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Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod?
Richard Gärtner, 78, ein körperlich und geistig gesunder Mann, will seit dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben. Er verlangt nach einem Medikament, das ihn tötet. Mediziner, Juristen, Pfarrer, Ethiker, Politiker und Teile der Gesellschaft zweifeln, ob Ärzte ihm bei seinem Suizid helfen dürfen. Die Ethikkommission diskutiert den Fall.
Ferdinand von Schirach verhandelt in seinem neuen Theaterstück das Sterben des Menschen. Und wie schon in seinem ersten Drama »Terror« müssen wir am Ende selbst ein Urteil fällen. Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod? Wer sind wir? Und wer wollen wir sein?
Ergänzt wird der Band um Essays von drei namhaften Wissenschaftlern, die das Thema der ärztlichen Suizidbegleitung aus medizinethischer, juristischer und theologisch-philosophischer Perspektive beleuchten.
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Seitenzahl: 118
Buch
Richard Gärtner, 78, ein körperlich und geistig gesunder Mann, will seit dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben. Er verlangt nach einem Medikament, das ihn tötet. Ärzte, Juristen, Pfarrer, Ethiker, der Staat und die Gesellschaft zweifeln, ob sie ihm bei seinem Suizid helfen dürfen. Die Ethikkommission diskutiert den Fall.
Ferdinand von Schirach verhandelt in seinem neuen Theaterstück das Sterben des Menschen. Und wie schon in seinem ersten Drama Terror müssen wir am Ende selbst ein Urteil fällen. Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod? Wer sind wir? Und wer wollen wir sein?
Ergänzt wird der Band um Essays von drei namhaften Wissenschaftlern, die das Thema der ärztlichen Suizidbegleitung aus medizinethischer, juristischer und theologisch-philosophischer Perspektive beleuchten.
Autor
Der SPIEGEL nannte Ferdinand von Schirach einen »großartigen Erzähler«, die New York Times einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der Independent verglich ihn mit Kafka und Kleist, der Daily Telegraph schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Die Erzählungsbände Verbrechen, Schuld und Strafe und die Romane Der Fall Collini und Tabu wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern. Sie erschienen in mehr als vierzig Ländern. Sein Theaterstück Terror zählt zu den weltweit erfolgreichsten Dramen unserer Zeit. Ferdinand von Schirach wurde vielfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.
Zuletzt erschienen von ihm u. a. Die Herzlichkeit der Vernunft, ein Band mit Gesprächen mit Alexander Kluge, sowie sein persönlichstes Buch Kaffee und Zigaretten.
GOTT ist nach Terror das zweite Theaterstück in einer geplanten Dramen-Trilogie von Ferdinand von Schirach.
Ferdinand von Schirach
GOTT
Ein Theaterstück
Luchterhand
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Originalausgabe April 2020
Luchterhand Literaturverlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Copyright © 2020 Ferdinand von Schirach
Umschlaggestaltung: buxdesign / München
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-641-25606-7V004www.schirach.de
www.luchterhand-literaturverlag.de
www.facebook.com/luchterhandverlag
www.twitter.com/luchterhandlit
GOTT
ERSTER AKT
ZWEITER AKT
ANHANG
Hartmut Kreß Suizid und Suizidbeihilfe in existenzieller, religiöser und kultureller Hinsicht
Bettina Schöne-Seifert Hilfe zum Suizid: Blicke auf die ethische Kontroverse
Henning Rosenau Der Suizid im Recht
Ein Theaterstück
»Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord.«
Albert Camus, Der Mythos des Sisyphos
Rollen:
Vorsitzende des Ethikrats
Richard Gärtner
Brandt, Augenärztin
Biegler, Rechtsanwalt
Keller, Mitglied des Ethikrates
Litten, Rechtssachverständige
Sperling, medizinischer Sachverständiger
Thiel, theologischer Sachverständiger
Ort:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Leibniz-Saal.
Dauer:
Etwa 90 Minuten und eine Pause.
Alle Rollen, bis auf Bischof Thiel, können von Frauen oder Männern gespielt werden.
Der Deutsche Ethikrat tagt. Die Vorsitzende, Gärtner, Brandt, Keller, Biegler, Litten, Sperling und Thiel sind auf der Bühne. Auf den Tischen stehen Mikrofone. Vor allen Beteiligten liegen Akten, Laptops und Tablets.
VORSITZENDE
Direkt zum Publikum.
Meine Damen und Herren, ich eröffne diese Sitzung des Ethikrates, sie ist öffentlich. Ganz herzlichen Dank, dass Sie heute gekommen sind. Der Rat ist dieses Mal auf eigenen Entschluss tätig geworden. Es geht um folgenden Fall: Richard Gärtner, den ich hier begrüße,
Die Vorsitzende nickt Gärtner zu.
hat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital beantragt. Das ist ein Medikament, das in anderen Ländern von Sterbehilfeorganisationen eingesetzt wird. Herr Gärtner erklärte, er wolle sich das Leben nehmen. Das Außergewöhnliche an der Situation ist, dass Herr Gärtner nicht unheilbar krank ist oder an Schmerzen leidet, sondern dass er völlig gesund ist. Das Bundesinstitut lehnte die Herausgabe des Medikaments ab. Daraufhin wandte sich Herr Gärtner an seine Hausärztin und bat sie um Beihilfe bei seinem Suizid. Soweit der Sachverhalt. Nun, meine Damen und Herren, die Frage, die wir uns vorgelegt haben, klingt also recht einfach: Ein Mensch möchte nicht mehr weiterleben und bittet um ärztliche Hilfe, sich zu töten. Vor kurzem hat das Bundesverfassungsgericht dazu ein Grundsatzurteil erlassen, das die Rechte von Menschen wie Herrn Gärtner garantiert. Wir haben damit heute eine sehr liberale Regelung der Sterbehilfe. Die gesellschaftliche Diskussion wird trotzdem nicht beendet sein – im Gegenteil. Die rechtliche Frage, ob ein Arzt einem Menschen beim Selbstmord helfen darf, ist zwar geklärt. Die ethische Frage aber bleibt. Sie lautet: Soll ein Arzt einem Menschen dabei helfen? Über sie wollen wir heute sprechen.
BIEGLER
Suizid.
VORSITZENDE
Wie bitte?
BIEGLER
Wir sollten »Suizid« sagen, nicht »Selbstmord«. Sich selbst zu töten ist kein Mord.
VORSITZENDE
Gut. Richtig. Wie also ist das Problem zu entscheiden? Soll ein Arzt beim Suizid helfen? Wäre das ethisch richtig? Darüber werden wir heute diskutieren. Wir haben dazu Herrn Gärtner mit seinem Anwalt, Herrn Biegler, und seiner Hausärztin eingeladen. Wir haben auch drei Sachverständige gebeten, uns bei unserer Entscheidung zu unterstützen:
Nickt den Genannten jeweils zu.
Frau Professorin Litten von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität, Herr Professor Sperling von der Bundesärztekammer und Herr Bischof Thiel.
Zum Publikum.
Meine Damen und Herren, Sie sind als Mitglieder des Ethikrates unabhängig. Sie werden bei der späteren Abstimmung ausschließlich dem folgen, was Sie für vernünftig und richtig halten. Gibt es noch Fragen oder Anregungen?
Die Vorsitzende sieht ins Publikum, dann zu Brandt, Gärtner und Biegler, die alle verneinend den Kopf schütteln.
Danke. Dann beginnen wir jetzt.
Herr Gärtner, darf ich Sie hier nach vorne bitten?
Gärtner geht nach vorne und setzt sich.
VORSITZENDE
Ich danke Ihnen, dass Sie Ihren Fall öffentlich gemacht haben und uns hier Auskunft geben.
GÄRTNER
Eigentlich will ich das nicht.
VORSITZENDE
Verzeihen Sie: Was wollen Sie nicht?
GÄRTNER
Auskunft geben.
VORSITZENDE
Das verstehe ich. Aber wir wollen Ihre Situation ja begreifen. Also, Herr Gärtner, können Sie uns bitte schildern, worum es Ihnen genau geht?
GÄRTNER
Ich will sterben.
VORSITZENDE
Warum? Sie sind doch nicht krank, soweit ich weiß?
GÄRTNER
Bis auf so ein paar Alterszipperlein bin ich sogar ziemlich gesund.
VORSITZENDE
Warum wollen Sie dann sterben?
GÄRTNER
Ich will nicht mehr.
VORSITZENDE
Mögen Sie uns das erklären?
GÄRTNER
Eigentlich nicht.
BIEGLER
Zu Gärtner.
Richard, Du musst schon ein bisschen mit den Leuten sprechen.
GÄRTNER
Ja, ist gut. Ich bin 78 Jahre alt, ich war 42 Jahre verheiratet, Elisabeth ist vor drei Jahren gestorben.
VORSITZENDE
Elisabeth?
GÄRTNER
Meine Frau.
VORSITZENDE
Woran ist sie gestorben?
GÄRTNER
Hirntumor. Groß wie ein Tischtennisball. In einer Klinik.
VORSITZENDE
Das tut mir sehr leid. Darf ich Sie fragen, was Sie beruflich gemacht haben?
GÄRTNER
Ich war Architekt. Freiberuflich.
VORSITZENDE
Wann haben Sie damit aufgehört?
GÄRTNER
Nach Elisabeths Tod.
VORSITZENDE
Haben Sie Kinder?
GÄRTNER
Zwei Söhne. Einer ist Bundestagsabgeordneter, der andere ist auch Architekt. Dazu drei Enkelkinder.
VORSITZENDE
Weiß Ihre Familie von Ihrem Sterbewunsch?
GÄRTNER
Natürlich. Die Kinder.
VORSITZENDE
Und?
GÄRTNER
Wir haben das seit Elisabeths Tod immer wieder diskutiert. Alle Argumente rauf und runter. Sie haben es akzeptiert. Die Enkel sind noch zu klein.
VORSITZENDE
Was hat sich mit dem Tod Ihrer Frau für Sie geändert?
GÄRTNER
Alles.
VORSITZENDE
Können Sie es uns konkreter sagen?
GÄRTNER
Elisabeth und ich waren Mitglieder in einer Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen und kulturellen Vereinigungen. Wir sind zusammen ins Konzert gegangen, ins Theater, zu Einladungen. Wir sind viel gereist, sie wollte die ganze Welt sehen. Das alles habe ich aufgegeben. Alleine kann ich es nicht. Sie fehlt mir. Sie fehlt mir, wenn ich aufwache, und sie fehlt mir, wenn ich einschlafe. Sie fehlt bei allem, was ich tue, und bei allem, was ich sehe. Sie ist weg und ich bin noch da. Das ist nicht richtig.
Pause, dann leise.
Nicht nach 42 Jahren.
VORSITZENDE
Halten Sie es für ausgeschlossen, noch einmal einen Sinn in Ihrem Leben zu sehen? Vielleicht durch Ihre Enkel?
GÄRTNER
Nein. Ich liebe meine Enkel. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen. Aber seit Elisabeths Tod bin ich nur noch die Hälfte.
VORSITZENDE
Haben Sie es einmal mit einer Behandlung versucht?
GÄRTNER
Wie meinen Sie das?
VORSITZENDE
Waren Sie bei einem Psychologen oder Psychotherapeuten?
GÄRTNER
Ach so. Ja, das war ich. Reden hilft nichts, ich habe es zwei Jahre lang probiert. Dann sollte ich Medikamente nehmen, die seien sehr gut, wurde gesagt. Aber das will ich nicht. Ich will einfach nur in Ruhe sterben.
VORSITZENDE
Ich verstehe. Möchte jemand Herrn Gärtner noch etwas fragen? Herr Biegler vielleicht?
BIEGLER
Direkt zu Gärtner.
Warum willst Du nicht ganz normal sterben, wie jeder andere auch?
GÄRTNER
Ich sagte schon, das Leben bedeutet mir nichts. Nichts mehr. Und ich will nicht irgendwann ins Krankenhaus, ich will nicht an Schläuchen hängen, ich will nicht aus dem Mund sabbern, und ich will nicht dement werden. Ich will als ordentlicher Mensch sterben, so, wie ich gelebt habe.
BIEGLER
Erzähl bitte von Elisabeths Sterben.
GÄRTNER
Nein.
BIEGLER
Sie ist in einem Krankenhaus gestorben.
GÄRTNER
Ja.
BIEGLER
Und sie hat gelitten.
GÄRTNER
Anderthalb Jahre lang.
BIEGLER
Schmerzen, Ausfälle, Stürze mit Brüchen, Verwirrung, Hilflosigkeit. All das, wovor Du Dich jetzt fürchtest.
GÄRTNER
Sie war sehr arm dran.
BIEGLER
Verzeih bitte: Am Ende hat sie die Ärzte gebeten, sie zu erlösen.
GÄRTNER
So hat sie es genannt, ja. Sie war gläubig.
BIEGLER
Hat sie ein Mittel bekommen?
GÄRTNER
Nein. Sie hat mich dann gebeten, ihr etwas zu besorgen, um das Leiden zu beenden. Ich konnte das nicht, ich wusste ja nicht einmal wie. Irgendwann haben die Ärzte ihr sehr viel Morphium gegeben.
BIEGLER
Ist sie friedlich gestorben?
GÄRTNER
Pause.
Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Das quält mich immer noch. Sie ist gestorben, als ich mal für eine halbe Stunde rausgegangen bin. Als ich wiederkam, war sie tot. Bitte frag jetzt nicht weiter, Biegler.
BIEGLER
Ja. Aber eins musst Du uns noch sagen. Warum bist Du hier?
GÄRTNER
Darüber haben wir doch lange gesprochen.
BIEGLER
Aber Du musst es hier erklären.
GÄRTNER
Elisabeth war politisch immer engagiert. Sie interessierte sich für alles, für jede Entwicklung in diesem Land. Sie hatte geerbt und hat mit ihrem Geld viel Gutes getan. Kurz bevor sie starb, sagte sie mir im Krankenhaus: »Mach es richtig«. Ich habe lange über den Satz nachgedacht.
BIEGLER
Was bedeutet Dir dieser Satz?
GÄRTNER
Elisabeth kannte mich gut. Ich glaube, sie wusste, dass ich nicht ohne sie weiterleben möchte. Und sie meinte, dass ich etwas verändern solle. Es wäre einfach gewesen, wenn ich in die Schweiz gefahren wäre und mir dort das Leben genommen hätte. Zu einfach, hätte Elisabeth gesagt. Das Problem geht alle etwas an, also tust Du auch was für alle. So hat sie immer geredet.
BIEGLER
Dein Suizid soll also über Dich hinausweisen?
GÄRTNER
Wenigstens das, ja. Ich glaube, Elisabeth hätte es gewollt, dass ich das Problem, das sie gequält hat und unter dem ich jetzt leide, öffentlich mache. Deshalb bin ich hier. Ja. Ich will, dass alle verstehen, dass es in Ordnung ist, dass ich sterben will. Ich will, dass man Menschen wie mir hilft. Ich will sterben, und das ist nicht amoralisch, egoistisch oder krank.
BIEGLER
Danke. Ich habe keine Fragen mehr.
VORSITZENDE
Dann nehmen Sie bitte wieder Platz, Herr Gärtner. Vielen Dank. Ich weiß, wie schwer das ist.
Gärtner geht zurück zu seinem Platz.
GÄRTNER
Dreht sich zur Vorsitzenden um.
Wissen Sie das wirklich?
VORSITZENDE
Frau Dr. Brandt, darf ich Sie bitten?
Brandt steht auf, geht zu dem Tisch und setzt sich. Sie breitet Unterlagen vor sich aus.
VORSITZENDE
Frau Dr. Brandt, Herr Gärtner ist Ihr Patient?
BRANDT
Das trifft zu.
VORSITZENDE
Sie sind Augenärztin in einer eigenen Praxis, ist das richtig?
BRANDT
Ja.
VORSITZENDE
Es erscheint mir ungewöhnlich, dass ein Patient ausgerechnet eine Augenärztin um Suizidbeihilfe bittet.
BRANDT
Das ist es auch. Aber Herr Gärtner ist seit nunmehr fast 20 Jahren mein Patient. Nach einer Augenoperation hat sich ein enges Vertrauensverhältnis zwischen uns entwickelt. Auch wenn das nicht ganz zu meinem Berufsbild passt, bin ich für ihn so etwas wie eine Hausärztin geworden. Ich habe ihn schon oft an Fachkollegen vermittelt.
VORSITZENDE
Ich verstehe. Und Herr Gärtner hat Sie gebeten, ihm bei seinem Suizid zu helfen?
BRANDT
Vor zwei Jahren das erste Mal, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau. Sie haben es vorhin richtig dargestellt – er wollte das Medikament vom Bundesinstitut für Arzneimittel, ist damit gescheitert und kam zu mir. Wir haben das seitdem immer wieder diskutiert. Herr Gärtner ist nicht davon abzubringen.
VORSITZENDE
Wie stehen Sie zu dem Sterbewunsch von Herrn Gärtner?
BRANDT
Mir ist völlig klar, dass der Ethikrat mir die persönliche Entscheidung nicht abnehmen kann. Ich möchte keine Beihilfe zum Suizid leisten. Aber davon ganz unabhängig, zweifle ich auch, ob es für andere Ärzte ethisch richtig wäre, ihren Patienten dabei zu helfen.
VORSITZENDE
Ja, ich verstehe. Das ist die Frage. Dann werden wir jetzt, wenn alle einverstanden sind, die Sachverständigen hören.
BIEGLER
Einen Moment.
VORSITZENDE
Haben Sie noch Fragen an Frau Dr. Brandt?
BIEGLER
Zur Vorsitzenden.
Ja.
Zu Brandt.
Frau Dr. Brandt, Sie haben Herrn Gärtner untersucht.
BRANDT
Ja.
BIEGLER
Ist er, wie er selbst sagt, gesund?
BRANDT
Völlig gesund.
BIEGLER
Trifft das auch auf seinen Geisteszustand zu? Weiß er, was er tut?
BRANDT
Ja.
BIEGLER
Ist er psychisch erkrankt? Hat er eine Depression?
BRANDT
Nein, er ist einfach traurig.
Biegler steht auf, geht zum Tisch von Frau Brandt und legt zwei Schriftstücke vor sie. Danach legt er zwei Kopien auf den Tisch vor die Vorsitzende.
BIEGLER
Das sind zwei Kurzgutachten. Eines von einem Psychologen, das andere von einem Psychiater.
BRANDT
Überfliegt die Gutachten.
Sie bestätigen, was ich gesagt habe.
BIEGLER
Nach diesen beiden Gutachten leidet Herr Gärtner weder an einer psychischen Erkrankung noch an einer Störung, die ihn daran hindern würde, nach seinen persönlichen Wertvorstellungen zu leben.
BRANDT
Ja. Das ist richtig und entspricht meiner Einschätzung.
BIEGLER
Gibt es irgendwelche Zweifel an der Befähigung der beiden Gutachter?
BRANDT
Überhaupt nicht. Ich kenne einen der beiden persönlich, er ist ein sehr erfahrener Kollege. Der andere Gutachter ist mir zumindest namentlich bekannt, er hat einen ausgezeichneten Ruf.
BIEGLER
Danke. Haben Sie als – wie Sie sich ausdrücken – »eine Art Hausärztin« irgendwelche Erkenntnisse, dass der Wunsch von Herrn Gärtner von Dritten beeinflusst ist?
BRANDT