Gefechte der Liebe - Johanna Lindsey - E-Book

Gefechte der Liebe E-Book

Johanna Lindsey

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Er ist ihre größte Herausforderung

Die achtzehnjährige Alana, die rechtmäßige Thronfolgerin des hart umkämpften Königreichs von Lubinia, kann fechten wie ein Mann. Das nützt ihr allerdings nur wenig, als sie von den Feinden der Krone in den Kerker geworfen wird. Christoph, der Anführer der Wachen, erscheint zunächst unerbittlich. In Alanas dunkelster Stunde aber kommen sich die beiden näher und Christoph erweist sich schon bald als ihr Schutzengel …

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Seitenzahl: 550

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Das Buch

Sie kann kämpfen und fechten wie ein Mann – und sie kann es nicht erwarten, in ihre Heimat zurückzukehren: Die achtzehnjährige Alana ist die rechtmäßige Thronfolgerin des hart umkämpften Königreichs von Lubinia. Nur knapp entging sie einem Mordkomplott und wuchs in London im Exil auf.

In der Stunde der höchsten Not eilt die unerschrockene Alana dem Königshaus zu Hilfe – und wird in den Kerker geworfen, sobald sie auch nur einen Fuß auf die Erde Lubinias gesetzt hat. Christoph, der Anführer der Wachen, erscheint unerbittlich und weicht nicht mehr von Alanas Seite. Ist es nur sein Pflichtgefühl oder zieht ihn noch etwas anderes zu der jungen Kämpferin hin?

Die Autorin

Johanna Lindsey wächst auf Hawaii auf. Sie heiratet nach der Highschool und hat bereits zwei kleine Kinder zu versorgen, als sie sich zum Schreiben gedrängt fühlt.1976 veröffentlicht sie ihren ersten Roman. Heute ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen historischer Liebesromane. Weltweit hat sie über 60 Millionen Exemplare ihrer Bücher verkauft, die nicht selten die ersten Plätze der Bestsellerliste der New York Times erreichen. Johanna Lindsey schreibt und lebt mit ihrer Familie in New Hampshire.

Lieferbare Titel

978-3-453-81096-9 – Wagnis der Liebe

978-3-453-81098-3 – Gefangener des Herzens

978-3-453-40677-3 – Die ungehorsame Braut

978-3-453-77257-1 – Der geheimnisvolle Verführer

978-3-453-49109-0 – Ungezähmte Sehnsucht

978-3-453-40886-9 – Im Taumel der Herzen

Johanna Lindsey

Gefechte der Liebe

Roman

Aus dem Englischen

von Julia Paiva Nunes

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Original WHEN PASSION RULES

erschien bei Gallery Books, a division of

Simon & Schuster, New York

Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 12/2012

Copyright © 2011 by Johanna Lindsey

Copyright © 2012 der deutschen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der

Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlagillustration: © Pino Daeni, via Agentur Schlück GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-09214-6

www.heyne.de

Prolog

Leonard Kastner hatte darüber nachgedacht, endgültig in den Ruhestand zu gehen. Er hätte mehr tun sollen, als nur darüber nachzudenken. Der Zeitpunkt war richtig. Er hatte mehr Geld verdient, als er sich jemals hätte träumen lassen, nur indem er seine Talente genutzt hatte. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere, hatte durchweg Erfolge vorzuweisen und niemals einen Auftrag abgelehnt. Seine Kunden wussten das. Details waren nicht wichtig. Meistens rückten die Kunden erst damit heraus, nachdem er einen Auftrag angenommen hatte. Doch seine Arbeit war ihm zunehmend zuwider, was seine Souveränität beeinträchtigte. Wenn einem alles egal war, spielte nichts eine Rolle. Wenn man begann, sich über seine Tätigkeit Gedanken zu machen, dagegen schon.

Er war schon seit langem sehr wohlhabend, er musste nicht länger Risiken eingehen und schon gar nicht diesen einen bestimmten Auftrag annehmen. Aber man hatte ihm dafür so viel Geld geboten, dass er nicht ablehnen konnte – mehr, als er in den letzten drei Jahren verdient hatte, und die Hälfte davon sogar im Voraus. Kein Wunder, dass die Summe so hoch war! Es handelte sich wieder einmal um einen dieser ganz besonderen Jobs, für den der Lakai, der ihn angeheuert hatte, von Leonard zuerst eine definitive Zusage haben wollte, bevor er ihn aufklärte, was eigentlich von ihm verlangt wurde.

Noch niemals war er beauftragt worden, eine Frau umzubringen. Und jetzt sollte er seine Karriere gar mit einem noch schlimmeren Verbrechen abschließen, nämlich mit der Ermordung eines Kindes. Um genau zu sein, ging es nicht nur um irgendein Kind, sondern um die Erbin der Krone. Ein politischer Mord? Rache an König Frederick? Man hatte es Leonard nicht mitgeteilt, und es war ihm auch egal. Irgendwo auf dem Weg hatte er seine Menschlichkeit verloren. Die Angelegenheit stellte einfach nur einen weiteren Auftrag dar. Das musste er sich selbst immer wieder sagen. Er hatte nicht vor, seine Karriere mit einem Misserfolg zu beenden. Dass die Sache ihm zuwider war, lag lediglich daran, dass er seinen König mochte und sein Land liebte. Aber der König würde weitere Erben zeugen, wenn er seine Trauer überwunden und wieder geheiratet hatte. Er war immer noch ein junger Mann.

Tagsüber in König Fredericks Palast zu gelangen, war einfach. Die Eingangstore zum Schlossgarten der alten Festung, die sich hoch über der Hauptstadt Lubinia erhob, waren selten geschlossen. Sie waren zwar bewacht, aber nur wenigen Besuchern wurde der Eintritt verweigert, nicht einmal, wenn der König gerade in seiner Residenz weilte. Was momentan aber nicht der Fall war. Er hatte sich direkt nach dem Begräbnis der Königin vor vier Monaten in sein Winterchalet in den Bergen zurückgezogen, um in Ruhe und Frieden zu trauern. Sie war nur ein paar Tage, nachdem sie ihm den Thronerben geschenkt hatte, gestorben, den nun jemand tot sehen wollte.

Leonard wäre am Tor aufgehalten worden, hätte er auch nur einen winzigen Hinweis darauf gegeben, wer er war, aber das tat er nicht. Er hatte einen schändlichen Ruf, allerdings nur unter seinem falschen Namen Rastibon. In seinem Heimatland sowie in zahlreichen Nachbarländern war ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Aber niemand wusste, wie Rastibon eigentlich aussah. Darauf hatte er stets sorgfältig geachtet: Er trug immer eine Kapuze, traf seine Kontaktpersonen nur in dunklen Gassen und verstellte seine Stimme, wenn es nötig war. Er hatte vor, sich hier in seinem eigenen Land zur Ruhe zu setzen, ohne dass irgendjemand einen Verdacht hegte, auf welche Weise er zu seinem Reichtum gekommen war.

Er lebte in einer wohlhabenden Gegend in der Hauptstadt. Sein Vermieter und die Nachbarn waren nicht übermäßig neugierig, und wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte, deutete er an, im Weinexport tätig zu sein, um seine häufigen Auslandsaufenthalte zu erklären. Mit Wein kannte er sich aus. Über Wein hatte er einiges zu sagen. Aber er betonte stets, dass er keine Zeit für müßiges Geschwätz hatte, also hielt man ihn in der Regel für einen unfreundlichen Gesellen und ließ ihn in Ruhe, was ihm auch am liebsten war. Ein Mann mit seiner Profession konnte sich nicht erlauben, Freunde zu gewinnen, außer, sie waren im selben Bereich tätig. Und selbst dann hätte der Konkurrenzkampf dies erschwert.

Es war nicht einfach, in den Trakt zu gelangen, in der sich die Kinderstube befand, doch Leonard war erfinderisch. Er entdeckte, welche Kinderfrauen sich um Fredericks Nachwuchs kümmerten, und wählte die Nachtschwester zu seinem Opfer.

Ihr Name lautete Helga. Sie war eine junge Witwe von unscheinbarem Äußeren und hatte selbst ein Kind, das sie noch stillte. Dies war auch der Grund für ihre Anstellung im Palast. Es kostete ihn nur eine Woche, sie ins Bett zu bekommen, wenn sie kurz in der Stadt weilte, um ihre Familie zu besuchen. Schließlich war er ein ansehnlicher junger Mann Ende zwanzig, recht gut aussehend mit seinem dunkelbraunen Haar und den blauen Augen, und er hatte sogar noch etwas von seinem alten Charme hervorgeholt, aus früheren Zeiten, als er noch kein kaltblütiger Killer gewesen war. Er würde auch Helga töten müssen, wenn er sich in seinem Heimatland zur Ruhe setzen wollte. Wenn er sie am Leben ließe, wäre sie in der Lage, ihn zu identifizieren.

Es dauerte drei weitere Wochen, bis Leonard ein Rendezvous in Helgas Zimmer im Palast in der Nähe der Kinderstube vereinbart hatte, in einer Nacht, in der die zweite Kinderfrau frei hatte und nicht anwesend war. Obwohl Helga ihm versichert hatte, dass nie jemand bei Nacht die Kinderstube betrat – abgesehen von den zwei Wächtern, die zweimal ihre nächtliche Runde drehten –, hatte sie Angst, ihre Stelle zu verlieren, wenn man ihn dort entdecken würde. Immerhin wurde die Zahl an Palastwachen nachts verdoppelt. Aber die Leidenschaft trug schließlich den Sieg davon, und die richtigen Türen wurden für Leonard offen gelassen. Er musste sich nur kurz verstecken, bis die beiden Wachen den Trakt verlassen hatten.

Er tötete die Frau dann doch nicht. Es wäre zwar logisch gewesen. Aber er hatte sich ihr unter einem weiteren falschen Namen vorgestellt, nicht um das Verbrechen zu verbergen, sondern um zu vermeiden, dass sie – oder irgendjemand anders – die Namen Leonard Kastner und Rastibon in Verbindung brachte. Er hatte nicht die Absicht, sein Verbrechen zu verbergen. Wer auch immer ihn angeheuert hatte, sollte davon erfahren. Aber es gab keinen Grund, die Kinderfrau umzubringen, wenn er sie auch einfach nur mit einem Schlaftrunk in ihrem Weinglas bewusstlos machen konnte. Selbst darüber empfand er einen Moment lang Bedauern.

Er hatte Helga in dem Monat liebgewonnen, den er sie jetzt schon kannte. Dies hatte ziemlich drastische Auswirkungen auf seinen ursprünglichen Plan. Es bedeutete nämlich, dass er sich wohl doch nicht in seinem Heimatland zur Ruhe setzen würde. Aber diese übereilte Entscheidung hatte er erst heute getroffen. Mit dem einzigen Schlafpulver, das er auf die Schnelle hatte auftreiben können, hatte er noch keine Erfahrungen. Er wusste also nicht, wie lange es wirkte, und deshalb musste er sich beeilen. In letzter Minute fällte er einen weiteren Entschluss: Er würde Helga die Hände hinter dem Rücken zusammenbinden, damit niemand sie für seine Komplizin halten konnte. Noch schlimmer: Er brachte es nicht über sich, das Kind in der Kinderstube zu töten, wo die Frau aufwachen und es sehen würde. Sie vergötterte das Kind des Königs und behauptete, es genauso zu lieben wie ihr eigenes.

Leonard hatte durchaus vor, den Auftrag vor Ort zu erledigen, um das Risiko zu minimieren. Aber nachdem er einen Blick auf Helga geworfen hatte, die in ihrem Bett lag und sicher bald aufwachen würde, begann er, nach einem Sack zu suchen. Er fand einen im Hauptraum. Die Thronfolgerin wurde im Luxus großgezogen, mit goldenen Löffeln gefüttert, ihre Wiege war ein Vermögen wert, mit Satin und feinster Spitzenborte ausgekleidet und mit Juwelen besetzt. In einem Regal türmten sich die herrlichsten Spielsachen, für die das Kind noch zu klein war. Zahlreiche Kommoden standen an einer Wand, gefüllt mit so vielen Kleidern, aus denen sie schon herausgewachsen sein würde, bevor sie alle einmal getragen hatte.

Für die Kinderfrauen gab es keine Betten in der Kinderstube. Sie durften während der Arbeitszeit nicht schlafen, deshalb hatte die Prinzessin auch zwei Kinderfrauen. Jeder von ihnen war ein kleiner Raum zugeteilt, der an die Kinderstube grenzte, und dort schliefen sie, wenn sie nicht im Einsatz waren, und kümmerten sich um ihre eigenen Babys. In einer Ecke des Kinderzimmers fand Leonard einen Stapel Kissen in allen erdenklichen Größen, die wahrscheinlich zum Einsatz kamen, wenn das Kind auf dem Boden spielen durfte. Er zog eines der größeren hervor, schnitt es am Saum entlang auf und holte die Füllung heraus. Dann schnitt er drei kleine Luftlöcher in den Stoff. Das würde seinen Zweck erfüllen.

Er verlor keine Zeit und stopfte das Kind in die Kissenhülle, allerdings ganz vorsichtig, um es nicht zu wecken. Es war erst vier Monate alt. Wenn das Baby aufwachte, würde es bestimmt weinen. Er musste einen langen Flur und einen engen Korridor durchqueren, um zu der Treppe zu gelangen, die zu der Seitentür führte, durch die er hereingekommen war, und dabei noch zwei Wachen umgehen. An sich kein Problem, allerdings nur, solange das Baby nicht schrie.

Letzte Nacht hatte er ein Seil an der hinteren, von der Stadt abgewandten Mauer der Festung angebracht. Sein Pferd hatte er am Abend dort in einem kleinen Wäldchen angebunden. Er hatte diese Vorbereitungen getroffen, weil die Tore der Festung nachts geschlossen und schwer bewacht waren, und er brauchte einen anderen Fluchtweg. Doch die Schlossmauern stellten ebenfalls eine Herausforderung dar. Auch wenn sich Lubinia nicht im Krieg befand, patrouillierten dort in der Nacht zahlreiche Wachen.

Zum Glück schien der Mond diese Nacht nicht. Lampen erhellten den Schlosspark, aber das war ein Segen, denn sie erzeugten Schatten, in denen er sich verstecken konnte, während er eilig durch den Park huschte. Er kam ohne Zwischenfall zur Festungsmauer und stieg die schmale Treppe nach oben. Das Baby schlief noch; die Wachen befanden sich momentan an der vorderen Mauer. In wenigen Momenten würde Leonard das Schloss verlassen. Er hatte den improvisierten Sack an seinem Gürtel befestigt, denn er brauchte beide Hände, um an dem Seil hinabzuklettern. Der Sack schaukelte leicht auf dem Weg nach unten und schlug einmal an die Wand. Ein Wimmern drang aus dem Beutel – nicht laut, und niemand außer ihm konnte es hören.

Endlich war er in Sicherheit, auf seinem Pferd. Er verbarg den Sack im Inneren seiner Jacke. Es kam kein weiterer Laut mehr heraus. Er ritt schnell über die Berge, ritt, bis der Morgen anbrach. Schließlich hielt er auf einer offenen Lichtung an, weit genug entfernt von jeder Stadt, weit weg von Beobachtern oder Verfolgern. Die Zeit war reif. Er musste die Sache schnell zu Ende bringen. Seitdem er wusste, worum es bei diesem Auftrag ging, hatte er das Messer, das er verwenden wollte, jeden Tag geschärft.

Er holte das Bündel aus der Jacke, öffnete die Kissenhülle und ließ sie zu Boden fallen. Er hielt das schlafende Baby in einem Arm, zog das Messer aus seinem Stiefel und hielt die Klinge an den winzigen Hals. Dieses unschuldige Ding hatte es nicht verdient, zu sterben, derjenige, der ihn bezahlte, hingegen sehr wohl. Aber Leonard hatte keine Wahl. Er war nur das Werkzeug. Wenn er es nicht tat, würde ein anderer es tun. Zumindest konnte er es so schmerzlos wie möglich erledigen.

Er zögerte einen Moment zu lange.

Das Kind in seinem Arm war aufgewacht. Es blickte ihn direkt an – und lächelte.

Kapitel 1

Die lange Klinge bog sich, als Alana die Degenspitze fest auf die Brust des Mannes setzte, der vor ihr stand. Sie hätte ihn glatt erdolcht, hätten die beiden nicht gepolsterte Schutzwesten getragen.

»Du hättest diese Bewegung schon vor drei Minuten ausführen müssen«, sagte Poppie und nahm die Maske ab, so dass sie die Missbilligung in seinen scharfen blauen Augen erkennen konnte. »Was lenkt dich heute so ab, Alana?«

Entscheidungen, dachte sie, drei zu viel! Natürlich war sie abgelenkt. Wie konnte sie sich auf ihre Fechtstunde konzentrieren, wenn sie so viele Dinge im Kopf hatte? Sie musste einen Entschluss fassen, der ihr Leben veränderte. Von den drei völlig verschiedenen Richtungen, die sie einschlagen konnte, besaß jede ihren Reiz, und ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Seit heute war sie achtzehn Jahre alt. Sie konnte die Entscheidung nicht länger vor sich herschieben.

Ihrem Onkel war es immer so ernst mit diesen Fechtstunden. Es war jetzt nicht die Zeit, ihm von dem Dilemma zu erzählen, das sie so beschäftigte. Aber sie musste mit ihm darüber reden und hätte es auch schon viel früher getan, wenn er in den letzten paar Monaten nicht selbst so einen besorgten Eindruck gemacht hätte. Das war eigentlich nicht seine Art. Immer wenn sie ihn gefragt hatte, ob etwas nicht stimmte, hatte er sie mit einem Lächeln abgespeist und es verneint. Auch das war sonst nicht seine Art.

Es war ihr gelungen, ihre eigene Besorgnis vor ihm zu verbergen – bis heute. Er hatte ihr schließlich beigebracht, ihre Gefühle nicht zu zeigen. Im Laufe der Jahre hatte er ihr so viele merkwürdige Sachen beigebracht …

Ihre Freunde nannten ihren Onkel exzentrisch. Stellt euch vor, er unterrichtet sie im Gebrauch von Waffen! Aber sie verteidigte stets sein Recht darauf, anders zu sein. Er war immerhin kein Engländer. Ihre Freunde sollten also gar nicht erst versuchen, ihn mit Engländern zu vergleichen. Wegen der breiten Ausbildung, auf die Poppie Wert legte, hatte sie sogar ein paar Freunde verloren, aber das machte ihr nichts aus. Das versnobte Mädchen, das nebenan eingezogen war, lieferte das beste Beispiel für diese Engstirnigkeit. Als sie sich zum ersten Mal unterhielten, hatte Alana einige ihrer Studien erwähnt und erzählt, wie fasziniert sie von Mathematik wäre.

»Du klingst wie mein älterer Bruder«, hatte das Mädchen verächtlich erwidert. »Du und ich, was müssen wir schon von der Welt wissen? Wir müssen nur wissen, wie man einen Haushalt führt. Weißt du denn, wie man das macht?«

»Nein, aber ich kann einen Apfel, den jemand in die Luft wirft, mit der Spitze meines Degens aufspießen, bevor er auf den Boden fällt.«

Sie wurden niemals Freundinnen. Das war auch kein Schaden. Alana kannte genügend andere, die sie für ihre breit gefächerten Interessen und ihre Bildung bewunderten und dies daran festmachten, dass sie aus dem Ausland kam, wie auch Poppie, obwohl sie ihr ganzes Leben in England verbracht hatte und sich selbst als Engländerin betrachtete.

Poppie war natürlich nicht der richtige Name ihres Onkels, sondern der Name, den Alana ihm als kleines Kind gegeben hatte, denn sie tat gern so, als wäre er ihr Vater und nicht ihr Onkel. Sie war durchschnittlich groß und er nicht viel größer als sie. Auch wenn er schon Mitte vierzig war, machten sich keine Falten in seinem Gesicht bemerkbar, die das bezeugt hätten, und sein dunkelbraunes Haar war genauso dunkel wie immer.

Sein richtiger Name lautete Mathew Farmer, ein sehr englisch klingender Name, was angesichts seines ausgeprägten fremdländischen Akzents lustig war. Er gehörte zu den vielen europäischen Aristokraten, die während und direkt nach den Napoleonischen Kriegen den Kontinent verlassen hatten, um in England ein neues Leben zu beginnen. Er hatte Alana mitgenommen, denn er war ihr einziger Angehöriger.

Ihre Eltern waren gestorben, als sie noch ein kleines Kind war – tragischerweise in einem Krieg, in dem sie nicht einmal gekämpft hatten. Sie hatten versucht, Alanas Großmutter mütterlicherseits in Preußen zu besuchen, denn sie hatten erfahren, dass sie im Sterben lag. Auf der Reise wurden sie von übereifrigen Sympathisanten der Franzosen getötet, die sie für Feinde Napoleons hielten. Poppie vermutete, es lag daran, dass sie ganz offensichtlich Aristokraten waren und das einfältige niedere Volk alle Adligen als Feinde Frankreichs betrachtete. Er kannte die Details nicht, und es machte ihn traurig, darüber nachzudenken. Aber er hatte Alana so viel über ihre Eltern erzählt, als sie klein gewesen war, dass sie das Gefühl hatte, als besäße sie selbst eigene, echte Erinnerungen an sie.

Soweit sie sich erinnern konnte, war der Bruder ihres Vaters immer ihr Beschützer, ihr Lehrer, ihr Gefährte, ihr Freund gewesen. Er symbolisierte für sie alles, was man sich von einem Vater wünschen konnte, und sie liebte ihn wie einen Vater. Was ihren Eltern zugestoßen war, war entsetzlich, und dennoch empfand sie immer Dankbarkeit dafür, dass Poppie derjenige war, der sie aufgezogen hatte.

Da er reich war, stellte das Leben mit ihm eine Mischung aus Privilegien und Überraschungen dar. Alana hatte eine lange Reihe von Hauslehrern gehabt – so viele, dass sie aufgehört hatte, zu zählen. Jeder brachte ihr etwas anderes bei und jeder blieb nur für ein paar Monate. Lady Annette war die Einzige, die länger geblieben war. Poppie hatte die verarmte junge Witwe, die gezwungen war, sich eine Arbeit zu suchen, zunächst eingestellt, damit sie Alana beibrachte, was es bedeutete, eine Dame zu sein. Dann hatte er sie als Anstandsdame weiterbeschäftigt, und so gehörte Annette inzwischen seit neun Jahren zum Haushalt.

Im Alter von zehn Jahren hatte Alana mit dem Kampfsporttraining begonnen. Poppie selbst brachte ihr den Umgang mit verschiedensten Waffen bei. An dem Tag, als er sie zum ersten Mal in den Raum mitnahm, aus dem alle Möbel herausgeräumt waren und an dessen Wänden nun Degen, Dolche und Feuerwaffen hingen, erinnerte sie sich an etwas, was er einmal zu ihr gesagt hatte, als sie noch jünger gewesen war. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, sie würde es sofort wieder vergessen: »Früher habe ich Menschen getötet. Jetzt mache ich das nicht mehr.«

Sie wusste, dass Poppie in den Kriegen gekämpft hatte, mit denen Napoleon den Kontinent überzogen hatte, in denselben Kriegen, vor denen er sich nach England geflüchtet hatte, aber dies war eine seltsame Art, darauf zu sprechen zu kommen. An jenem Tag, als er den Degen in die Hand nahm, fragte sie ihn: »Ist das die Waffe, mit der du getötet hast?«

»Nein, aber ich trainiere an allen Waffen, und für diese hier braucht man am meisten Übung und größte Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Finesse, also hat das Training mehr als einen Nutzen. Aber was dich betrifft, so wirst du dabei lernen, Handgemenge zu vermeiden, worauf es ein Mann bei dir wahrscheinlich ankommen lässt, in dem Glauben, er könne dich mit seiner Körperkraft besiegen. So wirst du lernen, immer Abstand zu halten, egal welche Waffe du in der Hand hältst.«

»Aber wahrscheinlich werde ich den Degen doch niemals verwenden, um mich zu verteidigen?«

»Nein, du wirst keinen Degen tragen, um dich zu verteidigen. Dafür bekommst du eine Pistole.«

Das Fechten diente nur als eine Art Training, um sie fit zu halten. Das war Alana klar. Mit der Zeit freute sie sich auf diese Übungsstunden mit Poppie, die bildeten den Höhepunkt ihrer Tage. Im Gegensatz zu manchen anderen Lehrern war er immer ruhig und geduldig mit ihr.

Annette hatte ihre Anstellung aufs Spiel gesetzt, als sie Poppie aufgrund der neuen Entwicklung in Alanas Ausbildung zur Rede stellte. Alana hatte nur das Ende des Wortgefechts mitgehört, als sie eines Tages an Poppies Arbeitszimmer vorbeigegangen war. »Waffen? Guter Gott, sie ist doch jetzt schon so vorlaut und eigensinnig, und du gibst ihr auch noch Waffen in die Hand?! Du erziehst sie wie einen Jungen. Wie soll ich das denn so spät noch ausgleichen?«

»Ich erwarte nicht, dass du es ausgleichst«, hatte Poppie ruhig erwidert. »Ich erwarte, dass du ihr beibringst, dass sie die Wahl hat, wie sie mit anderen Menschen umgeht. Was du als vorlaut bezeichnest, oder vielleicht sogar als männlich, kann ihr nur zugutekommen.«

»Aber es ist nicht damenhaft, nicht im mindesten!«

Poppie hatte kurz aufgelacht. »Es genügt, dass du ihr Manieren und all die anderen Dinge beibringst, die eine Dame wissen sollte. Vergiss nicht, dass du hier nicht eine Lady aus dem Nichts zaubern musst. Sie ist bereits eine Lady von höchstem Format. Und ich werde ihr die richtige Ausbildung nicht deshalb vorenthalten, weil sie eine Frau ist.«

»Aber sie stellt alles infrage, was ich ihr beizubringen versuche, genau wie ein Mann!«

»Das ist schön, zu hören. Ich habe sie gelehrt, eine Situation gründlich oder sogar übergenau zu analysieren. Wenn ihr irgendetwas merkwürdig erscheint, soll sie es nicht achselzuckend übergehen, sondern herausfinden, warum. Ich habe größtes Vertrauen, dass du ihre Ausbildung weiterführen wirst, ohne zunichtezumachen, was sie bereits gelernt hat.«

Mit dieser Bemerkung, die wie eine Warnung klang, war die Diskussion beendet gewesen.

Jetzt trat Alana einen Schritt zurück und ging zur Wand, um ihre Waffe wegzulegen. Es war Zeit, Poppie zu sagen, was sie so beschäftigte. Sie konnte es nicht länger vor sich herschieben.

»Ich muss einige unerwartete Entscheidungen treffen, Poppie. Können wir heute beim Abendessen darüber sprechen oder wenn ich vom Waisenhaus zurückkomme?«

Sie wusste, dass er die Stirn runzeln würde. Er hatte es ihr zwar nicht verboten, aber er mochte es nicht, wenn sie ins Waisenhaus ging, auch wenn es sich um sein Waisenhaus handelte. Als sie letztes Jahr von dieser Einrichtung erfahren hatte, die er bald nach ihrer Ankunft in London gegründet hatte und seither finanziell unterstützte, konnte sie es kaum glauben. Sie verstand nicht, warum er ihr nie davon erzählt hatte. Weil ihre Erziehung darauf abzielte, aus ihr eine Lady zu machen? Und Ladys sich nicht mit Straßenkindern gemeinmachen sollten? Aber seine Erklärung war simpel.

»Ich habe mir hier ein neues Leben aufgebaut, ich habe eine zweite Chance bekommen. Ich hatte nicht das Gefühl, es wirklich verdient zu haben. Also wollte ich etwas zurückgeben, indem ich versuche, anderen dieselben Chancen auf ein neues Leben einzuräumen, die auch ich bekam. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich festgestellt habe, dass diejenigen, die meine Hilfe am nötigsten brauchen, die Hoffnungslosesten sind, nämlich die obdachlosen Straßenkinder.«

Ein hehres Ziel. Sollte sie da etwa weniger tun? Es kam ihr völlig selbstverständlich vor, dort zu unterrichten. Während ihrer Ausbildung hatte sie so viele verschiedene Themen kennengelernt und so viele Fähigkeiten erworben, dass sie weit besser qualifiziert war als alle anderen Lehrer dort. Und sie liebte das Unterrichten. Ob sie weiter im Waisenhaus als Lehrerin arbeiten würde, war eine der Entscheidungen, die sie treffen musste, denn das Unterrichten war in keiner Weise mit den anderen beiden Wegen vereinbar, die sie einschlagen konnte.

»Ich habe ebenfalls eine Entscheidung getroffen«, erklärte Poppie, während er hinter ihr stand. »Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag so folgenschwer für dich wird, aber die Sache duldet keinen Aufschub mehr. Komm jetzt gleich in mein Büro!«

Gütiger Gott, sollten sich ihr etwa noch weitere Wahlmöglichkeiten eröffnen? Alana drehte sich abrupt um und bemerkte, wie unglücklich er aussah. Er konnte die Furcht in ihren graublauen Augen nicht erkennen, denn sie hatte ihre Fechtmaske noch nicht abgesetzt. Folgenschwer? Das klang so viel wichtiger als ihr eigenes Dilemma.

Er wandte sich zur Tür und erwartete, dass sie ihm folgte. »Warte, Poppie! Die Kinder haben eine Geburtstagsfeier für mich vorbereitet. Sie werden sehr enttäuscht sein, wenn ich heute nicht ins Waisenhaus komme.«

Er antwortete nicht gleich. Musste er erst darüber nachdenken? Wenn ihm diese Kinder genauso wichtig waren wie ihr?

Schließlich sagte er: »Na gut, aber bleib nicht zu lange!«

Er verließ den Raum, bevor er ihr zögerliches Nicken sehen konnte. Mechanisch legte sie die Maske ab, die gepolsterte Weste und das Band, das ihr langes schwarzes Haar hinten zusammenhielt. Jetzt hatte sie wirklich Angst.

Kapitel 2

Nicht einmal auf der Geburtstagsfeier konnte Alana sich entspannen oder aufhören, daran zu denken, was ihr bevorstand. Ganz im Gegenteil: Das Gezänk der Kinder brachte sie fast zur Verzweiflung, so dass sie Henry Mathews anfuhr: »Muss ich dir gleich die Ohren langziehen?«

Henry war einer ihrer Lieblinge. Viele Kinder im Waisenhaus, die ihren richtigen Namen nicht kannten, hatten mit Poppies Erlaubnis seinen Nachnamen angenommen. Henry hingegen sollte einen besonderen Namen bekommen und hatte als solchen Poppies Vornamen gewählt.

Henry war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Er hatte nicht nur seine hohe Intelligenz bewiesen, da er alles, was man ihm beibrachte, äußerst schnell begriff. Er hatte auch ein Talent entdeckt und entwickelt, das ihm nach seiner Zeit im Waisenhaus sehr nützlich sein würde. Er konnte die wundervollsten Sachen aus Holz schnitzen: Ornamente, Menschen- und Tierfiguren. Er hatte Alana eine Schnitzerei von ihr selbst geschenkt. Sie war sehr gerührt gewesen, als er sie ihr in die Hand drückte und dann vor lauter Verlegenheit schnell davonrannte. Zum Dank hatte sie ihn auf einen Ausflug in den Hyde Park mitgenommen und ihm gesagt, er solle ein paar seiner Schnitzereien mitnehmen. Einer der Verkäufer dort hatte Henry einige Pfund dafür gegeben, mehr Geld, als er je zuvor in der Tasche gehabt hatte. Dies konnte ihn schließlich überzeugen, dass sein Talent etwas wert war.

Jetzt hatte sie ihn bei einer Rauferei mit einem kleineren Jungen erwischt, es ging um eine seiner Schnitzereien. Doch auf ihre Drohung hin grinste er sie nur frech an. »Würden Sie nie machen! Sie sind viel zu nett.«

Nein, das würde sie auch nicht. Sie kannte bessere Methoden. Sie warf ihm einen enttäuschten Blick zu. »Ich dachte, du hättest gelernt, deine Schnitzereien mit jenen zu teilen, die weniger wohlhabend sind als du.«

»Der is’ nich’ weniger …«

»Wir waren uns doch einig, dass es richtig ist, großzügig zu sein«, erinnerte sie ihn.

Henry zog den Kopf ein. Aber er schob den Spielzeugsoldaten zu dem Jüngeren hinüber, der sofort damit weglief.

»Wenn der ihn kaputt macht, brech’ ich ihm den Hals«, murmelte Henry.

»Tss, tss!«, entfuhr es Alana. »Vielleicht sollten wir noch etwas an deiner Einstellung arbeiten? Deine Großzügigkeit sollte dein Herz erwärmen, vor allem, weil du dieses Spielzeug leicht ersetzen kannst.«

Henry sah sie leidend an. »Ich hab’ vier Stunden dafür gebraucht. Ich bin am Abend lang aufgeblieben, dann am nächsten Tag in der Schule eingeschlafen und wurde bestraft. Der hat ihn einfach aus meiner Truhe genommen. Sie sollten lieber dem beibringen, dass man nicht stiehlt, und nicht mich zwingen, etwas herzuschenken, wofür ich so hart gearbeitet hab’!«

Alana seufzte und streckte eine Hand aus, um ihn daran zu hindern, wegzulaufen, aber Henry war zu schnell. Sie war zu streng mit ihm gewesen. Ihre Sorgen galten nicht als Ausrede. Sie würde sich morgen bei ihm entschuldigen, aber jetzt musste sie nach Hause.

Doch Henry kam zur Tür, als sie gerade ihren Umhang umlegte, und schlang seine Arme um ihre Taille. »Ich hab’s nicht so gemeint, ehrlich nicht!«, beteuerte er.

Sie tätschelte seinen Kopf. »Ich weiß, und außerdem muss eigentlich ich mich entschuldigen. Ein Geschenk ist kein Geschenk, wenn man es nicht freiwillig gibt. Ich hole dir dein Spielzeug morgen zurück.«

»Hab’s schon wieder zurück«, erklärte er und ließ sie los. »Der wollte mich nur ärgern. Ist gleich zurück in den Schlafsaal und hat es auf mein Bett geworfen. Dabei war es doch für Sie, Frau Lehrerin, zu Ihrem Geburtstag. Die andere Schnitzerei kann doch nicht allein bleiben, oder?«

Sie nahm das Holzmännchen, das er ihr entgegenstreckte. Der kleine Soldat war sorgfältig bis ins kleinste Detail gearbeitet. Sie lächelte: »Siehst du mich mit einem Soldaten zusammen?«

»Soldaten haben Mut. Und davon muss ein Mann auch eine ganze Menge haben …«

Sie verstand, was er sagen wollte, und unterbrach ihn mit einem Lachen. »Jetzt komm, so furchteinflößend bin ich doch nicht, dass ein Mann mutig sein müsste, um mich zu heiraten!«

»Das ist es nicht, sondern das, was du hier oben hast.« Er tippte sich an den Kopf. »Frauen sollten nicht so schlau sein, wie du es bist.«

»Mein Onkel ist da anderer Meinung. Er hat für meine Ausbildung gesorgt. Und wir leben in aufgeklärten Zeiten, Henry. Männer sind nicht mehr die Barbaren, die sie früher waren. Sie haben ihre Augen geöffnet.«

Er grübelte eine Weile darüber nach, dann sagte er: »Wenn Mathew Farmer das meint, dann wird das auch so sein.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Keine weiteren Argumente, um deine Behauptung zu untermauern?«

»Nein, Ma’am.«

Seine schnelle Antwort brachte sie zum Lachen. Die Kinder vergötterten ihren Onkel. Natürlich würden sie bei allem, was er sagte oder tat, niemals widersprechen.

Sie fuhr Henry durchs Haar. »Ich werde den Soldaten jedenfalls zu der anderen Holzfigur stellen. Er soll ihr Beschützer sein. Das wird ihr gefallen.«

Er strahlte sie an und lief wieder davon. Henry hatte gerade die Entscheidung für sie getroffen, stellte sie fest. Wie könnte sie jemals aufhören, hier zu unterrichten?

Ein kühler Windstoß hätte ihr beinahe die Mütze vom Kopf geweht, als sie hinaustrat und zu der wartenden Kutsche eilte. Sie hoffte, dass Mary die Kohlenpfanne angeheizt hatte. Mary war erst Alanas Kinderfrau, dann ihr Dienstmädchen und ab und an ihre Anstandsdame gewesen, aber sie wurde langsam alt. Sie hätte auch hereinkommen und im Waisenhaus auf sie warten können, aber sie zog die Ruhe in der Kutsche vor, wo sie ungestört stricken konnte.

Alana erschien es albern, dass die Kutsche am Straßenrand auf sie wartete. Sie hätte sie auch einfach zu einer verabredeten Zeit abholen können. Aber die Kutsche wartete hier auf Poppies Geheiß. Alana sollte niemals irgendwo warten müssen und niemals das Haus ohne ihre Entourage verlassen, zu der zwei Lakaien und eine Anstandsdame gehörten.

Im ersten halben Jahr von Alanas Tätigkeit im Waisenhaus hatte Lady Annette als ihre Anstandsdame fungiert. Obwohl sie Mildtätigkeit generell guthieß, war sie strikt dagegen, dass Alana dort täglich Unterricht abhielt, da es wie eine »Arbeit« aussah. Doch Annette hatte die Waisenkinder genauso liebgewonnen wie Alana und schließlich selbst begonnen, einige Klassen zu unterrichten. Es schien ihr Freude zu bereiten, bis Lord Adam Chapman eines Tages auf sie zukam, als sie gerade gehen wollten.

»Alana?«

Der Lakai, der ihr die Kutschentür aufhielt, schloss sie wieder, damit Mary nicht frieren musste, als die Angesprochene sich umdrehte. Wenn man vom Teufel spricht, dachte sie leicht amüsiert. Adam zog den Hut vor ihr. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer wohl, wofür sie seine Freundlichkeit und seinen wunderbaren Sinn für Humor verantwortlich machte.

»Ich habe nicht vergessen, was für ein Tag heute ist«, verkündete Lord Chapman und reichte ihr einen Strauß gelber Blumen. »Ein folgenschwerer Tag für die meisten jungen Damen.«

Sie wünschte, er hätte das Wort folgenschwer nicht verwendet. Es erinnerte sie daran, was sie zu Hause erwartete.

»Danke«, erwiderte sie. »Aber woher in Gottes Namen hast du diese Blumen, zu dieser späten Jahreszeit?!«

»Ich habe so meine Quellen.« Er grinste verschwörerisch, dann musste er lachen und gab zu: »Meine Mutter betreibt ein Gewächshaus – oder eher ihre Gärtner. Sie selbst würde sich wohl kaum die Hände mit Dünger und Erde schmutzig machen.«

Seine Eltern lebten in Mayfair, aber Adam hatte erzählt, er besäße eine eigene Wohnung in derselben Straße, in der auch das Waisenhaus stand. Ein oder zwei Mal die Woche kam er vorbei. Er blieb immer stehen, um sich mit Alana zu unterhalten, lauschte interessiert ihren Anekdoten über die Kinder und erzählte hier und da etwas aus seinem Leben.

Eigentlich hatte Annette die beiden bekanntgemacht. Sie hatte ihn zuerst kennengelernt, bevor sie Lord Hensen geheiratet hatte. Eines Nachmittags hatten Alana und Annette ihn vor dem Waisenhaus getroffen, als sie gerade gehen wollten, und er hatte Annette warmherzig begrüßt. Seither kam er regelmäßig vorbei, um sie wiederzusehen, doch Annette verhielt sich, bei aller Höflichkeit, jedes Mal sehr kühl und distanziert. Trotz Alanas bohrenden Fragen wollte sie ihr nicht verraten, warum. Aber sie begleitete Alana bald nicht mehr zum Waisenhaus, was Adam jedoch nicht davon abhielt, weiterhin seine Aufwartung zu machen.

Alana hatte sich geschmeichelt gefühlt, als er seine Aufmerksamkeit ihr zuwandte. Wie hätte es auch anders sein können, so gut aussehend und charmant, wie er war? Er war Anfang dreißig, im selben Alter wie Annette, sah aber viel jünger aus.

Alana dachte darüber nach, ob sie Adam wieder einmal zum Dinner einladen sollte, damit er Poppie kennenlernen könnte, aber – nein, nicht heute. Sie hatte ihn schon ein paarmal eingeladen, aber die Wahl des Zeitpunkts war nie günstig gewesen, da er jedes Mal schon anderweitig verabredet war. Aber bald.

Es war inzwischen allerdings zu kalt für diese kleinen Plaudereien am Straßenrand, und auch Mary musste das Gleiche gedacht haben, denn sie öffnete die Wagentür und ermahnte Alana: »Es ist Zeit, zu fahren, meine Liebe.«

»In der Tat«, pflichtete Adam bei und nahm ihre Hand, um ihr in die Kutsche zu helfen. Dann sagte er mit fröhlichem Grinsen: »Bis zum nächsten Mal, an dem sich unsere Wege treffen!«

Alana lachte, als sie die Tür zuzog. Ihre Treffen wirkten stets wie zufällige Begegnungen, aber das waren sie nicht. Er wusste genau, wann sie das Waisenhaus verließ, und genau dann kam er vorbei, um sich mit ihr am Straßenrand zu unterhalten.

Als Sohn eines Grafen, aus einer reichen Familie, verkörperte Adam die Art von jungem Mann, die Poppie gewiss gutheißen würde. Und heute hatte er ihr Blumen geschenkt! Das war ganz bestimmt ein Zeichen, dass er bereit war, in ihrer Beziehung einen Schritt weiter zu gehen. Hatte er womöglich nur gewartet, bis sie achtzehn wurde, um dann um sie zu werben? Gut möglich. Letzten Monat hatte er sogar das Wort Heirat erwähnt, obwohl Alana ziemlich sicher war, dass es nur darum ging, dass für ihn langsam die Zeit kam, darüber nachzudenken. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, warum er überhaupt davon angefangen hatte. Jedenfalls war er somit zu ihrer zweiten Entscheidung geworden – oder besser gesagt: zu ihrer künftigen Entscheidung, falls er jetzt begann, ihr nach allen Regeln des Anstands den Hof zu machen.

Kapitel 3

Alana war selten nervös. Vielleicht war sie einmal etwas angespannt, bevor ein neuer Hauslehrer kommen sollte, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt empfand, als sie den Flur zu Poppies Büro entlanglief. Was, wenn er darauf bestand, dass ihre Zukunft so auszusehen hatte, wie Lady Annette es für sie bereits seit zwei Jahren vorsah? Annette hatte Alana auf ihr Debut in der Londoner Gesellschaft vorbereitet. Sie nahm an, dass Alana dasselbe wollte wie alle anderen jungen Ladys in ihrem Alter. Alana hatte sich auch gefreut auf die endlosen Runden von Bällen und Dinnerpartys, auf denen sie potenzielle Verehrer treffen würde – allerdings bevor sie entdeckt hatte, wie lohnend auch andere Tätigkeiten sein konnten, was sie zuvor noch nicht für möglich gehalten hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihre Arbeit im Waisenhaus aufzugeben.

Aber sie wusste, dass diese beiden Welten nicht vereinbar waren. »Du wirst das Unterrichten aufgeben müssen, das weißt du«, hatte Annette sie kürzlich vorgewarnt. »Du hast ein Jahr dort verbracht, was sehr generös von dir war, aber mit deiner Zukunft hat das nichts zu tun.«

Und ihre Freundin Harriet, die jüngere Schwester einer älteren Freundin von Annette, hatte Annettes Warnungen wiederholt: »Glaub nur nicht, dass dein Ehemann dir erlaubt, so freigiebig mit deiner Zeit umzugehen! Er wird erwarten, dass du zu Hause bleibst und eure eigenen Kinder aufziehst.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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