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SIE LEBEN EXTREM ... UND VERGLÜHEN IN DEN KALTEN NÄCHTEN OBEN IN DEN BERGEN Nur die absolute Verzweiflung konnte Dianna Kelley wieder zu Sam MacKenzie, dem unwiderstehlichen bösen Jungen, den sie zehn Jahre zuvor hatte sitzen lassen, zurückbringen. Aber der furchtlose Feuerwehrmann mit beeindruckenden Kenntnissen von der Wildness ist eben der Einzige, der sie dahin bringen kann, wo sie hinmuss. Es ist ein gewagtes Unternehmen, ihre Schwester in Gefahr aufzuspüren, während sie Sam und seine unbestreitbare Anziehungskraft direkt vor der Nase hat. Mit ihrem ehemaligen Liebhaber durch einen abgeschiedenen Teil der Rocky Mountains zu wandern und ihm ihr Leben anvertrauen müssen, ist nicht leicht. Trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit könnte Sam niemals eine Jungfrau in Nöten abweisen – erst recht keine, die jahrelang durch seine Träume gegeistert war. Er würde ihr dabei helfen, ihre Schwester zu finden und Dianna dann ein für alle Mal aus seinem Kopf verbannen. Doch schon bald ist es schwer zu sagen, welche Gefahr die größte ist: die rauschenden Stromschnellen, der tödliche Feind, der ihnen auf der Spur ist, oder die Leidenschaft, die sie direkt in die Feuerlinie drängt ... [Dieses Buch ist eine überarbeitete Neuauflage des Titels "Schatten der Vergangenheit".] "Wow! Eine großartige Liebesgeschichte voller Action." "Die Hitze zwischen Dianna und Sam war köstlich. Ich habe dieses Buch wirklich genossen! Nachdem ich in den letzten zwei Wochen zehn Bücher von Bella Andre gelesen habe, bin ich jetzt ein riesiger Fan von ihr." *** Flammen der Leidenschaft *** Feuer in meinem Herzen Gefährliche Liebe in den Rocky Mountains Ein brandheißer Sommer am See *** Leidenschaft in Kalifornien *** Liebst Du Mich? Schenk mir deine Liebe Wie schön du bist Gib mir mehr von dir *** Die Sullivans *** Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn Eine perfekte Nacht Nur du allein Deine Liebe muss es sein Dir nah zu sein Ich mag, wie du mich liebst Ohne dich kann ich nicht sein Vier Herzen vor dem Traualtar Bilder von dir Weil es Liebe ist Die Süße der Liebe Das Beste kommt erst noch Liebe ist kein Marchen Wer Liebe sät Irgendwo auf der Welt Halt mich Mit Leib und Seele Herzbeben *** Die Sullivans aus London *** Solange ich dich habe *** Bad Boys of Football *** Spiel um alles Spiel der Verführung Spiel der Liebe *** Die Maverick Milliardäre *** Verliebt bis über beide Ohren Liebe ist nur was für Mutige Keine Angst vor der Liebe Keine Chance gegen die Liebe Grenzenlos verliebt Im Bann deiner Liebe
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Seitenzahl: 413
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Flammen der Leidenschaft 2
Bella Andre
Bucheinband
Titelseite
Copyright
Über das Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Auszug aus Ein brandheißer Sommer am See
Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache
Über die Autorin
Gefährliche Liebe in den Rocky Mountains
© 2021 Bella Andre
Flammen der Leidenschaft 2
Übersetzung Lisa Bettenstaedt – Language + Literary Translations, LLC
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SIE LEBEN EXTREM … UND VERGLÜHEN IN DEN KALTEN NÄCHTEN OBEN IN DEN BERGEN
Nur die absolute Verzweiflung konnte Dianna Kelley wieder zu Sam MacKenzie zurückbringen, dem unwiderstehlichen Bad Boy, den sie zehn Jahre zuvor hatte sitzen lassen. Aber der furchtlose Feuerwehrmann mit beeindruckenden Kenntnissen der Wildness ist eben der Einzige, der sie dahin bringen kann, wo sie hinmuss. Es ist ein gewagtes Unternehmen, ihre Schwester, die in Gefahr ist, aufzuspüren, während sie Sam und seine unbestreitbare Anziehungskraft direkt vor der Nase hat. Mit ihrem ehemaligen Liebhaber durch einen abgeschiedenen Teil der Rocky Mountains zu wandern und ihm ihr Leben anvertrauen müssen, ist nicht leicht.
Trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit könnte Sam niemals ein Fräulein in Nöten abweisen – erst recht keines, das jahrelang durch seine Träume gegeistert war. Er würde ihr dabei helfen, ihre Schwester zu finden und Dianna dann ein für allemal aus seinem Kopf verbannen. Doch schon bald ist es schwer zu sagen, welche Gefahr die größte ist: die rauschenden Stromschnellen, der tödliche Feind, der ihnen auf der Spur ist, oder die Leidenschaft, die sie direkt in die Feuerlinie drängt …
NACH COLORADO zu kommen, war ein Fehler gewesen.
Dianna Kelley schlug die Tür ihres Mietwagens zu und stellte das warme Gebläse auf die höchste Stufe, dann legte sie sich die Hände um ihre Oberarme, während sie zitternd auf dem kalten Ledersitz saß.
Als sie heute tagsüber auf dem kleinen Flughafen von Vail gelandet war, hatte zwar pausenlos eine kühle Brise geweht, aber der Himmel war blau und klar gewesen. Doch jetzt am Abend heulte der Wind in den Bäumen, während unheilvolle Wolken einen Schleier aus Regen ausspien, der rasch den Gehweg überschwemmte.
Sie schloss die Augen und unterdrückte eine Welle des Kummers über den heftigen Gefühlsausbruch, den sie gerade mit ihrer jüngeren Schwester in einem geschäftigen Café gehabt hatte. Dianna wusste, dass sie nicht zu viel von April erwarten sollte, aber sie hatte nie aufgehört zu hoffen, dass sie beide endlich wieder zueinander finden würden.
Als sie größer wurde, hatte Dianna sich nach einer kleinen Schwester oder einem kleinen Bruder gesehnt, und als April geboren wurde, hatte sie, die damals acht war, das Baby deshalb mit Liebe überschüttet. Bis zu jenem schrecklichen Tag, an dem ihre Single-Mutter, die leicht zu überfordern und normalerweise pleite war, entschied, dass sie nicht so viele Mäuler füttern konnte und so die vierjährige April dem Staat überließ.
Kaum 18 geworden, begann Diana darum zu kämpfen, April aus dem System der Pflegefamilien zu befreien, aber es vergingen vier Jahre, bis sie ihre Schwester wieder nach Hause bringen konnte.
In den zehn Jahren, die sie getrennt waren, hatte April sich verändert. Das unschuldige, fröhliche, wissbegierige Mädchen, das sie einst gewesen war, war verschwunden. An ihre Stelle war eine abgebrühte, obszöne 14-Jährige getreten, die viel zu viel gesehen und erlebt hatte.
Dianna umklammerte das Lenkrad fester mit ihrer Hand, als sie sich daran erinnerte, wie April immer auf sie losgegangen war, sie beschuldigt hatte, ihr Leben zu ruinieren und jede ihrer Bewegungen wie ein Gefängniswächter zu kontrollieren. All die Jahre, in denen April auf der Highschool war, hatte Dianna versucht, ihre Schwester zu beschützen. Vor gemeinen Mädchen in ihrer Klasse, die beim Schikanieren der neuen Mitschülerin so richtig aufblühten, vor den süßen Jungen in ihrer Klasse, die ihr das Herz brachen, weil sie es einfach zuließ, und vor den Lehrern, die nicht verstanden, dass April mehr Geduld und Aufmerksamkeit brauchte als Kinder mit einer normalen Kindheit.
Aber es hatte sich als unmöglich erwiesen, ihre kleine Schwester zu beschützen.
Als sie im Laufe der Jahre von einem schlaksigen Teenager zu einer umwerfenden jungen Frau heranwuchs, zog April sich immer weiter in sich selbst zurück. Sie weigerte sich nicht nur, mit Diana über ihre verschiedenen Pflegefamilien zu reden, sondern auch mit einer Reihe von Therapeuten. Als April sich schließlich ihren Highschool-Abschluss erkämpft hatte, waren sie nichts weiter als zwei Fremde, die sich ein paar Mal pro Woche am Kühlschrank begegneten.
In den zwei Jahren seit ihrem Abschluss war April von Teilzeitjob zu Teilzeitjob und von einem Freund zum nächsten gesprungen, und Dianna hatte befürchtet, April würde schwanger werden und zu guter Letzt einen dieser Loser, mit denen sie zusammen war, heiraten. Oder ihn nicht heiraten und als mittellose Single-Mutter in einer Wohnwagensiedlung enden, wie es bei ihrer eigenen Mutter geschehen war.
Dianna kniff die Augen zusammen und schaute an den Scheibenwischern vorbei in den strömenden Regen, während sie in Gedanken noch einmal den Moment durchlebte, in dem sie vor drei Monaten von der Arbeit nach Hause zurückgekehrt war und Aprils Schlüssel auf dem Küchentisch gefunden hatte. Sie war in Aprils Zimmer gerannt und hatte festgestellt, dass die Lieblingsjeans und -tops ihrer Schwester zusammen mit ihrer Sporttasche verschwunden waren. Wenigstens hatte sie ihre Zahnbürste mitgenommen.
Über sieben schrecklich lange Tage hinweg hatte sie auf Nachrichten darüber gewartet, wo ihre Schwester war und wann – ob – sie zurückkommen würde. Schließlich hatte April eine Mitteilung auf Diannas Handy hinterlassen, als diese gerade ihre Live-Sendung für das Fernsehen drehte und unmöglich antworten konnte. Sie sei in Colorado und es gehe ihr gut. Sie hatte weder eine neue Nummer noch eine Adresse hinterlassen.
Immer wieder hatte Dianna in den letzten drei Monaten versucht, sich einzureden, dass ihre kleine Schwester einfach eine Selbstfindungsphase durchmachte. Schließlich war es für 20-jährige Frauen normal, dass sie Neues ausprobieren, aus ihren Fehlern lernen und im Leben vorankommen wollten, oder nicht?
Aber an Aprils Leben war nichts normal. Schließlich war sie zehn Jahre lang im staatlichen Pflegesystem von einer Familie zur nächsten gewandert. Dianna konnte es nicht ertragen, dass sie nicht in der Lage war, über ihre Schwester zu wachen, sie hasste die Gewissheit, dass sie ihr keine Sicherheit geben konnte.
Als April also endlich anrief, um Dianna zu fragen, ob sie für ein Treffen nach Vail kommen konnte, war es für Dianna unmöglich gewesen, sich die Chance auf ein Wiedersehen mit April entgehen zu lassen, obwohl es nicht leicht war, ihre Interviews so kurzfristig zu verschieben.
Doch statt sich näherzukommen, hatten sie gestritten. Und April war aus dem Café gestürmt und hatte Dianna sitzen lassen. Sodass diese sich voller Hilflosigkeit gefragt hatte, wie sie ihre Schwester wohl dieses Mal retten konnte.
Die Scheiben des Mietwagens waren vollkommen beschlagen, also drückte Dianna auf die Heizungstaste, aber sie funktionierte nicht. Sie zog eine Packung Taschentücher aus ihrer großen Ledertasche, wischte die Windschutzscheibe kreisförmig ab und fuhr langsam auf die Straße, während murmelgroße Hagelkörner auf ihr Auto prasselten. Alle paar Sekunden trat sie auf die Bremse und wischte die Feuchtigkeit von der Frontscheibe.
Ihre Vorsicht riet ihr zum Umkehren, doch alles, was sie wollte, war, wieder zu Hause in San Francisco zu sein und, eingehüllt in eine weiche Decke, mit einem Roman auf ihrer Couch zu liegen. Unter den gegebenen Umständen wurde es knapp, wenn sie für ihren Flug rechtzeitig am Flughafen sein wollte.
Die zweispurige Straße, die von Vail zum Flughafen führte, war schmal und kurvig, und sie überlegte ernsthaft, ob sie nicht besser an die Seite fahren und umdrehen sollte, um sich ein Hotel in der Nähe zu suchen, in dem sie das Ende des Unwetters abwarten konnte. Stattdessen holte sie tief Luft, schüttelte die bösen Vorahnungen ab, die sie mit sich herumtrug, seit April nach Colorado gezogen war, und wechselte zu einem Radiosender mit Popmusik.
Ich reiße Fenster aus und trete Türen ein
Ich schaue unter die Dielen
In der Hoffnung, dass ich noch etwas finde
Hör mir jetzt zu, denn ich schreie auf
Halt mich nicht fest, denn ich breche aus
Wartend stehe ich hier
Ausgestreckt
Ausgestreckt
Ausgestreckt nach mehr
Ihre Kehle schnürte sich zu, als ihr auffiel, dass es einer der Songs war, die April immer wieder in ihrem Zimmer gehört hatte. Wie sensibel ihre kleine Schwester offensichtlich unter ihrer dicken Rüstung war, wenn ihr so ein herzzerreißendes Lied wie dieses gefiel … Und wie schwer es ihr fallen musste, ihre wahren Gefühle vor allen zu verbergen. Besonders vor ihrer großen Schwester, die sie mehr als alles andere liebte.
Doch der Tag war schon emotional genug gewesen, ohne dass irgendein Song sie zum Heulen brachte, also richtete sie ihren Blick für den Bruchteil einer Sekunde auf das Radio, um es auszuschalten. Als sie ihre Augen zurück auf die Straße lenkte, wurde sie vom hellen Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos überrascht. Vorübergehend geblendet wich sie dem Licht aus.
Zu spät bemerkte sie, dass das Einzige zwischen ihr und den Scheinwerfern eine Felswand war.
Dianna schrie auf, als das entgegenkommende Auto die vordere Stoßstange ihres Mietwagens rammte, instinktiv verspannte sie sich in Erwartung eines weiteren Aufpralls, als sie sich im Kreis drehte. Die Airbags explodierten, weißes Pulver und dickes klebriges Material flogen durch die Luft. Trotz ihres Sicherheitsgurts prallte sie so heftig gegen die straffen Luftsäcke, dass ihr der Atem aus den Lungen gepresst wurde.
Oh Gott, sie erstickte!
Sie riss und zog am Airbag, versuchte, ihn von ihrem Mund und ihrer Nase zu entfernen, doch sie konnte ihm nicht entkommen. Ein akuter Schmerz durchfuhr sie von oben bis unten. Und doch wurde sie nicht ohnmächtig, sie konnte den Ort der Betäubung, an dem alles gut sein würde, nicht finden.
Endlich, nach gefühlten Stunden, fand sie jemand: ein Sanitäter der Feuerwehr mit pechschwarzem Haar und wunderschönen blauen Augen.
„Alles wird gut“, sagte er. „Ich werde mich um dich kümmern.“
Als sie zu ihm aufschaute, ähnelten seine Züge und seine Augen- und Haarfarbe so sehr dem Gesicht von Sam MacKenzie, dass sich seine Worte sich in ihrem Kopf und in ihrem Herzen überschlugen und sie jäh in einen anderen Autounfall zurückversetzt wurde – in einen, der ihr alles genommen hatte.
Sie hatte so ein Verlangen nach chinesischem Essen, dass sie in die Stadt gefahren war, um sich welches zu holen. Doch nachdem sie den ganzen Vormittag lang erbrochen hatte, war sie so ausgehungert, dass sie es nicht schaffte, vom Parkplatz zu fahren, ohne von dem Mu-Shu-Schweinefleisch zu kosten.
Sie hatte die Pflaumensoße mit den Fingern mit dem Kohl und Fleisch vermischt und den Duft eingesogen – doch es blieb ihr kaum Zeit, die süß-salzige Kombination zu genießen, bevor sich das Sodbrennen direkt unter ihren Rippen meldete.
Ihre Geburtshelferin sagte, das sei normal, die Übelkeit am Morgen würde schon nächste Woche verschwinden, wenn sie das zweite Trimester erreichte, doch das Sodbrennen würde wahrscheinlich schlimmer werden und hinzu kommen würden möglicherweise Verstopfungen durch die Eisentabletten und schlaflose Nächte wegen der Tritte des Babys.
Die Ärztin hatte grinsend gesagt: „Das sind doch gute Aussichten, oder?“, und Dianna hatte nicht zugeben wollen, dass sie es immer noch nicht fassen konnte, dass sie schwanger war.
Und das Unglaublichste war, dass sie in einer Woche Mrs Sam MacKenzie sein würde.
Der chinesische Imbiss befand sich in einem Anhänger auf einem Parkplatz an der Highway 50, und da sie wusste, dass die Straße das ganze Jahr über voller Touristen war, näherte sich Dianna vorsichtig der befahrenen Kreuzung und setzte den Blinker, um von der mittleren Spur aus eine Kehrtwendung zu machen. Als die Küstenstraße frei zu sein schien, trat sie auf das Gaspedal.
Aus dem Nichts raste ein weißes Auto auf sie zu. Sie konnte es kommen sehen, sah den entsetzten Gesichtsausdruck des Fahrers, aber egal, wie kräftig sie das Gaspedal auch durchdrückte – sie schaffte es nicht, rechtzeitig davonzukommen.
Sie wurde gegen das Lenkrad gechleudert, und als ihr Kopf gegen das Glas schlug, war das Einzige, an das sie denken konnte, ihr Baby … und die plötzliche Erkenntnis, wie sehr sie es sich wünschte.
Als Einsatzwagen und Rettungskräfte eintrafen, verlor sie immer wieder das Bewusstsein, fühlte jedoch, wie jemand sie auf eine Trage hob. Sie versuchte zu sprechen, konnte ihre Lippen aber nicht bewegen.
Ihr Bauch zog sich von allein zusammen, da hörte sie jemanden sagen: „Da ist Blut. Zwischen ihren Beinen.“
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. „Ma’am, hören Sie mich? Können Sie mir sagen, ob Sie schwanger sind?“
Doch sie konnte nicht nicken, konnte sich weder bewegen noch sprechen oder irgendetwas tun, um ihm zu sagen, dass er ihr Baby retten musste.
Und dann kam eine neue Stimme hinzu, deren tiefer, voller Ton ihr so vertraut und so lieb war.
„Ja, sie ist schwanger.“
Sam. Er hatte sie gefunden. Er würde dafür sorgen, dass alles wieder gut würde, so wie er es immer tat.
Irgendwie bekam sie es hin, ihre Augen zu öffnen, doch als sie aufblickte, sah sie Connor MacKenzie, Sams jüngeren Brüder, der über ihr kniete und in sein Funkgerät sprach.
„Sag Sam, dass er vom Berg runterkommen muss! Dianna hatte einen Autounfall auf dem Highway 50.“
Sie wurde von einem Krampf nach dem anderen gepackt und spürte, wie eine dicke, warme Flüssigkeit zwischen ihren Beinen heraussickerte.
Sie schrie: „Sam!“
Doch es war zu spät, als dass er ihr hätte helfen können. Ihr Baby war fort.
* * *
„Könnnen Sie mich hören, Ma’am?“
Sie öffnete die Augen und sah, dass sich die Augenbrauen des Feuerwehrmannes besorgt zusammenzogen.
„Können Sie mir sagen, ob Sie schwanger sind?“
Dianna blinzelte ihn an und erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Hände instinktiv auf ihren Bauch gelegt hatte.
Sie kehrte zur Wirklichkeit zurück, als sie erkannte, dass der Held, der ihr zur Rettung gekommen war, nicht Sam war. Ihre missglückte Schwangerschaft war nichts weiter als eine ferne Erinnerung, die sie gewöhnlich in den tiefsten Winkeln ihres Herzens gut verschlossen hielt.
Sie spürte, wie stechende Tränen ihre Augen befeuchteten, und flüsterte: „Nein, ich bin nicht schwanger“, dann wurde alles um sie herum schwarz.
* * *
„Es tut mir leid“, sagte der Arzt sanft. „Ihr Bruder hat es nicht geschafft.“
Dunkle Augen blinzelten ungläubig. Das konnte nicht sein. Sein Zwilling konnte nicht tot sein. Nicht, wenn sie doch gerade erst am Nachmittag noch zusammen gewesen waren. Sie hatten in geselligem Schweigen ein paar Bier getrunken, bis Jacob wieder das illegale Drogenlabor zur Sprache brachte und sagte, dass sie bereits genug Geld hatten, dass sie das Geschäft schließen sollten, bevor sie im Knast endeten. Erst vor Stunden hatte er Jacob zur Hölle geschickt, ihm gesagt, er sei derjenige, der etwas vom Geschäft verstehe und wisse, was das Beste für beide sei.
Den Sanitätern zufolge war Jacob den Highway 70 entlanggefahren, als seine Reifen auf Blitzeis ins Rutschen kamen. Er war frontal mit einem anderen Fahrzeug kollidiert und die Sanitäter hatten Jacob in aller Eile ins Vail General Hospital gebracht.
Zwei Stunden lang hatte Jacob um sein Leben gekämpft.
Jetzt kämpfte er nicht mehr.
Der Körper des Mannes sträubte sich von Kopf bis Fuß, innerlich und äußerlich, gegen diese Nachricht. Gallensäure stieg in seiner Kehle auf und er schaffte es gerade noch, die blau-grünen Linoleumfliesen zu überqueren und in den Mülleimer zu kotzen.
Jacob und er waren nicht nur Zwillinge, sondern der eine die Erweiterung des anderen gewesen. Seinen Bruder zu verlieren, war, als hätte man ihn mit einem Schnitt durch die Mitte, durch seine Knochen und Eingeweide und Organe, in zwei Hälften gespalten.
Er brauchte Luft, musste raus aus dem Wartezimmer der Intensivstation, weg von all den anderen Leuten, denen noch die Hoffnung blieb, dass ihre Liebsten sich von Herzinfarkten und Blutgerinnseln erholen würden. Er stieß die Tür zur Terrasse gerade rechtzeitig auf, um eine laute Gruppe Reporter zu sehen, die alle bedrängten, die Kittel trugen.
„Haben Sie Neuigkeiten von Dianna Kelley?“, fragte einer der Reporter atemlos eine vorbeigehende Krankenschwester.
Ein weiterer lief auf eine Ärztin zu – die Blitzlichter leuchteten auf, die Kameras waren bereit. „Uns wurde gesagt, dass Dianna Kelley einen Frontalunfall auf dem Highway 70 hatte. Können Sie uns das bestätigen, Frau Doktor?“
Dianna Kelley?
War sie die andere Fahrerin? War sie die Person, deren unsägliche Fahrerei Jakobs Leben ein Ende gesetzt hatte?
Er hatte ihre Sendung im Kabelfernsehen in den letzten Jahren nur ein paar Mal gesehen, aber ihr Gesicht war oft genug in Zeitungen oder auf Zeitschriftencovers zu sehen, damit er wusste, wie sie aussah.
Blond. Verwöhnt. Reich. Ohne jegliche Sorgen.
„Bitte“, flehte ein weiterer Reporter die Ärztin an, „wenn Sie uns nur sagen könnten, wie es ihr geht, ob sie schwer verletzt ist und ob sie sich wieder erholen wird …“
Keiner der Reporter hatte überhaupt zur Kenntnis genommen, dass noch eine andere Person in den Unfall verwickelt gewesen war. Alles, was sie interessierte, war Dianna, Dianna, Dianna.
Zu wissen, dass Jacob niemanden einen Scheißdreck kümmerte, versetzte ihm einen genügend schweren Schlag, um ihn völlig um den Verstand zu bringen.
„Möchten Sie noch einmal zurückkehren und sich verabschieden?“
Die Ärztin, die die schlimme Botschaft überbracht hatte, wartete immer noch direkt hinter der Tür auf ihn. Ihre Stimme war freundlich, und doch wusste er, dass sein Bruder für sie nichts weiter als ein Fremder war, der während ihrer Schicht gestorben war.
Bevor er antworten konnte, rannte eine große Blondine an ihm vorbei in den Warteraum. Eine Minute lang traute er seinen Augen nicht.
Wenn Dianna Kelley in den Unfall mit seinem Bruder verwickelt war, wie konnte sie dann jetzt an ihm vorbeilaufen?
Er brauchte einige Zeit, bis ihm klar wurde, dass die junge Frau in ihren schmutzverschmierten Jeans und der zu großen Regenjacke kaum mehr als ein Teenager war. Obwohl sie dem berühmten Gesicht, das er Dutzende Male gesehen hatte, überraschend ähnelte, konnte sie unmöglich diese „wichtige“ Frau sein, mit der die Reporter reihenweise einen Scoop landen wollten.
„Ich bin Dianna Kelleys Schwester“, sagte das Mädchen mit atemloser Stimme zur Ärztin, ihre Wangen waren tränenüberströmt. „Ich habe im Fernsehen gesehen, dass Dianna einen Unfall hatte.“ Sie packte die Ärztin am Arm. „Ich muss sie sehen!“
Die Ärztin schaute zwischen den beiden hin und her, und obwohl ihn der Schmerz wie Nebel umhüllte, konnte er sehen, dass sie zwischen dem Kerl mit dem toten Bruder und dem Mädchen mit der verletzten Schwester hin und her gerissen war. Aber sie wussten beide, dass die berühmte Schwester gewinnen würde.
„Entschuldige Jeannie, könntest du mir helfen?“
Einen Augenblick später kam eine junge Krankenschwester um die Ecke und die Ärztin erklärte: „Das ist Dianna Kelleys Schwester.“
„Kommen Sie mit“, sagte die Krankenschwester zu dem Mädchen, dessen Regenmantel eine Pfütze aus Tropfen auf dem Teppich hinterließ. „Zuerst muss ich Ihren Ausweis sehen.“
„Sie wird doch nicht sterben, oder?“, fragte Diannas Schwester mit zitternder Stimme.
„Das weiß ich nicht, Herzchen“, sagte die Krankenschwester mit beruhigender Stimme. „Da müssen Sie ihre Ärztin fragen.“
„Es tut mir sehr leid“, sagte die Ärztin zu ihm, als sie mit ihrem Arztausweis über die verschlossene Tür der Intensivstation wischte. „Ich weiß, wie schwer das für Sie ist.“
Er hätte die Ärztin am liebsten als Sandsack benutzt und geschrien, dass sie verdammt noch mal gar nichts über ihn, über das Loch in seiner Brust, das von Sekunde zu Sekunde größer wurde, wusste. Stattdessen folgte er ihr schweigend durch den Flur auf die geschäftige Intensivstation.
Die Deckenbeleuchtung in dem kleinen Raum seines Bruders war gedimmt worden und über seinem Körper war ein weißes Laken ausgebreitet worden. Die Ärztin zog den Stoff weg, um das leblose Gesicht seines Bruders zu enthüllen, und bevor er sich darauf gefasst machen konnte, bohrte sich ein Schmerz durch ihn, der schlimmer war als alles, was er jemals empfunden hatte. Er fühlte sich benommen und schwindelig. Als könnte er von einer Sekunde zur anderen zu Boden sinken.
Als er näher herantrat und das regungslose Gesicht seines Bruders sanft berührte, fühlte er, wie ihm warme Tränen über das Gesicht liefen.
„Soll ich Sie ein paar Minuten allein lassen? “
Es war überdeutlich, wie sehr die Ärztin sich wünschte, ihm und seinem seelenfressenden Kummer zu entkommen.
Er nickte und nahm die steife Hand seines Bruders in seine eigene. Sein Leben lang hatte er auf Jacob aufgepasst – der immer der leichtsinnigere gewesen war, derjenige, dem es niemals gelang, einen Job zu behalten, der Zwilling, der seine Fäuste nie in den Hosentaschen lassen konnte. Jacob war der Grund dafür, dass er in den Drogenhandel eingestiegen war. Er hatte die Herstellung und den Verkauf von Methamphetamin für die einfachste Art gehalten, um für beide zu sorgen.
Wenn sie nur an jenem Nachmittag nicht gestritten hätten, dann wäre Jacob vielleicht noch ein bisschen länger geblieben, hätte bemerkt, dass die Straßen zu vereist zum Fahren waren, und hätte bei ihm übernachtet.
Wenn Dianna Kelley doch nur ausgewichen wäre, oder besser noch: wenn sie überhaupt nicht auf der Straße gewesen wäre.
Es war alles ihre Schuld.
„Ich werde dafür sorgen, dass sie für das, was sie dir angetan hat, büßen wird, das schwöre ich dir“, versprach er seinem Bruder.
Er beugte sich über Jacob, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Er wischte sich die Tränen mit dem Handrücken weg, dann ließ er Jacobs Hand los und ging langsam aus der Intensivstation – da sah er sie.
In einem Zimmer, das ein paar Meter vom Ausgang entfernt war, lag Dianna Kelley in einem Bett hinter einer Glaswand, an einen Tropf angeschlossen, ihr blondes Haar breitete sich wie ein Fächer hinter ihr auf dem Kissen aus. Eine Krankenschwester stand in einen Anruf vertieft vor dem Raum und achtete nicht im Geringsten auf ihn, als er dort stand und gaffte.
Zu sehen, dass die Schlampe noch lebte, atmete und blinzelte, dass das Blut noch immer durch ihre Adern floss – während sein Bruder tot war – bestätigte nur, dass alles ihre Schuld war.
Keine Jury würde sie jemals für ihr Fehlverhalten verurteilen. Sie war zu berühmt, zu hübsch, als dass irgendjemand auf die Idee kommen würde, sie könne etwas falsch gemacht haben. Sie hatte seinen Bruder umgebracht und würde einfach damit davonkommen.
Während er sie weiterhin anstarrte, kochten die Wut und der Kummer so sehr in ihm hoch, dass es keinen Platz mehr für irgendetwas anderes gab. Schließlich bemerkte die Krankenschwester ihn, und als sie ihm einen merkwürdigen Blick zuwarf, wandte er sich zum Gehen.
Genau da stürzte Diannas Schwester durch die Türen zur Intensivstation und in der Eile stieß sie mit der Schulter gegen seine.
In diesem Moment wurde ihm klar, dass er die perfekte Waffe schon hatte.
Dianna Kelley hatte seinen Bruder umgebracht.
Er würde ihre Schwester umbringen.
* * *
Alles schmerzte wie verrückt, besonders ihr Kopf, dachte Dianna, als sie langsam zu sich kam. Was war mit ihr los? Warum fiel es ihr so schwer, ihre Arme und Beine zu bewegen?
Sie hatte Mühe, ihre Augen zu öffnen. Sie fühlten sich trocken an, fast, als wären sie voller Ruß, und sie blinzelte heftig, um sie zu säubern. Schnell bemerkte sie, dass sie in einem Krankenhausbett lag, aber wie konnte das sein? Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war, dass sie auf dem Weg zum Flughafen war, um nach San Francisco zurückzufliegen, nachdem sie sich im Café mit ihrer Schwester gestritten hatte.
Es beschlich sie das merkwürdige Gefühl, dass jemand in der Nähe stand und sie beobachtete, doch ihre Sicht war noch zu unscharf, um die Gesichtszüge der Person zu erkennen. Das Einzige, was sie mit Sicherheit sagen konnte, war, dass es ein Mann mit breiten Schultern und kurz geschorenem Haar war.
Ihr ermüdetes Gehirn verpasste dem Kopf des Mannes sofort Sams Gesicht. Sie hatte zehn Jahre lang versucht, ihn zu vergessen, aber heute Abend machten ihr die Erschöpfung, die Schmerzen und Wunden zu sehr zu schaffen, um großen Erfolg beim Wegsperren ihrer Erinnerungen an einen umwerfenden, einen Meter neunzig großen Feuerwehrmann mit nachtschwarzem Haar und berauschenden blauen Augen zu haben.
War es tatsächlich Sam? War er sie besuchen gekommen? Oder war das nur wieder eine Halluzination? Eine weitere Vision, die sie aus Verzweiflung erfand?
Ihr Herzschlag wurde schneller – genauso wie das schwache Piepen der Geräte hinter ihr.
Mit jedem Atemzug nahm ihr Unbehagen zu. Angesichts der Suchterfahrungen ihrer Mutter hatte sie es sich nie erlaubt, mehr als zwei Tabletten Ibuprofen zu nehmen, aber jetzt brauchte sie mehr von dem, was vom Tropf in ihren linken Arm geleitet wurde – egal, was es war.
Kurz darauf trat eine Krankenschwester an sie heran und murmelte etwas von einer weiteren Dosis Vicodin. Bevor Dianna herausfinden konnte, ob Sam wirklich dort war oder einfach nur eine Halluzination ihrer tiefsten Wünsche war, rauschte eine kühle Flüssigkeit in ihren Blutkreislauf und sie fiel in eine schmerzlose Besinnungslosigkeit.
SAM MACKENZIE stand auf einem Felsvorsprung der Sierra Nevada und suchte mit seinem Blick die Bergkette nach Rauch und Flammen ab. Er war von Kopf bis Fuß in eine dicke Schicht aus Asche und Schmutz eingehüllt, nachdem er die letzten vierundzwanzig Stunden lang Feuerschneisen angelegt und sich mit seiner Kettensäge schier endlos durch trockenes Gestrüpp gekämpft hatte.
Ein Hotshot zu sein, bedeutete, tagelang wenig oder gar keinen Schlaf zu bekommen, mit siebzig Kilo auf dem Rücken meilenweit zu rennen, um zu unerreichbaren Feuern zu gelangen. Es bedeutete, in regelmäßigen Abständen übel schmeckendes, kalorienreiches Essen in sich hineinzuschaufeln, das jeder Hund verweigern würde. Und es bedeutete die Unberechenbarkeit des Feuers selbst, das in der Lage war, selbst den mutigsten Mann zu verzehren und zu zerstören.
Aber Leben und Häuser und uralte Wälder zu retten war das alles wert. Ganz zu schweigen von dem unbestreitbaren Kick, den es ihm verschaffte, einen Waldbrand zur Strecke zu bringen.
Er hatte nie etwas anderes sein wollen als ein Hotshot. Und wollte es immer noch nicht.
Sein Funkgerät knackte und Logan Cain, sein Teamchef, meldete sich. „Bereit für einen Hubschrauberflug? So wie es aussieht, haben wir das Feuer im Griff, aber mir ist es wichtig, dass du das von der Luft aus kontrollierst, um sicherzugehen.“
„Gib mir eine halbe Stunde, damit ich hier raus und zum Abholpunkt kommen kann“, sagte er und gab Logan seine Koordinaten durch, bevor er sich verabschiedete.
Schnell packte er seine Ausrüstung zusammen, warf sich seine schwere Tasche über seine Schultern und ging den Wildpfad hoch, den er und sein vierköpfiges Team am Vortag hinuntergegangen waren.
„Ihr habt ganze Arbeit geleistet, Jungs“, sagte er zu ihnen, während sie ihr Frühstück beendeten.
Nach einer Reihe von Waldbränden in dieser Woche konnte er sich vorstellen, dass sie sich alle auf ein Sixpack Bier und auf einen freien Tag freuten, an dem sie am See zum Angeln gehen und ihre Batterien wieder aufladen konnten, bis sie wieder gebraucht wurden.
„Ihr könnt alle zum Ankerpunkt zurückkehren. Joe und ich nehmen den Helikopter, um die Lage kurz von oben zu checken. Sobald wir Entwarnung geben, könnt ihr auf der Wache duschen gehen und euch ausruhen.“
Der Neuling im Haufen lächelte ihn an, und seine weißen Zähne brachen die schwarze Maske aus Asche und Ruß auf, die sein Gesicht bedeckte.
„Alter, du hast vergessen, was zwischen Duschen und Schlafen kommt.“ Zach schaute sich zu den anderen Kerlen um und zog scherzhaft seine Augenbrauen hoch und runter. „Ein Betthäschen.“
Sam lachte. Zach hatte recht. Auch er hatte es einst kaum erwarten können, vom Berg hinunter und nach Hause zu gehen, wo ein warmer, weicher Körper im Bett auf ihn wartete. Das war vor einer Ewigkeit, als er wie Zach ein Neuling war – jung und dumm genug, um zu glauben, er habe „die große Liebe“ gefunden.
Joe, der Hubschrauberpilot, erwartete ihn, als er den Gipfel erreichte. Sobald Sam in den Helikopter gestiegen war, begannen die Rotoren sich zu drehen und sie hoben ab.
Nachdem sie die letzten sechs Jahre lang gemeinsam bei Waldbränden gearbeitet hatten, scherten sie sich nicht um Small Talk. Während sie langsam über die trockene Landschaft flogen, suchte Sam die Berge aufmerksam nach auffälligen Anzeichen für neue Brände ab. Die Aussichtstürme, die die Region umgaben, waren nützlich, erfassten aber nicht alles. Besonders in den dicht bewaldeten Tälern.
Gerade als er Entwarnung geben wollte, sah Sam Rauch hinter der nächsten Bergspitze aufsteigen.
„Fliegen wir nach Westen!“
Joe warf ihm einen besorgten Blick zu. „Siehst du etwas?“
„Eine Rauchsäule erhebt sich direkt hinter diesem Redwood-Wald.“
Joe neigte die Rotorblätter nach vorn und gleich darauf entdeckten sie das Feuer, das neben einem Fluss am Fuße des Hügels brannte. Ein Glück, dass sie noch ein letztes Mal nachgeschaut hatten.
Nachdem sie per Funk die Koordinaten des Brandes durchgegeben hatten, sagte Logan: „Ich schicke ein Hilfsteam an der Feuerschneise entlang. Voraussichtliche Ankunft in dreißig Minuten.“ Er hielt inne und Sam wusste, was nun folgte: das, was sein Teamchef ihnen seit dem letzten Sommer immer wieder sagte: „Geht nicht ins Feuer, wenn es zu gefährlich ist.“
Der Waldbrand im letzten Sommer in der Desolation Wilderness hatte sich innerhalb weniger Augenblicke von einem Routinejob in eine Katastrophe verwandelt. Die beiden waren zusammen mit Sams jüngerem Bruder Connor in einem Feuersturm gefangen gewesen. Obwohl Logan und Sam ihre Flucht bergaufwärts in Richtung Sicherheit unbeschadet überstanden hatten, hatte das Feuer Connor verzehrt und wieder ausgespuckt, und er endete mit Verbrennungen an Armen, Händen und der Brust.
Das hier war das erste Jahr seit fast einem Jahrzehnt, in dem Sam diese Pfade ohne seinen Bruder an seiner Seite nahm. Jeden Tag vermisste Sam Connors Gesellschaft draußen im Wald. Sie waren alle Adrenalin-Junkies – sogar die Hotshots, die das abstritten –, aber Connor war immer waghalsiger als die meisten anderen gewesen.
In den letzten paar Jahren hatte Sam den Eindruck gewonnen, dass er auf der Skala der Waghalsigkeit nicht weit unter seinem Bruder stand. Ohne Frau oder Kinder, zu denen er nach einem Feuer zurückkehren konnte, hatte er keinen Grund, nicht alles aufs Spiel zu setzen. Besonders, wenn das Eingehen eines Risikos bedeutete, dass er ein Leben rettete.
Auch wenn diese Situation möglicherweise tödlich war, konnte Sam deshalb nicht kehrtmachen.
„Ich gehe zu Fuß kontrollieren, ob das Gebiet bewohnt ist“, informierte Sam Logan, bevor er das Funkgerät wieder in seine Feuerkleidung steckte.
Er zog mit seiner Pulaski, einer Mischung aus Axt und Hacke, sowie seiner Kettensäge, seinem „Shake and Bake“-Feuerzelt für Notsituationen und seiner Erste-Hilfe-Ausrüstung los. Hoffentlich würde er nur die ersten beiden Dinge brauchen, um eine Feuerschneise im Gestrüpp anzulegen und ein Gegenfeuer zu legen. Doch solange er nicht wusste, was ihn dort unten erwartete, würde er auf Nummer sicher gehen, um auf das Schlimmste gefasst zu sein.
„Lass mich runter, Joe.“
Eine starke Brise wehte den Hubschrauber fast zwei Meter näher an den Berg heran, und Joe warf Sam einen besorgten Blick zu. „Der Wind braust ganz schön auf. Bist du sicher, dass du nicht auf Verstärkung warten willst?“
Die Brise wehte die Flammen für den Bruchteil einer Sekunde beiseite – gerade lange genug, damit Sam ein Gebäude erkennen konnte.
„Da unten ist eine Hütte. Ich muss nachsehen.“
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, sagte Joe, während er den Helikopter so lenkte, dass er direkt über einem flachen Teil des Daches, knapp außerhalb der Reichweite der höchsten Flammen, schwebte. „Näher komme ich nicht ran. Es ist ein weiter Weg bis nach unten.“
Sam schaute durch die blasenförmige Frontscheibe, um das Risiko einzuschätzen. Pi mal Daumen schätze er, dass die Entfernung etwas weniger als drei Meter betrug. Eine mickrige Angelegenheit. Kein Problem.
„Wir sind nah genug.“
Sam zog die Notleiter unter seinem Sitz hervor, dann öffnete er die Tür auf seiner Seite und klinkte die Leiter an der Metallkante ein. Vorsichtig kletterte er aus dem schwebenden Hubschrauber und war schon die halbe Leiter hinabgestiegen, als Joe die Position wechselte, sodass der Abstand von der Leiter zum Dach sich von drei auf zwei Meter fünfzig verringerte.
Sam ließ los und stürzte sich in die Tiefe. Der Fall war rasanter als er erwartet hatte, doch es gelang ihm, wie eine Spinne auf beiden Beinen und Händen auf den abblätternden Dachfliesen zu landen.
Als der Helikopter hoch und davon geflogen war, breitete sich eine gespenstische Stille um die abgelegene Berghütte herum aus. Sam verstand, warum Menschen gern im tiefen Wald lebten. Wer würde nicht gern dem durch die Bäume streichenden Wind und dem rauschenden Fluss lauschen, statt Verkehr und Nachbarn zu hören? So eine Hütte war der perfekte Ort, um allem zu entkommen.
Der einzige Nachteil: Wenn Gefahr drohte, bedeutete das für gewöhnlich, dass es niemanden in der Nähe gab, der helfen konnte.
Plötzlich wurde die Stille vom Schreien eines weinenden Babys verdrängt. Sam bewegte sich schnell über das Dach hinweg und fand einen Felssporn an der Rückseite des Hauses. Er stieg über den Felsen wie über eine natürliche Treppe auf den Erdboden und lief in Richtung der Schreie auf ein Nebengebäude zu.
Ein kleines Mädchen mit tränenüberströmten Wangen rannte ihm in die Beine. Sie weinte zu heftig, als dass er hätte verstehen können, was sie sagte, deshalb kniete er sich hin und strich ihr sanft das Haar aus den Augen. Sie war ein mageres kleines Ding, und er war sich nicht sicher, wie alt sie war, doch er schätzte, dass sie noch kein zweistelliges Alter erreicht hatte.
„Alles wird gut“, sagte er mit sanfter Stimme zu ihr. Als ihr wilder Blick schließlich an seinem hängen blieb und ihr Schluchzen nachließ, fragte er: „Sind deine Eltern hier?“
Dieses Mal gelang es ihm, die Worte zu verstehen: „Mein Dad ist immer bei der Arbeit. Meine Mom ist krank.“
„Ist noch jemand bei dir?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Ein Hund oder eine Katze oder ein Leguan?“
Ihre Lippen hoben sich angesichts der Erwähnung des Reptils fast zu einem Lächeln, und da wusste er, dass es ihr bald wieder gut gehen würde. Kinder waren die Ersten, die ihre Angst vergaßen. Er war genauso gewesen, als er klein war. Und sein Bruder auch.
„Ich bin Sam. Wie heißt du?“
„Piper.“
„Kannst du mir zeigen, wo deine Mom ist, Piper?“
Das Mädchen fing an zu rennen und Sam joggte ihr bis ins Haus hinterher. Eine Frau lag in gekrümmter Position auf der Couch. Ihre Hände ruhten auf ihrem gewölbten Bauch. Sie weinte nicht, aber ihre Augen waren groß und er konnte sehen, dass sie sich fürchtete.
Sie war groß, blond und schlank, und ihre Gesichtszüge ähnelten so sehr denen einer Frau, die Sam einst kannte, dass etwas in seiner Brust zersplitterte, bevor er dichtmachen konnte.
Dianna.
Mit aller Kraft schob er die Gedanken an seine Ex beiseite und kniete neben der Frau nieder. „Ich bin ein Feuerwehrmann und gekommen, um dir zu helfen. Wie heißt du?“
Ihre Lippen zitterten leicht und ihre Wangen waren nass vor Tränen. „Tammy.“
„Deine Tochter sagt, du fühlst dich nicht gut.“
„Ich habe Krämpfe“, flüsterte sie. „Es ist zu früh für das Baby, um zu kommen. Und ich hatte schon einmal eine Fehlgeburt.“
Jedes Wort war wie ein Stich ins Herz für ihn. Er wusste aus eigener Erfahrung wie schmerzhaft eine Fehlgeburt war. Seine Brust zog sich zusammen und seine Kehle schnürte sich zu, bevor es ihm gelang, seine Gefühle beiseitezulassen.
Nach zehn Jahren als Hotshot hütete er sich davor, irgendetwas zwischen ihn und den Job, den er erledigen musste, geraten zu lassen.
Aus dem Fenster über der Couch konnte er sehen, wie sich die Baumkronen in der aufkommenden Brise bogen. Innerhalb weniger Minuten würden die Flammen das Haus überrollen.
Joe würde es verdammt schwer fallen, hier runter zu kommen, um sie abzuholen, und Sam ertappte sich dabei, wie er darüber nachdachte, ob die drei es überhaupt lebendig nach draußen schaffen würden.
„Unsere Telefone gehen nicht mehr und mein Mann hat unser Auto“, sagte Tammy mit verzweifelter Stimme. „Ich habe nicht geglaubt, dass uns jemand finden würde.“ Sie fing wieder an zu weinen. „Ich will mein Baby nicht verlieren oder zulassen, dass meiner Kleinen etwas passiert.“
Verdammt, er hatte keine Zeit zum Zögern oder an sich selbst zu zweifeln. Er musste sie hinausschaffen.
„Kannst du gehen?“
Sie versuchte sich hinzustellen, und sank dann in die Kissen zurück.
„Es tut zu doll weh“, sagte sie, und ihre Krämpfe waren offensichtlich zu stark, als dass sie hätte aufrecht stehen können.
Da das Feuer tobte, konnte Joe mit dem Hubschrauber auf keinen Fall tief genug an die Hütte heranfliegen, um sich ihnen zu nähern. Außerdem konnte Tammy in ihrem Zustand keine Leiter hochklettern, was bedeutete, dass Sam sie zu einer Lichtung bringen musste, auf der Joe landen konnte.
Er zückte sein Funkgerät und sagte: „Joe, ich bin mit einer schwangeren Frau und ihrer Tochter auf dem Weg nach Nordwesten. Komm zum ersten möglichen Landeplatz, wir müssen abgeholt und zum nächsten Krankenhaus gebracht werden. Funk mich an, wenn du einen Platz gewählt hast. Achte darauf, dass er in der Nähe ist.“
Er fasste Tammy unter ihre Knie und Schultern und hob sie in seine Arme. „Leg deine Arme um meinen Nacken und halt dich fest.“ Piper zugewandt sagte er: „Du siehst aus, als wärst du ziemlich schnell.“
„Das bin ich.“
Er lächelte das süße kleine Mädchen an. „Gut. Hauen wir ab von hier! Wir fliegen per Anhalter in einem Hubschrauber mit.“
Er lief so schnell er konnte, ohne Tammy durchzurütteln, sodass sie es schließlich an der Hütte vorbei bis zum Fluss schafften, der neben dem Grundstück verlief. Der beißende Geruch nach frischem Rauch hing in der Luft und er wies sie an, ihre Münder mit ihren Hemden zu bedecken.
Joe funkte durch, dass er eine Wiese gefunden hatte, die etwa achthundert Meter von der Hütte entfernt war. Vom Tal zur Wiese ging es steil bergauf, doch selbst als Schwangere wog Tammy nicht viel.
Als sie ihren Aufstieg begannen, sah er nach dem tapferen kleinen Mädchen. „Wie geht’s, Piper?“,
„Gut. Ich laufe schnell, oder?“
„Ganz schön, Piper. Tammy? Bewege ich mich zu schnell? Tue ich dir weh?“
Sie hatte aufgehört zu weinen und er spürte, dass sie ihre gesamte Konzentration darauf lenkte, es bis zur Lichtung zu schaffen, in den Helikopter zu gelangen und ins Krankenhaus zu fliegen.
„Bitte beeile dich nur!“, war ihre Antwort.
Er hatte kein Blut auf ihrer Kleidung oder ihrer Couch gesehen, als er sie hochgehoben hatte, und er betete, dass ihre Krämpfe sich nicht schon in richtige Wehen einer Fehlgeburt verwandelt hatten.
Für sein eigenes Kind war er zu spät gekommen. Er musste dieses hier retten.
„Alles wird gut“, versprach er ihr und hoffte inständig, dass er damit die Wahrheit sagte.
Er konnte den Hubschrauber jedoch noch nicht hören, sondern nur das Geräusch heißer Flammen, die bereits die Nebengebäude verzehrten. Würde es ihm gelingen, sie alle drei vom Hügel zu schaffen, bevor sie als Nächstes an der Reihe waren?
Und dann hörte er – Gott sei Dank – die surrenden Flügel des Helikopters über ihnen.
„Joe holt uns jetzt hier raus“, sagte er, und als sie ein paar Minuten später den Hügelgipfel erreichten, stand der Hubschrauber schon auf dem Boden und erwartete sie. Gemeinsam hoben die beiden Männer Tammy in das Flugzeug.
Auf dem Weg zum Krankenhaus kam ihnen ein weiterer Helikopter mit einer vollen Ladung Wasser entgegen. Er drückte Tammys Hand, lächelte und sagte: „Wenn das Team schnell arbeitet, schafft es das Feuer vielleicht nicht weiter als bis zu deinen Nebengebäuden und dein Haus wird gerettet.“
„Mein Haus ist mir egal“, sagte sie, und ihre Stimme klang noch schwächer. „Alles, was ich will, ist ein gesundes Baby.“
Das war genau das, was er selbst sich auch gewünscht hatte. „Ich weiß“, sagte er ihr. „Wir müssen nur noch etwas durchhalten, okay?“
Piper hielt die Hand ihrer Mutter fest umschlossen. „Du wirst gerettet, Mama. Und meine kleine Schwester auch.“
Er schluckte schwer und die Wunde in seiner Brust riskierte, wieder aufzureißen. Wäre es für ihn anders gelaufen, hätte er jetzt ein Kind in Pipers Alter.
Sekunden später trafen sie im Krankenhaus ein, und Sam war unglaublich froh, dass von Blutungen noch immer nichts zu sehen war. Eine Krankenschwester kam, um Tammy auf einer Liege fortzurollen, doch Piper blieb neben ihm stehen.
„Du hast meine Mom gerettet. Und auch die kleine Schwester, die ich bekommen werde.“
Ihr Lächeln war wie ein Sonnenstrahl, und plötzlich schlang sie ihre schlaksigen Arme um seine Beine und drückte sich mit ihrem Gesicht an ihn. Genauso schnell ließ sie wieder von ihm ab und war verschwunden, um durch den Krankenhausflur ihrer Mutter und der Krankenschwester hinterherzurennen.
Alles würde gut gehen. Tammy und ihr Mann würden stolze Eltern einer Neugeborenen werden. Piper würde eine grandiose große Schwester abgeben.
Aber trotzdem drückte etwas Düsteres und Hartes auf seine Brust – es war der dumpfe Schmerz, den er nie ganz hatte abschütteln können.
Er fand Joe kettenrauchend in der Raucherzone auf dem Parkplatz.
„Ich kann mich nicht entscheiden, ob das, was du heute gemacht hast, unglaublich tapfer oder nervtötend dumm war“, sagte Joe. „Dieses Feuer bewegte sich schnell fort. Was wäre gewesen, wenn es nach rechts gedriftet wäre, bevor ich landen und euch befreien konnte?“
Die Wahrheit war: In all seinen Jahren als Hotshot hatte Sam zwar ähnlich gefährliche Situationen gemeistert, aber niemals war ihm eine so sehr ans Herz gegangen.
Und er hatte sich noch nie so zusammenreißen müssen, um bei der Sache zu bleiben.
Da er nicht vorhatte, seinem Freund irgendetwas zu gestehen, sagte er einfach: „Ich habe getan, was ich tun musste.“
Joe nahm ein paar kurze Züge von seiner Zigarette, dann ließ er sie auf den Zement fallen und zündete sich noch eine an. „Das heißt noch lange nicht, dass es nicht verdammt nervenaufreibend war, zu wissen, dass du da draußen mitten in einem Feuersturm bist, verdammt noch mal!“ Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. „Es wäre ätzend gewesen, wenn du umgekommen wärst, während ich Wache habe.“
„Ja“, stimmte Sam zu und versuchte die Spannung abzuschütteln, die immer noch schwer auf seinen Schultern lastete. „Man hätte es dir nie vergessen, wenn du mit einem Mann weniger zur Wache zurückgekehrt wärst.“
Nachdem er per Funk bestätigt hatte, dass sie die letzten Reste des Feuers ausfindig gemacht hatten, flog Joe Sam zurück zur Wache von Tahoe Pines. Als sie über den Lake Tahoe flogen, starrte Sam in das hellblaue Wasser unter ihm und dachte über die Tatsache nach, dass sich durch den Umzug nach Lake Tahoe sein ganzes Leben verändert hatte.
Er war ein verschlossene Vorstadtjunge gewesen – mit einem kleinen Bruder, der den anderen immer am Rockzipfel hing, einer Mom, die sich krampfhaft darum bemühte, so zu tun, als wäre ihre Ehe nicht die reinste Katastrophe, und einem Dad, der nie da war, wenn er es vermeiden konnte. Als Sam das Teenageralter erreichte, bröckelte die Fassade seiner Mutter schließlich deutlich, und die Streitereien begannen. Endlose, selbstsüchtige Schreiwettbewerbe zwischen seiner Mutter und seinem Vater, die er auszublenden versuchte, indem er das Volumen seiner Stereo-Lautsprecher so hoch wie möglich drehte.
Sam wusste nichts mit seiner wachsenden Wut, seiner Frustration und der Tatsache anzufangen, dass die Erwachsenen offensichtlich auf nichts eine Antwort hatten. Also betrank er sich. Machte Party. Und schwänzte die Schule. Und dann wurde er verhaftet, weil er mit einem Sixpack Bier beim Fahren erwischt wurde.
Zum Glück war sein Football-Trainer in die nicht vorhandenen Fußstapfen seines Vaters getreten und hatte ihn mit einem Tritt in den Hintern zu Gemeinschaftsarbeit in der Sierra verdonnert. Coach Rusmore hatte ihm praktisch das Leben gerettet, indem er ihm einen anderen Ausweg aus seinen Aggressionen gezeigt hatte: ständig den Adrenalinspiegel zu halten, den er zum Überleben brauchte.
Sehr schnell war Sam draußen zu einem fähigen Naturburschen geworden. Das ganze Jahr über war der riesige See kalt und wild. Wenn Sam nicht tief in den Bergen war – zum Arbeiten oder in der Freizeit –, dann war er auf dem Wasser. Angeln, Boot oder Kayak fahren, beim River Rafting oder Kitesurfen. Trotz des riesigen Ansturms von Touristen im Winter und Sommer und der widerwärtigeren Aspekte der Casinos, konnte Sam es immer noch nicht fassen, dass er es vor zehn Jahren tatsächlich in Betracht gezogen hatte, Lake Tahoe zu verlassen.
Für eine Frau.
Ein Hoch auf die jugendliche Dummheit.
„Es sieht ganz danach aus, als wäre Connor hier“, sagte Joe, als sie über den Parkplatz der Wache flogen und Connors Pick-up in der Nähe des Hubschrauberlandeplatzes sahen.
Sam war froh, dass sein Bruder auf einen Sprung zur Wache gekommen war. Er kam nicht oft vorbei. Natürlich war es nicht schwer zu erraten, warum er sich fernhielt.
Nach einer Reihe schmerzhafter Hauttransplantationen und regelmäßiger Physiotherapie, um die volle Funktionstüchtigkeit seiner Hände und Finger wiederzuerlangen, war Connor auf dem besten Weg zur Heilung, aber die große Frage blieb: Würde er jemals wieder ein Feuer bekämpfen?
Denn ganz gleich, wie hart Connor arbeitete, egal, wie sehr er wieder da raus in die Berge wollte – seine Zukunft als Hotshot hing nicht allein von ihm selbst ab. Das letzte Wort hatte der Forest Service. Und das Letzte, was die haben wollten, war ein verkrüppelter Feuerwehrmann inmitten eines Waldbrandes.
Joe reichte Connor die Hand zur Begrüßung und machte sich dann auf den Weg zur Dusche, doch als Sam den beunruhigten Ausdruck seines Bruders sah, wusste er sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
„Schieß los!“
Connor legte warnend eine Hand auf seinen Arm. „Setz dich, Sam.“
Verdammt, nein, er würde sich nicht hinsetzen. Nur einmal hatte Connor ihn so angesehen: Als Diannas Auto vor zehn Jahren auf dem Highway 50 gerammt worden war.
Als sie das Kind verloren hatte.
„Es geht um Dianna, oder?“
Da sein Bruder nicht schnell genug antwortete, baute Sam sich vor seinem Bruder auf und packte ihn am Hemd. Connor und Sam glichen sich in Hinsicht auf Gewicht und Größe – beide muskulös mit breiten Schultern und schmalen Hüften – doch Sam hatte die Angst auf seiner Seite.
Wenn sein kleiner Bruder nicht bald den Mund aufmachte, würde er die Informationen aus ihm herausprügeln.
„Sag mir, was zum Teufel ihr passiert ist!“
„Sie hatte wieder einen Autounfall. Gestern Abend in Colorado. Vail. Ich habe es gerade in den Nachrichten gesehen. Ich wollte dich nicht per Funk damit überrennen. Ich musste es dir persönlich sagen.“
Sam ließ Connors Hemd sinken und wich stolpernd zurück, bis er gegen eine Reihe Metallregale stieß. „Ist sie …“
Er schluckte das Wort „tot“ herunter. Sein Gehirn ließ nicht zu, dass er daran dachte. Sein Mund ließ nicht zu, dass er es aussprach.
„Der Reporter hat nicht gesagt, wie es ihr geht, nur, dass die Fahrzeuge zu Schrott gefahren wurden.“
Sam hätte alles dafür gegeben, sich nicht für Dianna zu interessieren, in der Lage zu sein, sich anzuhören, was Connor von ihr zu berichten hatte und dann seinen Tag – und den Rest seines verdammten Lebens – fortzuführen, als wäre nichts geschehen. Doch das Bild von Dianna, die hilflos in einem Krankenhausbett lag, war, als würde ihm ein Holzpfahl direkt in den Magen geschlagen.
Er konnte es nicht auslöschen, konnte es nicht wegstecken, konnte es nicht einfach hinter sich lassen und so tun, als würde sie ihm nichts mehr bedeuten.
„Ich muss nach Colorado.“
Connor schüttelte den Kopf. „Deshalb bin ich hier, um es dir persönlich zu sagen. Um sicherzugehen, dass du keine Dummheiten machst.“
Alle seine Instinkte sagten Sam, dass er zu Dianna gehen sollte. Um sie in den Armen zu halten. Ihr zu helfen.
„Ich brauche deinen Rat nicht“, knurrte er.
„Gut, wie wäre es, wenn ich stattdessen deiner Erinnerung auf die Sprünge helfe? Weißt du noch, was passiert ist, nachdem sie dich verlassen hat?“
Sam ignorierte seinen Bruder, ging zu seinem Schrank und riss seine Feuerkleidung heraus. Connor folgte ihm wie ein Hund, der es darauf abgesehen hatte, seinem Besitzer auf die Nerven zu gehen. Während Sam sich ein sauberes Paar Cargohosen und ein T-Shirt anzog, blieb Connor am Ball.
„Als sie dir einen Tritt in den Hintern versetzt hat und nach San Francisco gezogen ist, ist für dich die Welt untergegangen. Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem du deinen Job schmeißt. Den Job, den du immer geliebt hast. Aber da warst du nun, an einen Barhocker geklebt, wenn du eigentlich hättest draußen sein und Feuer bekämpfen sollen.“
Die Tage und Wochen, nachdem Dianna ihn verlassen hatte, waren Sam noch so frisch in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen. Er brauchte Connor nicht, um an das schwarze Loch erinnert zu werden, in das er gefallen war. Daran, wie dunkel es war. Wie tief. Seine Probleme an der Highschool waren seine Art der Rebellion gewesen. Doch die Dunkelheit, die er gesucht hatte, nachdem Dianna ihn verlassen hatte, hatte mit einem Aufstand, mit einer Revolte, nichts zu tun.
Sondern mit Verzweiflung. Tief bis ins Mark und, wie er damals geglaubt hatte, unheilbar.
„Ich weiß, dass du sie für die große Liebe gehalten hast“, fuhr Connor fort, „aber die Wahrheit ist: Sie hat dir nicht gutgetan, Mann. Du warst völlig im Arsch, nachdem sie weg war. Ich will dich nie wieder so sehen.“
Sam konnte keines der Argumente seines Bruders widerlegen. Sie stimmten alle.
Und doch war es undenkbar, nicht bei ihr zu sein.
Er nahm das Telefon und ließ sich von der Auskunft zum Vail General Hospital durchstellen.
„Ich bin ein“, er hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort, „Freund von Dianna Kelley. Könnten Sie mir Auskunft über ihren Zustand geben?“
„Es tut mir leid, Sir“, antwortete eine Frau höflich. „Außer mit Familienangehörigen können wir leider mit niemandem über die Patienten reden.“
Er legte auf und sah, wie Logan in die Küche kam.
„Dianna ist verletzt“, erzählte er seinem engsten Freund und ihr Name kam krächzend aus seiner Kehle.
Er räusperte sich und versuchte, sich am Riemen reißen. Verdammt, er hatte sie seit zehn Jahren nicht gesehen, warum flippte er jetzt nur so aus?