Geheimbünde. 100 Seiten - Helmut Reinalter - E-Book
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Geheimbünde. 100 Seiten E-Book

Helmut Reinalter

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Beschreibung

Seit jeher fasziniert die Menschen, was im Verborgenen geschieht. Wen wundert es also, dass Geheimbünde wie die Illuminaten, die Freimaurer oder die Mafia in Filmen, Literatur und Populärkultur so präsent sind? Dabei hatten viele der betreffenden Organisationen ganz pragmatische Gründe dafür, dass sich ihre Mitglieder nicht zu erkennen gaben oder dass der Beitritt mit einem komplizierten Initiationsritual verbunden war. Helmut Reinalter stellt die wichtigsten Geheimbünde aus Geschichte und Gegenwart vor, räumt dabei mit verbreiteten Mythen auf und erklärt, warum entsprechende Verschwörungstheorien noch heute Konjunktur haben.

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Seitenzahl: 112

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Helmut Reinalter

Geheimbünde. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung nach einem Konzept von zero-media.net

Infografiken: annodare GmbH, Agentur für Marketing

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961544-8

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020542-6

www.reclam.de

Inhalt

Vorwort: Geheimnis, Geheimwissen, GeheimgesellschaftOkkultismusVerschwörungen – VerschwörungstheorienGeheimbünde im Europa der NeuzeitAfrikanische und asiatische GeheimbündeIslamische GeheimbündeGeheimbünde in der englischsprachigen WeltMacht und Bedeutung der GeheimbündeLektüretippsBildnachweisZum AutorÜber dieses BuchLeseprobe aus Mafia. 100 Seiten

Vorwort: Geheimnis, Geheimwissen, Geheimgesellschaft

Geheimbünde machen Weltpolitik, heißt es in zahlreichen literarischen Werken und Sachbüchern immer wieder. Dahinter steckt die Vorstellung, dass es grundsätzlich geheime Mächte sind, die Politik gestalten und bestimmen. Nicht selten verdichten sich solche Behauptungen zu der Verschwörungstheorie, dass die ganze Welt von konspirativen Kräften und Gruppierungen gelenkt werde. Das Geheimnis besitzt einen Zauber, es übt eine besondere Anziehungskraft auf uns aus. Manchen Menschen war und ist es ein Bedürfnis, sich durch den Besitz eines Geheimnisses, egal welcher Prägung, von ihren Mitmenschen zu unterscheiden. Dies trifft besonders bei Initiationsriten bzw. -prüfungen zu, die eine Gemeinschaft zusammenschweißen können. In der nicht informierten breiteren Öffentlichkeit hingegen wird unter Initiation meist etwas Düsteres, Phantastisches, Unheimliches verstanden, das daher häufig abgelehnt wird.

Die Begriffe ›geheim‹ und ›Geheimnis‹ beschreiben Kenntnisse, die der Allgemeinheit verborgen sind und auf einen engen Kreis von Wissenden beschränkt bleiben. Der Begriff ›Geheimlehre‹ wiederum bezeichnet eine esoterische Lehre, die nach innen gerichtet ist. Meist enthält sie religiöse oder philosophische Ideen, die den ›Uneingeweihten‹ nicht mitgeteilt werden dürfen. Als geheim wird häufig auch ganz allgemein das verstanden, was rational nicht erklärt werden kann.

Will man die Geheimbünde typologisch einteilen, so muss man auf äußerliche und inhaltliche Unterscheidungskriterien zurückgreifen. Für die meisten Geheimbünde ist die Struktur der Geheimhaltung von besonderer Bedeutung, wobei sich diese auf ganz verschiedene Aspekte beziehen kann. Die Mitglieder von Geheimgesellschaften kennen sich zwar untereinander, treten aber in der Öffentlichkeit nicht als Gruppe auf. Die Geheimhaltung kann auch gesellschaftliche Gründe haben, insbesondere dann, wenn der betreffende Geheimbund kritisiert und vielleicht sogar verfolgt wird. Wenn die Geheimhaltung die Inhalte betrifft, geht es meistens um die Ziele, Rituale und Symbole der Organisation. Manchmal kann sich die Geheimhaltung auch nur auf sehr begrenzte Bereiche beziehen, oder sie ist bei gewissen Sachverhalten oder Erfahrungen notwendig, weil manches spirituelle Phänomen schlicht nicht in Worten mitgeteilt werden kann. Dies trifft etwa auf Mysterien und Initiationen zu.

Eine Typologie der Geheimbünde kann schließlich auch nach ihrer gesellschaftlichen Zuordnung bzw. Einbindung vorgenommen werden. Gemeint ist hier vor allem der Grad ihrer ›Realität‹, d. h. ihr inneres Leben. Eine weitere Möglichkeit der Unterscheidung ist die zwischen Männer- und Frauenbünden. Aus soziologischer Sicht bieten sich noch zusätzliche Kategorien für Geheimbünde an: Sie können philanthropisch-humanitäre, revolutionäre und reformerische, politisch-patriotische, religiöse, mystische und okkulte, militärische und ritterliche, gesellige und auch kriminelle Organisationen sein.

Das Wort ›geheim‹ tritt seit dem 15. Jahrhundert als Adjektiv im deutschen Sprachraum auf. Darunter verstand man ursprünglich ›zum Haus gehörig‹, ›vertraut‹. Man fasst das Geheimnis auch unter dem Begriff ›Esoterik‹ zusammen, die sich vom ›Mysterium‹ wie folgt unterscheidet: Das esoterische Geheimnis wird bewusst verborgen, während das Mysterium nicht rational erklärt werden kann. Das Geheimnis stellt eine im Grunde sensible Information dar, die nur Eingeweihte kennen. Im politischen Bereich hat der Begriff auch die Bezeichnung ›klandestin‹, ein Wort, das vom Lateinischen clandestinus (›heimlich, geheim‹) hergeleitet wird. Das Geheimnis ist daher den Mitgliedern der Geheimbünde ein Anliegen, denn es bietet auch einen Schutz gegenüber der profanen Gesellschaft.

Die akademische Disziplin ›Geheimwissenschaft‹ versteht sich als Lehre von den dunklen, dem Verstand nicht zugänglichen Gründen der Natur und des menschlichen Lebens. Von Geheimwissenschaften ist auch bisweilen im Sinne des »offenbaren Geheimnisses« nach Johann Wolfgang von Goethe die Rede. Gemeint ist eine Wissenschaft, die den Sinnen verborgen bleibt. Meist werden unter ›Geheimwissenschaften‹ zwei oder mehrere Geheimlehren zusammengefasst, darunter die ideengeschichtlich älteren Geheimlehren der Magie und Astrologie in der Antike und im Mittelalter sowie die jüngeren Lehren der Alchemie, Theosophie und Kabbala in der Neuzeit. Die jüngeren Geheimlehren werden als theistische Spekulationen eingestuft, die Pansophie war pantheistisch oder panentheistisch ausgerichtet. Sie waren beeinflusst von den kosmologischen, theologischen und jüngeren philosophischen Spekulationen über die Natur sowie den Lehren der Gnosis und des Neuplatonismus. Im Mittelalter spaltete sich die ursprünglich als Einheit aufgefasste Magie in eine »weiße« (göttliche) und in eine »schwarze« (satanische).

Geheimgesellschaften bzw. Geheimbünde waren und sind Vereinigungen, die im bereits erwähnten Sinne ihre Ziele, Struktur und Aktivitäten bewusst geheim halten. Viele Geheimbünde gehören zu den gnostisch-theosophischen oder alchemistisch-pansophischen Ideenrichtungen. Bezüglich ihrer Entstehung, Zielsetzung, Organisation und auch ihrer Handlungen unterscheiden sie sich voneinander, teilen aber ihre sogenannten Geheimnisse. Ihre Ziele und Interessen können esoterisch, aufklärerisch, politisch, religiös oder auch kriminell sein. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung betrifft die Namen, die Anzahl der Mitglieder, die Führung, die hierarchische Struktur, die Ziele und Aktivitäten, aber auch die Treffpunkte, die Aufnahmeriten, die vorhandenen Dokumente; teilweise wird auch eine symbolische Geheimsprache entwickelt.

Geheimbünde sind nicht auf bestimmte Regionen, Kulturen und Epochen beschränkt, sondern finden sich in zahlreichen Ländern der Welt. Unter der großen Anzahl von Geheimgesellschaften muss aber zwischen Geheimbünden mit exoterischen (nach außen gerichteten) und esoterischen (nach innen gerichteten) Zielen grundsätzlich unterschieden werden. Ein exoterisches Ziel wäre etwa ein politischer Umsturz, ein esoterisches die Suche nach Erkenntnis. In der Forschung wird betont, dass Geheimbünde als Träger von Geheimlehren so alt sind wie die menschliche Kultur. So gab es bereits in vorchristlicher Zeit kultische Geheimbünde mit Mysterien, wie z. B. den Dionysoskult in Rom oder die ägyptischen Gottheiten, in der römischen Welt sind Isis und Osiris, Kybele und Dea Syria sowie der Mithraskult zu nennen. Trotz ihrer Unterschiede wiesen diese Mysterienkulte auch Gemeinsamkeiten auf. Dazu gehörten die Arkandisziplin und der geheime Charakter ihrer Initiationen, Kultzentren, Jenseitserwartungen und Lebenshaltungen.

Geheimbünde sind, wie bereits angedeutet, nicht nur in Europa zu finden, sondern auch bei vielen außereuropäischen Völkern in unterschiedlichsten Orientierungen und Ausprägungen. Sie existierten bereits sehr früh in den ostasiatischen Hochkulturen Chinas und Japans. Auch im Kulturraum Ozeanien waren sie vorhanden, etwa in Polynesien und Melanesien, in Neuguinea. In Afrika spielten sie eine besonders wichtige Rolle, beispielsweise der Nyau-Kult in Südostafrika oder andere Gruppen in Westafrika. Auch unter einigen nordamerikanischen Stämmen existierten zahlreiche Geheimgesellschaften.

Ich persönlich finde das Thema Geheimbünde sehr spannend, weil diese im Hintergrund und Untergrund tätigen Kräfte die allgemeine Geschichte oft beeinflusst haben, in den Handbüchern aber kaum erwähnt werden. Da mein Geschichtsverständnis, also meine Auffassung von Geschichtsforschung und meine Forschungsinteressen, sich mehr auf historische Tiefendimensionen und Kräfte bzw. Bewegungen konzentrierten, die die Geschichte verändert haben, bin ich auf dieses komplexe Thema gestoßen.

Okkultismus

Eng mit den Geheimlehren und dem Geheimwissen hängen auch der Okkultismus und der Obskurantismus zusammen, zwei Begriffe, die in Verschwörungstheorien – wie Geheimbünde insgesamt – eine gewisse Konjunktur haben. Der zweite Begriff wurde von Aufklärern des 18. Jahrhunderts als rhetorisches Mittel benutzt. Man verstand darunter eine oft metaphysische oder auch religiöse Denkweise, die im Gegensatz zu den Ideen der Aufklärung stand. Der Begriff Obskurität wurde vom lateinischen obscuritas (›Dunkelheit, Unverständlichkeit‹) abgeleitet. Nach 1790 wurde diese Bewegung von den Aufklärern als ›Obscurantismus‹ bezeichnet.

Unter ›Okkultismus‹ versteht man eine unscharfe Sammelbezeichnung für Verborgenes, Verdecktes und Geheimes, für Praktiken und weltanschauliche Systeme. Der Begriff fand auch für unterschiedliche esoterische Strömungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Verwendung; bei den Gegnern des Okkultismus hatte er immer einen abwertenden Unterton, eine abwertende Konnotation. Schon im 16. Jahrhundert kam der Begriff ›okkulte Philosophie‹ auf. Wahrscheinlich ging er auf den Gelehrten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535) zurück, der darunter die Elemente der Hermetik, des Neuplatonismus und der christlichen Kabbala zusammenfasste. Ein bedeutsamer Vertreter dieser philosophischen Richtungen war Giovanni Pico della Mirandola (1463– 1494), der wie Agrippa versuchte, das hermetische, hebräische und klassische philosophische Wissen zusammenzutragen, um es dann mit der christlichen Theologie zu verbinden. Diese okkulte Philosophie wurde zur Zeit der Renaissance zunächst durchaus positiv gesehen. Später stand sie unter starker Kritik und wurde wegen ihrer Theurgie denunziert: Gemeint ist ihre Lehre von Wundern mit Gotteshilfe bzw. der magischen Gestaltung zu guten Zwecken, die der kirchlichen Haltung widersprach.

In der Gegenreformation bekamen die Gegner des Renaissance-Neuplatonismus und der damit verbundenen okkulten Strömungen Aufwind. Im 16. Jahrhundert sprach man dann sogar von okkulten Wissenschaften; gemeint waren die Astrologie, Alchemie und Magie. Zur Zeit der Aufklärung wurde der Okkultismus als antiaufklärerisch abgelehnt. Die okkulten Spekulationen kulminierten in Helena Blavatskys synkretistischem Werk Die Geheimlehre (1888). Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff Okkultismus dann sehr häufig synonym für das Wort Esoterik verwendet. Dabei haben sich zwei Richtungen herausgebildet: der empirische und der esoterische Okkultismus. Die erste Richtung beschäftigte sich mit okkulten Erscheinungen und wollte sie wissenschaftlich begründen, die zweite Variante setzte sich mit dem ›Geheimwissen‹ auseinander, das nur für Eingeweihte zugänglich war.

Helena Blavatsky (1831–1891), die Mitbegründerin der Theosophischen Gesellschaft

Schon im 19. Jahrhundert, dann aber besonders im 20. Jahrhundert wurde der Okkultismus als Gegenbewegung zur Moderne eingestuft und als vernunftfeindlich ausgelegt. Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno hat in seinen Minima Moralia (1951) von einer »Rückbildung des Bewusstseins« und von einer »Metaphysik der dummen Kerle« gesprochen. Andererseits haben Vertreter der esoterischen Strömung immer wieder Versuche gemacht, den Okkultismus auch als Bestandteil der Moderne darzustellen. Begründet wird dies mit dem Hinweis, dass die Okkultisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sich nicht gegen den wissenschaftlichen Fortschritt gestellt hätten. Zu dieser Richtung zählte auch Rudolf Steiner mit seinem theosophischen Denken.

Mit dem Okkultismus entstanden Verschwörungstheorien, die sich bis in die Zeit des Nationalsozialismus hielten. Auch Adolf Hitler wurde okkultes Wirken zugeschrieben; zudem hat man ihn mit dem Satanismus in Verbindung gebracht. Innerhalb des in der Zwischenkriegszeit und nach 1945 erschienenen Schrifttums vor allem über den »Nazi-Okkultismus« ist das Buch von Louis Powels und Jacques Begier, Aufbruch ins dritte Jahrtausend (1962), hervorzuheben. In dieser Schrift wurde die Behauptung aufgestellt, dass die Nationalsozialisten Kontakt zu einer geheimnisvollen unterirdischen Zivilisation hergestellt hätten. Die beiden Autoren behaupteten, in Berlin sei eine »Vril-Gesellschaft« mit dem Ziel gegründet worden, eine neue Menschenrasse zu schaffen. Auch die Thule-Gesellschaft habe dabei eine wichtige Rolle gespielt, indem sie geheimes Wissen vermittelt habe. Dabei berief man sich auf Kontakte der Thule-Gesellschaft zu einem geheimen Klosterorden in Tibet. Der »Okkult-Mythos« wurde nach 1945 zur Propagierung rechtsextremer Ziele instrumentalisiert. Dabei kam es zu einer Vermengung von Rechtsextremismus und esoterischen Lehren.

Okkultistische Lehren und Praktiken haben auch heute großen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst. Schriftsteller und Künstler greifen immer wieder okkultistische Ideen und Erfahrungen auf. Auch Kinofilme widmen sich immer häufiger okkultistischen Motiven. Sogar die Alternativmedizin verwendet manchmal Praktiken aus dem Bereich des Okkultismus. Beispielsweise gibt es Filme über die Esoterik und die religiösen Züge des Nationalsozialismus sowie bestimmte Heilungslehren, die sich auf Planeten, Farben, Mondphasen, Edelsteine und Tierkreiszeichen berufen.

Verschwörungen – Verschwörungstheorien

Wie bereits erwähnt, spielen Geheimbünde auch bei Verschwörungen und besonders in Verschwörungstheorien eine zentrale Rolle. Auffällig ist, dass Verschwörungstheorien besonders in Zeiten von militärischen Niederlagen und Revolutionen, bürgerkriegsähnlichen Konflikten und politischen wie wirtschaftlichen Krisen entstehen. In solchen Situationen, die das Gefühl von Angst und Unsicherheit hervorrufen, suchen Verschwörungstheoretiker gern nach möglichen Verursachern bzw. Sündenböcken, die dämonisiert und für den Zustand der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden. Selbstverständlich gab es in der Weltgeschichte immer wieder auch tatsächlich Verschwörungen, die man von Verschwörungstheorien unterscheiden muss.

Unter dem Begriff Verschwörungstheorie versteht man heute den Versuch, Ereignisse, Zustände, Zusammenhänge und Entwicklungen unter dem Aspekt einer Verschwörung zu deuten. Unterstellt wird meist ein zielgerichtetes konspiratives Wirken von Personen oder Personengruppen, etwa den Teilnehmern der Bilderberg-Konferenzen. Verschwörungstheorien vereinfachen die Wirklichkeit, um komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge besser verständlich zu machen; sie reduzieren also diese Komplexität. Hinzu kommt, dass die als Verschwörung charakterisierten Vorgänge nicht objektiv und neutral, sondern immer von einem normativen, also parteiischen Standpunkt aus bewertet werden. Verschwörungstheorien stützen sich nicht auf wissenschaftliche Analysen und Diagnosen, sondern drücken stets eine weltanschauliche Haltung aus. Verschwörungstheoretiker weigern sich im Gegensatz zu Wissenschaftlern, ihre Hypothesen empirisch zu begründen und überprüfbare Bedingungen zu entwickeln. Sie entziehen sich der empirischen Verifizierung bzw. Widerlegung.

Als Grundlage dient allen Verschwörungstheorien ein vereinfachtes Welt- und Geschichtsbild, das davon ausgeht, dass sich komplexe Strukturen der sozialen Wirklichkeit durch gezielte Handlungen von Personen oder Gruppen direkt steuern und beeinflussen lassen. Innerhalb der Verschwörungstheorien überschätzt man die vermeintlichen Verschwörer meist, die als extrem mächtig beschrieben werden, obwohl sie in Wirklichkeit von der Gesellschaft dämonisierte Minderheiten darstellen. Für Verschwörer gehalten werden sehr häufig die Templer, die Aufklärer und Philosophen, die Jakobiner, die Illuminaten und Freimaurer, die Jesuiten, die Carbonari, die Sozialisten und Kommunisten sowie die Juden.

Zwei Templer auf einem Pferd, Zeichnung aus der Chronica Maiora des Matthäus Paris aus dem 13. Jahrhundert

Es wird ihnen vorgeworfen, mittels eines raffinierten Geheimhaltungsmechanismus ihre Pläne, Ziele und Absichten vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Dabei spielt auch die Idee des »Bösen« eine wichtige Rolle, das als überpersonale, weltbeherrschende Macht eingestuft wird. Viele Verschwörungstheoretiker unterstellen den vermeintlichen Verschwörern oder deren Trägergruppen ein weltweites Beziehungsnetz. Das Reden von internationalen Verbindungen dient vor allem dazu, die nationalen Gefühle der Sympathisanten des Verschwörungsdenkens anzustacheln. Dadurch sollen die Bedeutung und der Einfluss der Verschwörer noch bedrohlicher erscheinen.