Grave 2: Meereskampf und Kronenfluch - Henriette Dzeik - E-Book

Grave 2: Meereskampf und Kronenfluch E-Book

Henriette Dzeik

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Beschreibung

Grave und seinen Verbündeten ist es gelungen, die Knochenflut zu durchqueren und die Spiegelstadt zu finden. Doch zwischen seinem Ziel, den Lebensbaum zu heilen und die Unterwelt zu retten, steht plötzlich ausgerechnet der Halbgott, für den er seine Hand ins Feuer gelegt hätte. Während Grave sich nun zwischen Liebe und Pflicht entscheiden muss, begeben sich Cato, Ava und Iason in Atlantis auf die Suche nach Poseidons Königswaffe. Dabei wird Iason vor eine unlösbare Aufgabe gestellt: Eine Prinzessin für sich zu gewinnen, die ein Herz aus Stahl besitzt …

Spicy Boys Love Fantasy zwischen Göttern und Helden. Das Spin-off zur »Flame«-Serie (auch eigenständig lesbar).

//Dies ist der zweite Band der »Grave«-Saga. Alle Romane der spicy New Adult Fantasy-Serie im Loomlight-Verlag: 

  • Grave 1: Höllenschwur und Knochenflut 
  • Grave 2: Meereskampf und Kronenfluch (erscheint vrsl. im Dezember 2024)
  • Grave 3: to be announced

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Das Buch

Selbst ein Herz aus Stahl kann zum Schmelzen gebracht werden!

Grave und seinen Verbündeten ist es gelungen, die Knochenflut zu durchqueren und die Spiegelstadt zu finden. Doch zwischen seinem Ziel, den Lebensbaum zu heilen und die Unterwelt zu retten, steht plötzlich ausgerechnet der Halbgott, für den er seine Hand ins Feuer gelegt hätte. Während Grave sich nun zwischen Liebe und Pflicht entscheiden muss, begeben sich Cato, Ava und Iason in Atlantis auf die Suche nach Poseidons Königswaffe. Dabei wird Iason vor eine unlösbare Aufgabe gestellt: Eine Prinzessin für sich zu gewinnen, die ein Herz aus Stahl besitzt …

Band 2 der prickelnden Götterfantasy

Die Autorin

© Privat

Man erzählt sich, dass Henriette Dzeik auf einem Floß treibend von Nixen gefunden, von Hexen entführt und in einem Schloss, das an goldenen Ketten hing, von Feen aufgezogen wurde. Sie kämpfte gegen den Drachen, der diesen schönen Käfig bewachte, und erlangte schließlich durch einen Deal mit einem verrückten Flaschengeist die Freiheit. Heute lebt sie mitt ihrer dämonischen Familie in einem minimalistischen Palast, wo sie auf Papier all ihre Träumereien wahr werden lässt.

Henriette Dzeik auf Instagram:https://www.instagram.com/henriettedzeik/

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Loomlight auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

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Viel Spaß beim Lesen!

Henriette Dzeik

Grave

Meereskampf und Kronenfluch

Loomlight

Liebe Leserin, lieber Leser,

Graves Geschichte enthält neben expliziten Szenen auch Elemente und Situationen, die triggern können. Diese sind Mord, Tod sowie körperliche Gewalt. Bitte lies dieses Buch nicht, wenn du denkst, dass diese Themen dich emotional zu sehr aufwühlen könnten.

Für meinen Mann, der zu mir gesagt hat: »Du weißt doch, dass du hierzu fähig bist.«

Was ihr wissen solltet,bevor ihr mitdiesem Buch beginnt

In den Legenden, die sich um Atlantis ranken, heißt es, die gesamte Stadt sei im Meer versunken. Manche behaupten, Poseidons Tod vor über zweihundert Jahren hätte sie in die Fluten gerissen. Jeder einzelne Stein sei zu Staub zerfallen, sodass man heute auf dem Grund der See nicht einmal mehr einen der Saphire findet, mit welchen die Paläste besetzt waren.

Es gibt nicht wenige, die ihr gesamtes Leben damit verbrachten, in der Tiefe nach den Kostbarkeiten zu suchen, die Atlantis beherbergte. So sagt man auch, es wäre die prunkvollste Stadt, die jemals an Land oder auf dem Meer existierte. Allein das Fundament wurde den Erzählungen nach aus glänzendem Silber und purem Gold errichtet. Die Fassaden waren mit Edelsteinen und den seltensten Perlen geschmückt. Unermesslicher Reichtum sollte jene erwarten, welche die Schätze dieses sagenumwobenen Ortes entdeckten. Dabei ist er spurlos verschwunden und nicht einmal auf den Karten dieser Welt vermerkt. Deshalb gibt es auch Stimmen, die glauben, Atlantis ist zu schön, um wahr zu sein. Dass ein Haufen betrunkener Matrosen, die geplagt waren von der Sehnsucht nach einem besseren Leben, all das erfunden hat.

Andere denken, dass Zeus die Stadt seines Bruders aus Neid zerstörte. Nichts sollte prunkvoller – beeindruckender – als der Olymp, sein Palast in den Wolken, sein. Zudem galten die Atlanter, die der Meeresgott angeblich unsterblich machte, als hochmütig. Schließlich hatte das Schicksal ihnen dieses Geschenk gemacht. Sie waren privilegiert und auserwählt. Aus diesem Grund beinhalten die Geschichten um Atlantis stets eine Mahnung.

Alles ist vergänglich und das ewige Leben eine Illusion.

Niemand kann tiefer fallen als jene, die es wagen, zu hoch zu fliegen.

Und im Angesicht der tobenden, alles verschlingenden See, haben weder Schönheit noch Reichtum Bestand.

Was also bleibt, wenn das Meer sich gegen dich entscheidet? Wenn eine Urgewalt über der einst prunkvollsten Stadt zusammenstürzt?

Wahrheiten und Lügen.

Erinnerungen und Staub.

Und nach wie vor das ungestillte Verlangen, die Faszination, die Geheimnisse dieser Stadt aufzudecken.

Es kursiert noch eine letzte Geschichte, die besagt, dass Atlantis nicht verschwunden ist, sondern von Magie verborgen wird. Dass es die angeblich verlorenen Aufzeichnungen über seine genaue Lage niemals gab. Nur wenige sollen Kenntnis darüber haben, welcher Weg zu diesem Ort führt, dessen einstiger Glanz mit Poseidon gegangen ist, als er starb. Man sagt, Gold und Silber seien mittlerweile angelaufen. Spuren der Zeit zieren das prunkvolle Atlantis nun statt der strahlenden Saphire.

In dieser Erzählung haben außerdem die Urgötter Pontos und Thalassa den Thron bestiegen. Doch hinter vorgehaltener Hand reden die Atlanter darüber, dass sie der Macht der See, die seit Poseidons Tod von Zorn getrieben ist, nicht gewachsen sind. Die Bewohner haben die neuen Herrscher nicht akzeptiert, huldigen nach wie vor ihrem alten Gott. Sie glauben nicht, dass Poseidon diese Welt verließ, ohne jemanden zurückzulassen. Deshalb umfassen ihre Gebete auch einen Erben, welcher der stürmischen See, dem Zorn des Meeres, die Stirn bieten kann. Und weil sie nun wissen, dass der schöne Schein kein mächtiges Werkzeug ist, sehnen sie sich womöglich nach einem Nachfolger, der so kalt wie die Wellen des Winters ist und kein Herz aus Gold – sondern aus Stahl besitzt.

Prolog Geheimnis der Meere

EURYBIA

Es ist wahr.

Die Sagen um Atlantis sind mehr als die Geschichten betrunkener Matrosen. Tatsächlich ist die Stadt nie im Meer versunken. Lediglich der Thronsaal und die königlichen Gemächer wurden am Tag von Poseidons Tod von Wellen aus Trauer und Zorn verschlungen. Er hat diese Stadt gegründet – die stärkste Seemacht, die diese Welt jemals gesehen hat, welche für die meisten jedoch trotzdem ein Mythos ist. Doch er hat noch mehr getan. Er hat Seen, Flüsse und Ozeane, die Pflanzen und Wesen der Meere lebendig gemacht. Ihnen eine Wärme eingehaucht, die nicht mehr spürbar ist. Ein eisiger Wind, der statt der sanften Brise durch mein Haar fährt, bezeugt die Veränderung, die schleichend begann und nun unbestreitbar ist.

Das kalte Wasser schwappt über meine Stiefel, während ich den gepflasterten Pfad entlangschreite, den dunkelgrauen Torbogen ansteuere, der einst aus echtem Silber bestand. Früher war Atlantis ein riesiges Inselreich mit einer noch größeren Flotte. Das Leben spielte sich überwiegend hier draußen ab, aber heute verbringen die Bewohner ihre Zeit größtenteils im Kern der Stadt. Sie sind vor dem farblosen Grau und der Kälte geflohen, zu der ich mich hingezogen fühle.

Der Torbogen erhebt sich direkt aus dem Meer, zwei riesige Wyvern säumen ihn, ihre Mäuler weit aufgerissen, als hätten die Gorgonen selbst sie inmitten ihrer Bewegung versteinert. Obwohl sie starr sind, wirkt es, als könnten sie sich auf mich stürzen, weshalb meine Muskeln sich instinktiv anspannen, sobald ich durch den Bogen trete. Für einige Sekunden halte ich den Atem an, bis ich mich von den unheimlichen Wächtern entferne.

Hinter dem Tor der Wyvern ist die Umgebung anders. Magie liegt in der Luft, die unangenehm auf meine Schultern drückt. Es ist der Zauber der Urgötter, den ich spüre und der Widerwillen in mir auslöst. Dabei bin ich eine Prinzessin von Atlantis, weshalb es rein äußerlich scheint, als würde alles mit mir stimmen. Verborgen bleibt, was in meinem Inneren ist. Und damit meine ich nicht allein den Bann, mit welchem Thalassa, die Urgöttin der See, mich aus Eifersucht belegte – der mir ein Herz aus Stahl bescherte.

Ein immer stärker werdendes Stechen pulsiert in meiner Brust. Die Macht, die sich in mir regt, ist wie ein Brüllen, das viel zu tief in meiner Kehle sitzt. Schließlich existieren unzählige Legenden um Atlantis, aber das größte Geheimnis bin ich. Mein Name ist Eurybia und ich weiß, dass ich die Erbin der Meere bin.

Doch ich spüre auch, dass ich die Kontrolle verliere, nicht auf ewig in der Lage sein werde, den Sturm in mir zu zügeln. Irgendwann wird er aus mir hervorbrechen, um die Wahrheit zu offenbaren. Wie die Wyvern, die sich aus dem Meer erheben, ihre steinernen Klauen an dem Torbogen wetzen. Und wenn meine Zeit gekommen ist, mögen die Götter uns beistehen. Denn dieses Mal würde mehr als nur der Thronsaal versinken. An diesem Tag würde der Mythos von Atlantis – der untergegangenen Stadt – wahr gemacht werden.

1 Aus Gold und Stahl

IASON

Es stinkt nach Fisch. Nach altem, verrottendem Fisch, der tot auf der Wasseroberfläche schwimmt, und nach Algen, die haufenweise ans Ufer gespült wurden. Der Geruch ist so abscheulich, dass meine Augen brennen, als hätte ich Salz hineingestreut. Im Halbschlaf reibe ich mir über die Nase, ehe ich orientierungslos unter mein Kissen taste, mir vorstelle, dass Herakles sich in meine Kajüte geschlichen hat, um mir einen verdammten Seeteufel in die Koje zu legen. Es wäre nicht das erste Mal.

Alles, was ich zu fassen kriege, ist eine Pergamentrolle, und weil der Gestank mittlerweile so unerträglich ist, dass es in meinem Magen rumort, schlage ich die Decke zurück und richte mich auf. Mit so viel Schwung, dass ich schmerzvoll mit der Stirn gegen eine Holzvertäfelung pralle. Es verspricht kein guter Tag zu werden. Blinzelnd öffne ich die Lider. Ich blicke nicht auf die vertrauten Muster, welche in das Innere der Argos geschnitzt sind. Noch einige Male blinzele ich, bis mein Kopf sich klärt, ich begreife, dass ich mich in der Tat überhaupt nicht auf der Argos befinde, meinem Schiff, auf welchem ich mit fünfzig anderen Helden über die Meere segelte, zahlreiche Abenteuer bestand, um das Goldene Vlies aus Kolchis zu beschaffen. Mithilfe des magischen Vlieses sollte ich meinen rechtmäßigen Platz als Sohn des Königs zurückgewinnen, meinen Anspruch auf den Thron geltend machen und über Iolkos im griechischen Thessalien herrschen.

Instinktiv greife ich zu meinem Dolch, dessen Schaft aus dem Lederholster ragt, das ich um meine Hüfte trage. Zeitgleich ducke ich mich unter dem Balken hindurch, der über meiner Koje verläuft, und steige mit den Füßen in meine Stiefel, welche direkt unter meinem Schlafplatz stehen. Meine Augen wandern durch die Kajüte, dann zu dem halb aufgerollten Pergament. Verblasste Tinte auf vergilbtem, von Rissen durchzogenem Papier.

Eindeutig kein Fisch.

Obwohl es so stinkt.

Doch die geschwungenen Buchstaben, welche die Überschrift Atlantis formen, holen mich zurück in die Gegenwart. Seit Jahrhunderten habe ich kein Schiff mehr betreten, sondern mich im Palast der Titanen auf dem Berg Othrys zur Ruhe gesetzt. Kein Wunder, dass ich im Halbschlaf glaubte, mich auf der Argos zu befinden. Doch meine Heldentaten liegen in der Vergangenheit. Zumindest dachte ich das, bis ich mich mit der Seherin von Delphi und dem Halbgott und Sohn des Okeanos auf diese Reise begab.

Vor wenigen Wochen wurde Zeus von Nyx, der Göttin der Nacht, getötet. Somit ist er seinen Brüdern Hades und Poseidon gefolgt, weshalb keiner der Herrschergötter der Alten Welt mehr am Leben ist. Die Erde und das Machtgefüge wurden durch dieses Ereignis aus dem Gleichgewicht gebracht. Laut der Prophezeiung, welche die Seherin sprach, sind Mortem, der Drakongott der Toten und ›Anbeginn der Zeit‹‹, sowie Chaos, der in der Weissagung als ›Seele der Welt‹ bezeichnet wird, die einzigen Säulen, welche die Erde zum jetzigen Zeitpunkt aufrechthalten.

Aus diesem Grund ist es von essenzieller Bedeutung, dass wir die Erben finden. Sie sollen ihre rechtmäßigen Plätze einnehmen und das Gleichgewicht wiederherstellen. Um ihre Macht vollumfänglich kontrollieren zu können, benötigen sie außerdem die sogenannten Königswaffen: Hades’ Langzepter, Poseidons Dreizack und Zeus’ Donnerkeil.

Verschiedene Gruppen wurden ausgesandt, um die Nachfolger der Herrschergötter zu finden, wobei wir durch die Moire Lachesis bereits zu wissen glauben, wer der Erbe der Unterwelt ist. Die einstige Königin Persephone und Hale, der Gott der Hoffnung, haben deshalb den Weg in die Hölle angetreten. Doch den Erben und das Langzepter zu finden ist nicht die einzige Aufgabe, die sie zu bewältigen haben. Laut Lachesis’ Erzählungen kann die Unterwelt nur gerettet werden, indem der Lebensbaum, die Essenz der Hölle, geheilt wird.

Mein Freund Herakles und die Gorgone Stheno, deren Haar aus zischelnden Schlangen besteht, wurden auf Zeus’ Erben und den Donnerkeil angesetzt. Sie befinden sich im Palast der Titanen, versuchen Kontakt zu den vier Windgottheiten aufzunehmen, weil diese einst gezwungen waren, Zeus und seine Blitze zu begleiten.

Mortem, der Drakongott der Toten, und Arachne, die von Athene verflucht war und vor nicht allzu langer Zeit noch im Körper einer Spinne lebte, sind in die Schneewälder Sibiriens geflogen. Ihr Ziel ist es, einen Hexenzirkel zu finden. Denn durch das Ableben von Hades, Poseidon und Zeus wittern die Urgötter, allen voran Nyx und Gaia, ihre Chance, die Macht an sich zu reißen. Da auch sie für das Bestehen der Erde von Bedeutung sind, wollen wir sie nicht töten, sondern wieder mit ihren Elementen verschmelzen, aus denen sie einst geboren wurden. Für die Umsetzung dieses Plans brauchen wir die Hexen.

Chaos selbst ist zum Roraima-Berg gereist, um Gaia in Schach zu halten. Vor Jahrhunderten hatte er gegen die Erdgöttin gekämpft und sie besiegt. Ihr Körper soll sich in einem gläsernen Sarg unter dem Berg in einem ewigen Schlaf befinden, doch die Worte von Nyx in einer Ansprache an die Bewohner der Hölle, von welcher Lachesis berichtete, bezeugen, dass die Erdgöttin sich regt.

Und dann gibt es noch das Trio, das nach Atlantis ausgesandt wurde: Ava, die Seherin, Cato, der Halbgott, und ich – ein Held aus längst vergessenen Zeiten. Vielleicht passt es gut, dass ich gewählt wurde, um in eine Stadt zu reisen, welche die meisten im Meer versunken glauben. Unsere Aufgabe ist es, Poseidons Erben und den Dreizack aufzuspüren. Ava ist der Überzeugung, dass sich der Erbe in der Stadt des ehemaligen Herrschers aufhält. Konkrete Beweise konnte sie uns nicht liefern, weshalb ich annehme, dass sie etwas gesehen hat. Allerdings habe ich bereits gemerkt, dass Ava dazu neigt, gewisse Dinge für sich zu behalten. Vermutlich, weil es gefährlich ist, den Lauf der Zukunft zu sehr zu beeinflussen.

Nachdem ich meine Stiefel geschnürt habe, greife ich meinen Mantel, der an einem rostigen Haken hängt, und streife ihn über. Dann stoße ich die Tür auf. Kälte schlägt mir wie eine Eiswand entgegen. Man sollte meinen, das sagenumwobene Atlantis könnte man auf komfortablere Weise erreichen. Doch seit Poseidons Tod gibt es nicht viele Wege, die für Reisende von außerhalb zur Verfügung stehen. Trotzdem erinnere ich mich noch genau, wie es war, als wir mit der Argos in den prachtvollen Hafen einfuhren. Der Schiffskutter mit den acht Kajüten unter Deck erscheint mir aus diesem Grund wie ein schlechter Scherz, wenngleich ich für gewöhnlich nicht eitel bin.

Ich schlage den Kragen des Mantels nach oben und erklimme die knarzenden Treppenstufen. Dabei höre ich ein würgendes Geräusch aus einer der Kajüten. »Geht mir genauso«, murmele ich, den Geruch nach totem Fisch nach wie vor in der Nase.

Als ich an Deck gelange, ist die Kälte noch schneidender, wie Nadeln, die sich in meinen Körper bohren. Durch die Jahre im Palast der Titanen und Helios’ Sonnenmagie bin ich diese Art von Temperaturen nicht mehr gewohnt. Unsere Umgebung ist grau und trostlos. Die Wolken hängen tief, verschlechtern die Sicht, sodass ich nicht einmal mit Gewissheit sagen könnte, dass wir uns auf dem Ozean befinden, wären da nicht das leichte Schaukeln und die Geräusche des Meeres. Von dem Tosen der Wellen einmal abgesehen herrscht Stille. Das Deck ist bis auf unseren Fährmann, einen Alten, der kaum noch Zähne hat, verlassen. Zehn Silbertaler hat er uns für die Überfahrt nach Atlantis abgeknöpft. Ich frage mich, warum es ausgerechnet dieser Kutter sein muss – und weshalb es so penetrant nach totem Fisch riecht, obwohl ich, seit wir an Bord gegangen sind, kein einziges Mal beobachten konnte, wie er das Netz auswirft.

Langsam schlendere ich über das Deck, bis ich neben dem Fährmann stehen bleibe. Erst jetzt bemerke ich, dass er Pfeife raucht. Der Qualm fällt zwischen dem Grau der tief liegenden Wolken nicht auf. Es riecht intensiv nach Rosmarin und ich atme beinahe dankbar ein, mustere den Alten von der Seite. Er trägt dunkelgraue Kleidung, als wolle er mit unserer Umgebung verschmelzen, und eine schwarze Schirmmütze. Seine Haut ist wettergegerbt und ich könnte schwören, dass seine Ohren nach oben hin spitz zulaufen. Allerdings dient die Mütze auch als Tarnung, weshalb es das Geheimnis des Alten bleibt. Er raucht weiter seine Pfeife und fast nehme ich an, er hätte mich überhaupt nicht wahrgenommen, als er mir sein Gesicht halb zuwendet. Sein Lächeln lässt seine wenigen Zähne aufblitzen. Für eine Sekunde frage ich mich, ob er womöglich älter als die Götter und Drakon ist.

»Was lockt einen Jüngling wie dich nach Atlantis?« Seine Stimme ist derart kratzig, als hätte man seine Stimmbänder mit einer Feile bearbeitet.

Meine Mundwinkel zucken. Jüngling. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals so genannt worden zu sein. Aber es ist wahr – ich sehe keinen Tag älter als fünfundzwanzig aus, wenngleich ich Jahrhunderte auf meinem Rücken trage.

»Sind es die Spiele?«

Er kneift seine Lider zusammen, unterzieht mich einer genauen Musterung.

Die Spiele von Atlantis sind tatsächlich unser Vorwand, in die Stadt zu kommen. Alle zehn Jahre finden sie in Gedenken an Poseidon statt. Er wird geehrt, indem man bei einem großen Fest seinen Tod nachstellt. Ein wenig … ungewöhnlich, allerdings habe ich während meiner Reisen schon sonderbareren Ritualen beigewohnt. Cato, der Sohn des Okeanos, ist der perfekte Vorwand für unsere Anwesenheit in Atlantis. Sein Vater war zu Zeiten des heißen Krieges Poseidons Verbündeter.

Poseidon und Okeanos kämpften und starben Seite an Seite und vor ihrem Tod lebten beide in Atlantis. Außerdem ist unsere Anwesenheit eine gute Gelegenheit, um herauszufinden, was die Absichten der hier herrschenden Urgötter, Thalassa und Pontos, sind. Sie sind direkt nach Poseidons Tod an die Macht gekommen, haben einen Platz eingenommen, der eigentlich nie für sie bestimmt war.

»Oder die Prinzessinnen?«, hakt der Alte nach und reißt mich aus meinen Überlegungen. Kurz runzele ich die Stirn. Ich weiß, dass Pontos und Thalassa eine Tochter haben – Ophelia. Sie ist außergewöhnlich schön und ich erinnere mich an sie von meinem letzten Besuch. Allerdings habe ich keine Ahnung, weshalb der Fährmann in der Mehrzahl spricht.

»Gibt zwei von ihnen«, fährt er fort, als hätte er in meinem Kopf gelesen. »Die Schöne, von der man sagt, dass in ihr ein Herz aus Gold schlägt, und die andere, von der man behauptet, sie besäße keinerlei Mitgefühl und ein Herz aus Stahl.«

»Aus Stahl?«, wiederhole ich. Davon höre ich zum ersten Mal. Andererseits habe ich im Palast der Titanen, trotz der vier Winde, die uns mit Informationen versorgten, zuletzt sehr abgeschottet gelebt, und um Atlantis ranken sich derart viele Geheimnisse, dass es mich nicht überraschen sollte.

Der Alte nickt. »Es heißt, dass in Wahrheit lediglich Pontos ihr Vater ist und ihre Mutter sie nach ihrer Geburt vor den Stufen ihres Palastes auf Zakynthos zurückließ, in welchem sie in den Wintermonaten lebten, bevor sie den Thron von Atlantis bestiegen. Man sagt außerdem, Thalassa habe aus Eifersucht so sehr getobt, dass sie den Palast bis auf seine Grundmauern zerstörte – und das Mädchen dann verfluchte. Ihr ein Herz aus Stahl bescherte, damit sie niemals jemand begehren oder lieben würde. Und sie niemals jemandem antun könnte, was ihre Mutter der Urgöttin angetan hat.«

»Das klingt nach einer Geschichte der Götter …«, murmele ich. Tatsächlich gleicht es wohl einem Wunder, dass ich während meines Daseins noch nicht verflucht wurde. Schließlich habe ich mehr als einmal den Zorn der Götter auf mich gezogen. Allerdings erscheint es mir schon ungewöhnlich, dass jenes Mädchen, das ein Herz aus Stahl besitzt, als Prinzessin anerkannt wurde. Doch vermutlich ist das einer der Gründe, aus denen Thalassa so tobte – weil Pontos seinen Willen durchsetzte.

Mit den Ellenbogen stütze ich mich auf der Reling ab, versuche, irgendetwas zu erkennen, aber das Grau und die Wolken verhindern nach wie vor die Sicht. »Meine Begleiter und ich reisen wegen der Spiele nach Atlantis«, erwidere ich auf die ursprüngliche Frage des Fährmanns. »Warum sollten wir für die Prinzessinnen hier sein?«

Der Alte legt ebenfalls eine Hand auf die Reling, was seine Finger knacken lässt. Dann wendet er mir sein Gesicht zu. Die Falten auf seiner Haut bilden so tiefe Furchen wie zerknülltes Pergament. Als wäre er eine Geschichte, die bereits zu Ende erzählt ist. »Bei den diesjährigen Spielen gibt es einen …« Er sucht nach den richtigen Worten. »Eine Art Zusatz. Einen Gewinn, der in Aussicht steht, wenn man eine bestimmte Aufgabe erfüllt.« Leicht neigt er seinen Kopf in meine Richtung, als würde er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Offenbar haben deine Begleiter und du unter dem Omphalos gelebt, wenn ihr nach Atlantis reist, ohne davon zu wissen.«

Ich hebe eine Braue. Von dem, was ich bisher gehört habe, sollen die Spiele dem Vergnügen dienen und einem Theaterstück gleichen. »Was für eine Aufgabe und was für ein Gewinn?«

Die Mundwinkel des Alten verziehen sich. Er scheint das hier zu genießen. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass er auffordernd in Richtung des Lederbeutels schaut, der neben meinem Dolch befestigt ist. Kopfschüttelnd greife ich hinein und lege einen weiteren Silbertaler auf die Handfläche des Fährmanns. »Rede.«

Ein zufriedener Ausdruck legt sich über sein zerknittertes Gesicht. Mit flinkeren Fingern, als ich es ihm zugetraut hätte, lässt er den Taler in seiner Tasche verschwinden. »Von dem versunkenen Thronsaal hast du aber gehört, nicht wahr?« Ohne meine Antwort abzuwarten, spricht er weiter. »Die Mitte von Atlantis ist weggebrochen – Poseidons Tod hat ihn auf den Grund des Meeres getrieben. Außerdem ist er verschlossen. Von einem Zauber, den bisher niemand brechen konnte. Es heißt, Thalassa und Pontos haben in den ersten Jahren nach seinem Tod alles versucht, um zum Thronsaal und den königlichen Gemächern zu gelangen …«

Es dauert nicht lange, bis ich begreife, worauf es hinausläuft. »Sie suchen jemanden, der den Thronsaal öffnen kann.« Ein unwohles Gefühl macht sich in meinem Magen breit, legt sich wie ein Stein, der zuvor von einem Zyklopen getragen wurde, hinein.

»Und es gibt eine Belohnung«, frohlockt der Alte.

Oder eine Falle, ergänze ich stumm.

»Derjenige, dem es gelingt, den Thronsaal zu öffnen, bekommt die Hand von einer der Prinzessinnen. Er kann frei wählen, welche er zur Frau haben will.«

Meine Gedanken überschlagen sich. Pontos und Thalassa wissen etwas. Vielleicht stehen sie in Kontakt zu Nyx, die mehr als nur Gaia in ihre Pläne einbezogen hat. Vielleicht haben sie auch ihre eigenen Informanten. Es würde mich nicht wundern, sollte es ihre Absicht sein, zwei Harpyien mit einer Klinge zu erwischen. Spontan fällt mir nämlich direkt ein, was sich dort am Meeresgrund noch befinden könnte: der Dreizack des Poseidon. So oder so – der Köder wurde ausgeworfen. Und nun hoffen die Urgötter, dass der Erbe anbeißt. Denn wem auch immer es gelingen wird, diesen Thronsaal zu öffnen, soll nicht am Leben bleiben.

2 Spiel der Knochen

GRAVE

»Ich spüre sie auch.«

Neros Worte, die in meinen Ohren widerhallen, als würde sie der Wind immer wieder zu mir tragen, bereiten mir eine Gänsehaut. Obwohl unsere gemeinsame Zeit so kurz gewesen ist, zeigt mir mein Gedächtnis derart viele Erinnerungen – Momente, Berührungen und Gespräche –, dass es mir erscheint, als hätten wir nicht Tage, sondern Monate miteinander verbracht. Mir war bewusst, dass er sich mir gegenüber nicht gänzlich öffnet, und trotzdem erschien er mir so nah. Nicht fünf Meter entfernt, so wie jetzt. Mit einem fiebrigen Glanz in seinen schönen eisblauen Augen, von denen ich mich nach wie vor frage, ob so die Seen in der Oberwelt aussehen. Die Erde um ihn herum ist in Bewegung, der Beweis, dass er Gaias Macht verwendet. Aber wenn man Persephone und ihm Glauben schenkt, ist es mehr als das. Es kommt mir unwirklich vor, dass Gaia in dieser Sekunde anwesend ist.

»Fuck«, murmele ich, weil ich nicht den blassesten Schimmer habe, wie es funktioniert. Schließlich befindet sich ihr Körper nicht hier, ihr Element Erde hingegen ist voller Leben. Ebenso wie die Wurzeln, welche den Eindruck erwecken, uns gefangen zu nehmen. Ich mache einen weiteren Schritt auf Nero zu, erkenne, dass es sein Ziel ist, etwas aus Sand zu formen. Womöglich dieselben Krieger, die er bereits vor der Schlossruine der Todesfeen erschaffen hat. Sollte ihm das gelingen, wären wir ihm zahlenmäßig nicht mehr überlegen.

Hades’ Macht, die ich eigentlich verabscheue, von der ich nie vorhatte, Gebrauch zu machen, brodelt stärker als vorhin bei den Flussdaimonen in mir. Hitze schießt stoßweise durch meine Adern. Als würde man in meiner Brust ein Feuer entfachen. Meine Kehle brennt. Es würde mich nicht wundern, befänden sich glühende Kohlen darin. Dann stehen ohne Vorwarnung meine Hände in Flammen. Neros Augen, die nach wie vor fiebrig sind, weiten sich. Es ist bloß eine winzige Regung, und trotzdem dämpft sie ein Stück weit den Zorn in mir. Überraschung ist mir lieber als die Berechnung, die ich zuvor in seinem Blick gelesen habe. Vielleicht auch deshalb, weil ein Teil von mir sich wünscht, Überraschung mit Verunsicherung zu verwechseln – darauf hofft, dass Nero Zweifel hat.

Ich laufe auf den Halbgott zu und während ich seine schönen Züge mustere, die nun wieder so kalt wie seine Augen sind, kann ich nicht verhindern, abermals an seine Berührungen zu denken.

Wie seine Haut sich auf meiner angefühlt hat.

Wie seine Finger ein gänzlich anderes Feuer entfachten.

Wie seine Lippen meinen Körper erkundeten und auch mein Mund von ihm kostete.

Es war perfekt.

Die wenigen gestohlenen Stunden waren perfekt. Er war mein Licht im Schattenreich. Und nun … nun hat er mich zum Narren gehalten.

Ein heftiger Ruck geht durch meinen Körper. Dann schießt ein Pfeil aus Feuer aus der Innenfläche meiner Hand in Neros Richtung, gräbt sich nur knapp neben ihm in die Erde. Von den Moiren, deren Anwesenheit ich beinahe vergessen hatte, erklingt ein Keuchen. Nero hingegen schweigt, während er die Arme hebt und die Erde immer höher wächst, als wollte sie sich in der Größe mit dem Lebensbaum messen, der majestätisch über uns aufragt. Nach wie vor wirkt es, als könnte er das dunkelrote Firmament berühren, wäre er in der Lage, seine Äste auszustrecken.

Feuerfunken, die ich nicht kontrollieren kann, lösen sich von meinen Händen, benetzen den Boden. Die Wurzeln, die getroffen werden, glühen auf, ehe sie sich in Asche verwandeln. Ich weiß nicht, ob ich es mir einbilde oder ob das Klagen und Stöhnen, das wie aus weiter Ferne an meine Ohren dringt, tatsächlich da ist. Plötzlich ist meine gesamte Kleidung schweißgetränkt.

Es ist heiß.

Ich habe mein gesamtes Leben in der Unterwelt verbracht, und dennoch ist es viel zu heiß. Mein Innerstes – meine Knochen und Muskeln – brennen. Mein Blut kocht – so scheint es zumindest.

In dieser Sekunde wird mir klar, dass mein Gegner nicht mehr nur Nero ist, sondern auch die Macht meines Vaters, die ich gerufen habe – und nicht beherrsche. Wie von selbst hebt sich erneut meine Hand. Ich drehe und wende sie. Meine Haut wirkt tatsächlich, als würden sich glühende Kohlen darunter befinden. Doch da ist noch mehr: ein nicht geahntes Verlangen nach Zerstörung. Langsam verziehen sich meine Mundwinkel zu einem Lächeln. Es stört mich kaum, dass der Schweiß, der unablässig über mein Gesicht rinnt, meine Augen reizt und meine Sicht verschwimmt.

Plötzlich umfasst eine Hand meinen Unterarm. Sie erscheint so kühl und fremd, dass ich zusammenzucke. »Du musst loslassen.« Mehrmals blinzele ich, bis ich Persephone ausmachen kann. »Du musst loslassen, bevor Hades’ Macht dein Innerstes in Flammen setzt.« Hinter ihr erkenne ich, welche Form die von Nero beherrschte Erde angenommen hat. Das Geschöpf gleicht einem Adler, mit dem Unterschied, dass ich Reißzähne statt eines Schnabels erkenne und Klauen, die mehr zu einem Drachen als einem Vogel gehören könnten.

»Du verbrennst.« Persephones Griff wird fester. »Du verbrennst, noch bevor dein Verstand es wirklich begreift.«

Die Erde, aus welcher der Adler zusammengesetzt wurde, besitzt glühende Fragmente, als hätte der Sand etwas von meinen Flammen in sich aufgenommen. »Das«, kommentiert Hale, der uns erreicht, dabei einer Wurzel ausweicht, die sich um sein Bein schlingen wollte, »werte ich als schlechtes Zeichen.«

Nun berührt auch er meinen Arm – den anderen –, und plötzlich werde ich von Ruhe durchströmt. Sie ist schwer, macht mich zu müde, um meine Energie länger in den Zorn zu lenken. Eine Sekunde später begreife ich, was Hale getan hat – was er bereits bei den anderen in der Knochenflut vollbracht hat: Er beeinflusst meine Gefühle. Das ist seine Fähigkeit.

»Du hättest deine Gabe eher bei Nero anwenden sollen«, knurre ich.

Hale verzieht das Gesicht. »Hades’ Macht hat dich mitgerissen, doch hinter seinem Erbe bist du bei Verstand –«

Ich schnaube. »Vielen Dank.« Für dieses zweifelhafte Kompliment, füge ich stumm hinzu.

»Nero hingegen«, fährt Hale unbeirrt fort. »Keine Ahnung, ob Gaia für sein Verhalten verantwortlich ist oder das hier sein wahres Gesicht ist.«

Ein gellender Schrei ertönt, und als wir herumwirbeln, windet sich eine glühende Wurzel um Lachesis’ Unterschenkel.

»Verflucht.« Es scheint, als hätte ich Neros und Gaias Macht in die Karten gespielt. Trotzdem bin ich mir mittlerweile sicher, auch die Erde vor Schmerzen stöhnen zu hören. Klotho und Atropos packen Lachesis an den Unterarmen, ziehen sie von der Wurzel zurück, die Hypnos kurz darauf mit seinem Dolch durchtrennt. Ein Wimmern verlässt den Mund der Moire, ihre Hose hängt in Fetzen an ihrem linken Bein. Meine Kehle wird eng, als ich die verbrannte Haut darunter erkenne.

»Vorsicht!«, mahnt Hale, und als die Klaue des Adlers auf uns niedersaust, hechten Persephone, der neue Gott und ich zur Seite. Wieder wächst der Zorn in meinem Inneren. Ich komme auf die Füße, bereit, den Mann zu Fall zu bringen, der mich belogen hat. Das Feuer in mir wächst mit einer Heftigkeit, dass es mich beinahe in die Knie zwingt. Als würde ich mich selbst besiegen, statt Nero zu bezwingen. Gleichzeitig kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, ob er mich von Anfang an in einen Hinterhalt locken wollte. Schon vor der Schlossruine am Nebelsee, als er der Todesfee die Hand abhackte und schockiert über seine eigene Grausamkeit schien. War das nur gespielt – oder ist diese Grausamkeit in Wahrheit ein Teil von ihm? Und von mir, weil ich vorhabe, ihm wehzutun, wenngleich ich ihn in den vergangenen Tagen so sehr retten wollte. Es kaum ertragen konnte, Schmerz in seinen Augen zu lesen.

Ein Grollen dringt aus meiner Kehle und ich lasse einen weiteren Feuerpfeil aus meiner Handinnenfläche schießen, treffe den Adler zwischen die Augen. Ein Schrei, viel lauter als der von Lachesis vor wenigen Minuten, dringt aus der Kehle des Ungetüms – und aus Neros. Mein Herz stolpert bei dem Laut. Mein Puls dröhnt unnatürlich laut in meinen Ohren. Dazu gesellt sich ein tiefes Rauschen. Als befände ich mich am Grund des Styx. Alles in mir sträubt sich, wehrt sich dagegen, will ihm kein Leid zufügen.

»Geh!« Persephones Stimme dringt wie durch einen Sturm zu mir. Eine ihrer Schlingpflanzen schnellt hervor, windet sich um den Hals des Adlers. Ein Knurren verlässt ihren Mund, als Hitze von einem glühenden Erdfragment auf ihre schwarzen Ranken überspringt. Trotzdem zieht sie ihre Macht nicht zurück. »Geh!«, wiederholt sie. Und dieses Mal ist es unverkennbar ein Befehl. Ein Befehl der ehemaligen Königin der Unterwelt. »Du hast eine Aufgabe zu erfüllen«, erinnert sie mich. »Du bist hier, um den Lebensbaum zu heilen.«

Mein Kiefer knackt, so heftig beiße ich die Zähne aufeinander. Ich weiß, dass sie recht hat. Dennoch erscheint es mir, als würde ich davonlaufen, als ich einen Schritt zur Seite mache. Ich sollte derjenige sein, der Nero entgegentritt. Weil ich mich so sehr verraten fühle. Aber die Rettung der Hölle ist wichtiger als meine Rache.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, stoße ich einen Fluch aus, wende mich ab und laufe los. Die Erde unter meinen Stiefelsohlen ist weich, macht meine Schritte langsamer. Nach wie vor sind die Wurzeln in Bewegung, doch zu meiner Verwunderung versucht keine von ihnen, sich um meine Beine zu schlingen. Vielleicht liegt es an der Hitze, die mein Körper noch immer ausstrahlt. So sehr, dass selbst ich es kaum ertrage. Die ehemalige Königin hatte recht. Ich war kurz davor zu verbrennen.

Auf der Hälfte des Weges treffe ich auf die Schicksalsgöttinnen sowie Arym und Hypnos. Die beiden haben sich schützend vor die drei Schwestern gestellt, deren Blicke, seit wir die Gondeln verlassen haben, glasig wirken. Sie haben sich vom Kampfgeschehen abgewandt, ihre Augen fixieren den Lebensbaum. Jetzt, wo mich nur noch wenige Meter von ihm trennen, sieht er noch mächtiger aus. Als wollte er das Firmament nicht bloß erreichen, sondern sogar durchbrechen, um nicht nur Teil der Unterwelt – sondern auch der Oberwelt zu sein.

Wind kommt auf und die Äste des Baumes klirren, als bestünden sie nicht aus Knochen, sondern aus Glas. Ein Stück der gehäuteten Rinde, welche die Äste einst umgab, weht in unsere Richtung, segelt langsam zu Boden. Atropos bückt sich danach und eine Träne rollt über ihre Wange, als sie den Fetzen auf ihrer Handinnenfläche betrachtet. Meine Aufmerksamkeit hingegen richtet sich wieder auf die Mitte des breiten Stammes, die Stelle, an welcher Hades’ Herz eingefasst ist. Es ist stumm, bewegt sich nicht und ich glaube lediglich das Blut fließen zu hören, das unaufhörlich vom Herzen über Stamm und Knochen in den Boden sickert, sich in Rinnsalen über die Erde bewegt.

»Ihr müsst weiter«, reißt Arym mich aus dem Bann, in welchen der Lebensbaum mich gezogen hatte.

»Wir halten euch den Rücken frei«, ergänzt Hypnos, und vermutlich ist es das erste Mal, dass sie einer Meinung sind. Klotho setzt sich als Erste in Bewegung, Lachesis und Atropos folgen ihr, schauen nicht zu den Männern zurück, denen ihr Herz gehört. Der weißliche Stein, den sie um ihren Hals tragen und der den Eindruck vermittelt, als würde Nebel in ihm toben, sendet nun ein stärkeres Leuchten aus als zuvor.

»Los«, drängt mich Hypnos, und erst dann setze ich mich wieder in Bewegung. Ist das ein guter Moment, um zu offenbaren, dass ich nicht den blassesten Schimmer habe, was ich hier tue? Instinktiv suche ich Nero. Eine von Persephones Schlingpflanzen peitscht durch die Luft und er weicht ihr aus. Seine Miene ist vollkommen ausdruckslos. Trotzdem erkenne ich, dass er hoch konzentriert ist: Schweiß rinnt über seine Schläfen, seine Zähne sind derart fest in seine Unterlippe gegraben, dass Blut auf sein Kinn tropft, und seine Hände zittern, während er seine Macht in den Adler lenkt.

Sieh mich an. Der Gedanke schießt durch meinen Kopf und fühlt sich an wie eine Schwäche. Was würde es mir nutzen, ein weiteres Mal in seine eisblauen Augen zu sehen? Es ändert nichts an der Tatsache, dass er auf Gaias Seite steht. Ein Ruck geht durch meinen Körper und endlich gelingt es mir, meine Schritte zu beschleunigen. Persephone hat recht. Es ist meine Aufgabe, den Lebensbaum zu heilen. Daran ändert auch Neros Verrat nichts. Denn er gehörte von Anfang an nicht in die Unterwelt.

Ich schließe zu den Moiren auf, die Sicht hat sich seit unserer Ankunft verschlechtert. Schuld trägt vermutlich die aufgewühlte Erde, die Wurzeln, die sich unaufhörlich bewegen, sowie Persephones Schlingpflanzen, die nach wie vor gegen Neros Adler kämpfen. Sand bricht jedes Mal aus der Gestalt des Vogels, wenn die ehemalige Königin einen Treffer landet. Während sie versucht, den Adler zu bezwingen, entgeht mir nicht, dass Hale, Arym und Hypnos sich dem Halbgott nähern. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und ich verbiete mir, darüber nachzudenken, was ihre Pläne für Nero sind.

Mein Fokus liegt auf der Unterwelt. Sie muss ich retten. Nicht ihn.

Es kommt mir vor, als würden die Schicksalsgöttinnen und ich uns eine Ewigkeit durch die tiefe Erde bewegen. Der heiße Wind der Spiegelstadt brennt auf meiner Haut und die Sandpartikel stechen in meinen Augen. Immer wieder stolpern wir, weil die Wurzeln über unsere Stiefel kriechen, doch es gelingt ihnen nicht, uns in die Knie zu zwingen.

Und dann haben wir es geschafft. Wir stehen direkt vor dem Lebensbaum. Es ist, als würde zu viel und gleichzeitig zu wenig Luft in meine Lunge strömen. Lachesis stößt neben mir einen sonderbaren Laut aus. Ein Lachen und Schluchzen zur gleichen Zeit. Der Boden ist nun dicht von den goldenen Blättern, welche wohl einst an den Ästen hingen, übersät. Als würden wir auf einer Decke von Erinnerungen stehen. Doch ich sehe auch das Blut. Kann den metallischen Geschmack förmlich schmecken, wodurch Übelkeit auf meinen Magen drückt.

»Wir sind hier«, haucht Klotho kaum hörbar. »Heile ihn.«

Damit meint sie mich. Ich soll Hades’ Herz, den Baum und damit die Unterwelt heilen. Der Moment ist eingetreten, um den es in den vergangenen Tagen immer wieder ging, der Grund für diese irrsinnige Reise. Die Spiegelstadt und der Lebensbaum existieren. Wir haben es bis zu seinen Wurzeln geschafft. Und es erscheint mir surreal. Als befände ich mich in einem fernen Universum. Ich glaube nicht, dass jemals mehr Verantwortung auf mir lastete. Dass irgendwer so viel Verantwortung allein tragen sollte. Denn in der Hölle gibt es trotz des Todes unzählige Leben. Die in dieser Sekunde abhängig sind von mir. Ich darf nicht versagen.

Mein Blick wandert an dem Stamm auf und ab. Von Nahem ist er noch mächtiger als aus einigen Metern Entfernung. Ich lege den Kopf in den Nacken. Ein Blutstropfen von Hades’ Herz trifft auf meine Wange.

»Das Herz ist zu weit entfernt.« Meine Stimme klingt blechern in meinen Ohren. Es stimmt. Es befindet sich zu hoch über mir in der Rinde. »Ich muss es berühren, um es zu heilen.«

Hinter uns ertönt ein warnender Ruf. Es gelingt mir, Klotho und Lachesis zu packen und mich über sie zu werfen. Nicht so Atropos, die sich einige Schritte von uns entfernt hatte. Kurz darauf fegt der Flügel des Adlers über uns hinweg. Obwohl ich weiß, dass er aus gehärtetem Sand erschaffen wurde, habe ich mit weichem Gefieder gerechnet. Doch die Wucht, mit welcher er gegen den Stamm, der mehr aus den Skelettknochen als aus Rinde besteht, trifft, lässt den Baum und unseren Untergrund erzittern. Mein Nacken knackt, weil mein Gesicht so heftig auf eine der Wurzeln prallt. Meine Haut platzt auf. Sand rieselt in meine Augen, und für einen Moment erscheint es mir nicht allzu abwegig, meine Sicht gänzlich zu verlieren.

»Vorsicht«, brüllt dieses Mal Hale. Doch es geht zu schnell, als dass ich reagieren könnte. Wir sind in die Erde eingesackt und eine der Wurzeln kriecht bereits über meine Hand, als wollte sie mich noch weitaus tiefer ziehen. Der Flügel des Adlers fährt erneut auf uns nieder, und ich schaffe es gerade noch, Klotho weiter nach rechts zu rollen. Ich rechne fest damit, getroffen zu werden, als eine von Persephones todbringenden Ranken hervorschnellt und uns zur Seite schleudert. Ich höre, wie der Knochen in meiner Hand bricht, ehe die Wurzel nachgibt und ich gemeinsam mit den beiden Schicksalsgöttinnen gegen den Stamm geschleudert werde. Als ich einen Atemzug später auf dem Boden aufschlage, stöhne ich vor Schmerz.

»Ich werde dich umbringen, Nero«, knurrt Klotho neben mir. »Ich. Werde. Dich. Umbringen.« Ihr Gesicht ist blutverschmiert, in ihrem zerzausten Haar hängen Reste der goldenen Blätter und ihr Blick wirkt so zornig und wild, als wäre sie eine Göttin der Rache und nicht des Schicksals. Sie springt auf die Füße, zieht Lachesis mit sich hoch, die benommen blinzelt. Sie blutet aus einer Wunde am Hinterkopf, die bereits heilt, ebenso wie der Knochen meiner Hand. Ich unterdrücke ein Ächzen, stehe ebenfalls auf, bis ich realisiere, dass jemand fehlt.

»Atropos!«, keucht Lachesis im selben Moment panisch auf. Innerlich stoße ich eine Reihe von Flüchen aus, bis Klotho »Dort!« ruft, und ich der Richtung folge, in welche sie deutet. Zeitgleich setzen wir uns in Bewegung, erreichen die dritte Schwester, welche Persephone offenbar ebenfalls mit einer ihrer Schlingpflanzen in Sicherheit gebracht hat. Sie windet sich um Atropos’ Körper, drückt sie schützend an den Stamm des Lebensbaumes. Zuerst denke ich, dass sie nicht bei Bewusstsein ist, aber dann zucken ihre Arme und anschließend ihre Lider, ehe sie die Augen aufschlägt.

»Den Göttern sei Dank«, keucht Lachesis. Als könnte die Schlingpflanze unsere Anwesenheit spüren, zieht sie sich zurück, und ich helfe Atropos vorsichtig hoch. Auch sie hat eine Platzwunde an der Stirn, Blut läuft in ihre Augenwinkel. Mehrmals blinzelt sie orientierungslos, während ich mich versichere, dass sie ansonsten unversehrt ist.

»Es kommt mir vor, als würde die Erde zu unseren Füßen sich noch immer bewegen«, murmelt Lachesis.

»Ich hatte keine richtige Vorstellung von Neros Macht«, meint Klotho. »Sollte es uns beunruhigen, dass er über derart viel Kraft verfügt?«

»Er hat den Lebensbaum ins Wanken gebracht«, erwidere ich. Das ist wohl Antwort genug. »Alles in Ordnung?«, frage ich Atropos.

Sie schluckt und nickt, fährt mit dem Handrücken über einen Schnitt an ihrem Wangenknochen, um den sich eine Schwellung gebildet hat. Lachesis schaut sorgenvoll über ihre Schulter. Arym, Hypnos und Hale ziehen den Kreis enger, den sie um Nero gebildet haben, während die ehemalige Königin weiterhin den Adler attackiert, ihn von uns fortlenkt. Zwei Ranken holen aus, treffen synchron in seinen Flügel. Ein größerer Brocken löst sich und sobald er auf der Erde aufschlägt, erscheint es, als würde sie stöhnen.

»Wie gelangen wir zum Herz?«, murmelt Lachesis. Die Iriden der Moiren wirken nach wie vor glasig, wobei es bei Lachesis, deren Augen kornblumenblau wie die Lethe sind, am meisten auffällt. Trotzdem erscheint sie wacher als zuvor. Vielleicht liegt es an der offensichtlichen Sorge um Hypnos.

»Es gibt einen Weg in den Baum.« Atropos zieht mit ihrer sanften Stimme unsere Aufmerksamkeit auf sich.

»In den Baum?«, wiederholt Klotho ungläubig.

Atropos nickt bestätigend. »Ich habe den Eingang entdeckt, bevor der Adler mich von den Füßen holte.« Auf wackeligen Beinen bedeutet sie uns, ihr zu folgen. Während ihre Schwestern sich sofort in Bewegung setzen, werfe ich noch einen Blick zum Herzen. Es scheint riesig, als hätte es seine Größe an den Lebensbaum angepasst. In etwa drei Metern Höhe befindet es sich im Stamm. Vom Boden aus unerreichbar. Ich könnte versuchen zu klettern, allerdings haben sich Dornen gebildet, aus denen eine Flüssigkeit tropft, von der ich nicht glaube, dass sie ungefährlich ist. Im selben Moment stößt der Adler einen Schrei aus und ich mache instinktiv einen Satz zur Seite, als sich eine Klaue links von mir in den Boden gräbt. Sofort muss ich an sein Maul und die untypischen Reißzähne denken. Was passiert, wenn es ihm gelingt, sie in Hades’ Herz zu graben? Ein Grollen fegt über uns hinweg, und obwohl ich nicht zurückblicke, weiß ich, dass es aus den Tiefen von Persephones Macht kommt, aus denen sie schöpft.

Uns läuft die Zeit davon.

Ich reiße mich von dem Anblick von Hades’ blutendem Herzen los, laufe den Schicksalsgöttinnen nach, die sich auf die östliche Seite des Baumes begeben haben. Sobald ich sie erreiche, erkenne ich, was Atropos gemeint hat. Die Öffnung im Stamm gibt das Skelett des Lebensbaumes gänzlich frei. Erst jetzt begreife ich, dass auch der Palast im Zentrum des Hades genau aus diesem Grund aus Knochen besteht. Leicht beuge ich mich vor, spähe ins Innere. Die Knochen bilden Treppenstufen, von denen nicht ersichtlich ist, wohin sie führen. »Hoffentlich zum Herzen«, murmele ich, bevor ich mich den Schwestern zuwende. »Bereit?«

Keine von ihnen reagiert.

Ohne Vorwarnung zieht sich die dunkelrote Farbe des hier vorherrschenden Himmels zurück. Stattdessen wird unsere Umgebung nun in silbernes Licht getaucht. Alle drei Schwestern fixieren das Firmament. Der Vollmond blickt auf uns herab, als hätte er zu unserem Schutz seinen Platz in der Oberwelt aufgegeben, um in der Spiegelstadt in Erscheinung zu treten. Es ist unmöglich – und trotzdem sehe ich ihn. Sein Abbild spiegelt sich an den Stirnen der Schicksalsgöttinnen. Die Steine, die sie alle um ihren Hals tragen, leuchten ebenso wie der Mond.

Ich räuspere mich.

Nach wie vor reagiert keine von ihnen, als hätte die Kraft des Mondes eine hypnotische Wirkung auf sie. »Großartig.« Mit beiden Händen reibe ich mir über mein Gesicht. Dann trete ich vor die Moiren, ducke mich durch die schmale Öffnung. Nachdem ich wenige Schritte über die Treppenstufen gegangen bin, schaue ich über die Schulter. Die Schwestern sind mir gefolgt, wenngleich sie sich scheinbar nach wie vor in einer Art Trance befinden. Atropos’ starrer Blick bereitet mir eine Gänsehaut, während sie mit ihren Fingerspitzen sanft über einen Knochen fährt, der daraufhin erstrahlt, als würde sie ihn zum Leben erwecken. Gleichzeitig bilde ich mir ein, eine leise Melodie zu hören, wie ein weit entferntes Klavierspiel.

Die Stufen aus Knochen winden sich nun nach links und ich rutsche beinahe auf einem losen Fetzen Rinde weg. In letzter Sekunde halte ich mich an einem Knochen fest. Dabei realisiere ich, dass die Dornen, von denen Flüssigkeit tropft, auch im Inneren existieren. Allerdings wirkt diese hier wie silbernes Blut und ich frage mich, ob es an dem Mondzauber der Moiren liegt. »Seid wachsam, wohin ihr fasst«, sage ich dennoch. Wir können es nicht gebrauchen, dass sich einer von uns vergiftet.

Nachdem wir eine Weile gelaufen sind, wobei es mir erscheint, als wäre eine Ewigkeit vergangen, gelangen wir an eine Weggabelung. Die Treppenstufen führen in drei verschiedene Richtungen, und als ich den Kopf zurückneige, wirkt es, als könnte man von hier bis nach oben in die Baumkrone laufen. Gleichzeitig würde es mich nicht wundern, sollte dieses Vorhaben Tage dauern. Unzählige Knochen befinden sich über uns, erinnern tatsächlich an dicht wachsende Äste.

Bevor ich darüber nachdenken kann, welchen Weg wir einschlagen sollten, schiebt Klotho sich an mir vorbei, wählt den mittleren. Leicht berührt Atropos mich an der Schulter, fordert mich stumm dazu auf, ihrer Schwester zu folgen. Ihre Augen glühen, als würden sich Leuchtkäfer dahinter befinden, und ein Schauer rinnt über meine Wirbelsäule. Tatsächlich habe ich das Erscheinungsbild der drei Moiren nie als mächtig oder ungewöhnlich wahrgenommen. Doch jetzt – in diesem Moment – sind sie zweifellos die Verkörperung des Schicksals. Eine höhere Macht – so scheint es zumindest – leitet sie an.

Als ich weiterlaufe, habe ich das Gefühl, dass etwas mit meiner Umgebung nicht stimmt. Es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, woran es liegt. Die Knochen sind in Bewegung, verändern sich, mit jedem Schritt, den wir gehen.

3 Das Versprechen von Heilung

ATROPOS

Ich vernehme ein Wispern, weshalb ich mich frage, ob der Lebensbaum eine Stimme besitzt. Eine, die nicht länger nur in meinen Träumen zu mir spricht. Immer wieder streiche ich über die Knochen, die sich so vertraut anfühlen, als befänden sie sich unter meiner eigenen Haut. Und vielleicht ist es so, schließlich haben der Lebensbaum und das Schicksal meine Schwestern und mich ins Leben gerufen.

»So wunderschön«, flüstere ich, während das Licht des Mondes, das vom Firmament ins Innere des Baumes fällt, von den Knochen gebrochen wird, ehe es sanft mein Gesicht berührt. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich irgendwann an diesem Ort befinden – und dem Lebensbaum so nah sein würde. Das hier ist so viel mehr als das Symbol unserer Bestimmung, das ich ebenso auf meiner Stirn spüre.

Ich glaube, dass auch der Lebensbaum unsere Ankunft erwartet hat. Denn genau in diesem Moment verändert sich sein Skelett. Während wir gehen, baut er den Weg für uns, der zu seinem Herzen führt. Es löst Schwindel in mir aus, trotzdem setze ich unermüdlich einen Schritt vor den anderen.

Unser Weg.

Unsere Bestimmung.

Der Ort, an den wir gehören.

Er ist die ganze Zeit über hier gewesen.

Sogar das Mal auf meinem Schulterblatt, das mir in den vergangenen Wochen nichts als Schmerz und Unwohlsein bereitete, erscheint mir in dieser Sekunde angenehm kühl. Die Aussicht auf Linderung, wenn es uns gelingt, den Lebensbaum zu retten. Gleichzeitig spüre ich eine sonderbare Leere in meiner Brust, als wollte mich mein Körper daran erinnern, dass ich etwas vergessen habe. Bloß was? Augen, welche die verschiedensten Schattierungen von Grün aufweisen, schieben sich in meinen Kopf. Blitze zucken durch meine Adern, hinterlassen eine kribbelnde Wärme. Zaghaft taste ich nach meinen Lippen, auf denen ein Geschmack liegt, der mir fremd und vertraut zugleich erscheint. Ein Keuchen dringt aus meiner Kehle, mein Fuß rutscht an einem der Knochen ab und ich stolpere nach vorn. »Das also verstehst du unter wachsam sein.«

Ich schaue auf, zu dem Mann, der meinen Fall verhindert hat. Ich weiß, dass er das Herz heilen wird. Ich weiß, dass er dafür sorgt, dass die Hölle nicht stirbt. Aber ihn habe ich nicht gesehen. »Schwarz«, flüstere ich. »Schwarz mit einem roten Zirkel.« Ich runzele die Stirn. »Nicht grün.«

»Was?« Irritation schwingt in seiner Stimme mit, vereint sich mit dem Wispern des Baumes.

»Grün. Wo sind die grünen Augen?« Ich überkreuze meine Arme vor der Brust, fahre hektisch mit meinen Händen über meine Schultern. »Etwas fehlt«, murmele ich dabei immer wieder. Egal, wie sehr ich mich anstrenge: Ich sehe nur den Lebensbaum. Den Mann, der Heilung statt Zerstörung bringt. Und die Augen. Grüne Augen, die ihre Farbe wechseln und nicht zu dem Mann gehören, der vor mir steht.

»Offenbar fantasierst du von deinem Daimon«, kommentiert der Mann und löst meine Hände von meinen Schultern.

»Ein Daimon?«, wiederhole ich. Gleichzeitig erschauere ich. Es ist, als würde ich etwas Kühles, Scharfkantiges an meinen Brüsten spüren. Als würde eine Klinge meine Haut berühren. Obwohl es sich so gut anfühlt, ist mir plötzlich kalt. Viel zu kalt. Meine Zähne schlagen aufeinander.

»Ihr verhaltet euch sonderbar, seit wir von den Gondeln gestiegen sind.« Ein gebrochener Strahl des Mondes erhellt das Gesicht des Mannes, sodass die roten Zirkel um seine Iriden stärker glühen. »Ich hoffe, dass ihr wieder bei klarem Verstand seid, sobald wir den Lebensbaum hinter uns lassen.«

»Meine Schwestern und ich gehören hierher. Der Lebensbaum ist unser Platz. Wir werden ihn nicht verlassen.«

Der Mann stöhnt. »Alles klar, Atropos.«

Er legt eine Hand an meinen Rücken und schiebt mich vor sich. Atropos. Lautlos bewege ich meine Lippen. Es stimmt. So lautet mein Name.

»Los«, raunt der Mann an meinem Ohr und meine Füße gehorchen mir. Plötzlich sehe ich eine Fensterscheibe vor mir. Die Dämmerung. Kerzenlicht. Und das Antlitz eines Engels. Heftig blinzele ich. Ich drehe mich. Obwohl ich geradeaus laufe, drehe ich mich, befinde mich in einem Tanz, dem ich nicht entkommen kann. Ein Brennen breitet sich an meinem Hals aus, das sich in Schmerz verwandelt. Mein Schulterblatt pocht, als hätte man einen stumpfen Dolch hineingestochen. Mein Mund ist trocken, als hätte ich seit Tagen kein Wasser bekommen. Über meine Stirn rinnt kalter Schweiß. Mein Körper friert ungeachtet der Wärme. Was passiert mit mir?

»Du bist entkräftet«, antwortet der Mann, der Heilung bringt. Scheinbar habe ich laut gesprochen. Dabei höre ich nichts bis auf ein beständiges Rauschen, das begleitet wird vom Flüstern des Baumes. Ich versuche mich zu konzentrieren, um seinen weisen Worten zu lauschen, aber es gelingt mir nicht, ihren Sinn zu vernehmen. »Es ist nicht mehr weit bis zum Herzen. Es wird dir besser gehen, sobald ich es geheilt habe.«

Ein Schrei dringt aus meiner Kehle, als unsere Umgebung ohne Vorwarnung erzittert. Ich falle, mein rechtes Bein rutscht zwischen den Knochen hindurch, welche die Stufen bilden. Meine Haut reißt auf, während der Baum heftiger erzittert. Die Knochen über uns, welche ihr skelettartiges Netz womöglich bis in die Baumkronen ziehen, klirren, als bestünden sie aus Glas. Das Geräusch ist derart intensiv, übertönt selbst meine Gedanken, sodass ich die Hände auf die Ohren presse.

»Nero«, knurrt der Mann hinter mir, befreit mein Bein und hilft mir auf die Füße. Blut rinnt meinen Schenkel entlang, den ein langer Schnitt ziert. Doch der Schmerz an meinem Schulterblatt ist stärker. »Geht es oder soll ich dich tragen?«

Ich schüttele den Kopf, versuche den Nachhall der klirrenden Knochen zu verbannen. Ihre Laute sind so unangenehm, dass meine Augen tränen. Die Finger des Mannes liegen um meinen Unterarm, als müsste er mich stützen. Wieder setze ich mich in Bewegung. Mein Bein fühlt sich sonderbar an und ich kneife in meine Haut. Ein taubes Kribbeln breitet sich auf ihr aus.

»Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Ich zucke zurück, als sich plötzlich das Gesicht einer Frau in mein Sichtfeld schiebt.

Klotho.

Meine Schwester Klotho.

Ihre Miene wirkt verzerrt. Heftig blinzele ich. Irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht liegt es an ihr. Vielleicht an mir. Oder an unserer Umgebung, die nicht aufhören will, sich zu bewegen.

»Was ist mit ihr?« Eine weitere Stimme ertönt, sorgenvoller als Klothos.

»Wir müssen einfach nur dieses verfluchte Herz erreichen.«

Herz erreichen.

Herz erreichen.

»Was ist, wenn er vorher den Baum zerstört?«

Baum zerstört.

Baum zerstört.

Ich stoße einen klagenden Laut aus.

Herz erreichen.

Baum zerstört.

Weshalb hört es nicht auf?

Das Echo will meine Gedanken brechen.

Plötzlich wird der Weg, der vor mir liegt, nicht mehr in silbernes Licht getaucht, stattdessen flackern bunte Lichter. Hektisch blicke ich mich um, Schmerz zuckt hinter meinen Schläfen.

»Komm.« Ich höre Lachesis’ sanfte Stimme, aber der Arm, der sich um meine Taille schlingt, wirkt muskulöser. Ich folge der Aufforderung, setze einen Fuß vor den anderen, bewege meinen Körper, der mir fremd erscheint. Als steckte ich in einer anderen Haut. Eine Ewigkeit vergeht, während ich unermüdlich durch die flackernden Lichter laufe. Am liebsten würde ich meine Augen schließen. Der Schwindel ist unerträglich. Wie der Versuch, am Grund des Styx über den Sand aus Asche zu gehen.

Irgendwann verändert sich der Boden, mehrmals rutsche ich weg und wäre ohne Stütze gefallen. Der Untergrund ist nass und wegen der flackernden Farben, die meinen Verstand in den Wahnsinn treiben, dauert es einen Moment, bis ich begreife, dass ein Blutstrom über die Knochen fließt.

»Ihr müsst sie festhalten.«

Nun schlingen sich zwei Arme von links und rechts um meinen Körper. Sie wirken dünner, zerbrechlicher, dennoch vertraut. Ich weiß, dass ich bei ihnen in Sicherheit bin. »Nicht mehr weit«, flüstert jemand und ich versuche mich daran zu erinnern, was unser Ziel gewesen ist.

Herz erreichen.

Meine Kehle brennt so sehr, dass es mir nicht gelingt zu schlucken. Meine Muskeln zittern und meine Beine drohen unter mir nachzugeben. Ich täte nichts lieber, als mich an Ort und Stelle zusammenzurollen. Denn plötzlich bin ich müde. So unendlich müde, dass ich für eine Ewigkeit schlafen will.

»Wir sind da.« Die sanfte, Mut machende Stimme ist wie ein Streicheln. Ebenso wie der Wind, der warm und wohltuend meinen Körper umschmeichelt. Ich stehe an einer Öffnung. Es ist, als würde ich durch ein Fenster sehen. Dort draußen tobt das Chaos. Mächtige Schlingpflanzen, schwärzer als der Acheron und der Styx, peitschen durch die Luft. Ihr Gegner ist ein riesiger Greifvogel, dessen Klauen die Erde aufwühlen. Goldene Blätter und Sandkörner wirbeln umher und die Wurzeln, welche den weich aussehenden Boden bedecken, wirken lebendig. Ein Mann wird von drei anderen umzingelt. Die Erde um ihn herum tobt. Vielleicht habe ich mich getäuscht und in Wahrheit sind es Wellen. Schließlich höre auch ich einen Fluss, aber als ich den Blick senke, begreife ich, dass es das Blut ist. Ja, meine Schwestern und ich stehen an einer Öffnung. Und unter uns ist das Herz. Hades’ Herz. Das Herz, welches die Unterwelt lebendig hielt.

Mit einem Mal ist alles ganz klar, und ich realisiere erst jetzt, dass die bunt flackernden Farben verblassen. Dennoch wankt meine Umgebung. Womöglich ist es die Schuld des Adlers, der versucht, sich aus dem Griff der Schlingpflanzen zu befreien, dabei immer wieder Erschütterungen auslöst.

Ich beuge mich vor, als ich erkenne, dass der Mann, welcher von den anderen umzingelt wird, auf ein Knie sinkt. Der Adler stößt ein Krächzen aus, als wäre er am Ende seiner Kräfte. Jemand atmet zischend ein. Es ist ein Geräusch, das von Schmerz spricht, erinnert mich an meinen eigenen pochenden Leib. An mein taub kribbelndes Bein und das Pulsieren meines Schulterblatts.

Heilung.

Meine Schwestern und ich sind hier, weil uns Heilung versprochen wurde.

Für den Lebensbaum.

Die Unterwelt.

Und für uns.

»Jetzt, Grave«, fordert Klotho, und vor Dankbarkeit würde ich am liebsten aufstöhnen. Folgt jetzt unsere Erlösung? Ich will die Frage laut stellen, bringe aber nur ein Krächzen hervor, das genauso gut von dem Adler stammen könnte. Vielleicht tut es das auch. Schließlich wirkt meine Umgebung nach wie vor verschoben. Und die Farben, die zuvor zu viel waren, fehlen nun. Stattdessen besteht meine Umgebung lediglich aus Grau, Schwarz und Weiß. Erneut blicke ich blinzelnd hinab, vernehme das Tropfen des Blutes. Es ist schwarz.

Übelkeit steigt in mir auf und ich mache einen Schritt zurück. Wie von selbst gleiten meine Hände in die meiner Schwestern und wir stellen uns in einen Halbkreis. Der Sohn der Styx kniet sich vor uns, um das Herz seines Vaters zu heilen, der ihn töten wollte. Auch ihn sehe ich nun klar. Meine Schwester ist einen Handel mit ihm im Gemach des verstorbenen Königs eingegangen. Es fühlt sich an, als wäre seitdem eine Ewigkeit vergangen. Bloß was ist dazwischen passiert? Ich runzele die Stirn, will mich erinnern. Mir ist bewusst, dass Lachesis, Atropos und ich uns im Lebensbaum befinden. Aber wie sind wir hierhergekommen? Weshalb erscheint es mir, als hätte ich etwas Wichtiges vergessen? Wieder ist da diese Klinge, die ich vorhin schon zwischen meinen Brüsten spürte. Kornblumenblau. Das Wasser der Lethe blitzt vor meinem inneren Auge auf. Erschrocken keuche ich. Habe ich aus dem Fluss des Vergessens getrunken? Doch dann würde ich auch meine Schwestern nicht erkennen. Oder Grave.

Sein Rücken ist uns zugewandt. Aber da er kniet und wir stehen, sehe ich, wie er seine Hände von oben auf das Herz legt. Leicht wendet er sein Gesicht, blickt über die Schulter zu uns. Der rote Zirkel um seine Iriden glüht in der Farbe, die das Blut haben sollte. Mein Griff um die Hände meiner Schwestern wird fester.

»Nun bekommt ihr, was ihr wolltet«, murmelt Grave. In dem Moment, in welchem er sich wieder abwendet, verändert sich die Luft um uns herum. Sie wird schwerer, die Hitze drückender. Vielleicht ist das Feuer dafür verantwortlich, das Graves Körper innewohnt, seit der König gestorben ist. Der Geruch von Rauch steigt mir in die Nase. Der Geschmack von Asche liegt auf meiner Zunge. Dunkelheit umspielt uns wie die Schatten der verlorenen Seelen. Durchbrochen wird sie von etwas Hellem, das mein Gesicht von unten erleuchtet. Der Edelstein an der Kette um meinen Hals sendet ein Licht aus, das wirkt wie ein Sonnenstrahl, obwohl die Sonne in der Hölle nicht existiert. Ich schaue zu meinen Schwestern. Auch ihre Steine schicken ein Licht nach oben. Das Strahlen erhellt die Knochen des Lebensbaumes, jeden einzelnen von ihnen. Es ist ein anderes Feuer. Doch ich spüre seine Macht. Es steht den Flammen in nichts nach. Ein Ruck fährt durch meinen Körper, als unser Leuchten sich mit dem Schein des Mondes am Firmament vereint. Wir sind verbunden mit dem Lebensbaum. Unser Dasein ist verwoben mit dem seinen. Er ist mehr als ein Symbol. Er ist das Blut, das durch unsere Adern fließt, die Essenz der Gaben, mit denen das Schicksal uns beschenkte, das, woran wir glauben und was uns antreibt. Der Lebensbaum ist unser … Gespür. Ein Gefühl. Etwas, das nun echt und greifbar für mich ist. In dieser Sekunde der Verbundenheit ist es, als würde sein Abbild auf meinem Schulterblatt lebendig werden.

Seine Wurzeln gehen mir unter die Haut.

Seine Äste bewegen sich auf meiner Haut.

Seine Blätter schmiegen sich an meine Haut.

Eine einzelne Träne rinnt über meine Wange.

Denn ich spüre auch seinen Schmerz. Den Schmerz, den er seit Monaten ertragen musste. Das Gift, das seine Wurzeln in sein Innerstes trugen. Das sich ebenso in unsere Körper geschlichen hat. Weil wir alles teilen. Leben und Tod. Er hat es uns eingehaucht. Und deshalb würden meine Schwestern und ich für ihn sterben.

Zitternd atme ich aus. Der Wind um uns herum wird stärker. Eine schwarze Flüssigkeit umspielt unsere Füße. Zuerst halte ich sie für das Blut, das ich in der falschen Farbe sehe. Doch dann fließt sie zu Grave. Umgibt ihn wie sein eigener Strom. Er hat die Macht von Styx gerufen. Außerdem fühlt sich der Strom angenehm kühl an – wie Linderung. Ganz anders als das Blut.

Meine Lider flattern. Der Baum stößt einen Laut der Dankbarkeit aus.