Glück fürs Glücklichsein - Petra Fischer - E-Book

Glück fürs Glücklichsein E-Book

Petra Fischer

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Beschreibung

Ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit begegnet Raik seiner Jugendliebe Fabienne wieder. Schnell wird klar, dass sie beide noch immer Gefühle füreinander hegen. Doch was ist es, was die zwei so stark verbindet und warum herrschte fast 20 Jahre Stille zwischen ihnen?

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Vorwort der Autorin

Die Handlung sowie die Personen in dieser Geschichte sind frei erfunden oder mit den Leuten abgesprochen. Alle anderen eventuellen Übereinstimmungen zum realen Leben sind rein zufälliger Natur. Orts- und Städtenamen dienen nur zur geographischen Orientierung.

Wenn ein Mensch viel zu früh aus dem Leben geht, fragt man sich nach dem Warum, nach Gerechtigkeit, nach Sinn… Aber vor allem fragt man sich, wie es ohne ihn weitergehen soll, denn er fehlt bei allen Kleinigkeiten und bei den großen sowieso…

In ewiger Erinnerung, Dankbarkeit und Liebe an meinen Vater Gerhard und meinen Schwiegervater Klaus

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Teil 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Teil 2

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Danksagung

Prolog

Gab es je einen perfekteren Tag als den heutigen?

Das fragte sich die schöne Trish, während sie zum Traualtar schritt.

Ihr bodenlanges weißes Kleid wischte über den Boden entlang und ihre lange Schleppe sammelte die letzten Blütenblätter ein, welche die Blumenmädchen erst vor wenigen Sekunden geworfen hatten. Die Perlen und Strasssteinchen an ihrem Brautkleid funkelten wie tausende kleine Sterne am Nachthimmel und wurden nur von dem bezaubernden Lächeln der Braut überstrahlt.

All der ganze Stress der letzten Tage und Stunden rückte in den Hintergrund. Nun zählte nur noch das Hier und Jetzt.

Selbstzufrieden suchte Trish die Besucherreihen ab. Einen kurzen Augenblick gefror das Lächeln in ihrem Gesicht ein. Da war sie also! Ein kaltes Funkeln blitzte in Trishs Augen auf.

Erhobenen Hauptes setzte Trish ihren Weg fort, ohne dass jemand ihre wahren Gedanken erahnen konnte.

Ein Raunen hallte durch den Saal, als Trish den Mittelgang der Kapelle entlangschritt. Genau so hatte sich Trish IHREN großen Tag vorgestellt. Zufrieden blieb sie neben ihrem zukünftigen Mann stehen und blinzelte die Tränen weg, die sich einen Weg ins Freie zu bahnen drohten. Ganz sicher würde sie, die zukünftige Frau Fernandes, jetzt nicht weinen und somit ihr gesamtes Make-up ruinieren.

Trish straffte die Schultern und konzentrierte sich dann auf die Worte des Priesters. Nach dem Ja-Wort folgte ein langer leidenschaftlicher Kuss. Als sich ihre Lippen wieder trennten, blickte Trish ihrem frisch vermählten Ehemann Raik tief in die Augen und flüsterte dann in einem Ton, der nichts Gutes verheißen ließ, dass sie eine Überraschung für ihn habe.

Raik durchfuhr ein seltsames Gefühl. Er kannte Trish nun schon seit einigen Jahren und wusste auch von ihrem Temperament. Trish war ein Engel, aber wehe etwas ging gegen ihren Strich. Ihr Handeln und die Folgen waren dann meist fatal.

So ruhig wie möglich blieb Raik neben Trish stehen und nahm die Gratulationen der Gäste entgegen. Küsschen hier und Küsschen da. Festes Händedrücken von den Männern und liebevolle Umarmungen von den Frauen.

Und dann erblickte er sie. Unter tausenden Menschen hätte er sie immer erkannt. Aber wie war das möglich?

Fabienne stand vor Raik und blickte ihm liebevoll in die Augen. Sie lächelte.

„Gut schaust du aus“, flüsterte sie. Dann drehte sie sich um, gratulierte der Braut und verschwand wieder in der Gästemenge.

In Raiks Ohren rauschte es. Hatte er sich das eben eingebildet? Er blickte seine Frau an und konnte die gehässige Kälte in ihren Augen sehen. Das war also ihre angekündigte Überraschung.

„Ich versteh nicht! Was wird hier gespielt?“

Trish schaute Raik lange an und genoss jeden Augenblick, bevor sie antwortete: „Tja, vielleicht hättest du mich nicht vor all unseren Freunden bloß stellen sollen! Aber findest du meine Geste nicht nett? Ich erdulde eine Ex von dir auf MEINER Hochzeit.“

„Mein Gott Trish, was soll das? Was ist nur los mit dir? Bist du etwa doch sauer? Es war ein Spiel! Ein harmloses Spiel! Und eigentlich hatte ich gedacht, wir hätten das geklärt.“

„Ach war es das?“

In Trishs Gesicht spiegelten sich Zorn und Verachtung.

„Nein, es war kein harmloses Spiel! Aber ich finde es sehr interessant, dass du sofort weißt, worauf ich hinaus will.“

Mit diesen Worten wendete sich Trish von Raik ab und nahm die nächsten Gratulationen entgegen.

Sie war also immer noch sauer. Aber wie hätte Raik das ahnen können? Die letzten Wochen war Trish doch ganz normal gewesen.

Raik versuchte den besagten Abend noch einmal Revue passieren zu lassen. Es war vor vier oder fünf Monaten gewesen. Sie hatten sich alle bei Benjamino getroffen. Es war eine gesellige Runde unter Freunden gewesen. Alle hatten getrunken, gelacht und gesungen. Irgendwann war irgendjemand auf die glorreiche Idee gekommen, Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Raik hatte sich für Wahrheit entschieden, bevor er eine Karte gezogen hatte. „Nenne den Namen deiner ersten wahren, großen Liebe.“ Alle hatten ihn angesehen und er hatte aus einem Instinkt heraus „Fabienne“ geantwortet. Dann herrschte Stille. Benjamino versuchte die Situation zu retten, indem er irgendwas Komisches sagte, aber die Stimmung war explosiv geworden. Er hatte einfach nicht nachgedacht beim Antworten. Später hatte er mit Trish geredet, sich sogar bei ihr entschuldigt und sie hatte ihm versichert, dass alles okay sei. Auch die Hochzeit war Trishs Idee gewesen nach besagtem Abend.

Nun stellte sich Raik die Frage, wie er so naiv gewesen sein konnte. Aber eigentlich war doch nichts Schlimmes dabei, dass Fabienne zu seiner Hochzeit gekommen war. Im Gegenteil, wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte er wirklich Freude empfunden, als er sie erblickte. Innerlich hoffte er sogar, im Laufe des Abends mit Fabienne noch reden zu können. Es gab so vieles, was er sie schon seit Jahren fragen wollte. Doch bisher hatte er nicht die Gelegenheit bekommen, das zu tun. Vielleicht war dies seine große Chance! Nur was bezweckte Trish? Irgendwas führte sie doch sicher im Schilde.

Teil 1

1.

„Kira, nun komm schon! Ich kann nicht länger warten!“

Ungeduldig hopste Fabienne von einem Bein auf das andere, während sie auf ihre Freundin wartete, die sich mal wieder nicht entscheiden konnte, ob sie die blaue Hose oder den gelben Rock kaufen sollte.

„Nimm beides. Es sieht toll aus. Aber beeile dich endlich!“

„Beides? Machst du Witze, Fabi? Wie soll ich mir das leisten?“

Kritisch betrachtete sich Kira im Spiegel der viel zu kleinen Umkleide des Modegeschäfts. Sie vernahm das genervte Stöhnen von Fabienne, verdrehte die Augen und ging dann zur Kasse.

„Okay, aber um das gleich klar zu stellen, DU bist schuld, wenn ich mich für das Falsche entschieden habe!“

Kira bezahlte den Rock, nahm die Tüte und das Wechselgeld entgegen und drehte sich zu Fabienne um.

„ Und wohin nun?“

„Zu mir nach Hause. Das ist doch klar. Sie werden bald da sein.“

„Ach Fabi, das ist echt schlimm mit dir. Wann willst du eigentlich mal Raik sagen, dass du total verknallt in ihn bist?“

Abrupt blieb Fabienne stehen.

„Ich bin nicht verknallt! Was überhaupt soll das für ein Wort sein? Verknallt. Ich freue mich einfach, dass mein großer Bruder und sein bester Freund nach zwei Monaten Schüleraustausch endlich zurückkommen und ich möchte die zwei halt begrüßen. Was, bitte schön, ist daran so schlimm?“

„Ach nix, alles ist schön!“

Lachend hakte sich Kira bei Fabienne ein und sie gingen weiter. Sie liebte es, ihre beste Freundin zu necken. Sie selbst freute sich ja auch, die beiden jungen Männer wieder zu sehen. Besonders Fabiennes Bruder Aden. Das würde doch auch wirklich gut passen: sie, Kira & Aden und Fabienne & Raik.

Die zwei Mädchen liefen die Straßen entlang. Ihre Schritte überschlugen sich fast und beide waren total außer Atem, als sie die letzten Stufen zur Wohnungstür hinaufstiegen.

Aden und Raik waren noch nicht da.

Das war gut, dachte Fabienne, dann hatte sie noch genug Zeit, um sich etwas zu sammeln.

Schon seit Fabienne denken konnte, himmelte sie den besten Freund ihres großen Bruders an. Zuerst war es Schwärmerei gewesen, aber seit ungefähr einem Jahr war es Liebe. Sie liebte Raik mit jeder Faser ihres Körpers. Und er? Er sah in ihr nur die kleine Schwester seines besten Freundes. Wieso merkte er einfach nicht, was sie für ihn empfand? Dass er ihr erster und letzter Gedanke des Tages war?

Während Kira den Kühlschrank nach etwas Essbarem durchforstete, saß Fabienne am Küchentisch und dachte an Raik. Gedankenversunken malte sie kleine Herzchen auf ein Blatt Papier und merkte nicht, wie sich Raik ihr von hinten näherte. Viel zu spät bemerkte sie ihn, sodass sie den Zettel mit den gemalten Herzchen nicht mehr verschwinden lassen konnte.

„Du bist verliebt?“

Es war mehr eine Frage als eine Feststellung, wie Raik die Worte aussprach. Hörte sie Eifersucht in seiner Stimme? Als Fabienne aufblickte, sah sie Raiks Grinsen. Augenblicklich schlug ihr Herz schneller.

„Wer ist denn der Glückliche?“

„Niemand!“

Mit diesen Worten stand Fabienne auf und trat an die Spüle. Für einen Augenblick schloss sie die Augen. Dann straffte sie die Schultern und atmete hörbar aus.

„Wie war es in England?“

„Oh, es war grandios! Aden und ich – ich glaube, wir hatten die beste Zeit unseres Lebens.“

„Und die vielen süßen Engländerinnen erst!“

Lachend betrat Aden die üppige Küche und zwinkerte Kira zu. Es durchzuckte Fabienne wie ein Blitz. Süße Engländerinnen! Allein der Gedanke an diese war grausam.

Aden begrüßte seine Schwester mit einer innigen Umarmung.

„Hast mir gefehlt, kleine Sis!“

„Ach ehrlich? Ich wette, ihr hattet vor lauter süßen Engländerinnen gar keine Zeit an mich zu denken.“

Tränen drohten in Fabiennes Augen aufzusteigen, also beeilte sie sich, die Küche schnellstmöglich zu verlassen. Sie wollte weinen, aber nicht vor Aden und Raik.

„Was war denn das?“

Ratlos schaute Aden von Raik zu Kira. Diese schob sich an den beiden jungen Männern vorbei und eilte ihrer Freundin hinterher.

„Kerle“, war das Einzige, was sie sagte, bevor sie die Zimmertür hinter sich schloss.

2.

Pah, süße Engländerinnen. Von wegen! Andere Frauen interessierten Raik doch überhaupt nicht. Sicher hatte er ab und an eine Affäre, aber von Luft alleine konnte ein Mann ja auch schließlich nicht leben. Doch es war nie etwas Tiefgründiges, denn es gab nur die eine Wahre für ihn. Eine, der er schon vor Jahren sein Herz verschrieben hatte: Fabienne.

Es gab kein Mädchen, das ihr je das Wasser reichen könnte. Dieser Wahnsinnskörper, das braune seidige Haar, ihre zarte Stimme, ihr sinnlicher Duft, ihre Klugheit, ihr Liebreiz – all das machte sie perfekt für ihn, aber am tollsten an Fabienne fand Raik ihre Augen. Türkisblau und wenn Fabienne etwas erzählte, leuchteten diese noch intensiver. Am liebsten würde er sie immer ansehen.

Aber es durfte einfach nicht sein. Sie war die Schwester von Aden. Und gab es da nicht ein ungeschriebenes Gesetz, dass die kleinen Schwestern der besten Freunde tabu waren?

Er musste wirklich so langsam aufhören, einem Phantom nachzujagen. Besonders jetzt, wo offensichtlich klar war, dass Fabienne in einen Jungen verliebt war. Die ganzen Herzchen, die sie gemalt hatte.

Die Erinnerung stimmte Raik traurig.

Heute Abend auf Danielos Party würde er ein Mädchen klar machen. So viel stand fest. Und alles Weitere würde sich dann schon ergeben.

3.

Gedämpfte Musikklänge drangen durch Fabiennes Zimmertür.

Kira strich der weinenden Fabienne über das Haar. Sie hatte die Musik angestellt, falls die Jungs versuchten zu lauschen. Es gab einfach Sachen, die gingen die Männerwelt nichts an.

„Das ist nicht fair!“, schluchzte Fabienne kraftlos.

„Engländerinnen! Und dann auch noch süße.“

Allein bei dem Gedanken krampfte sich Fabiennes Magen zusammen.

„Nein, das ist es wirklich nicht. Ich frage mich nur, ob es wirklich wahr ist.“

Mit rotunterlaufenen Augen blickte Fabienne zu Kira auf.

„Wie meinst du das?“

„Naja, es ist doch möglich, dass Aden nur rumgesponnen hat! Also, ich find ja, dass Raik gar nicht der Typ für so was ist. Aden ist ein Casanova, so viel ist sicher, aber doch nicht Raik.“

Ein hoffnungsvolles Lächeln huschte über Fabiennes Gesicht. Eigentlich hatte ihre Freundin ja Recht. Sie hatte Raik auch noch nie als Draufgänger empfunden.

Kira stand auf und schlenderte durchs Zimmer. Dann blieb sie urplötzlich stehen, drehte sich blitzschnell zu Fabienne um und fuchtelte mit ihrem Finger vor deren Nase.

„Weißt du was? Wir klären das Ganze ein für alle Mal! Heute Abend!“

Erschrocken schnellte Fabienne hoch.

„Kira! Was hast du vor?“

„Na, ganz einfach, wir gehen heut auf diese Party von Danielo und da schnappst du dir Raik und ich mir Aden.“

Kira zwinkerte Fabienne zu.

„Klar, ganz einfach.“

Fabienne schüttelte den Kopf. Manchmal verstand sie Kira einfach nicht.

Eine Stunde später wusste Fabienne noch immer nicht, was sie zu der Party anziehen sollte. Unentschlossen zog sie ein Kleidungsstück nach dem anderen aus ihrem Schrank, betrachtete es und schmiss es dann achtlos hinter sich aufs Bett. Sie hatte einfach nichts anzuziehen. Das eine Teil war zu brav, das andere viel zu sexy. Das hier war zu schwarz und das daneben viel zu schrill.

Völlig entnervt ließ sich Fabienne auf den Kleiderhaufen auf ihrem Bett fallen. Ihr war nach Weinen zu Mute und nach Schokolade, Eiscreme und einer Liebesschnulze im Fernsehen.

Kira betrat wieder Fabiennes Zimmer und blickte auf ihre Freundin.

„Hey, was ist los?“

Dann drehte sie sich.

„Und, wie findest du meine Frisur?“

Sie hatte sich das blonde Haar mit vielen kleinen Haarspangen hochgesteckt und nur ein paar wenige Strähnen hingen ihr lockig ins Gesicht.

„Wow, Kira, du siehst fantastisch aus!“

Diese lächelte breit.

„Na, dann komm her. Ich kümmere mich erst um deine Haare und dann gehen wir dein Klamottenproblem an.“

Ungläubig blickte Fabienne in den Spiegel. Kira konnte wirkliche Wunder vollbringen. Mit geschickten Handgriffen zauberte sie aus Fabiennes glattem Haar quirlige Locken, von denen sie einige hochsteckte. Als sie damit fertig war, folgten ein dezentes Make-up und etwas Lipgloss.

„So, das hätten wir. Nun die Sachen.“

Zielstrebig ging Kira zu Fabiennes Bett und zog ein dunkelblaues Kleid hervor.

„Das ist perfekt!“

„Findest du? Ist das nicht ein bisschen zu gewagt?“

Kritisch legte Fabienne den Kopf schief, während sie das Kleid vor sich hielt und sich im Spiegel betrachtete.

„Es ist perfekt! Vertrau mir!“

Auf dem Weg zu Danielo wurde Fabienne immer nervöser, je mehr sie sich ihrem Ziel näherten.

„Kira, warte mal. Hast du einen Plan?“

Fabienne war stehengeblieben und zupfte sich einen Fussel vom Kleid, den es gar nicht gab.

„Nein. Oder doch! Erst werden wir unsere Herzbuben begrüßen und mit den Wimpern klimpern und wenn sie wider Erwartens nicht drauf anspringen, gehen wir über zu Plan B.“

„Und was ist Plan B?“

„Wir suchen uns ein williges Opfer und flirten auf Teufel komm raus, bis Aden und Raik eifersüchtig sind und endlich merken, dass sie UNS wollen.“

„Oh, was für ein toller Plan.“

Fabienne stöhnte angespannt.

„Ich glaub ja, du spinnst!“

Kira begann herzhaft zu lachen und verschluckte sich dabei an ihrem eigenen Speichel. Sie musste augenblicklich so heftig husten, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Als sie sich endlich wieder beruhigt hatte, japste sie nach Luft.

„Tja, ich würde sagen, dass war deine gerechte Strafe!“

Fabiennes Laune war mit einem Schlag wieder besser. Was etwas Schadenfreude so alles bewirken konnte.

Frohen Mutes setzten Kira und Fabienne ihren Weg fort.

„Was ist denn nun Plan B?“

„Hab ich dir doch gesagt! Wir machen sie eifersüchtig. Das wird schon. Vertrau mir!“

4.

Es war bereits nach zwanzig Uhr, als Kira und Fabienne das Haus von Danielo betraten. Die Party war schon in vollem Gange. Überall standen Leute, die miteinander redeten beziehungsweise sich vielmehr durch die laute Musik hindurch anschrien. Ein paar tanzten ausgelassen. Die Räume waren stickig und viel zu überfüllt. Fabienne suchte mit ihren Augen die Menschenmenge ab. Wo waren bloß Raik und Aden?

Kira entdeckte die beiden als Erste und Fabienne konnte an dem Gesicht ihrer Freundin erkennen, dass es scheinbar doch nicht so einfach werden würde, die beiden zu erobern. Nervös blickte sich Fabienne um und sah dann Raik und Aden umzingelt von einer Schar hübscher Mädchen.

Kira strich Fabienne aufmunternd über die Schulter.

„Komm, jetzt oder nie.“

Sie nahm Fabienne an die Hand und zog sie mit sich, direkt auf Raik und Aden zu. Fabienne war gar nicht wohl dabei, aber Kira gab ihr überhaupt keine Chance ein Veto einzulegen.

„Aden! Raik, wie schön!“

Kira umarmte beide herzlich und drückte ihnen einen dicken Kuss auf die Wange. Fabienne stand da und nickte nur zur Begrüßung. Manchmal hasste sich Fabienne wirklich selbst dafür, dass sie nicht so locker wie Kira sein konnte.

Kurze Augenblicke später war Kira mit Aden verschwunden.

Raik trat auf Fabienne zu, küsste sie sanft auf die Wange und lächelte sie anerkennend an.

„Wow, Fabienne! Du siehst echt toll aus! Ist er auch hier?“

Fabienne kniff die Augen zusammen.

„Wen meinst du?“

„Na der Typ, für den du die vielen Herzchen gemalt hast.“

Innerlich stöhnte Fabienne. Raik hatte echt keine Ahnung. Am liebsten hätte sie ja gesagt, entschied sich dann aber dagegen und schüttelte den Kopf.

„Ich war auf der Suche nach dir! Magst du ein paar Schritte gehen?“

Raik nickte. In seinen kühnsten Gedanken hätte er sich so was nicht gewagt zu träumen.

Gemeinsam liefen Raik und Fabienne hinunter zum Strand. Die Nacht war sternenklar und es wehte eine lauwarme Frühlingsbrise.

Ein perfekter Abend, um am Meer spazieren zu gehen.

Am Wasser angekommen, zogen Raik und Fabienne ihre Schuhe aus und liefen barfuß durch den weichen Sand. Fabienne liebte das Gefühl, den Sand zwischen den nackten Zehen zu spüren, doch an diesem Abend war das zweitrangig. Was für sie zählte, war hier mit Raik zu sein. Selbst wenn es in Strömen geregnet hätte, der Moment hätte für Fabienne nicht schöner sein können.

Raik blieb stehen und hob eine kleine pastellfarbene Muschel auf. Er befreite sie vom Sand und hielt sie dann Fabienne hin.

„Danke.“

Mehr war Fabienne nicht imstande zu sagen, denn sie wollte die Magie des Augenblicks aufrechterhalten.

Ein freches Grinsen erschien auf Raiks Gesicht.

„Was meinst du, sollen wir schwimmen gehen?“

„Jetzt? Aber wir haben doch keine…“

Fabienne brach mitten im Satz ab. Wen interessierten jetzt schon Badesachen und Handtücher? Raik wollte mit ihr schwimmen. Jetzt. Warum machte sie alles immer so kompliziert? Schnell wischte Fabienne alle Zweifel aus ihren Gedanken und öffnete verführerisch lächelnd den Reißverschluss ihres Kleides am Rücken. Elegant ließ sie das Kleid von ihren Schultern gleiten und schlüpfte geschickt heraus, als es auf dem Boden landete.

Raik schaute Fabienne verblüfft an. Eigentlich hatte er doch nur einen Spaß machen wollen. Aber nun?

Wieder einmal fiel Raik auf, wie schön Fabienne war!

Diese Suppe hatte er sich selbst eingebrockt. Kneifen war jetzt ausgeschlossen.

Mit zitternden Fingern knöpfte Raik sein khakifarbenes Hemd auf und streifte es ab. Danach öffnete er seine Hose und ließ auch sie in den Sand fallen.

Nach einem kurzen Zögern trat Raik auf Fabienne zu. Er küsste sie leidenschaftlich und öffnete dabei ihren BH. Als sich ihre Lippen wieder voneinander trennten, blickten sich beide tief in die Augen.

Raik nahm Fabiennes Hand und zog sie mit sich. Das Meer war kühl und Fabienne blieb abrupt stehen, als das Wasser ihre Füße umspielte. Lachend drehte sich Raik zu Fabienne. Er blickte sie an und verlor sich sogleich in ihren türkisfarbenen Augen. Kurzentschlossen hob er sie hoch und legte sie sich über seine Schulter. Fabienne schrie und jauchzte, während Raik immer tiefer ins Wasser lief.

Dann ließ er sie runter.

Fabienne konnte kaum atmen, so kalt kam ihr das Wasser vor. Hektisch fuchtelte sie mit ihren Armen und umklammerte dann Raiks Hals.

Diese Nähe brachte Fabienne fast um den Verstand. Sie spürte Raiks Atem auf ihrer Wange.

Sie küssten sich immer und immer wieder. Tausende Schmetterlinge kribbelten in Fabiennes Bauch. Ihr war schwindelig und trotzdem waren all ihre Sinne gespitzt, denn sie wollte unter gar keinen Umständen auch nur eine kleine Winzigkeit dieses Beisammenseins verpassen.

Für Raik war es das Größte. Wie lange hatte er sich danach gesehnt, nach ihr gesehnt? Und wie gut sie schmeckte. Er wollte sie so unbedingt, begehrte sie so sehr, dass es fast schon wehtat. Doch er durfte das nicht. Es war ein Riesenfehler.

Raik schloss die Augen und atmete tief durch. Dann blickte er Fabienne an und strich ihr sanft eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Komm, lass uns wieder aus dem Wasser gehen. Du bist ja schon ganz blau.“

Fabienne war völlig irritiert, denn ihr fiel sogleich Raiks Veränderung auf. Hatte sie etwas falsch gemacht? Was war plötzlich los?

Am Strand angekommen konnte Fabienne gar nicht so schnell zittern, wie ihr kalt war. Hurtig schlüpfte sie in ihr dünnes Kleid, was sie nie im Leben zu wärmen vermochte. Raik hängte Fabienne sein Hemd über die Schulter. Dann gingen beide schweigend zurück zur Straße.

Die Luft knisterte vor Spannung.

Was war nur passiert? Fabienne verstand die ganze Welt nicht mehr. Doch sie wagte nicht zu fragen.

Den ganzen Weg über bis vor Fabiennes Haustür sprach niemand ein Wort. Fragend schaute Fabienne Raik an.

Raik beugte sich vor und hauchte Fabienne einen Kuss auf die Wange. Dann flüsterte er: „Okay, ich werd dann mal.“

Mit diesen Worten rannte er los.

„Aber was ist mit deinem Hemd?“

„Ich nehme es beim nächsten Mal mit. Bye.“

Hatte sie sich grad wirklich nach dem Hemd erkundigt? Fassungslos über sich selbst schüttelte Fabienne den Kopf.

Unter Tränen holte Fabienne den Haustürschlüssel hervor, der immer unter dem großen Blumentopf vor der Eingangstür versteckt lag. Ihre Finger zitterten, sodass sie große Mühe hatte, die Tür aufzuschließen. Nachdem sie den Schlüssel zurückgelegt hatte, ging sie ins Haus.

Alles war dunkel. Fabienne tastete sich ihren Weg in ihr Zimmer in der ersten Etage. Unterwegs stolperte sie fast über Adens Schuhe und fluchte leise vor sich hin.

Der Vollmond schien durch Fabiennes Fenster und erleuchtete jeden Winkel. Fabienne ließ sich aufs Bett fallen. Jetzt wollte sie weinen. Aber es kamen keine Tränen, sondern es huschten nur Fragen durch ihren Kopf. Und ganz oben auf ihrer Frageliste stand: Was habe ich falsch gemacht?

Stöhnend wälzte sich Fabienne auf ihrem Bett umher.

„Lach mich nicht aus!“, knurrte sie den Vollmond an und schleppte sich dann ins Badezimmer. Eine schöne heiße Dusche würde ihr sicher helfen, einen freien Kopf zu bekommen.

Während Fabienne unter dem heißen Wasserstrahl stand, konnte sie an nichts anderes denken als an diesen Abend. Alles war doch so schön gewesen. Wieso hatte es so abrupt geendet?

Sie drehte die Dusche aus und hüllte sich in ein Handtuch. Dabei betrachtete sie kritisch ihr Spiegelbild. Sie streckte sich selbst die Zunge heraus und tapste dann in ihr mondscheindurchflutetes Zimmer. Dort ließ sie sich auf ihr Bett fallen und dann kamen sie endlich. Die Tränen, auf die sie schon so lange gewartet hatte.

5.

Raik rannte ohne Pause bis zu sich nach Hause. Völlig außer Atem kam er an. Er japste wie wild nach Luft, als er die Haustür aufschloss und das Stechen in seinen Seiten war kaum auszuhalten. Doch er hatte es verdient - das wusste er.

Wie er die arme Fabienne behandelte hatte. Sie hatte es überhaupt nicht verdient, so vor den Kopf gestoßen zu werden. Was war nur los mit ihm?

Im Grunde genommen wusste er es. Er hatte sich von seinen Gefühlen für Fabienne übermannen lassen und hatte einfach nicht nachgedacht. Doch es durfte einfach nicht sein.

Im Haus war es dunkel und still. Raik empfand es als großes Glück, dass seine Eltern an diesem Wochenende verreist waren, denn er brauchte dringend Ruhe zum Nachdenken.

Das würde sie ihm sicher nie verzeihen. War das nun auch das Ende ihrer Freundschaft?