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Von J. Rousseau stammt der Satz - „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern dass er nicht muss, was er nicht will.“ Was bewegte die politische Führungsclique mit ihren uniformierten und nichtuniformierten Erfüllungsgehilfen sich derartig menschenverachtend gegenüber Bürgern ihres Landes zu verhalten, die sich nicht in den angeordneten, sozialistischen Alltagstrott einfügen wollten? Meinten sie zu glauben, sie seien die Enkelkinder der Machtbesessenen aus der Zeit der Inquisition, jagden sie paranoide Geister, oder waren sie nur krankhaft gierig nach Macht und Geld? Die Erzählungen in diesem Roman lassen die Opfer dieses schändlichen Verhaltens zu Worte kommen. Was sie auf ihrem sehr gefährlichem Weg erleben und erleiden müssen, ist die Hölle und das Grauen an sich. Verwundet, und schwer verletzt an Seele, Geist und Körper, erreichen sie nur mit großen Mühen ihr Ziel – das Leben in Freiheit.
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Seitenzahl: 627
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In Liebe für Barbara, Alexandra, Kai, Timon und Nele und Isabelle
Was nützt uns ein voller Bauch, wenn die Freiheit des Geistes Hunger leidet.
Dietmar Dressel
Erstes Kapitel – ein riskanter Aufbruch
Ein Faschingsabend mit Folgen
Die grüne Grenze
Eine düstere Welt
In den Händen der Stasi
Das Grauen hat einen Namen, DDR Zuchthaus
Der Weg in die Freiheit
Zweites Kapitel - eine Sprengmine zwischen Aufbruch und Freiheit
Die stillen Gedanken einer Justizangestellten
Der Sozialismus und seine Wohlstandsklassen
Urlaub auf dem Bauernhof
Ein heikles Gespräch zwischen Gundula und ihrer Mutter
Einer vom Horch und Guck
Andreas und seine Aktien
In den Fängen der Dunkelheit
Die hässliche Aktion Ungeziefer
Die verbuddelten Sprengminen
Grenzsoldaten sollten auch Menschen sein
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Ein Vernehmer der Stasi gerät in Wut
Ein nicht alltäglicher Fall
Einst war es eine Burg mit Namen Hoheneck
Das Grauen hat ein Ende
Drittes Kapitel - das Leben in einer freien Welt
Eine anderes Leben
Die geheimnisvollen Wege eines Briefes
Ein heimlicher Besuch in Prag
Ein Wiedersehen mit Katrin
Bei einem eisigkalten Winterabend mit heftigen, stürmischen Schneetreiben ist es im Wohnzimmer am warmen Heizkörper eigentlich recht gemütlich. Wenn, ja wenn da nicht eine Faschingsveranstaltung bei der DHFK – Deutsche Hochschule für Körperkultur in Leipzig, bei Peter im Terminkalender stehen würde. Er ist Student an der Hochschule für Ökonomie in Leipzig, im letzten Semester kurz vor seinem Studienababschluss.
Groß gewachsen, mit sportlicher Figur, dunkelhaarigem kurzen, welligem Haarschnitt und blauen Augen, macht er einen flotten Eindruck auf seine weibliche Umgebung. Vielleicht ist er für eine heiße Faschingsfeier zu konservativ in seinem Verhalten zu anderen Menschen. Mit kurzem Blick auf das ungemütliche Wetter überlegt er hin und her, wie er wohl am besten den Abend verbringen könnte. Soll er sich mit der Straßenbahn abtuckern, ein Taxi um diese Zeit in Leipzig zu bekommen ist wie ein Haupttreffer im Lotto, oder gemütlich in seiner mollig warmen Studentenbude ein Buch lesen, Musik hören oder einfach nur faulenzen. Letztlich siegen bei ihm doch die Neugierde und die Freude an Rock- und Schmusemusik, Tanzen und lockere Gespräche mit Gleichaltrigen. Na ja, und die Gelegenheit eine weibliche Bekanntschaft zu machen, ist bei so einer Feier eher wahrscheinlicher als daheim. Kurz entschlossen bastelt er sich aus einem Bettlaken eine Toga, und verwandelt sich so in einen Kaufmann der römischen Antike.
Nach einer halben Stunde Fahrt mit der Straßenbahn, ist er durchgefroren und zitternd vor Kälte, endlich am Ziel. Schon am Eingang wird er von der typischen Faschingsmusik eingefangen.
„Ihre Eintrittskarte bitte!“
Die Faschingskarten müsste Klaus bei sich haben, denkt Peter beruhigt, und wie ich ihn kenne, wird er mit seiner Freundin Brigitte vermutlich schon hier sein, und sich an der Bar rumlümmeln. Der Einlassdienst ist unerbittlich -
„ohne Karte kein Einlass!“
Mit freundlichem Zureden, und einer kleinen finanziellen Aufmerksamkeit bekommt er zehn Minuten, um seinen Freund Klaus mit den Karten zu finden. Wie sollte es anders sein, Herzensbrecher Klaus, sein Studienfreund, an der Bar. Eingerahmt von zwei bildhübschen jungen Damen, passt dieser Anblick zu im, wie die berühmte Faust aufs Auge.
„Na endlich, wo bleibst du denn so lang?“
„Entschuldige Klaus, das Wetter ist ein echter Hemmschuh.“
„Ok, du bist ja da, hier ist deine Eintrittskarte, wir warten auf
dich! Mach los, und beeil dich!“
Fünf Minuten später kommt Peter, sichtlich erleichtert darüber nicht mehr draußen in der Kälte warten zu müssen, zur Bar.
„Darf ich euch bekannt machen, meine Freundin Brigitte, ihr beide kennt euch ja schon, und die junge Dame links von mir, Katrin, kurzfristig aus Griechenland eingereist - entschuldige bitte Katrin, kleiner Scherz! Und der Spätling mit den dunklen Haaren, mein Freund Peter.“
„Hallo, Brigitte -
und sich an Katrin wendend, meint Peter -
„Ich hoffe sie hatten eine angenehme Reise von Griechenland zu uns in die DDR?“
„Danke für die Nachfrage, aber auf den Arm kann ich mich selber nehmen. Entschuldigung, war nicht so gemeint. An meinem südländischen Aussehen sind vermutlich meine Großeltern schuld.“
„Ach nein, wieso das?!“
„Sie siedelten vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges von Griechenland nach Leipzig. Was halten sie vom sportlichem du und von dieser ausgelassenen, beschwingten Faschingsmusik? Wäre doch eine prima Gelegenheit die Tanzbeine zu bewegen, oder?“
„Gute Idee, Katrin, ich bin zwar in dieser Sportart nicht besonders geübt, aber - ich werde mich anstrengen.“
„Bei deiner Größe und deinem Gewicht wäre das für meine kleinen, zarten Füße vom Vorteil. Also los, Peter, auf was warten wir zwei noch, stürzen wir uns insTanzgetümmel.“
Beide winken Klaus und Brigitte noch kurz zu, wühlen sich mühsam durch die lustige Faschingsmeute in Richtung Tanzfläche und fühlen mit Hingabe die anschmiegsame Musik.
Nach einer längeren Folge von Schmuseliedern, die beide sichtlich genießen, bleibt Katrin einen kurzen Moment auf der Tanzfläche stehen.
„Mein lieber Peter, wenn ich das mal so sagen darf, wir zwei sind zwar seit wenigen Minuten per du, deinen Vornamen weiß ich auch, trotzdem - könntest du bitte den unteren Teil deines Körpers etwas energisch zur Ordnung rufen!“
„Warum? Ich bin doch ordentlich angezogen, auch wenn nur eine römische Toga meinen Figur sittsam umhüllt.“
„Sittsam ist gut!“
Was meinst du damit? Ist an meinem Gewand irgendwas nicht in Ordnung?“
„An deiner Toga nicht unbedingt!“.“
„Ach verflixt! Entschuldige bitte, das muss an der Musik und am Tanzen mit dir liegen.“
„Ach so! Na, da bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, mein kurzer Rock strahlt magische Kräfte aus.“
„Bist du hier das erste Mal in den heiligen Hallen der DHFK?“
„Nein, ich verdiene hier jeden Tag meine Brötchen.“
„Ach was! Hat das möglicherweise mit deinem Heimatland und Olymp zu tun?“
„Na, du bist ja richtig scherzig!“
„Entschuldige!“
„Ich bin an dieser Hochschule Teamleiter für das Bereich Leichtathletik, und muss mich jeden Tag mit den Sportlern, Trainern und Teamärzten auseinandersetzen und ärgern, damit die Kennzahlen und die sportlichen Leistungsparameter erfüllt werden.“
„Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe für dich, oder? Wie beurteilst du das? Du siehst ja nicht nur die Erfolge der Sieger, sondern auch die Enttäuschungen der Verlierer, die enormen körperlichen Anstrengungen, die Strapazen und vermutlich auch so manche Handlungen, die wohl für die Öffentlichkeit nicht so geeignet sind.“
„Das kann man so sagen. Die Schattenseiten des Leistungssports überwiegen und glaub mir, das täglich mit ansehen zu müssen, ist nicht immer angenehm und auch nicht einfach zu ertragen. Das alles soll ich ja auch noch mit meinem eigenen Gewissen unter einen Hut bringen. Ehrlich gesagt, das fällt mir dabei besonders schwer, zumal in unserer Presse immerfort zu lesen ist, dass solche so genannten medizinischen Verfehlungen natürlich nur und ausschließlich von Sportlern in den kapitalistischen Ländern praktiziert werden. Bei uns in der DDR kämpfen die Athleten ja nicht um das liebe Geld, sondern für das Ansehen unseres Landes in der Welt, und das ist schließlich ein großer Unterschied! Entschuldige bitte, Peter, dass ich das so offen zu dir sage, ich habe mit Klaus gesprochen, und der meinte, dass du nicht gut auf die Partei und die Politik unserer Regierung zu sprechen bist.“
„Da hat Klaus nicht unrecht, dass bin ich wirklich nicht!“
„Also gut, jetzt steh nicht so allein herum, wir sind ja hier um zu tanzen.“
Und so verrinnen für die beiden an diesem Abend die Stunden mit Musik, Wein und viel Spaß. Der letzte Tanz wird angekündigt und Peter überlegt, wie er Katrin zum gemeinsamen Frühstück in seine Wohnung locken könnte.
Doch siehe da, wie das Leben so spielt, reißt sie ihn mit einer Frage aus seinen verführerischen Gedanken.
„Was hältst du von einem griechischen Frühstück bei dir zu Hause, wenn du ein Zuhause hast, wo man in Ruhe und gemütlicher Zweisamkeit frühstücken kann?“
„Schau in mein Gesicht, blick in meine Augen und du siehst wie ich möglicherweise darüber denke.“
„Ok, alles klar! Auch als Frau kann ich das nicht übersehen. Na, dann werde ich dir mal lieber erklären, wie so ein griechisches Frühstück abläuft. Wir zwei huschen heute Nacht bei dir zusammen ins Bett.“
„Das ist kein Scherz!?“
„Aber nein! Und schlafen jeder für sich allein.“
„Danach?!“
„Nein! Nicht danach!“
„Ach so! Ist das nicht recht langweilig?“
„Auf keinen Fall! Wie kannst du so was denken? Dafür schlafen wir uns nach dem langen Faschingsabend richtig aus, und genießen am Morgen ein leckeres griechisches Frühstück.“
„Ich wäre da ja mehr für ein deutsches Frühstück!“
„Wieso das? Ach so! Entschuldige bitte, hätte ich mir eigentlich denken können. Trotzdem - du wirst von dem griechischen Frühstück begeistert sein!“
„Hast du den Sonntag schon anderweitig verplant, oder können wir noch ein paar Stunden miteinander verbringen?“
„Der Tag gehört, so du magst, uns beiden. In welcher Ecke von Leipzig steht denn deine warme Hütte? Na, hoffentlich warm, ich hasse Kälte!“
„Kennst du das neue Hochhaus unterhalb vom Karl-Marx-Platz in der Nähe der Oper?“
„Kenne ich! Sag mal, wie kommst du als Student an so eine komfortable Hochhauswohnung? So ganz ohne bestimmten Zuwendungen kommt man doch da nicht ran?“
„Hat mein Vater organisiert!“
„Aha, vermutlich ein herausragender Genosse unserer sozialistischen Republik.“
„Nein! Eher das Gegenteil, mein Vater ist Bäcker.“
„So! Gucke an, gucke an! Der Herr Sohn kommt aus einer kapitalistischen Bäckerei? Sieht man deiner Figur gar nicht an.“
„Es könnte sein, dass du deine Meinung änderst, wenn ich mal meine Hüllen fallen lasse. Übrigens, für einen Kapitalisten ist der kleine Bäckerbetrieb meines Vaters viel zu klein.“
„Na, na, nicht gar so schnell mit den jungen Pferden und den Hüllen, alles zu seiner Zeit, Peter, gelle!“
Nach einer guten halben Stunde Fahrt mit der Straßenbahn, sind beide endlich in Peters Wohnung.
„Du hast eine tolle Studentenbude, das muss ich neidlos anerkennen, und modern eingerichtet ist deine Hütte auch.“
„Hat Mama gemacht!“
„So, aha! Machst du manchmal auch was alleine?“
„Ich büffle, und überlasse solche Dinge lieber meinen Eltern, die können das besser als ich!“
„Hm, kann ich mal dein Bad benutzen?“
„Handtücher und Badetücher sind rechts unten im Schrank, und mein Bademantel hängt innen an der Tür. Was hältst du von Spaghetti Bolognese?“
„Lecker! Kannst du kochen?“
„Eigentlich mehr schlecht als recht, und du?“
„Bei uns zu Hause kocht meine Mutter, und wenn Zeit ist, auch hie und da mein Vater, ich habe noch keinen Bock auf Kochkünste, meine Arbeit lässt mir kaum Spielraum dafür.“
„Du brauchst dich beim Duschen nicht beeilen, die Spaghetti brauchen eine Weile bis sie weich sind.“
Nach einer geschlagenen halben Stunde, Peter ist noch mit der Zubereitung des Essens beschäftigt, kommt sie, eingehüllt in ein großes Badetuch, in die Küche.
„Sag mal, wieso steht bei dir kein gebrauchtes Geschirr herum, Männer spülen doch ihr Geschirr nicht ab, das sollen lieber wir Frauen machen. Ich weiß das von meinem Vater, der denkt das auch. Meine lieben Kollegen im Büro sind da nicht besser, oder isst du nur in der Mensa?“
„Nein! Ich habe jemand, der mir die Arbeit mit dem Geschirr abnimmt.“
„Ach was! Vermutlich macht das auch deine Mutter?“
„Nein! Dafür habe ich Klara!“
„Ach! Wer ist denn bitte Klara? Bist du etwa verheiratet, oder lebst mit einer Frau zusammen?“
„Aber nein! Hier - sieh mal, ein Geschirrspüler, ich nenne ihn Klara. Das benutzte Geschirr stell ich rein, drücke auf Start, und dann arbeitet meine Haushaltshilfe eine Stunde vor sich hin. Wenn ich Zeit habe, räume ich das Geschirr blitz sauber und getrocknet aus der Maschine - praktisch, oder?
Schon als ich noch in die Schule ging, musste ich zu Hause bei Muttern das Geschirr abtrocknen - äußerst ungern sag ich dir!
So ein Gerät gab es zur damaligen Zeit noch nicht, leider!
Also habe ich einige Male, wegen meiner ungeschickten Hände, die eine oder andere Tasse fallen lassen. Es dauerte auch nicht lang, und meine Mutter befreite mich von dieser Arbeit, bevor kein Geschirr mehr im Schrank stand. Dafür kam ich um die leidige Gartenarbeit nicht herum.
Noch mal zur Klara! Die Geschirrspülmaschine, so ist jedenfalls der richtige Name, ist eine prima Haushaltshilfe, ich weiß was ich sage!“
„Wo hast du denn das Gerät her, so was gibt’s bei uns in der DDR überhaupt nicht, jedenfalls habe ich im Handel noch keines zu Gesicht bekommen?“
„Von unseren Verwandten aus Westdeutschland.“
„Ach nein! Und das kann man so ohne weiteres dort kaufen?“
„Aber ja, das ist überhaupt kein Problem! Man muss nur über den richtigen Wasser- und Stromanschluss verfügen, und in Westdeutschland sollte man Verwandte haben, die einem was Gutes tun wollen. Die Firma Genex ist ein von der DDR gegründetes Unternehmen, das speziell solche Handelsbeziehungen ins westliche Ausland für die DDR abwickelt. Bei der Firma erhältst du für Westgeld alles was dein Herz begehrt. Konsumgüter, Urlaubsreisen, Autos - bis hin zu Fertighäusern. Natürlich alles vom bösen Klassenfeind, und grundsätzlich ohne Wartezeit, versteht sich! Stell dir mal einen total überzeugten Parteissekretär hier bei uns in der DDR vor, der sich aus politischer Überzeugung von seinen Westverwandten lossagt, und sein Lieblingsauto, einen Trabi hier bei uns kaufen möchte. Lieferzeit schlappe zehn Jahre - mindestens! Sein parteiloser Wohnungsnachbar, mit einem guten Verhältnis zur Westverwandtschaft, bekommt auch einen Trabi, allerdings als Geschenk von seinen Verwandten in der BRD - Wartezeit maximal vier Wochen.
So ist das! Zahlt einer mit Westmark, Lieferung sofort! Zahlt ein Bürger unseres Landes mit DDR Mark, Lieferzeit zehn Jahre und mehr. Jetzt lach halt mal! Wir leben doch in einem Arbeiter- und Bauernstaat, und da sind alle gleich, sagen jedenfalls die Politiker unseres Landes.“
„Das weiß ich doch, Peter, erklär mir lieber die Maschine!“
„Also pass auf, ich zeige dir mal wie das Gerät funktioniert.“
„Halt, halt, musst du mich deswegen gleich auf den Kühlschrank setzen, so gefährlich kann das Gerät nicht sein? Oder etwa doch?“
„Ja, das muss sein, du kennst ja das Sprichwort -
„der bessere Teil der Tapferkeit, ist die Vorsicht.“
„Ja, ja - versteh ich alles, aber muss der Abstand von deiner Toga und meinem Badetuch so eng sein? Außerdem ist der untere Teil deiner römischen Toga schon wieder in einem sehr, sehr unordentlichen Zustand! Wenn ich das mal so anmerken darf.“
Noch außer Atem und Peter fest umschlungen denkt sie - für was doch so ein Kühlschrank alles gut sein kann.
Nach einer anstrengenden Nacht und wenig Schlaf, sitzen beide vor einem fürstlichen und geschmackvollen Frühstück.
„Ich wäre nicht traurig darüber, wenn wir so ein griechisches Frühstück für uns beide nicht mehr weglassen, und das nicht nur weil es außerordentlich gut schmeckt.“
„Meinst du, dass so ein Frühstück für ein ganzes Leben reicht, Peter?“
„Das kann ich nicht sagen, Katrin, aber heute früh, als ich dich im Bett so liegen sah, blitzte in mir etwas auf und entfachte so bestimmte Gefühle, ich glaube nicht, dass ich die wieder loskriegen werde.“
„Ja, du Wüstling, in meinem Herzen hat sich auch jemand eingekuschelt, von dem ich mir wünsche, dass er dort bleibt.“
Katrin und Peter wachsen in ihrer Liebe zueinander immer fester zusammen und beide können sich ein Leben allein ohne den anderen nicht mehr vorstellen. Bei ihren ernsten Gesprächen erkennen sie den gleichen sehnlichen Wunsch, die DDR zu verlassen, und zu ihren Verwandten nach Westdeutschland zu flüchten, denn die Wahl, seinen Wohnsitz frei zu wählen, ist ja für Menschen in der DDR ausgeschlossen, es sei denn, sie sind im Rentenalter.
Ihre Gedanken konzentrieren sich auf einen Plan, welcher Weg sich für die Flucht aus der DDR eignen könnte. In Frage kommt eigentlich nur ein Ostblockland mit einer Grenze zu Österreich, der Türkei, Westdeutschland oder Dänemark.
Ohne mit ihren Eltern, Geschwistern und Freunden darüber zu sprechen, planen sie verschiedene Fluchtweg im Detail durch. Sie sind sich dessen völlig bewusst, dass es nur wenige Augenblicke im Leben gibt, wo sie erkennen werden, dass sie handeln müssen, auch wenn Familienangehörige und Freunde auf diesem Weg nicht mitgehen können oder wollen. Die leise innere Stimme muss im Zweifel immer die letzte Entscheidung treffen, und eine Trennung von heute, muss das Wiedersehen von morgen nicht ausschließen.
Peter ist verzweifelt, die drängenden Fluchtgedanken wollen sich nicht bändigen lassen Mit Ausnahme von Katrin und meinem Opa, kann ich keinem richtig vertrauen, denkt er im Stillen.
Nicht einmal meinen Eltern und meinen Freunden kann ich mich anvertrauen, ohne sie dabei in Gefahr zu bringen, wegen Mitwisserschaft ins Gefängnis zu wandern. Am Wochenende werden wir unseren festgelegten Fluchtplan ausarbeiten, und so schnell wie möglich verwirklichen. Wir müssen hier weg! Die Wahlmöglichkeiten die wir haben, sollten wir hier in der DDR bleiben wollen, sind nicht rosig. Entweder wir verkaufen unsere Seele, oder wir landen im Zuchthaus. Dann doch lieber die Flucht in die BRD, auch wenn das nicht ohne Risiko sein wird. Ich bin neugierig, was Katrin dazu sagt, brütet Peter in seinen Gedanken weiter.
Was für ein angenehmer, lauwarmer Septemberabend in der altehrwürdigen, romantischen Innenstadt von Leipzig, denkt Peter, und läuft in Richtung Hochhaus am Bahnhof zu seiner Studentenbude.
„Hallo, Katrin, du bist ja schon da, wie kommt’s denn, war es langweilig im Büro?“
„Nein, Peter, aber die Diskussionen einiger unserer Leistungssportler über ihre Erlebnisse in den USA, ließen meine Gedanken über unsere baldige Flucht so richtig hoch kochen.“
„Das hast du davon, wenn man in der Edelschmiede des DDR Sports arbeitet. In der Haut deiner ehrgeizigen Spitzensportler möchte ich gerne stecken. Immerhin holen sie nicht nur Medaillen, sondern können sich auch die Welt ansehen, da kann man nur neidisch werden.
Apropos Reiseneid! Entschuldige bitte, ich meine natürlich Reisefreiheit, so wird es ja gern in unserem DDR Sprachgebrauch genannt. Ich kann dieses Gelabere darüber nicht mehr ertragen. Sieh mal, nur ein kleines Beispiel zum Thema Reisen ins westliche Ausland. Gehen wir einmal davon aus, dass das monatliche Einkommen einer berufstätigen Familie mit zwei Kindern zirka netto eintausendzweihundert Mark der DDR beträgt. Diese Familie möchte einen vierzehntätigen Urlaub auf Teneriffa, also auf den Kanarischen Inseln verbringen. Weil, wenn schon, dann schon. Man ist ja als DDR Bürger nicht Irgendwer, versteht sich.
Flugreise und Übernachtung in einem normalen Hotel, keine Luxusbude, aber mit Vollpension, wie das ja die Bürger der BRD auch buchen. Rechnet man die üblichen Extras, also An- und Abreise zum und vom Flughafen, Souvenirs, Ausflüge, Veranstaltungen und die sonstigen Kleinigkeiten dazu, ergibt das einen Betrag von rund gerechnet dreitausendsechshundert Deutsche Mark, wohlgemerkt Deutsche Mark, nicht Mark der DDR. Die Summe ist nicht auf die Mark genau gerechnet, aber sie stimmt.
Ich weiß das von Verwandten in Westdeutschland, die fahren gern auf diese Insel .“
„Glaubst du, Peter, dass ein so genannter Normalverdiener hier bei uns in der DDR so gründlich darüber nachdenkt und nachrechnet, wie du das jetzt machst? Mag ja vielleicht hie und da so sein, spätestens am Bankschalter würde er es bestimmt merken.
Der will mit seiner Familie nach Teneriffa reisen, na ja, und woher die dafür notwendige Westmark kommt, das ist erstmal zweitrangig. Wahrscheinlich wäre es am besten, denken diese Menschen hier bei uns, die BRD zahlt das auch noch!“
„Da ist was dran, was du sagst, aber - rechnen wir mal weiter, Katrin. Die Reise nach Teneriffa kostet für diese Familie etwa dreitausendsechshundert Westmark. Nimmt man den de facto Umrechnungskurs zwischen Mark der DDR und Deutscher Mark als Basis, so ist der Faktor zurzeit bei etwa sechs zu eins. Ich weiß das von meinem Opa. Wenn er zu unseren Verwandten nach Bayern fährt, tauscht er seine DDR Mark in einer Münchner Bank zu diesem Wechselkurs um. Mit eigenem Geld fühlt er sich halt etwas wohler. Das bedeutet für uns DDR Bürger, einmal unterstellt, unsere Sparkasse in Leipzig würde über Westmark frei verfügen, und gegen Mark der DDR unsere Kosten für den Urlaub nach Teneriffa in dem entsprechenden Umrechnungskurs ausbezahlen, dass wir für sechs Mark der DDR eine Deutsche Mark erhalten. Sag mal, warum lächelst du so vergnüglich?“
„Entschuldige Peter, ich musste eben bei dem Thema Geld umtauschen, an unsere Sparkasse in Leipzig Nord denken, und irgendwie fielen mit dazu auch Grimms Märchen ein. Vermutlich würden mich die Mitarbeiter dieser Bank so ansehen, als wenn ich sie fragen würde, ob ich geräucherten Aal bei ihnen bekommen könnte. Jetzt lach doch mal, Peter, ist doch nur was zum aufmuntern.“
„Wohl war, Katrin! Aber - noch mal zurück zu diesem leidigen Thema Geld und Westurlaub. Was ich meine, ist ja nicht so dahergeholt. Wenn eine italienische Familie nach Westdeutschland reisen will, muss sie zu Hause bei ihrer Bank Lira in DM umtauschen. Was bei dem derzeitigen Wechselkurs zwischen Lira und DM auch nicht gerade so berauschend für einen normalen italienische Bürger ist. Aber wieder zurück zu unserer Familie hier in der DDR. Die Urlaubsreise nach Teneriffa, für zirka dreitausendsechshundert Deutsche Mark kosten damit einundzwanzigtausendsechshundert Mark der DDR. Einmal angenommen die Familienkasse würde über diesen, doch sehr hohen Geldbetrag verfügen, bekämen sie dafür immerhin einen PKW vom Typ Lada. Für DDR Verhältnisse ein PKW der gehobenen Mittelklasse. Es wäre völlig absurd anzunehmen, dass eine Familie auf den so begehrten PKW verzichten würde, um dafür vierzehn Tage nach Teneriffa zu fliegen. Den gewollten Urlaub könnten sie auch in Bulgarien für ein Viertel der Kosten des Teneriffaurlaubs verbringen, was auch noch sehr viel Geld für eine normale DDR Familie ist. Vielleicht ist dieser Urlaub in Bulgarien nicht so schön wie auf Teneriffa, aber für Besserverdiener immerhin bezahlbar.
Anders verhielt es sich bei Familien in Ostberlin bevor die Mauer gebaut wurde, natürlich trifft es auch nicht auf alle zu, die in Berlin wohnen. Unabhängig davon! Viele von ihnen arbeiteten in Westberlin für die begehrte Deutsche Mark. Mit der Bahn in den Westteil von Berlin zu fahren, war ja zu dieser Zeit kein großes Problem. Nehmen wir einen Autoschlosser, oder einen Elektriker, Maurer usw. die für ihre Arbeit als DDR Bürger in Westberlin monatlich etwa netto sechshundert Westmark ausgezahlt bekamen, dann waren das bei einem Wechselkurs von eins zu sechs immerhin monatlich etwa dreitausendsechshundert Mark der DDR für diesen Arbeiter. Meine Direktorin hat ein monatliches Gehalt von eintausenddreihundert DDR Mark netto.
Mit einigen Tricks fuhren diese Leute auch über Westberlin nach Spanien in Urlaub. Bei dem Westgeld, das sie monatlich verdienten, war das ja kein Problem. Die Devise für diese Menschen lautete, in Westberlin für Westgeld arbeiten, und in Ostberlin für DDR Mark billig wohnen und leben. Das die Menschen für diese Art von Sozialismus zu begeistern waren, liegt auf der Hand.
Ebenfalls verständlich ist, dass solche cleveren Menschen mehr als stocksauer waren, als die Mauer gebaut wurde, versteht sich.
An solchen praktischen Beispiel aus dem sozialistischen Wirtschaftsalltag kann man erkennen, was die Menschen unter Sozialismus verstehen wollen - nur ihren eigenen Vorteil, und um den zu erreichen, ist den Menschen hier in der DDR jedes Mittel recht. Auch wenn sie dabei ihre eigenen Freunde oder gar ihre Familienangehörigen ins Zuchthaus bringen. Weißt du Katrin, ich verstehe unsere Politiker nicht, warum sagen sie uns Bürgern nicht einfach zum Thema Reisefreiheit die Wahrheit. Um nach Spanien, Italien, England, USA, BRD usw. zu reisen braucht man Devisen. Also die Währung für das jeweilige Land, und die hat die DDR nicht in der Menge, um es für Urlaubsreisen ausgeben zu können. Es reicht gerade dafür, die wichtigsten Rohstoffe und andere lebensnotwendige Güter im Ausland zu kaufen! Nicht zu vergessen die Spionage und andere internationale Aktivitäten, so ist das! Aus alle! Was nützt uns denn eine theoretische Diskussion über freies Reisen, wenn den Leuten und dem Staat das Geld dafür fehlt. Das ist allerdings für die DDR kein Freibrief, uns Bürgern elementare Grundrechte, wie Reisefreiheit und die freie Wahl des Wohnsitzes vorzuenthalten. Ob dann dafür die notwendigen Devisen vorhanden sind, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Vergleich doch bloß die Arbeitsproduktivität der BRD mit der von uns in der DDR. Allein nur aus der technischen, wissenschaftlichen Revolution in Westdeutschland ist das einzig und allein nicht abzuleiten. Gesellschaftliche Arbeit geht halt hier bei uns in der DDR vor! Und die erforderliche Wirtschaftsleistung, die die so genannten Werktätigen dem Staat gegenüber eigentlich erbringen müssen, wird von ihnen verweigert. Ist ja auch viel bequemer so, und die gesellschaftliche Arbeit strengt ja auch bei weitem nicht so an.“
„Ich glaube, Peter, dazu brauchen wir Politiker mit Charakter und genügend Sachverstand, und keine Parteifunktionäre, die den ganzen Tag nur Phrasen plappern. Stell dir bloß mal vor, wie viele Devisen sich die DDR allein dadurch spart, weil die vielen Verwandten in Westdeutschland ihren Angehörigen und Freunden in der DDR Bohnenkaffee, Schokolade und viele andere Sachen zukommen lassen. Meistens Artikel und Waren, die wir teuer, und nur gegen äußerst knappe Devisen importieren müssten. Und trotzdem reicht es nicht hinten und vorn, und für Urlaubsreisen ins westliche Ausland gleich gar nicht.“
„Du hast ja recht, Katrin. leider kann man das nicht ändern.“
Dabei wäre es so einfach, mit den Menschen darüber zu sprechen, grübelt Peter. Urlaub ist doch nicht, egal wohin man fährt oder fliegt, nur eine politische Entscheidung, sondern und überall auch eine Sache des Geldes.
Wenn die Menschen hier bei uns in der DDR die produktive Arbeit so ernst nehmen würden, wie sie die angeblich so wichtige gesellschaftspolitische Arbeit für notwendig halten, könnten wir mit Sicherheit einen höheren Lebensstandard erwirtschaften. Die DM bekommen wir von der Bundesrepublik Deutschland doch nicht geschenkt, warum auch, sondern müssen wir erarbeiten, oder wir bekommen sie als Kredit. Und dass unser Land auch noch einige andere Ausgaben in ausländischen Währungen zu bezahlen hat, kann man auch, ohne Wirtschaftler zu sein, leicht verstehen.
Sicher, welche Devisen für was ausgegeben werden, darüber kann man ja unterschiedlicher Meinung sein, aber das entscheidet nun mal die Politik und nicht wir Bürger dieses Landes. Warum neidisch auf den Wohlstand der Menschen in der BRD liebäugeln. Ist es denn so schwer zu erkennen, dass dahinter keine fleißigen Zwerge, und kein gesellschaftspolitisches Getratsche stecken, sondern Arbeit, die von den Menschen geleistet wird. Auch in der Bundesrepublik kann nicht jeder Bürger mit seiner Familie dorthin fahren, wohin er vielleicht gerne möchte. Nicht weil sie nicht dürfen, sondern schlicht und einfach, sie das Geld dafür nicht immer übrig haben.
„So wie sich die Menschen hier in der Arbeit verhalten, Peter, raffgierig mit dem sozialistischen Eigentum umgehen, während der Arbeitszeit ihre privaten Belange erledigen, werden sie zu nichts kommen, und im erheblichen Maße dazu beitragen, ihre eigene Wirtschaftsgrundlage zu ruinieren.“
„Ich kann die Menschen nicht verstehen, Katrin, den eigenen Kopf hat man doch nicht nur zum Haareschneiden. Ich sah mal in unserer Tageszeitung eine Karikatur, bei der ein Mann, auf einem Ast sitzend, versucht mit einer Säge ein Stück vom Ast abzusägen, und zwar das Stück, auf dem er sitzt, und das noch mit einem arrogant grinsendem Gesicht. Echt zum totlachen, wenn man sich des Ernstes über das was das Bild aussagen will, nicht bewusst ist!
Die Freiheit des eigenen Handelns wird doch durch die eigene Verantwortung begrenzt, aber daran wollen viele nicht denken.
Es wird einmal der Tag kommen, an dem man sich dieser überheblichen Nachlässigkeit erinnern wird, dessen bin ich mir ganz sicher.
Sag mal, Katrin, dein Weinglas ist ja noch voll? Hast du keinen Appetit?“
„Mein lieber Peter, bei unserer aufregenden Unterhaltung und dem was wir noch besprechen wollen, brauche ich einen klaren Kopf. Ich war nicht Soldat bei der Nationalen Volksarmee, so wie du. Wie schleiche ich mich unbemerkt über eine grüne Grenze, ha, du strammer Soldat! Das ist doch kein lustiger Waldspaziergang, und mit Pilze suchen kann man das auch nicht vergleichen, oder? Könntest du mich in die Taktik für einen heimlichen, und vor allem unbemerkten Grenzübertritt einweihen?“
„Kann ich, mein Schatz, aber vorher husche ich noch schnell ins Bad. Und du, so du magst, kannst uns ja eine Kleinigkeit zum Essen herrichten.“
Ok, wird erledigt!“
Eine knappe Stunde später sitzen beide geduscht und durch einen kleinen Quicki entspannt am Tisch und genießen eine Fertigpizza aus dem Delikatladen. Hier kann man für etwas mehr Geld auch mal was anderes Essen, außer tristen DDR Eintopf.
„Fertig mit der Henkersmahlzeit, mein lieber Schatz, du kannst loslegen.“
„Also gut, wichtig für uns beide wird sein, für welche grüne Grenze zum Westen, also zum Beispiel zur BRD oder Österreich, wir uns entscheiden.“
„Ich vermute, du hast dafür bereits ganz konkrete Vorstellungen, und schon einen Plan, oder noch nicht?“
„Habe ich! Also - wie packen wir das am besten an, damit wir uns nicht im Gefängnis wieder finden, oder noch schlimmer, uns von sehr, sehr weit oben die schöne Welt anschauen müssen.
Das Risiko, das wir eingehen, ist groß. Die Frage, ist es das wert was wir beide vorhaben, können wir nicht so bei Seite schieben. Wie wertvoll ist uns unser Leben? Schließlich haben wir es nur ein einziges Mal. Also, wir müssen Grenzen meiden, die besonders streng bewacht werden, oder deren Überwindung, vor allem bei Nacht durch geologische Schwierigkeiten, also Wasser, Sümpfe oder hohe Berge, an sich schon riskant genug sind. Oder die Grenzanlagen der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, mit den gefährlichen Minenfeldern und Selbstschussanlagen. Dieser Fluchtweg ist für uns absolut tabu, da können wir uns ja gleich selber erschießen. Mein Cousin war vor vier Jahren als Soldat an der Grenze zu WestBerlin stationiert. Bei einem nächtlichen Streifendienst hat er seine Maschinenpistole auf den Boden gelegt, und sich nach Westberlin abgesetzt. So einfach haben wir’s nicht. Später, als mein Cousin in Bayern war, habe ich ihn über meinen Opa gebeten, als Rentner war es ja ohne Probleme möglich nach Westdeutschland zu fahren, Informationen über die tschechische Grenze zu sammeln und einen Weg auszukundschaften, der aus seiner Sicht relativ ungefährlich ist, soweit man das überhaupt für so ein gewagtes Unternehmen sagen kann. Leider verstarb mein Opa vor zwei Jahren, so dass die Informationen nicht aktuell sind. Den ungefähren Ort, den Bau der Grenzanlagen und die Art der Überwachung weiß ich, soweit das mein Cousin in Erfahrung bringen konnte.
„Wie hat er denn das angestellt, Peter?“
„Von meinem Opa weiß ich, dass er österreichische Zöllner, die an der Landesgrenze zur Tschechei ihren Dienst schieben, angebaggert hat, um an solche Informationen zu kommen. So schwer dürfte das nicht gewesen sein. Auf die DDR ist man in Österreich ja auch nicht so gut zu sprechen.“
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Tschechen die Grenzkontrollen zur österreichischen Grenze recht locker nehmen. Kartenmaterial habe ich mir in den vergangenen zwei Jahren in der Tschechei unauffällig organisiert, und mit den Informationen meines Cousins verglichen, inwieweit die Angaben verlässlich sind. Also, mal ganz praktisch und auch konkret. Unser Risiko, auf der Autostrecke von Búdejovice bis ungefähr drei Kilometer vor dem eigentlichen offiziellen Grenzübergang in Richtung Österreich, ist relativ gering.
„Bist du da so sicher, Peter?“
„Ja, bin ich! Wir sind als Touristen in der Tschechei mit dem Auto unterwegs. Die gültigen Ausweispapiere dafür haben wir. Ist die Grenze der Tschechei hinter uns, ist der Weg auf österreichischer Seite nach Linz nicht mehr weit und ungefährlich.
Sollten wir bei der Fahrt durch die Tschechei in eine Straßenkontrolle geraten, dann machen wir eben eine Rundreise durch dieses Land. Visa benötigen wir nicht, und alle anderen Papiere sind in unseren Taschen. Brenzlig wird es vermutlich für uns auf der letzten Strecke, zirka drei Kilometer bis zur grünen Grenze, die ausschließlich durch ein großes Waldgebiet verläuft. Wir werden diesen Weg nachts gehen müssen, da kann man uns nicht so leicht entdecken. Du kennst ja das Sprichwort Nachts sind alle Katzen grau.
Der Nachteil für uns wird sein, wir sehen ebenfalls nicht viel, also, der Weg durch den Wald wird ganz sicher für uns zwei anstrengend und gefährlich.“
„Gut, Peter, bis jetzt habe ich das verstanden, und sehe die Gefahren schon deutlich vor mir. Wenn ich das richtig verstehe, meinst du mit dem großen Wald wohl den Böhmerwald. Na, hoffentlich gibt es dort keine Wölfe, oder noch schlimmer, Bären. Ein grausiger Biss von so einem Raubtier in meinen hinteren Körperbereich, also ich weiß nicht?
Ha, wieso lächelst du dabei so hundsgemein? Findest du das etwa lustig?“
„Nein, nein, Katrin! Aber so einen Biss, natürlich viel kleiner und vorsichtiger, in deinen Po, als solch ein böser Wolf oder Bär das macht, der Gedanke ist gar nicht so übel!“
„Also, Peter, du nun wieder! Bleib bitte ernst, ja! Wie kannst du bei solch schlimmen Angriffen wilder Tiere an solche Sachen denken? Mir wird schon ganz mulmig im Bauch, aber nicht von deinem Biss! Sag mal, wäre es da nicht besser, wir nehmen ein großes Messer und einen ordentlichen Knüppel mit?“
„Deine Idee ist nicht schlecht. Nur - wie erklären wir einer möglichen Polizeikontrolle unser „Waffenarsenal“?
Die so genannte Rundreise durch die Tschechei, nimmt man uns dann sicherlich nicht mehr ab. Notwendig könnte es vielleicht sein, besser ist, wir lassen die „Waffen“ zu Hause. Aber dunkle Sachen werden wir mitnehmen, da kann man uns nachts, bei dem Weg durch den Wald nicht so leicht erkennen! Achte bitte auch beim packen deiner Sachen auf deinen Vater, der ist nicht auf den Kopf gefallen!“
„Gut, mache ich!“
„Nun zum Zeitplan!“
Der siebte Oktober ist hier bei uns in der DDR ein großer Feiertag. „Tag der Republik“, und steht kurz vor der Tür. Da sind unsere Organisationen mit den Vorbereitungen für den Festtag dicke beschäftigt. Ich denke, eine gute Zeit, um uns mit einem Leihwagen auf dem Weg zu machen.
„Also gut, Peter, du organisierst einen Mietwagen für den nächsten Samstag, das ist der sechste Oktober, ein Tag vor dem Staatsfeiertag. Ich werde schon mal unauffällig die Klamotten packen.
Was machen wir mit unseren ganzen Dokumenten, Urkunden und Abschlüssen?“
„Besser wäre es, wir deponieren alle unsere Papiere bei deiner Freundin Martina! Sollten wir am Grenzübergang durchsucht werden und die Polizisten finden die Dokumentensammlung, machen wir uns nur verdächtig.“
„Gut, Peter, sind wir einmal in Bayern, kann ja mein Onkel, bei seinem Besuch in Leipzig, die Unterlagen mitbringen.“
„Ok, Katrin, ich glaube, das Wichtigste haben wir besprochen.
Sollten wir auf unserem Fluchtweg noch ungeplante Änderungen vornehmen müssen, geben wir deshalb nicht auf, dann heißt es für uns halt improvisieren.“
„Sag mal, hat dich unser Planungsgespräch auch so verspannt und vergribbelt? Auch deine Gedanken an einen kleinen, vorsichtigen Biss in meinen Po, also ich weiß nicht, gefühlsmäßig bringt mich das alles so in eine ganz bestimmte Richtung. An deinem Gesicht kann ich, so wie ich das sehe, schon erkennen, dass du mich verstehst, oder irre ich mich da?“
„Hallo, Peter, ich spreche mit dir!“
„Entschuldige, ich war gedanklich eben mit anderen Dingen beschäftigt.“
„Ach was, ist das so allein nicht recht langweilig?“
„Aber nein, wie kannst du so was denken? Ich war mit einer sehr gut aussehenden, jungen schwarzhaarigen Grenzgängerin im dunklen Wald.“
„Ach nein!“
„Aber ja! Eigenartig, sie hatte den gleichen Namen wie du. Vor lauter Angst umschlang sie meinen Körper, und ließ mich nicht wieder los, was sollte ich machen, ich musste sie beschützen, und ohne eine gewisse Art von Trost, ging es auch nicht. Die junge Pfadfinderin griff mit flinken zarten Händen zu meinem Entspannungsmittel, das seine beruhigende Wirkung nicht verfehlte. Die Angst verkrümelte sich einfach.“
„So, aha - was sind denn das für komische Mittel?“
„Wir beide können uns ja nach diesen Rezept auf die Suche machen?“
„Also los du Lüstling, auf was warten wir noch?“
„Halt, halt, nicht gar so schnell! Eine lustvolle Entspannung auf dem Kühlschrank ist mir heute zu unbequem, ich trage dich lieber ins Schlafzimmer. Kannst du dich mit der Suchaktion noch eine Weile zurückhalten?“
„Wenn du dich beeilst - ja!“
„Guten Morgen, Peter, ausgeschlafen? Frühstück ist fertig! Allerdings ein Frühstück à la DDR, und kein griechisches Frühstück. Schade, aber die Zeit dafür ist zu knapp, wehmütig ist mir schon ein bisschen.“
„Ich glaube, Katrin, unsere Verwandten im Westen Deutschlands haben überhaupt keine Vorstellung, wie gefährlich es für uns in der DDR ist, einfach seinen Wohnsitz zu wechseln. Sie verwenden dafür nicht mal einen Gedanken. Wenn sie wollen, machen sie es, ohne wie wir ihr Leben zu riskieren. Unsere Eltern und Freunde, werden wir sie mal wiedersehen?“
„Warum, muss das alles sein? Warum wird uns das Leben so schwer gemacht? Als gebe es keine wichtigeren Probleme auf der Welt, die dringend gelöst werden sollten. Ich liebe dich sehr, Peter! Ein Leben ohne dich, hat in meinem Herzen keinen Platz.
Was auch immer geschieht, nichts kann uns mehr trennen, niemals!“
„Die deutsch, deutsche Grenze, liebe Katrin, mit ihrer Schande von einer Mauer, wird einmal Geschichte sein. Ich bin sicher, unsere Kinder werden ihre Großeltern sehen. Die DDR ist jetzt schon in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage. Letztlich wird sich das Geld durchsetzen, und das sitzt in der BRD.
Ich muss los, Katrin, den Mietwagen holen.“
„Denk dran, wir sind bei meinen Eltern zum Essen eingeladen, du kennst ja meinen Vater mit seinem Hang zur Pünktlichkeit.“
„Ok, sollte ich bis elf Uhr nicht da sein, fahr bitte mit der Straßenbahn voraus, ich komme dann mit dem Auto direkt zu dir nach Hause.“
„Ok Peter, verzettle dich nicht!“
Schon an der Korridortüre zu Katrins Eltern riecht es sehr verdächtig nach Sauerbraten, dass Lieblingsgericht von Peters zukünftigem Schwiegervater.
„Na endlich, da bist du ja! Los komm rein, das Essen wird sonst kalt. Müsst ihr ausgerechnet an diesem Wochenende in die Tschechei fahren? Morgen sind doch hier bei uns die großen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Republik?“
„Ja, weißt du, es wird langsam kühler, und ich wollte mit Katrin für uns beide gut gefütterte Wildlederjacken und ein paar schicke Pullover kaufen. Bekannte von mir fahren öfters mal nach Prag, das dortige Angebot für unser Alter wäre recht modern, gut und nicht so zu teuer.“
„Also - meinetwegen, dann fahrt mal los! Und bitte Peter, ras nicht so!“
„Nein, nein, auf keinen Fall, fest versprochen liebe Schwiegermutti!“
„Seit morgen nicht so spät zu Hause, vielleicht können wir am Abend ins Erdener Treppchen gemütlich zum Essen trappeln.“
Innerlich sehr aufgewühlt, denkt Peter, jetzt kommt für mich, und besonders für Katrin der schwerste Moment. Wir müssen Abschied nehmen, und im allerschlimmsten Fall, ein Abschied für eine sehr lange Zeit, das alles auch noch mit einem lachenden Gesicht. Wir dürfen ja nicht mal den Ansatz eines Gedankens bei Katrins Mutter und Vater über unser wirkliches Vorhaben wecken, das wäre der Anfang vom Ende, unwiderruflich! Der Schmerz in unserem Inneren, die Tränen die nach außen drängen, die Seele die sich dagegen wehrt, das alles macht es uns beiden sehr, sehr schwer!
Mit ein wenig Glück, bleibt die zwischen den beiden deutschen Staaten vereinbarte Möglichkeit der Familienzusammenführung, so dass wir letztlich doch wieder beisammen sein können. Auch die Gedanken an seine Schwiegereltern, die nach ihrer Flucht sicherlich eine Menge Unannehmlichkeiten erleiden müssen, vielleicht ihren Arbeitsplatz verlieren, machen den Abschied noch schwerer als er ohnehin schon ist.
Auf jede Bewegung werden wir achten müssen, grübelt Peter weiter. Alles soll ja so normal wie möglich aussehen und sich auch so anfühlen. Das werden schwere Minuten für Katrin und mich.
Endlich, beide sitzen im Auto. Katrin weint bitterlich, und Trost hilft nicht viel. Gott lob, dass beide nicht abergläubisch sind, ein gutes Vorzeichen ist das wirklich nicht! Also gut, beginnen wir unser Fluchtabenteuer, auch wenn es für uns riskant werden wird, flüstert Peter nachdenklich in sich hinein.
Nach drei Stunden Autofahrt über Plauen in Richtung Grenze zur Tschechei, sehen beide im nächtlichen Dunkel den taghell erleuchteten, vor Stacheldraht strotzenden Grenzübergang zur Czecheslowakei – Schönberg! Wohlgemerkt, nicht die Staatsgrenze nach Westdeutschland zum so genannten kapitalistischen Ausland, dem Erzfeind Nummer eins. Wie das in den Tageszeitungen so klar und deutlich bezeichnet wird - nein! Es ist die grüne Grenze zur Tschechei – ein so genannter sozialistischer Bruderstaat - und Mitglied der Warschauer Paktstaaten, denen sich die DDR sehr verbunden fühlt. Trotzdem - Stacheldraht, Maschinenpistolen, massive Sperranlagen. Warum eigentlich, wenn man fragen darf?
Für Katrin und Peter der erste Prüfstein für die Weiterfahrt in die Tschechei, oder, was auch ins Kalkül zu ziehen ist, ins Gefängnis. Den Gedanken, bei ihrem Vorhaben erschossen zu werden, lassen beide gar nicht erst an sich heran.
„Komisch, Katrin!“
„Als DDR Bürger überkommt einem bei der Fahrt an die Grenze immer ein nicht zu erklärendes Angstgefühl, obwohl man sich selbst keiner Schuld bewusst ist, befürchtet man immer irgendwelche Repressalien der Grenzpolizisten.“
„Ich empfinde das auch so, Peter. Ich glaube, es ist die Drohkulisse der Sperranlagen und der niederdrückende militärische Tonfall, nicht unbedingt der sächsische Dialekt, den man schon auf der Fahrt zur Grenze im Unterbewusstsein flüstern hört.
Labern einen dann die Grenzschergen an, nimmt man demütig eine halbgeduckte Haltung ein, schon um die Grenzsoldaten möglichst milde zu stimmen. Die erwarten dieses Verhalten auch noch und wehe dem, der sich nicht daran hält und Selbstbewusstsein zeigt. Na, dann Gnade ihm Gott! Dann lassen diese Schergen mal so richtig die Machtsau raus, und zeigen mit krasser Deutlichkeit, wer hier grundsätzlich was zu sagen hat.“
„Eigenartig, wieso sind an den Grenzübergängen eigentlich nur Zollbeamte und Grenzpolizisten der Stasi mit dieser Sachsenmundart, Katrin, hast du eine Ahnung warum?“
„Ich habe dafür keine Erklärung, Peter. Vielleicht sind wir Sachsen für solche Art Dienste besser geeignet? Möglich wäre es ja, und die Stasi ist ja sowieso überall dabei.“
„Das ist war, Katrin, schon die Art und Weise wie einen diese Schergen ansprechen. Es kommt immer alles so rüber, als hätten sie die Macht gepachtet, und wir, die wir durch unsere täglich Arbeit dafür Sorge tragen, dass sie am Monatsende ihr Gehalt bekommen, sind für diese Nichtsnutze in Uniform Republikflüchtige und Schmuggler. Der Sprachgebrauch dieser Grenzpolizisten gegenüber uns Touristen ist derartig abfällig und niederdrückend, dass man sich für seine Landsleute in Uniform eigentlich nur schämen kann. Du hast ja bestimmt einige dieser Sprüche im Ohr, wie sie von solchen Typen benutzt werden „Steichen se aus! Komm se her! Ihre Babiere! Ham se was zum verzolln?! Wo wolln se hin?! Was machen se in der Tschechei?!
Machn se ma den Gofferraum uff!“
Und so weiter in dieser Art. Zu den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland wird etwas höflicher gesabbelt
„Gänsefleisch ma den Gofferraum uff machn.“ Dieser Spruch wurde witzigerweise zum meist gesprochenem Satz an der deutsch, deutschen Grenze – wirklich lachhaft!
Das Wort - „bitte“ - wurde aus dem Sprachschatz der Grenzpolizisten generell entfernt.“
„Ich weiß, Peter, es ist eine Schande für unser schönes Sachsen, denn alle sind ja nicht so politisch verbohrt!
Du, schau mal nach vorn, da kommen schon zwei von diesen Typen, einer hat sogar eine Maschinenpistole, und das an einem Grenzübergang zwischen sozialistischen Bruderländern, da gefriert einem ja das Lachen im Gesicht.“
„Jetzt heißt es für uns ruhig Blut bewahren, diese Männer in Uniform bekommen doch von ihren Vorgesetzten jeden Tag eingetrichtert, dass jeder DDR Bürger, der hier an die Staatsgrenze kommt, in den Westen flüchten will. Einen kleinen Vorteil gibt es für uns beide. Morgen ist ja der große DDR Feiertag, da haben diese Schergen möglicherweise noch andere staatstragende Arbeiten zu erledigen.“
„Hoffentlich, mir ist schon ganz flau im Bauch. Mach bitte dein Seitenfenster runter, die beiden sind gleich da!“
„De Babiere! Wo wolln se hin?“
„Guten Abend, hier bitte! Unsere Freunde in Karlovy Vary wollen morgen gern bei unseren Feierlichkeiten in Leipzig zum Tag der Republik dabei sein, haben aber kein eigenes Auto, und mit dem Zug ist es zu umständlich. Am Dienstag, kommender Woche, bringen wir sie wieder zurück in die Tschechei, und dürfen dafür ein paar Tage bei ihnen zu Hause in Karlovy Vary bleiben.“
„Ham se was zum verzolln.“
„Nein, wir fahren ja morgen früh, mit unseren Freunden gleich wieder nach Leipzig.“
„Hier neemse ihre Babiere, damit se ne durch de Geeschend flieschen und fahrn se weiter!“
„Uff, das ist ja gut gegangen. Sag mal, Peter, wo hast du denn die Ausrede her?“
„Du wirst es nicht für möglich halten, Katrin, aber schier in dem Moment, als die Frage von dem Grenzer nach dem „wohin“
kam, wusste ich, was ich sage soll. Komisch - Sachen gibt es zwischen Himmel und Erde?!“
„Wäre nicht schlecht, wenn uns dein Ausredenarsenal erhalten bleibt, und die Grenzsoldaten auch alles für bare Münze nehmen was du sagst.“
„Nächste Kontrolle bei den tschechischen Grenzern. Keine Sorge, das ist nur Formsache, denke ich jedenfalls.“
„Dobrý Vecêr! Guten Abend! Cestovni pas, prosim!
Passbord bitte!
Dêkujeme vám, Nashledanou, danke Aufwiedersehen!“
„Die erste Etappe haben wir geschafft, kann es sein, dass dich diese Kontrolltortur völlig verspannt hat?“
„Wie kannst du nur in solchen gefährlichen Minuten an Entspannungsübungen denken, aber ein kleiner Kuss muss sein, so mutig wie du bist, Ok, weiter geht’s, und immer schön wachsam, ja Peter?“
„Gut, die nächste Etappe führt uns nach Eger, dann weiter nach Plzen bis zum Lipno Stausee. Von dort aus fahren wir zügig weiter in Richtung Ceské Búdejovice. Sollten wir auf dieser Strecke von einer Polizeikontrolle oder von Grenzsoldaten angehalten werden, erklären wir, dass wir auf einer Rundreise durch die Tschechei sind. Die Fahrtroute habe ich hier auf der Landkarte ganz dick mit einem roten Stift markiert. Du musst dir nur die wichtigsten Städte merken. Also - Start in Leipzig, dann nach Schönberg, Eger, Plzen, Lipnoer Stausee, Ceské Búdejovice, Brno, Praha und über Dresden wieder zurück nach Leipzig.“
„Kein Problem, Peter, habe ich ganz fest in meinem Kopf gespeichert. Bis zum nächsten Etappenziel werde ich eine kleine Runde schlafen, hoffentlich träume ich dabei von schönen und ungefährlichen Dingen.“
„Ok, schlaf gut, mein Schatz!“
Und so pirschen sich Peter und Katrin mit ihrem Leihwagen vom Typ Wartburg de luxe zügig an Plzen heran, kommen gut durch die Stadt, und machen sich auf den Weg zum Lipnoer Stausee.
Nach einer Weile kommt Peter die Autostraße als eingezeichnete Fernverkehrsstraße etwas eng vor, außerdem nur durch Waldgebiete überlegt er, das kann nicht sein. Ich bin doch nicht falsch abgebogen? Jetzt eine Grenzkontrolle würde gerade noch fehlen. So nahe zur Grenze können wir doch noch nicht sein? Nach einer kleinen Straßenbiegung sieht er im abgeblendeten Licht seines Autos einen Schlagbaum - auch das noch! Na hoffentlich ist keiner da. Peter greift sich Katrins Arm und rüttelt sie wach.
„Nimm bitte die Autokarte, und vergrüble dich drin.“
Schreck lass nach, denkt er unruhig, da sind sie ja schon, die strammen Burschen in Uniform, und wieder mit Maschinenpistolen. Man könnte meinen, wir sind im Krieg. Mit einer gehörigen Portion Galgenhumor, denkt er, werde ich mal versuchen, diesen beiden strammen Soldaten mit meinem Schulrussisch, und mit meinen wenigen Worten Tschechisch klar zu machen, dass wir uns vermutlich verfahren haben.
„Katrin, gib mir mal bitte die Landkarte!“
Peter steigt aus dem Wagen, und läuft mit einem Lächeln auf den Lippen, so ruhig und gelassen wie nur möglich, auf die beiden Grenzer zu. Trotz aller Bemühungen, es scheint nicht zu klappen. Irgendwie bemüht sich einer von ihnen über Funk mit seinem Vorgesetzten zu sprechen, und der andere macht ihm unmissverständlich klar, stehen zu bleiben. Nach etwa zehn Minuten, es ist bereits zwei Uhr nachts, kommt, man sieht es an der Uniform, ein Offizier. Er unterhält sich kurz mit seinen zwei Untergebenen und läuft dann mit einem ärgerlichen Gesicht auf Peter zu.
„Was machen sie hier an unserer Grenze?“
Sein Deutsch ist nicht besonders gut, aber den Inhalt kann man verstehen. Peter mit der Landkarte in der Hand, erklärt ihm den Zweck ihrer Reise und zeigt auf die eingetragene Fahrtroute. Der Offizier nimmt ihm die Karte aus der Hand, und macht sich wohl mit der gewollten Fahrstrecke vertraut. Sein Gesicht wird zunehmend friedlicher. Mit seinem Finger zeigt er auf eine Stelle, wo sie falsch abgebogen waren. Mit einem Stift, ein Soldat leuchtet mit seiner Taschenlampe, markiert er die Strecke, die sie bis Ceské Búdejovice fahren sollen.
„Zurück!“
Die Geste mit der Hand ist unmissverständlich. Das mache ich sofort, denkt Peter erleichtert. Jetzt schnell ins Auto, und nichts wie weg hier, bevor der Grenzoffizier noch auf andere Gedanken kommt. Katrin kann es noch nicht fassen, und freut sich über den guten Ausgang der gefährlichen Situation.
„Sag mal, wie ist denn das passiert? Wir wollen doch hier nicht über die grüne Grenze, oder etwa doch?“
„Nein, Katrin, hier nicht, ich muss auf der Strecke zum Lipnoer Stausee falsch abgebogen sein. So nervenaufreibend das alles auch war, es hat auch für uns beide was Gutes gebracht. Wir wissen jetzt, dass die Tschechen bereits ein ganzes Stück vor der eigentlichen Staatsgrenze nach Österreich, Kontrollvorposten eingerichtet haben. Wir dürfen uns also mit dem Auto nicht so nahe an die Grenze heran wagen. So, und jetzt nichts wie weg hier! Wir fahren erstmal nach Velenice, suchen uns dort ein Hotel und verschwinden von der Straße. Es kann ja sein, dass dieser Grenzoffizier sich das anders überlegt, und nach uns suchen lässt.“
„Die Idee ist gut, und eine Mütze voll Schlaf tut uns beiden sicher gut. Ich weiß ja nicht wie es dir geht? Diese unbeabsichtigte Grenzkontrolle hat mich völlig verspannt.“
„Ach was! Meintest du nicht eben eine Mütze voll Schlaf würde uns beiden gut tun?“
„Ja, ja, das stimmt schon Peter, aber danach, mein Schatz.“
Nach mühsamen Suchen, und nachts ist das auch nicht so leicht, finden die beiden in Velenice ein kleines Hotel. Den Hotelbesitzer munter zu bekommen, war eine weitere Schwierigkeit. Mit eindeutigen Schlafgesten, und etwas Geld in Westmark ließ sich der gute Mann überzeugen, dass Katrin und Peter dringend ins Bett müssen.
„Frühstück um neun Uhr!“
Ruft er ihnen noch mit schläfriger Stimme nach, und alle drei, der Gastgeber und die zwei späten Gäste kennen nur noch einen Weg, schnell ins Bett.
„Hm, wenn der Kaffee so gut schmeckt, wie er duftet, verzeih ich dem Hotel mein hartes Bett.“
„Mein lieber Peter, für gewisse Entspannungsübungen ist ein hartes Bett gar nicht so übel.“
„Ach nein? Was man doch von Frauen so alles lernen kann - Ok, wie geht’s jetzt weiter, mein Schatz!“
Nach dem Frühstück werde ich unser Auto hinter dem Hotel parken, so sieht es jedenfalls nicht gleich jeder. Wir beide machen uns zu Fuß auf Erkundungstrip durch die Stadt, so wie halt neugierige Touristen nun mal sind. Für die tschechischen Grenzer sind wir erstmal verschwunden, einfach nicht da, noch besser, sie denken wir sind schon auf dem Weg nach Prag. Spät nachmittags suchen wir uns eine Gaststätte und werden noch mal essen gehen. Es ist ja möglich, dass wir die nächsten vierundzwanzig Stunden keine Gelegenheit mehr dazu haben, oder die Zeit zu knapp wird.
„Soll ich uns was zu Essen und zu Trinken einpacken?“
„Ja, besser ist besser, das organisierst am besten du. Sobald es dunkel wird, gehen wir zum Hotel zurück, bezahlen unsere Rechnung, und befragen den Hotelbesitzer sehr ausführlich nach den Weg zur Stadt Brno und weiter nach Prag, rein vorsorglich! Es könnte ja sein, dass ein „Jemand“ in Uniform neugierig geworden ist, und nach uns fragt. Bis zum eigentlichen Fußmarsch durch den Böhmer Wald zur grünen Grenze, haben wir noch ungefähr zehn Stunden Zeit, also los, Katrin, machen wir uns unauffällig auf die berühmten Socken, und mischen uns unters Volk.“
Nun gilt es für Katrin und Peter, die verbleibende Zeit zu nutzen. Also mal rein in den einen oder anderen Laden, und ein stiller Hilferuf zum Herrn in einer Kirche muss auch sein. Obwohl sich die beiden sicher sind, dass sich der liebe Gott mit Fluchtproblemen wohl nicht so auskennen wird. Kaffe und Kuchen müssen die Zeit bis zum ausgiebigen Abendbrot ausfüllen.
Den Körber gestärkt, der Geist ausgeruht und die Nerven gespannt wie ein dickes Drahtseil, so steigen Katrin und Peter zur letzten geplanten Fahrt in ihren Leihwagen. Über die Grenze selbst muss es zu Fuß gehen, eine andere Lösung gibt es nicht. Beide überprüfen auf der Karte alle Details, damit sie grobe Fehler vermeiden.
„Wie werden wir uns in der Dunkelheit orientieren, Peter?“
„Das ist nicht so schwer, Katrin.
Siehst du dort etwas links am Himmel, Gott sei Dank ist er heute wolkenfrei, das Sternbild? Es ist der große Wagen, kannst du ihn erkennen?“
„Ja, sehe ich, aber wie ein Auto sieht er nicht gerade aus.“
„Nein, das sieht er wirklich nicht, Katrin!“
„Das Sternbild hat eher Ähnlichkeit mit einem kleinen Handwagen. Der letzte Stern am Ende der Deichsel, oder besser Wagenstange, ist für uns beide das Orientierungszeichen. Die Straße in Richtung offizieller Grenzübergang nach Österreich, verläuft in südwestlicher Richtung. Ich habe das zu Hause genau überprüft.
Wenn wir immer so laufen, dass wir diesen Stern leicht linker Hand am Himmel sehen, gehen wir ziemlich genau parallel zur Autostrecke. Allerdings werden wir einen relativ großen Abstand zur Eurostraße einhalten müssen. Immerhin ist es möglich, dass Grenzpolizisten auf der Straße ständig auf und ab fahren, oder sie zu Fuß Patrouille laufen. Sollten Touristen aus Österreich mit ihrem Pkw auf der Straße lang fahren, hören wir das. Was für die Orientierung auch hilfreich sein wird. Wichtig ist für uns der Blick zum großen Wagen. Vertrau mir, wir können da nicht viel falsch machen. So, Motor an und los geht’s. Du kennst ja das Sprichwort: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
„Das stimmt schon. Hast du mir bei unserem ersten Beisammensein in deiner Studentenhütte nicht mal ein anderes Sprichwort zugeflüstert - warte, es fällt mir wieder ein - „Der bessere Teil der Tapferkeit ist die Vorsicht.“
„Stimmt, aber damals wollte ich dich auf dem Kühlschrank verführen.“
„Ach nein! Und was heißt hier wollte - du hast!“
„Schade, dass hier kein Kühlschrank ist.“
„Bleib bitte ernst, Peter!“
„Bei unserem Vorhaben werden wir eine Menge Kraft und eine große Portion Glück brauchen, Katrin.“
„Ja, ich weiß! Mit der Kraft werden wir zwei sicher keine Probleme haben, mit dem Glück? Ich weiß nicht. Das ist auch nicht immer sofort zur Stelle, wenn man es dringend braucht. Na, wie heißt das so schön - „die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Auf dem Weg zur Grenze fahren sie noch ein längere Strecke durch die Stadt, dabei immer auf der Europastraße in Richtung Linz bleibend, können sie sich eigentlich nicht verfahren, die Ausschilderung ist auch ohne Landkarte nicht zu übersehen.
„Die letzten fünf Kilometer liegen vor uns, Katrin, diese Strecke, bis auf drei Kilometer zur Grenze, werden wir rückwärts fahren.
Die Entfernung können wir am Tacho genau kontrollieren.“
„Wieso fahren wir rückwärts in Richtung Grenze, und nicht vorwärts, das verstehe ich nicht?“
„Schau, sollte uns ein Auto begegnen, egal aus welcher Fahrtrichtung es kommt, dann sieht das immer so aus, als ob wir nicht in Richtung Grenze, sondern in Richtung Velenice fahren. Die Gefahr, dass uns eine motorisierte Grenzstreife anhält, ist da eher unwahrscheinlich, optisch betrachtet, fahren wir ja von der Grenze weg.“
„Ach so!“
Die beiden haben Glück. Auf den letzten zwei Kilometern, bei langsamer Rückwärtsfahrt, kommt ihnen kein Fahrzeug entgegen, oder fährt aus Richtung Grenzübergang von hinten auf sie zu.
„Bis jetzt geht ja alles glatt!“
„So, dann frag mal mein kleines Herz, dass denkt da anders.“
„Wenn du durch die Heckscheibe siehst, kannst du hinter uns auf der linken Seite einen kleinen Feldweg erkennen der von der Straße abzweigt, an der Einmündung steht eine kleine Hütte.“
„Ja, sehe ich! Das Mondlicht ist zwar nicht besonders hell, aber ich kann das leidlich erkennen, wieso, was wollen wir dort?“
„Willst du erst mal kurz ausruhen, bevor es ernst, anstrengend und sehr gefährlich wird?“
„Nein, nein! Wir scheinen ja bis jetzt eine Glückssträhne zu haben. Fahr bitte weiter, Peter!“
„Ich denke, es wird besser sein wir lassen unser Auto hier stehen, und stellen es hinter die Hütte, dann sieht man es jedenfalls nicht sofort. Ich werde an einem Rad die Luft raus lassen, so täuschen wir eine Panne vor, falls uns eine Kontrolle, in der kurzen Zeit die wir halten, in die Quere kommen sollte.“
„So, geschafft!“
Murmelt Peter leise vor sich hin. Das war schon mal ein schwieriges Stück Arbeit. Wir sind laut Tacho noch ungefähr drei Kilometer von der Grenze entfernt, rechnet er kurz nach.
„Also los, Peter, auf was warten wir noch!“
„Ok, ziehen wir unsere dunklen Sachen an, und dann ab!“
Peter sperrt das Auto ab und steckt den Fahrzeugschlüssel ein.
„Jetzt beginnt die schwierigste, und auch die gefährlichste Etappe. Die Grenzsoldaten, mit ihren Maschinenpistolen haben wir ja schon öfters gesehen. Es ist zwar noch Pilzzeit, ich bezweifle allerdings, dass die Burschen diese Waffen zum Pilze suchen benutzen.“
„Sag mal, du hast ja Galgenhumor, das kenne ich ja gar nicht an dir.“
„Ich habe auch ein Herz, das ist zwar noch nicht in der Hose, aber so ganz einerlei ist mir auch nicht. Die Gedanken, dass wir beide erschossen am Waldboden liegen, oder schwer verletzt werden, verschwinden nicht so einfach aus meinem Kopf.“
Mit zügigen, aber möglichst leisen Schritten, gehen die beiden auf dem vor ihnen liegenden Wald zu, dabei immer mit einem Auge auf den wegweisenden Kontrollstern am Himmel blickend.
Ein Weg durch den Wald wäre ganz hilfreich, das ist ja unheimlich hier, murmelt Katrin leise. Ich sehe ja die Hand vor meinen Augen kaum, so finster ist das hier.
„Vorsicht, Katrin, halte eine Hand schützend vor das Gesicht, damit du von den herunterhängenden Ästen nicht verletzt wirst, die andere Hand gibst du mir, ich laufe vorn weg.“
Und so pirschen sich die beiden immer näher an die Grenze heran. Nach zirka fünf Stunden beschwerlichen Fußweges, kommen sie auf eine kleine Lichtung, und halten inne.
„Nach meiner Soldatenerfahrung, was Zeit und gelaufene Kilometer betrifft, sind es bis zur Grenze höchstens noch zwei- bis dreihundert Meter.“
So eine kurze Strecke, und doch so lebensbedrohlich! Dabei waren unsere Anstrengungen bis jetzt auch nicht besonders harmlos, flüstert Katrin leise.
„Noch können wir umkehren, und nach Hause fahren. Das Risiko, auf dem Rückweg zum Auto erwischt zu werden, ist bestimmt kleiner, als der Weg nach vorn über die Grenze.“
„Nein, Peter, sind wir bis hierher gekommen, schaffen wir den Rest der Strecke auch noch.“
„Rest ist gut! Komm, kuschle dich an mich, wir machen für eine halbe Stunde die Augen zu, und tanken noch mal Kraft für die letzte Etappe.“
Ein unbekanntes, markerschütterndes und eigenartiges Gebrüll reißt die beiden aus ihrem kurzen Schlaf. Katrin klammert sich, am ganzen Körper zitternd, an Peter fest.
Das Gebrüll nimmt kein Ende. Nach einer kleinen Weile atmet Peter erleichtert auf.
„Keine Angst, Katrin, es sind Hirsche, liebestolle Hirsche!“
„Ach nein! Kann dieser Unhold von einem Hirsch nicht etwas leisere Brunftschreie von sich geben, der hat mich ja fast zu Tode erschreckt!“
„Die Anwesenheit von Hirschrudeln hat auch sein Gutes. Wenn es auf unseren letzten Metern bis zur Grenze durch unser Laufen recht knacken sollte, denken die Grenzsoldaten möglicherweise an Hirsche, und nicht an Menschen, die sich heimlich über ihre Grenze schleichen wollen, so wie wir beide.“
Und so bewegen sich Katrin und Peter vorsichtig auf den letzten Metern in Richtung Grenze zu. Der Wald ist zunehmend vom Unterholz durchwachsen, was die Orientierung auch nicht unbedingt erleichtert. Jeder Schritt ist mit mühsamen Kraftanstrengungen verbunden. Dabei müssen sie sich ständig leise bewegen, jedes unnötige Geräusch vermeiden und die Richtung zur Grenze nicht aus den Augen verlieren. Der Blick zum nächtlichen Himmel wird in dem dichter werdenden Wald auch zunehmend schwieriger.
Plötzlich - keine Bäume mehr, soweit man das bei der Dunkelheit erkennen kann. Das muss die Grenze sein! Jetzt erstmal vorsichtig die Lage peilen. Flüstert Peter leise zu Katrin. Nur wenige Meter vor sich erkennt er einen sehr massiven Stacheldrahtzaun.
Der fehlt uns gerade noch, schimpft Peter leise. Was für einen Unsinn hat Peters Cousin seinem Opa berichtet - von wegen lasche Grenzbefestigungsanlagen. Das was sie vor sich in der Dunkelheit erkennen, ist mehr als ein einfacher Drahtverhau.
„Keine Sorge, Katrin, wir müssen nicht drüber weg klettern, das ist für uns beide auch viel zu schwierig, und dauert mit Sicherheit auch zu lang. Alles was wir jetzt nicht mehr haben werden ist Zeit. Also pass auf, dafür gibt es einen Trick, den ich während meiner Soldatenzeit lernen musste. Ich werde meine Lederjacke als Schlauch benutzen. Dazu nehme ich meine Arme aus den Ärmeln, die Jacke knöpfe ich vorn zu und zwänge mich so durch das Stacheldrahtgeflecht. So ganz ohne blutige Kratzer wird es dabei nicht abgehen. Du brauchst dann nach mir nur in die Jacke zu kriechen, und ich ziehe dich auf der anderen Seite durch den Zaun. Die Jacke wird das nicht unbeschadet überleben, aber wir sind durch.“
„Bist du sicher, dass wir so schnell durchkommen?“
„Keine Sorge, das geht nicht ohne Schmerzen, aber es klappt.
Vermutlich ist in diesem Stacheldrahtzaun ein Signaldraht gespannt. Sobald ich den Draht berühre, was sich bei dem robusten Durchzwängen ja nicht vermeiden lässt, wird mit Sicherheit Alarm ausgelöst. Von diesem Augenblick an sind die Soldaten hinter uns her, das ist sicher!
Ich schätze, dass uns nicht mehr als zwanzig Minuten bleiben, um uns auf die österreichische Seite zu retten, eher weniger.
Sobald wir durch die Sperranlagen sind, müssen wir die Beine in die Hand nehmen und rennen, so weit das bei der Dunkelheit möglich ist. Schau mich nicht so sorgenvoll an, ich bin ständig an deiner Seite!