Goldenblicke - Beate Schmöller - E-Book

Goldenblicke E-Book

Beate Schmöller

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Beschreibung

Wenn das Herz mit dem Schwanz wedelt „Spinnst du – ein Hund, bei deinem Lebenswandel?!“, lautete das Credo als sich Beate Schmöller kurzerhand für einen Golden Retriever Welpen entschied. Tatsächlich gab es keinen vernünftigen Grund, weshalb sie Reisen nach Hawaii gegen Spaziergänge bei Nieselregen tauschen sollte. Gerade hatte sie sich den Traum von einer eigenen Marketingagentur erfüllt. Dreckige Hundepfoten und nasses Hundefell passten so gar nicht zu Kostüm und weißer Bluse. Kurz und gut: Tausend triftige Gründe sprachen gegen einen eigenen Hund. Nur das wohlige Gefühl sprach dafür. Blond gelockt, gut gelaunt, herzerfrischend und mit einem Augenaufschlag, dem man nicht widerstehen kann – das ist Golden Retriever Ipo. Beim Urlaubsflirt mit dem lebensfrohen Vierbeiner vergisst die Autorin jegliche Vernunft und erfüllt sich den lang gehegten Traum vom eigenen Hund. Auch wenn Welpe Ipo ihren Alltag mit verdreckten Pfoten und erziehungsresistentem Verhalten durcheinander bringt, entwickelt sich zwischen ihnen eine tiefe Freundschaft. Mehr als sechzehn Jahre teilen sie Freud und Leid. Wenn das Herz über den Verstand siegt, passieren die unglaublichsten Dinge.

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Seitenzahl: 281

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Goldenblicke

Beate Schmöller

Goldenblicke

Meine Abenteuer mit dem verrücktesten Hund der Welt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 13: 978-3-941745-11-7 (Printbuch)

ISBN 13: 978-3-941745-12-4 (eBook epub)

ISBN 13: 978-3-941745-13-1 (eBook PDF)

Copyright © 2011 by AlohaIpo Verlag, Rosenheim

Text: Beate Schmöller

Fotos: Robert Schmöller

Titelgestaltung: iDEA CreativCenter

Lektorat: Kathrin Nord, München

Konvertierung eBook: iDEA CreativCenter

AlohaIpo Verlag, Robert Schmöller

E-Mail: [email protected]

www.alohaipo.com

Alle Rechte vorbehalten

Produced in Germany

Ein Warenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, auch wenn der Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt.

Das Glück kam auf vier Pfoten

Was hat mich da nur geritten? Ein Energiebündel auf vier Pfoten, das gerade nach Luft schnappt, um Kraft für neuen Tumult zu schöpfen, hat das Kommando über mein Herz, meinen Tagesablauf, über mein ganzes Leben übernommen. Mehr als sechzehn glückliche Jahre verdanke ich dieser einen, tragweiten Entscheidung, einen Golden Retriever Welpen bei uns aufzunehmen. Von einem Tag auf den anderen stellte dieser Vierbeiner unser ganzes Leben auf den Kopf. Plötzlich drehte sich alles um ein vor Lebensfreude sprühendes Wesen mit hellem, wuschligen Fell, schwarzer, immer interessierter Nase und treuherzigem Blick. Von einem Moment auf den anderen änderte sich unser ganzes Leben.

Danke Ipo für sechzehn wunderbare Jahre. Sie sind die glücklichsten meines Lebens.

Goldenblicke

Meine Abenteuer mit dem verrücktesten Hund der Welt

Urlaubsflirt mit Folgen 9 - 26

Unliebsames Urlaubssouvenir 27 - 32

Blitzkarriere oder Herzensweg 33 - 46

Verstand contra Gefühl 47 - 52

Liebe auf den ersten Blick? 53 - 62

Fort Knox oder welpensichere Umgebung 63 - 71

Willkommen Liebling 72 - 77

Turbowelpe 78 - 87

Der Tag danach 88 - 91

Babyhund im Alltag 92 - 95

Hausarrest oder Familienzusammenführung 96 - 101

Das kleine Welpeneinmaleins 102 - 112

Draußen spielt das Leben 113 - 129

Gut geplant ist halb gewonnen 130 - 136

Abenteuerurlaub zu dritt 137 - 150

Rabeneltern 151 - 156

Wasserhund oder Robbe? 157 - 160

Kräftemessen 161 - 164

Duftwässerchen 165 - 167

Sicherheitstraining 168 - 174

Hundefreunde 175 - 182

Projekt Hundesitting 183 - 201

Wintermüde 202 - 212

Sonne satt 213 - 231

Durch dick und dünn 232 - 236

Verletzungspech 237 - 246

Heimatliebe 247 - 260

Glückliche Seniorenzeit 261 - 270

Biblisches Alter 271 - 281

Danke 282 - 283

Urlaubsflirt mit Folgen

 B

ei meinem Mann Robert stand ein Stellenwechsel an. Bevor er seine neue Aufgabe in Angriff nahm, hatte er vier Wochen Resturlaub, die er keinesfalls im winterlichen Deutschland verbringen wollte. Zur gleichen Zeit bot sich auch mir eine neue berufliche Herausforderung. Allerdings standen mir nur zehn verbleibende Urlaubstage zu. Entsprechend unseres Reisebudgets und zwei Wochen Urlaubszeit entschieden wir uns für eine Reise nach Fuerteventura. Sonne, Strand und Meer – mitten im Winter, das hörte sich gut an. Kurz vor der Reisebuchung besuchten wir zusammen die „boot“ in Düsseldorf, eine der größten Messen rund um den Wassersport und die passenden Urlaubswelten. Fasziniert von einem Video, das auf Maui/Hawaii gedreht worden war und das die ganze Schönheit dieser Inselperle im Pazifik zeigte, warfen wir alle bisherigen Planungen über Board. Wir kannten nur noch ein Ziel: Eine Reise nach Maui.

Um auf die Insel zu kommen, mussten wir erst mal um die halbe Welt reisen. Schon aufgrund der großen Entfernung und der langen Anreise wollten wir mindestens vier Wochen bleiben. Wie sollte ich das meinem Arbeitgeber verklickern? Ich wartete erst einmal ab, ob Robert überhaupt einen Flug finden würde, den wir uns leisten konnten.

Freudestrahlend stand er eines Tages in der Türe: „Ich hab einen Flug gefunden, der nicht teurer ist, als der Flug nach Fuerteventura. Wir müssen zwar ein paar Mal umsteigen. Aber darin sehen ich kein Problem.“

Ich blickte ihn fragend an: „Wie sieht es mit einer Unterkunft aus? Maui ist nicht gerade bekannt für günstige Mietpreise.“

Robert setzte alles in Bewegung, um eine preiswerte Bleibe zu finden. Es schien aussichtslos. Wir wollten nicht im Hinterland irgendwo in der Prärie leben – das aber hätte unserem Budget entsprochen. Nein, wir wollten direkt am Meer unterkommen, am liebsten an der ruhigen Nordküste, wo sich die Windsurfer und Wellenreiter aus der ganzen Welt treffen. Wie der Zufall es wollte, hatte ein guter Jugendfreund von Robert ein altes, baufälliges Haus an genau dieser Küste für einige Jahre gemietet und für nur dreißig Dollar am Tag würden wir sogar die Honeymoon Suite darin beziehen können. Ich spürte, dass die Sache einen Haken hatte, was sich später auch bewahrheiten sollte. Doch die Vorstellung vier Wochen lang mit dem Wellenrauschen am Pazifik zu Bett zu gehen und wieder damit aufzustehen, ließ mich alle Zweifel schnell vergessen. Jetzt blieb nur noch die Frage nach einem günstigen Mietwagen zu klären. Wir checkten die Angebote der internationalen Autovermieter. Einen winzigen Kleinwagen würden wir uns leisten können. Und wenn nicht, dann gäbe es zur Not noch „Rent a wrack“: Autovermieter, die direkt vor Ort Schrottkarren vermieten. Wir rechneten uns aus, dass bei einem genügsamen Lebensstil und einem Speiseplan, den wir nach den Sonderangeboten im Supermarkt zusammenstellen wollten, sich der Miniwagen ausgehen würde. Falls nötig, könnten wir uns ja auch ein paar Tage von Wasser, belegten Brötchen und tropischen Früchten ernähren. Paradiesische Ferien schienen zum Greifen nahe. Jetzt stand das Gespräch mit meinem Arbeitgeber auf dem Programm. Nach einigem Hin und Her stimmte er drei Wochen unbezahltem Urlaub zu. Er hatte bereits eine Nachfolgerin für mich eingestellt, die nach Rücksprache glücklicherweise einen Monat früher zur Verfügung stand. Unserer Traumreise ans Ende der Welt stand somit nichts mehr im Weg.

An einem kalten, verregneten Februartag verließen wir Deutschland. Wir freuten uns wie kleine Kinder, als es endlich losging. Bepackt mit Shorts, Bikini, T-Shirts und Flipflops bestiegen wir das Flugzeug, um am anderen Ende Welt in ein Tropenparadies einzutauchen, das in Wirklichkeit noch schöner sein sollte, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen vorstellten. Doch bis dahin sollte es noch ein langer Weg sein. Der Flug von München nach London Heathrow war eine Stunde verspätet und unser Anschlussflug in die USA startete nicht von London Heathrow, sondern von London Gatwick. Während wir mit dem Bus von einem Londoner Flughafen zum nächs­ten unterwegs waren, hob unser Flugzeug in die USA ohne uns an Board ab. Statt für den Weiterflug nach Amerika checkten wir in einem Londoner Flughafenhotel ein bevor wir am nächsten Tag unsere Reise fortsetzen konnten. Der Flugmarathon ging weiter nach New York, Los Angeles, Honolulu und von dort mit Hawaiian Airlines nach Kahului auf Maui. Ganze drei Tage waren wir unterwegs, ehe wir den Duft der Tropeninsel einatmen und die angenehme Wärme spüren konnten. Jetzt erst wurde mir klar, warum der Flug so günstig war. Robert schmunzelte und klärte mich auf, dass er beileibe nicht die günstigste Variante gebucht hatte. Diese hätte über Anchorage, Alaska geführt. Die Vorstellung bei einem Triebwerksschaden in der arktischen Kälte festzusitzen, hatte seine Entscheidung zugunsten der etwas teureren Variante ausfallen lassen. Ich lachte, denn letztendlich waren wir in unserem Urlaubsparadies angekommen. An die Heimreise wollte ich noch nicht denken. Ich war hundemüde, denn den preiswerten Flug bezahlten wir neben häufigem Umsteigen mit geringer Beinfreiheit und engen Sesseln und deshalb mit wenig Schlaf.

Unser Mietwagen stand schon am Flughafen für uns bereit. Ein japanischer Kleinwagen mit einer butterweichen Federung. Ich hatte das Gefühl, als säße ich auf einem Schlafsessel, weshalb ich die Anfahrt zu unserer Urlaubsresidenz auch glatt verschlief. Der selbsternannte Hausmeister erwartete uns bereits und quartierte uns im Strandhaus unterhalb des Haupthauses ein. Die Küche im Haupthaus würden wir uns mit den anderen Bewohnern teilen. Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung. Wir nahmen eine heiße Dusche und legten uns schlafen.

Am nächsten Morgen weckte uns der lustvolle Gesang der Vögel. Wir schlüpften in T-Shirts und Shorts und liefen an den Strand. Die Palmenblätter wogen im Wind. Wir lauschten der Melodie der brechenden Wellen. Ganz eng umschlungen wanderten wir am Meer entlang, als plötzlich wie aus dem Nichts ein Hund vor uns stand. Robert erschrak: „Hallo, wer bist du denn?“ Auch wenn ihm klar war, dass der Hund nicht antworten würde, brachte er vor Schreck nichts anderes über die Lippen. Ich spürte sofort, dass dieser Vierbeiner nichts Böses im Schilde führte, sondern einfach neugierig war, wer da des Weges kam. Er wich nicht mehr von unserer Seite. Freudig lief er neben uns her und sprang lustvoll ins Meer, ganz so, als wolle er uns auffordern, mit ihm im zu schwimmen.

„Wenn ich nicht wüsste, dass dieses Wesen wie ein Hund aussieht, könnte ich glatt denken, er sei eine Robbe, die sich an Land verirrt hat“, lachte Robert.

„Ja, du hast Recht. Ich habe noch nie einen Hund gesehen, der so begeistert in den Wellen herumschwimmt und dem das salzige Meerwasser überhaupt nichts ausmacht. Vielleicht handelt es sich um eine spezielle Rasse, die es nur hier auf Maui gibt und die sich an diese Gegend angepasst hat.“

Noch ehe wir weiter über die Eigenheiten dieses Vierbeiners philosophieren konnten, hatten wir den Strandabschnitt erreicht, der als Mekka der Wellenreiter und Windsurfer gilt und Besucher aus aller Herren Länder anzieht. Spreckelsville heißt der weltberühmte Surferstrand und es stellte sich heraus, dass dieser Strandabschnitt so etwas wie die zweite Heimat, Hundekita und Abenteuerspielplatz für diesen Hund war. Die Einheimischen kannten ihn alle und begrüßten ihn freundlich. Das triefend nasse und vor Energie sprühende Fellknäuel höre auf den Namen Ipo und lebe in direkter Nachbarschaft zu unserem Urlaubsdomizil, klärten sie uns auf. Meine Sorge, Ipo könnte heimatlos sein und müsse sich als Streuner durchschlagen, erwies sich als unbegründet. Sein stark muffelndes Fell hätte diesen Schluss durchaus zugelassen. Ich hatte schon kurz überlegt, ob ich Ipo in unserer Suite als Untermieter einquartieren sollte. Es wäre nicht sonderlich aufgefallen, wenn sich zwischen Kakerlaken und Spinnen auch noch ein paar Flöhe einquartiert hätten. In unserem maroden Holzhaus schlossen weder Fens­ter noch Türen und deshalb fand so manches Ungeziefer darin Unterschlupf und fühlte sich pudelwohl. Auf ein paar Untermieter mehr oder weniger wäre es in dem Kleintierzoo wirklich nicht angekommen. Allein Ipo hätte mit seiner Größe und einem vermuteten Köpergewicht von fünfunddreißig Kilogramm den Rahmen wohl etwas gesprengt. Die Tatsache, dass er eine Familie hatte, die sich um ihn kümmerte, machte mein Vorhaben sowieso hinfällig. Selbst dann, wenn dieser treue Vierbeiner meiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung gebraucht hätte. Warum sonst suchte er am Strand die Gesellschaft fremder Menschen? Wohl doch nur, weil er sie zu Hause nicht bekam. Diese Gedanken wollte ich Robert nicht mitteilen. Ich kannte seine Antwort nur zu gut. Mische dich nicht in die Angelegenheiten anderer Menschen, hätte er sicherlich gesagt und natürlich hätte er Recht gehabt.

Nicht nur Ipos Pflegezustand, auch seine Anstandsregeln ließen sehr zu wünschen übrig. Ständig legte er Stöcke vor meine Füße und bellte so lange, bis ich sie ins Wasser warf, damit er sie zu mir zurückbringen konnte. Verschnaufpausen kannte er nicht und wenn er sich doch einmal am Strand niederließ, buddelte er eifrig tiefe Krater in den Sand, um sich anschließend genüsslich darin zu wälzen und sich dann sandpaniert auf mein Strandtuch zu kuscheln oder sich genussvoll neben mir zu schütteln. Ipo liebte es, mit den Surfern in den Wellen zu schwimmen. Er hatte nur Spiel und Spaß im Kopf. Das Erlernen der Kommandos „Sitz“, „Platz“ und „Fuß“ hätte diese vierbeinige Wasserratte vermutlich in keine großen Begeisterungsstürme versetzt. Selbst dann nicht, wenn das Befolgen der Kommandos mit Hundekeksen oder anderen Leckereien belohnt würde. Ipo machte sich nichts aus Leckerlis. Was für viele Hunde scheinbar überlebenswichtig ist, spielte für ihn keine Rolle. Für ihn war es viel interessanter das Meer zu lesen und die Herzen der Menschen zu erobern, die er täglich auf seinen Strandspaziergängen kennenlernte. Warum sollen wir nicht die Gesellschaft dieses lebensfrohen Vierbeiners genießen?, dachte ich. Ich hatte ja keine Ahnung, wie unsterblich ich mich in diese Pelznase verlieben würde und wie sehr ich eines Tages darunter leiden würde, wenn wir wieder nach Deutschland zurückkehrten.

Ipo wartete nun jeden Morgen vor unserer Türe. Die gemeinsamen Strandspaziergänge entwickelten sich zu einem Ritual. Abends vor dem Einschlafen freute ich mich bereits darauf, zur Begrüßung meine Nase in Ipos dichtes Fell zu stecken und ihm über den Kopf zu streicheln. „Na, Ipo. Wie geht es dir?“, fragte ich ihn jedes Mal. Er blickte mich an und ich hatte das Gefühl, als wolle er sagen. „Jetzt wo ich wieder bei dir bin, geht es mir gut.“

Wir hatten uns viel vorgenommen für die Zeit auf Maui. Wir wollten alle Sehenswürdigkeiten besichtigen und viele Ausflüge unternehmen. Wir hatten nicht geplant, unsere Urlaubstage mit einem fremden Hund am Strand zu verbringen. Aber genau das taten wir. Manchmal brachten wir Ipo früher als üblich nach Hause zurück, um etwas anderes zu unternehmen oder Einkäufe zu erledigen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich auf der Holzveranda nieder. Es brach mir fast das Herz, ihn so liegen zu sehen. Dabei war er doch bestens versorgt, wenn seine Familie abends von der Arbeit heimkehrte.

Ich fragte mich immer öfter, ob es auch zwischen Hund und Mensch so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gibt. Bei Robert und mir habe ich dieses Gefühl das erste Mal kennengelernt. Wir hatten uns während des Studiums auf einem Semesterfest getroffen und der Funke war sofort übergesprungen. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, wenn ich seine Stimme hörte oder wenn sich unsere Blicke trafen. Sollte es so ein Gefühl etwa auch zwischen einem Vierbeiner und einem Menschen geben? Oder war es der magische Zauber dieser Insel, der mich öffnete für die Freundschaft zu diesem vierbeinigen Wesen?

Bisher hatte ich gedacht, der „Aloha Spirit“ sei so etwas wie ein Werbeslogan für ein Südseeparadies, der die Menschen und die Landschaft auf Hawaii beschreibt. Jetzt, während unseres Aufenthalts lernte ich diesen Aloha Spirit als Lebenseinstellung kennen. Der Respekt voreinander und der liebevolle Umgang miteinander, die Liebe zum Meer und die Dankbarkeit für alles was wächst und gedeiht, diese Philosophie spürt man auf Hawaii immer und überall. Die Menschen sind entspannt, stressen lässt sich hier so schnell niemand. Auch Ipos Charme, seine Freundlichkeit, seine überschäumende Lebensfreude und seine unbekümmerte, spielerische Art empfand ich so, als wäre er von diesem Aloha Spirit durchdrungen. Ja, Ipo war Aloha auf vier Pfoten und er hat sofort den Schlüssel gefunden, mit dem er mein Herz öffnete.

Eines Morgens wachte ich auf und hatte den innigen Wunsch, mehr über diese Hunderasse zu erfahren. Bis dahin hatte ich sie in Europa noch nicht gesehen – und das, obwohl ich mein Herz schon als junges Mädchen an Hunde verloren hatte. Als Kind hatte ich meinem Vater ständig in den Ohren gelegen mit meinem Wunsch nach einem eigenen Hund. Ein kleiner Silberpudel, den ich Nicki getauft hatte, war mein erster ständiger Begleiter gewesen. Auf ihn war ein Boxerrüde namens Marc gefolgt, den ich über eine Anzeige in der Zeitung gefunden hatte. Jedes Wochenende hatte ich die Züchter studiert, die inserierten und ihre Welpen zum Verkauf anboten. Ich hatte keine Ruhe gegeben, ehe nicht die ganze Familie im Auto gesessen hatte, um den Wurf anzusehen. Und es war klar gewesen, dass einer dieser Welpen bald bei uns zu Hause einziehen würde. Ich hatte großartige Eltern. Sie hatten mir den Wunsch nach einem Vierbeiner erfüllt, obwohl sie gewusst hatten, dass die gesamte Verantwortung für die Erziehung und Pflege letztendlich doch an ihnen hängen bleiben würde.

Als ich mein Elternhaus für das Studium verlassen und anschließend meine berufliche Laufbahn begonnen hatte, war kein Platz für einen Hund in meinem Leben. Und auch für Robert und mich hatte sich die Frage nach einem Haustier zu keiner Zeit gestellt. Wir waren jetzt seit gut zwei Jahren ein Paar. Wir waren jung. Wir waren erfolgreich. Wir wollten die Karriereleiter weiter nach oben klettern. Wir hatten lange Arbeitszeiten und waren viel auf Geschäftsreisen rund um die Welt. Wir waren Abenteurer, frei und ungebunden, spontan und unternehmungslustig. Mit geringem Budget, Auto und Zelt bereisten wir in unserer Freizeit ganz Südeuropa. Die Anschaffung eines Vierbeiners stand zu keiner Zeit im Raum und hätte auch überhaupt nicht zu unserem Leben gepasst. Und doch stimmte Robert sofort zu, als ich ihm den Vorschlag machte, in einer Buchhandlung nach Literatur zu stöbern, um mehr über Ipos Rassestandard zu erfahren. Heute googelt man dafür kurz im Internet. Damals diente noch das gedruckte Buch als beste Informationsquelle. Wir fuhren gleich nach dem Frühstück los und fanden schnell ein Geschäft mit einer großen Auswahl an rassespezifischer Hundeliteratur. Vom Afghanen bis zum Zwergpinscher war alles dabei. Wir hatten keine Ahnung, um welche Rasse es sich bei Ipo handelte. In der Hoffnung auf einem Buchcover einen ähnlich aussehenden Hund zu finden, schweiften unsere Blicke über das Buchangebot.

„Hier, sieh’ mal.“ Robert zog ein Buch aus dem Regal. Auf der Vorderseite war ein stattlicher Hund abgebildet. Das wuschlige Fell glich dem Ipos. Der gesamte Ausdruck schien ähnlich. Allerdings war das Fell bei genauerem Hinsehen viel heller und der Körperbau viel kräftiger. Ich blätterte darin und begann laut vorzulesen: „Der Maremmen-Abruzzen-Schäferhund ist ein Herdenschutzhund, der vornehmlich für die Bewachung von Schafherden eingesetzt wird. Er nimmt seine eigentliche Aufgabe sehr ernst. Wird dieser Hund als Familienhund gehalten, sieht er sich als Beschützer aller Familienmitglieder, die er Fremden gegenüber auch verteidigt.“ Ich sah auf und blickte Robert fragend an.

„Einen besonderen Wachinstinkt konnte ich bei Ipo nicht entdecken. Ich habe eher das Gefühl, dass Ipo einem Fremden seinen Ball vor die Füße wirft und ihn zum Spiel auffordert statt Haus und Hof zu beschützen“, meinte er. „Allerdings hatte ich nie einen eigenen Hund und kann das vielleicht nicht so gut beurteilen. Aber auf einen Vierbeiner, der wie Ipo freundlich auf jeden Menschen zugeht, scheint diese Rassenbeschreibung nicht zu passen.“

Ich legte das Buch zurück in das Regal, denn auch die weitere Beschreibung ließ mich daran zweifeln, dass Ipo tatsächlich ein Maremmen-Abruzzen-Hund sein sollte. Diese Rasse sei gelehrig. Sie arbeite allerdings selbständig, ohne Anweisungen des Menschen zu benötigen. Ipo schien die Menschen dringend zu brauchen. Warum sonst würde er die Nachmittage lieber mit uns und den Surfern am Strand verbringen, als zu Hause auf der Terrasse zu liegen und das Haus zu bewachen?

Wir stöberten weiter und wurden fündig: „Ich hab’s!“, rief ich. „Das ist die Rasse, nach der wir suchen. Ipo ist ein Golden Retriever.“ Robert überflog den Text auf dem Buchrücken und begutachtete das Buchcover mit der Abbildung des Golden Retrievers. Er nickte zustimmend: „Ja, das passt zu hundert Prozent.“ Wir kauften das Buch und verließen die Buchhandlung. In einem nahegelegenen Café bestellten wir Bagels und Cappuccino und vertieften uns sofort in die Lektüre.

Abwechselnd lasen wir die uns am wichtigsten erscheinenden Passagen vor. Wichtig im Hinblick auf was?, frage ich mich heute. Wir hatten doch überhaupt nicht vor, einen Hund in unser Leben in Deutschland aufzunehmen. Unser Herz hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon für einen Golden Retriever entschieden, aber der Verstand konnte die Idee vom eigenen Hund erfolgreich torpedieren. In dem schlauen Buch würden wir sicherlich jede Menge Informationen und triftige Gründe finden, damit unser Verstand weiterhin die Oberhand behalten konnte.

„Der Golden Retriever ist ein Jagdhund. Er wurde zur Arbeit nach dem Schuss gezüchtet, um geschossenes Federwild zu apportieren. Ursprünglich stammt er aus England, gewann aber auch in den USA schnell an Popularität. Golden Retriever sind wasserbegeistert und schwimmen liebend gerne bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Sie sind lernbegierig, intelligent und äußerst anpassungsfähig.“

Robert nahm das Buch an sich und las schnell weiter. Ich konnte nur noch einige, wenige Wortfetzen auffangen: Bewegungsfreudig, leichtführig, idealer Familienhund, am Menschen orientiert.

Er legte das Buch zur Seite und wandte sich mir zu: „Hast du in Europa wirklich noch nie einen solchen Hund gesehen?“

„Nein“, antwortete ich. „Habe ich nicht. Obwohl ich in letzter Zeit auch wenig Hundekontakte hatte.“ Unsere Freunde waren alle in einer ähnlichen Situation wie wir, nämlich am Beginn ihrer Berufskarriere. Familie, Kinder, Hund und eigenes Heim, davon waren alle noch Lichtjahre entfernt. „Bekanntlich beschäftigt man sich immer dann erst intensiver mit etwas, wenn es irgendwie für die Lebenszielsetzung aktuell wird“, überlegte ich.

„Warum beschäftigen wir uns dann mit einem Rassebuch über Golden Retriever?“, antwortete Robert und sah mich fragend an.

„Ich weiß es nicht!“, lachte ich. „Komm’ lass uns zu Ipo an den Strand gehen.“

Als wir an unserem Urlaubsdomizil ankamen, saß Ipo bereits auf der Veranda vor der Terrassentür und sah neugierig hinein. Er schien auszuloten, ob wir zu Hause waren. Robert parkte das Auto und noch ehe er den Motor abgestellt hatte, sprang ich aus dem Wagen. „Hallo, Ipo“, rief ich und lief freudig auf ihn zu. Ipo sprang in einem Satz von der Veranda und schoss wie ein Pfeil auf mich zu. Von der Schwanzspitze bis zum Kopf wedelte der ganze Körper. Er war so voller Wiedersehensfreude und er zeigte das mit jeder Faser seines Körpers. Bis heute stelle ich fest, dass dieser freudige Ausdruck vom Kopf bis zum Schwanz ganz typisch ist für einen Golden Retriever. Egal wo man einen Goldie trifft, gleich mit was er sich gerade beschäftigt. Es genügt ihn anzusprechen: „Wer bist du denn? Was bist du denn für ein hübscher Hund?“ Jeder Vierbeiner, der zumindest die Hälfte seiner Gene mit dem Golden Gen besetzt hat, wird alles liegen und stehen lassen und sich voll und ganz dem Menschen zuwenden, der ihn gerade angesprochen hat. Dabei wippt der ganze Körper vor Freude.

Wir hatten unsere Wiedersehenszeremonie gerade beendet, als Robert auf uns zukam. „Na, ihr beiden. Ihr habt euch wohl eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.“ Er beugte sich zu uns herab, nahm uns in seine Arme und es schien so, als wären wir seit Jahren ein unzertrennliches Dreierteam, das immer für einander da ist, egal was passiert.

Die Tage vergingen wie im Flug und unser Urlaub neigte sich dem Ende zu. Wir waren gekommen, um eine wundervolle Insel zu entdecken und unbeschwerte Tage beim Surfen zu verbringen. In den Wintermonaten war Maui bekannt für seine außergewöhnlich guten Bedingungen zum Wellensurfen. Um diese Jahreszeit entwickeln sich im Nordpazifik Winterstürme, die eine extreme Meeresdünung erzeugen. Diese bewegt sich tausende von Kilometer über das Meer, ehe sie an der Nordküste Mauis ankommt und auf die unter der Wasseroberfläche liegenden Fels- und Korallenriffe auftrifft. Es war bereits Anfang März und die Zeit der Monsterwellen neigte sich zu Ende. Bald würden die fast täglich einfallen Nord/Ostwinde lediglich für Abkühlung und Windsurfmöglichkeit im Flachwasser sorgen. Und genau so, wie die Zeit der Wellen für dieses Jahr zu Ende ging, neigte sich auch unser Urlaub dem Ende zu. Als Windsurfanfängerin verbrachte ich meine Zeit am Strand, wenn die Wellen für mich zu hoch und die Brandung zu gefährlich waren. Ipo war immer an meiner Seite. Wir spielten im Sand und schwammen im Meer. Wir legten uns nieder und ließen uns von der Sonne trocknen. Ich war nicht traurig, dass ich an manchen Tagen pausieren musste, denn Ipo schenkte mir seine Freundschaft und für mich war dies tausendmal schöner, als die größte Welle zu reiten. Am Abend vor unserem Abflug wurde Robert ganz still. Während ich die Koffer packte, bemerkte ich, wie ihm die Tränen über das Gesicht liefen. „Er wird mir fehlen“, murmelte er. „Ich werde ihn auch vermissen“, sagte ich und begann jämmerlich zu heulen. Am liebsten hätten wir Ipo nach Deutschland mitgenommen. Aber wir wussten, dass er auf Maui eine treu sorgende Familie hatte. Selbst wenn sich diese von ihm getrennt hätten, wäre es nicht möglich gewesen, Ipo nach Deutschland zu transportieren. Hunde in Ipos Größe werden in einer Transportbox wie ein Gepäckstück befördert und auch unser Rückflug glänzte mit mehrmaligen Umsteigen und einer Flugzeit von mehr als zwei Tagen. Bei der Einreise nach und bei der Ausreise von Hawaii gelten zudem strenge Regelungen. Zusätzlich wird eine dreimonatige Quarantänezeit auferlegt. Ipo von den Menschen zu isolieren, die er liebte, das hätte ihm ziemlich zugesetzt. Außerdem hatten wir beide in Deutschland Arbeitsverträge unterschrieben. Zwei Tage nach unserer Rückkehr warteten neue berufliche Aufgaben auf uns. Hätten wir unsere neuen Arbeitgeber anrufen sollen und ihnen mitteilen: „Tut mir leid Herr XY. Ich kann meine Arbeitsstelle leider nicht antreten. Ich bin auf den Hund gekommen und dem gilt jetzt meine gesamte Aufmerksamkeit.“ Wir konnten es drehen und wenden, wie wir wollten. Das Ergebnis blieb immer dasselbe. Wir würden uns morgen von Ipo verabschieden und unseren Flug zurück nach Deutschland antreten müssen. Unsere Wege würden sich wieder trennen und nur die Erinnerung an unvergessliche Momente würde bleiben.

Am nächsten Tag nahmen wir Ipo ein letztes Mal in unsere Arme. Unsere Tränen gruben sich in sein weiches Fell. Als er in unsere traurigen, verweinten Augen blickte, verlor er seinen freudigen Gesichtsausdruck und ein trauriger Schleier legte sich über seine Augen. „Wir kommen wieder“, hörte ich Robert sagen. „Ich verspreche es hoch und heilig. Nächstes Jahr kommen wir dich wieder besuchen.“ Wir hatten nie darüber gesprochen, dass wir wieder zurückkehren würden. Es fühlte sich so gut an, als Robert das sagte. Ich wusste, es war die richtige Entscheidung. Wir mussten los und Ipo ließ uns ziehen. Wir entfernten uns immer weiter voneinander. Als ich ein letztes Mal zurückblickte, sah ich Ipo noch als kleinen Punkt am Strand. Er schien sich nicht bewegt zu haben und zum ersten Mal wusste ich, wie es sich anfühlt, wenn einem beinahe das Herz bricht.

Wir verabschiedeten uns von unseren Vermietern und fuhren zum Flughafen. Robert lieferte unsere Minikarosse beim Autovermieter ab. Wir checkten das Gepäck ein und warteten, bis unser Flug aufgerufen wurde. Wir atmeten ein letztes Mal diese milde, nach Blüten duftende Luft ein und spürten den angenehmen Passatwind in den Haaren. Wir wechselten kein Wort und hielten uns nur an den Händen. Als wir im Flugzeug auf unseren Plätzen saßen, nahmen wir uns in die Arme.

„Wir kommen nächstes Jahr wieder nach Maui. Ich verspreche es“, sagte Robert.

„Ich weiß und ich freue mich jetzt schon darauf“, erwiderte ich erleichtert.

Ehe wir uns umsahen, waren wir wieder in Deutschland. Die zwei Tage bis zum Arbeitsbeginn vergingen wie im Flug. Zwölf Stunden Zeitverschiebung setzten uns zu. Doch der Alltag kehrte schnell wieder ein. Die Zeit auf Maui war Geschichte. Nur die Fotos am Nachttisch erinnerten an diese besondere Zeit und diesen besonderen Hund Ipo.

Unliebsames Urlaubssouvenir

 D

er Start in eine neue berufliche Zukunft erleichterte uns die Aufgabe, von Ipo gedanklich loszulassen. In der ersten Arbeitswoche hatte Robert ein Arbeitsessen mit seinem Vorgesetzten. „Der wird sich wohl gedacht haben, er hat eine schöne Schlaftablette eingestellt“, erzählte er mir lauthals lachend am Abend. „Er trug es mit Fassung, als ich ihn aufklärte, dass ich noch auf Maui Rhythmus laufe und es dort ein Uhr nachts ist, wenn wir in Deutschland dreizehn Uhr haben.“ Robert konnte ihm sowieso nicht verheimlichen, dass er gerade von einer längeren Reise am Meer zurückgekommen war. Seine blonden Haare waren von Wind und Sonne ausgebleicht und schneeweiß. Auch wenn er sich vor Arbeitsbeginn von der langen Lockenpracht getrennt hatte und nun einen Kurzhaarschnitt trug, verriet ihn immer noch sein braungebranntes Gesicht, das er unmöglich im winterlichen Deutschland bekommen haben konnte. Roberts Vorgesetzter nahm die Sache locker, denn er wusste, dass hinter dem Beachboy bald wieder der agile und sehr erfolgsorientierte Manager hervorkommen würde, den er schließlich eingestellt hatte. Dass er kurz darauf einen Anruf bekommen würde, dass Robert auf der Isolierstation eines Münchener Krankenhauses liege, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand.

Am Ende der ersten Arbeitswoche bekam Robert in der Nacht plötzlich sehr hohes Fieber. Die Messung ergab eine Temperatur von vierzig Grad Celsius. Er war so schlapp, dass er sich kaum bewegen konnte. Ich hatte panische Angst und wusste mir nicht anders zu helfen, als ihn in die Notaufnahme ins nächstgelegene Krankenhaus zu bringen.

Der diensthabende Arzt löcherte mich. „Seit wann hat Ihr Freund diese Fieberschübe? Welche Medikamente hat er eingenommen? …… Was, Sie wie waren in den Tropen?“ Jetzt ging alles ganz schnell. „Sofort in Quarantäne.“, ordnete er der Krankenschwester an. „Es besteht Verdacht auf Malaria oder eine ansteckende Tropenkrankheit. Wir müssen erst einmal durch Tests herausbekommen, welcher Erreger da am Werk ist. Bis dahin möchte ich kein Risiko eingehen und verhindern, dass sich andere Patienten anstecken.“

Robert war so geschafft, dass er sich nicht äußern konnte. Ich war vollkommen aufgelöst und vergaß zu sagen, dass wir auf Maui/Hawaii gewesen waren. In dieser Region gibt es keine ansteckenden Tropenkrankheiten. Vermutlich hätte mir der Arzt auch gar nicht zugehört. Er hatte nur „Tropen“ gehört und schon das ganze Programm ablaufen lassen. Im Grunde kann ich seine Reaktion nachvollziehen. Als Erstes brauchte er eine klare Diagnose, um anschließend die richtigen Schritte einleiten zu können. Vielleicht herrschte auf Maui ja tatsächlich ein ansteckendes Tropenfieber, von dem wir nicht wussten? Mir blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren und für Roberts Krankenhausaufenthalt einige Sachen zusammenzupacken. Ich wollte sie ihm am nächsten Morgen vorbeibringen. In der Nacht machte ich aus Sorge um ihn kein Auge zu. Ich malte mir das Schlimmste aus und stand bereits eine Stunde vor Beginn der Besuchszeit wieder am Eingang des Krankenhauses.

Es war Samstagmorgen, Robert lag isoliert in einem Einzelzimmer und ich durfte nicht zu ihm. Wir konnten uns lediglich über ein Telefon austauschen und Blickkontakt durch eine Glasscheibe in der Türe halten. „Mir geht es schon viel besser. Die Ärzte haben mir ein fiebersenkendes Mittel verabreicht und warten jetzt auf die Ergebnisse der Blutuntersuchungen.“ Fürs erste war ich beruhigt, denn Robert sah viel besser aus. „Ich versuche ständig die Ärzte darauf hinzuweisen, dass ich mir am Tag vor unserer Abreise den Finger an einer Koralle im Wasser aufgeschnitten habe und dass die kleine Wunde unter dem Fingernagel bereits auf dem Rückflug zu eitern begann. Aber sie hören mir nicht zu.“ Ich erinnerte mich, dass Robert ein letztes Mal mit Ipo in den Wellen geschwommen war. Es war Ebbe gewesen und über dem Riff hatte sich nur wenig Wasser befunden. Robert hatte sich an einer Koralle verletzt und vergessen, die Wunde zu desinfizieren. Während des Rückflugs hatte er spaßeshalber immer auf den Nagel gedrückt, um mir zu zeigen, wie dann der Eiter hervorkam.

„Ich kümmere mich darum“, versprach ich. „Ich werde mit den Ärzten reden.“

Ich bat die diensthabende Krankenschwester um ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt. „Hm, das erklärt einiges, denn die Blutuntersuchungen haben ergeben, dass keine Tropenkrankheit vorliegt. Vermutlich hat sich Ihr Freund eine Infektion durch Streptokokken zugezogen. Das sind Bakterien, die im warmen Tropenwasser vorhanden sind und auch bei kleinsten Verletzungen schwere Infektionen hervorrufen können.“

„Ja“, antwortete ich. „Die Windsurfer auf Maui haben uns eingebläut, jede noch so kleine Verletzung am Abend immer gut zu desinfizieren. Mein Mann hat das sicher am letzten Tag vergessen und so konnten sich die Bakterien ausbreiten und die heftige Infektion verursachen.“

„Warten Sie, ich komme gleich wieder“, rief er und war schon unterwegs zu Robert.

Schnell klärte sich auf, dass es tatsächlich so war, wie wir vermutet hatten. Einen Tag wollten sie Robert allerdings noch zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Ich war überglücklich und versprach, ihn am nächsten Morgen gleich abzuholen, sobald er mich anrief und sie ihn entlassen würden. Sein Anruf kam bereits um acht Uhr morgens. „Ich komme und hole dich ab.“ Das Krankenhaus war nur fünf Autominuten von uns entfernt. Ich fuhr sofort los und als ich in die Einfahrt zum Krankenhaus einbog, stand Robert schon mit Sack und Pack vor mir.

Zu Hause angekommen, schnauften wir erst einmal tief durch. Der Schreck war verflogen und Robert war schon wieder zu Scherzen aufgelegt. „Aus einem kleinen Schnitt wird eine große Tragödie. Wer hätte so etwas gedacht?“ Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, sahen wir uns an und begannen zeitgleich zu sprechen. „Hoffentlich hat sich Ipo nicht verletzt und infiziert!“

Robert versuchte mich zu beruhigen. „Ipo lebt seit einigen Jahren auf Maui und schwimmt im Meer. Da wird der eine oder andere Schnitt nicht ausgeblieben sein. Ich bin sicher, seine Hundehalter wissen sehr gut damit umzugehen und wenn nötig, werden sie sicherlich einen Tierarzt aufsuchen, der Ipo behandelt.“

Der Schrecken der letzten Tage saß mir noch im Genick. Mir wurde übel. „Was, wenn es ihnen dann so geht, wie es uns gerade passierte?“

„Wer auf Maui lebt, der weiß Bescheid und wird entsprechend handeln. Glaub’ mir. Ipo geht es sicherlich gut.“

„Du hast Recht. Uns haben sie ja auch sofort darauf hingewiesen, jede noch so kleine Schnittwunde sorgfältig zu desinfizieren. Ich bin sicher, dass Ipos Familie darauf achtet, wenn sie irgendwelche Symptome bei ihm feststellen würden, gingen sie sicherlich gleich mit ihm zum Tierarzt. Vielleicht hat er aber auch so ein dickes Fell und ein so gutes Immunsystem, dass ihm diese blöden Bakterien nichts anhaben können.“

„Da bin ich mir ganz sicher“, erwiderte Robert und legte sich auf die Couch, um sich ein wenig auszuruhen.

Blitzkarriere oder Herzensweg

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