Anfänger bin verglichen mit jenen leidenschaftlichen Cruise Junkies, die auf zwei- oder gar dreitausend Nächte an Bord zurückblicken, und, anders als mancher Kenner der Branche, dem ich auf hoher See begegnet bin, nur einen Bruchteil der rund dreihundert hochseetauglichen Kreuzfahrtschiffe gesehen habe, die derzeit auf den Weltmeeren unterwegs sind.

Kennenlernen würde ich sie am liebsten alle – Hauptsache ich bin unterwegs. Oder wie Graf Platen es formulierte: »Es scheint, dass das Reisen für mich eigentlich die zuträglichste Lebensart ist.« Der mir zuträglichste Platz an Bord ist überall der gleiche: Achtern, am Heck, blicke ich auf all das zurück, was hinter uns liegt. Ich lasse los. Mein ganzes Sein ist in dem einen Augenblick. Und wenn uns dann noch Delfine ein Stück auf dem Weg zum nächsten Sehnsuchtsort begleiten, ist mein Glück beinahe vollkommen.

Leise rieselt der Schnee

Auf der AIDAaura in der Karibik

»Für dich ist das nichts«, erklärte Neffi bestimmt. Es war der 12. Oktober 2008, meine ach so gewichtige vormittägliche Buchvorstellung im Berliner Ensemble hatte er verschlafen, und so trafen wir uns – ich leicht verstimmt, er schwer verkatert – Stunden später am Potsdamer Platz. Ich hatte Neffi fünf Jahre zuvor am Schlosstheater Celle kennengelernt, wo er mir bei zwei Inszenierungen assistiert hatte, seither tratschten wir sporadisch über Kollegen, diesmal aber berichtete er Spektakuläres: Eben hatte er am Theater Bielefeld gekündigt, um in Berlin die erste gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin zu beziehen, als diese ihn unversehens wegen eines Anderen sitzen gelassen hatte. So war er, ohne Frau, ohne Bleibe, ohne Job und ohne Geld, frei nach Lolitas Schlager zur Erkenntnis gekommen, dass allenfalls die Fremde auf ihn warte: »Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne, […] deine Liebe ist dein Schiff, deine Sehnsucht ist die Ferne.« Das zumindest war meine romantisierende Interpretation seines Entschlusses, bei der Rostocker Reederei Cruises als Theatermanager anzuheuern. So bedauernswert sein Schicksal gewesen sein mag, meine Augen glänzten, als säße ich dem »Traumschiff«-Kapitän persönlich gegenüber. Vor meinem geistigen Auge stand er in strahlend weißer Montur im Sonnenuntergang an der Reling, einen Mojito in der Hand und eine Blondine im Arm. Zwei Einsätze auf See habe er bereits hinter sich, auf der in der Karibik und auf der entlang der norwegischen Küste. Er schwärmte von den Schiffen, von den Shows, dem Essen, den Partys, der entspannten Atmosphäre und nicht zuletzt von der Begeisterung der Gäste, die oftmals gleich an Bord die nächste Reise buchten. In wenigen Tagen werde er abermals auf die aufsteigen, um drei Monate lang – diesmal auf einer anderen Route – durch die Karibik zu schippern. Durch die Karibik…

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