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Im Hause der Fliederdryade Syringa hat man es doch glatt gewagt, sich auf eine besinnliche Weihnachtszeit zu freuen. Wenn, ja wenn da nicht plötzlich ein Monster unter dem Bett des kleinen Jakob eingezogen wäre. Noch dazu tauchen immer mehr schwerverletzte, eigenartige Wesen in der näheren Umgebung auf, welche die magische Gemeinschaft in ziemliche Unruhe versetzen. Wer die Wesen der Rynestig-Bücher bereits kennengelernt hat, wird viele alte Bekannte wiedertreffen und mit ihnen eine ziemlich turbulente Vorweihnachtszeit erleben. Jawohl. Ob es ein Happy End für alle geben wird, oder fällt Weihnachten buchstäblich in den Schnee? Fragen über Fragen, auf die es aber eine Antwort gibt. Dieses Büchlein. Oder so.
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Seitenzahl: 94
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An meine lieben Leser
Noch eine Kleinigkeit, bevor es losgeht!
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Nur noch ganz kurz….
Fliederblütenregen
Worum geht es hier eigentlich?
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Die hier vorliegende Geschichte wurde mir von meiner guten Freundin Syringa in die Feder diktiert. Syri, die Fliederdryade, ist als Baumgeist eines der Wesen, die besonders empfindlich auf Veränderungen und Gefahren in der Natur und ihrer näheren Umgebung reagieren. Manchmal droht dabei Unheil aus völlig unerwarteter Richtung. Nie wieder wird daher einer von uns die Angst eines Kindes vor einem sogenannten Monster unter dem Bett als Spinnerei abtun. Denn wir wissen, welches Grauen dort warten kann. Jawohl.
Das Monster hätte beinahe das Weihnachtsfest der gesamten Gemeinschaft auf dem Gewissen gehabt, wenn, ja wenn es nicht die Feier zur Ehre der ersten der Raunächte, der Thomasnacht, gegeben hätte. Oder so.
Lest dieses Büchlein bitte ganz genau und handelt danach, wie Euer Gewissen es Euch empfiehlt. Und es wird sich regen.
Das Gewissen. Garantiert.
In diesem Sinne wünsche ich eine schöne Weihnachtszeit,
Eure Margarethe Alb.
Eigentlich sollte es dieses Jahr gar kein Weihnachtsbuch geben. Bis, ja bis ich der Meinung war, einer guten Freundin diese Geschichte aufschreiben zu müssen.
Liebe Frauke,
dieses Büchlein widme ich Dir, die Du mir jederzeit die ungewöhnlichsten Bastelzutaten besorgst oder uns mit Deiner Art, winzige Schönheiten zu schaffen, zu Bewunderungsstürmen hinreißt. Du bist immer da, wenn frau Dich braucht und verbreitest gute Laune. Dafür möchte ich Dir danken!
Und dann ist da noch Dein Problem mit Deinem kleinen Jungen, der nun langsam zum Mann heranwächst. Glaub mir, er wird immer Dein kleiner Junge bleiben.
Zumindest ein Kindskopf, schau Dir nur Syris Gatten Hannes an, der auch nach über einem halben Jahrtausend noch wie ein Welpe umherspringt! Und davon abgesehen, soll er doch groß und bierernst werden, wir beide werden auch dann noch immer und ewig kleine Mädchen bleiben, die auf Glitzerstaub stehen und sämtliche Feen beschützen wollen.
Oder?
Deine Margarethe.
„Unter meinem Bett ist ein Monster!“
Ich verdrehte die Augen, als ich die Bettdecke von mir schob und mit den Füßen nach den dicken, handgefilzten Hausschuhen tastete. Unser Schlafzimmer war ziemlich ausgekühlt, weshalb ich mir auch noch den Bademantel griff, der am Fußende lag.
Es war immer wieder eine Herausforderung, auf Jakob aufzupassen. Der jüngste Spross Conrads des Zweiten von der Wallenburg war ein Wirbelwind ohnegleichen. Fantasiebegabt und immer eine Spur zu neugierig. Dabei war er verspielt wie ein junger Welpe, obwohl er keine Spur des wölfischen Erbes seines Vaters in sich trug. Trotzdem geriet er fast täglich in irgendwelche Schwierigkeiten. Man hätte fast glauben können, dass er das Kind meines eigenen Mannes hätte sein können. Vielleicht.
Normalerweise passte seine Großmutter Margarethe auf ihn auf, wenn seine Eltern unterwegs waren. Conrad, Clemens‘ Sohn, war mit einer Tänzerin verheiratet, welche in den Bühnenshows diverser Rockstars ein fester Bestandteil war. Mit dem übermäßigen Beschützerdrang eines Mondwolfs ausgestattet, ließ Conrad seine Gemahlin auch auf der Bühne niemals aus den Augen. Niemand hätte jemals angezweifelt, dass er Luisa auf jeder ihrer Touren begleiten würde.
Davon abgesehen verließen sich die Stars darauf, dass Connie sie beschützte. Er galt als einer der besten Bodyguards der Branche.
Was für die Künstler bedeutete, wollten sie Luise, bekamen sie Connie dazu und umgekehrt.
Der knallharte, muskelbepackte Mann wurde butterweich, wenn es um seine Angebetete und die Kinder ging.
Bevor das Paar Jakob in meiner Obhut gelassen hatte, hatte Conrad sogar die Frechheit besessen, unser Haus überprüfen zu wollen und heimlich sogar unsere Onlinekontakte ausspioniert. Irgendwann war das Sicherheitstheater dann meinem Gemahl zu viel geworden und er hatte Connie der Tür verwiesen. Einzig seinem Sohn durfte er vorher noch einen Kuss geben.
Ich griff nach der Hand des Jungen und ließ mich in das Gästezimmer ziehen, welches für einige Wochen zu einem Kinderzimmer umfunktioniert worden war. Die Nachttischlampe leuchtete und verströmte ein weiches, warmes Licht. Jakobs Fingernägel bohrten sich tief in die Haut meiner Hand, als wir uns seinem Bett näherten. Der Junge begann mit jedem Schritt mehr zu zittern und versteifte sich sichtlich.
Die Bettdecke war auf seinem Lager zu einem großen Klumpen zusammengeschoben und das Laken hing an der Seite hinab. Ein zarter Duft nach Kirschen stieg von der Bettwäsche auf. Ich bückte mich, um unter das Bett zu schauen. Jakobs Händchen löste sich von der meinen, während er zurückwich, um sich hinter mir zu verbergen.
Ich versuchte, durch die Schatten zu blicken. Etwas Hartes stieß mich im Kreuz an und ich griff nach hinten, um mir die Taschenlampe zu greifen, welche Jakob mir da gerade so unsanft in die Nieren drückte.
Aber auch im Lichtkegel der kleinen Lampe war der Raum unter dem Bett verlassen. Einzig eine kleine Wollmaus fand sich in der hintersten Ecke direkt in der Zimmerecke.
„Komm mein Süßer und schau selber nach. Das Monster hat Reißaus genommen.“ Jakob schob sich vorsichtig an meine Seite und ließ sich auf die Knie sinken. Zweifelnd hob er den herabhängenden Zipfel seines Bettlakens an und schaute darunter.
„Aber es war da, Tante Syringa. Ich schwöre es!“ Ich verkniff mir das Schmunzeln, das meine ernsthafte Miene zu zerstören versuchte. Das Ziel dieses Monster war einfach zu erkennen.
„Jakob, Liebster, möchtest du vielleicht ausnahmsweise bei mir schlafen?“ Nichts anderes geschah nämlich jedes Mal, wenn der kleine Tunichtgut bei uns zu Gast war.
Der Junge stöhnte erleichtert auf, erhob sich blitzschnell und wischte sich imaginären Staub von den Knien seines Schlafanzuges. Ich hatte das Licht im Kinderzimmer noch nicht gelöscht, als ich bereits hörte, wie der kleine Gauner meinen Mann in die Schranken und weg von meinem Kopfkissen wies. Kopfschüttelnd kroch auch ich unter die Decke und zuckte nur kurz vor seinen eiskalten Füßchen zurück.
Ich stand schon eine ganze Weile an der Küchenspüle und blickte nach draußen, wo der Schnee des frühen Winters in riesigen, schweren Flocken vom Himmel fiel.
Das würde den Dämonen, welche am Abend das Fest der Thomasnacht ausrichten würden, gar nicht gefallen. Auch mich fröstelte es bei dem Gedanken an die feuchte Kälte, die außerhalb der dicken, isolierenden Mauern unseres Hauses herrschte. Ich richtete den Blick nach oben und verdrehte die Augen. Meine Freundin Limat, die unter den Menschen so viele Namen hatte, war offenbar einmal wieder ziemlich voreilig gewesen, den diesjährigen Winter einzuläuten.
Zum Glück gab es heutzutage gut beheizte Geländewagen, um den Weg durch den Wald auch bei solch grausigem Wetter trocken und warm zurück zu legen. Der Schnee wirbelte unter einer Windböe auf und gab den Blick auf ein ungleiches Paar frei.
Ein riesiger Wolfshund sprang immer wieder mit allen vieren gleichzeitig in die Luft. Bei jedem Hopser versuchte er, die dicken Flocken mit dem Maul aufzufangen, während ein dick eingemummelter Junge sich vor Lachen auf dem Boden kugelte.
Meine Gedanken schweiften zu einer Thomasnacht vor vielen hundert Jahren zurück. Damals hatte eben dieser Wolf auf seine täppische Art versucht, mein damaliges Zuhause vor der Zerstörungswut der Flammendämonen zu retten. Das Ergebnis war mein allererster Kuss gewesen, den mein Hannes mir geschenkt hatte. Seitdem war diese Nacht alljährlich die Wichtigste in meinem Jahresablauf. Sie war nicht nur die längste Nacht des Jahres, wir hatten uns in dieser auch das Eheversprechen gegeben.
Mein Wolfsmann war die Liebe meines Daseins und es hatte uns viele Mühen gekostet, zusammenzufinden.
Hinter mir kündete das Quietschen der Küchentür einen Gast an. Ich brauchte mich nicht herumzudrehen um ihn zu erkennen, denn das Zischeln seiner Zunge verriet Cernun. Der Schlangenmann und ehemalige gottgleiche Anführer seiner Rasse, lebte bereits seit einigen Jahrhunderten in unserer direkten Nachbarschaft und überwinterte alljährlich hier im Haus.
„Hast du dich wieder breitschlagen lassen, auf den kleinen Schwerenöter aufzupassen?“ Ich zuckte mit den Schultern.
„Grethe ist mit Clemens noch nicht wieder zurück und Luisa tritt nun einmal bei dieser Weihnachtsshow in London auf. Was sollte ich machen? Ihn in den Schuppen sperren oder zum alten Grafen Conrad bringen? Der hätte ihm nur Wolfsunsinn erzählt und rohes Fleisch gefüttert.“ Cernun trat dicht hinter mich und ich legte den Kopf gegen seine schmale Schulter. Der Gestaltwandler umarme mich von hinten und versuchte sich ein wenig von meiner Körperwärme zu klauen.
„Du hättest Magdalena bitten können, auf Conrad und den Kurzen ein Auge zu haben.“ Na klar.
„Der kleine Kerl wäre bei Conrad unter die Räder gekommen und Magdalena hat derzeit mit einigen ziemlich unangenehmen Widrigkeiten zu kämpfen, hätte ihr Auge also bei sich benötigt.
Nein Danke, da nehme ich hin lieber selber.“ Immerhin hatte er als einziges von Conrad Juniors Kindern das dryadische Erbe seiner Mutter Luisa, einer Kirschdryade, geerbt und lag mir daher besonders am eigenen, dryadischen Herzen.
„Fährst du heute Abend mit uns?“ Cernun nickte hinter mir. „Immerhin war die Nacht eures Kusses auch meine erste Nacht in der Gemeinschaft.“ Schmunzelnd dachte ich an die halberfrorene Schlange zurück, welche damals aus einem engen Felsspalt hervorgekrochen war.
Ein Schneeball donnerte gegen die Fensterscheibe und ließ diese erzittern. Während Cernun automatisch einige Schritte zurück wich, hob ich eine Hand und drohte den Missetätern, welche ihr breites Grinsen nicht unterdrücken konnten.
Einige Tassen mit heißem Kakao später wies ich Jakob an, sich warme Sachen anzuziehen und auch die Thermounterwäsche nicht zu vergessen. Wir Baumgeister litten ähnlich wie die Schlangenleute fürchterlich unter der winterlichen Kälte. Allerdings war Jakob da ganz offensichtlich eine Ausnahme. Ob es an einem winzigen Anteil Wolfsblut in seinen Adern lag oder Kinder da einfach drüber hinweg sehen konnten, war mir nicht ganz klar. Ich runzelte die Stirn und versuchte mich zu erinnern, wie sich unser Nachwuchs seinerzeit aufgeführt hatte.
Wie von allein verdrehten sich meine Augen. Da die Jungs allesamt nach ihrem Vater geraten waren, hatte sich diese Frage nie gestellt. Und unsere Tochter, welche als einzige mein Erbgut getragen hatte, weilte schon ewig nicht mehr unter uns. Sie hatte ihren ersten Winter nicht überlebt.
Mein Herz zog sich zusammen, als ich an das winzige Mädchen dachte, das uns nur so kurze Zeit Freude geschenkt hatte.
„Tante Syri!“ der Schrei traf mich bis ins Mark und ließ Cernun zusammenzucken. Während ich mir die schrecklichsten Unfallursachen ausmalte und in Gedanken bereits mit vor Scham gesenktem Kopf vor den trauernden Eltern des Jungen stand, konnte der Schlangenmann einfach nur nicht mit schrillen Tönen umgehen.
Ich stürme die Treppe nach oben und schlitterte mitsamt dem Läufer aus persischer Wolle bis zur Kinderzimmertür. Aus der Gegenrichtung sprang mein großer Wolf ebenfalls auf den Ursprung des Schreis zu. Mitten im Zimmer stand Jakob und klammerte sich an seine Schmusedecke. Die blauen Augen des Jungen waren vor lauter Entsetzen weit aufgerissen und er zitterte am ganzen Leib.
„Das Monster. Da… unten…Monster.“
Der große Hund drängte sich an mir vorbei und senkte die Nase. Mein Ehemann schnupperte und schnüffelte durch den Raum und kroch dann unter Jakobs Bett.
Bevor er erst zu knurren und gleich darauf zu winseln begann. Wie von einem Tennisschläger zurückgeschlagen, fuhr er nur einen Wimpernschlag später unter dem Bett hervor und knallte mit Schwung an die gegenüber liegende Wand. Dort klatschte er zu Boden und wuchs zur Kampfform heran.