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Der Hamburger Schriftsteller Rafael Robert Pilsczek legt mit Groß werden ein Werk vor, das sowohl Gedichte als auch Lieder zum vielfältig gedachten Thema des Groß-Werdens versammelt. Ein altes Thema, neu und brillant gemeißelt. Alle Stücke sind in einer für den Autor besonderen Stimmung verfasst worden und wirken daher wie aus einem Guss. Sowohl als Steinbruch von Beschreibungen des Älter-Werdens kann dieses gelesen werden, als auch als Buch, das zum Leben und Groß-Werden darin ermuntert und davor warnt, dazu tröstet und stets auch den Leser verunsichert, wie es sich für die selten vorgefundene Gattung des lyrischen Erzählens gehört. Der Autor hat mit Groß werden ein Schmuckstück gedrechselt, das zum Denken und zum Fühlen einlädt, wie es kaum ein Autor in seiner Generation vermag.
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Seitenzahl: 103
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Für meine Eltern,
Die es gut meinten
Mit uns Dreien
„Du übertreibst mal wieder, mein Sohn.“
— Emmi Pilsczek, geb. Kiefer
„Du bist nichts. Du kannst nichts. Du wirst nichts.“
(Was andere zu hören bekamen und ich nicht)
„Seien Sie, bitte, auf sich nur eines: stolz.“
— R. Stra., Bezugsperson
Vorwort
Gedichte und Lieder
Über den Autor
Bisher erschienene Werke
Fenster zum Berg
Als ich mich entschloss, den Gedichtband „Groß werden“ dann recht rasch fertig zu stellen und zu veröffentlichen, war ich von einer seltsamen Stimmung eingefangen. Ich sah in den Wochen, in denen ich die Gedichte und Lieder verfasste, häufig aus einem Fenster. Während ich Buchstabe um Buchstabe fand, die für mich ein Größerwerden beschreiben und das in einem vielfältigen Sinne, schaute ich häufig aus dem Fenster eines Hauses. Das Fenster war weder ein besonders schönes noch ein besonders hässliches. Es hatte einen modernen Rahmen und trug Gardinen davor. Das Fenster war durchaus breit und öffnete sich gleichzeitig mit einem Schwung und ließ all die frische, gute Luft in das Zimmer herein. Während ich also Gedichte und Lieder schrieb, die allesamt wie in einem Atemzug in diesem Band einzunehmen sind, war das Fenster einer der Orte, an denen ich mich vor allem aufhielt. Es ist kaum eine Schönrednerei darin, dass ein Fenster ein guter Ort sein mag, von dem aus durchaus gute Schriftstellerei betrieben wird, ohne Wenn und Aber und ohne Frage. Ein Fenster ist eine Verheißung in das Freie hinaus, wie Gedichte sein sollten, eine Bewegung nach vorne und nach draußen und nicht allein nach innen und nach rückwärts gewandt. Ein Fenster hat ein Versprechen in sich, dass es eben kein Gefängnis ist, in dem man sich aufhält und in dem man eingeschlossen ist und lediglich einen Ritz an Himmel sehen darf, sondern vor allem der Ort ist, der mit allem, was davor ist, draußen zu sehen ist, verbunden ist … und zugleich mit dem angenehm und freundschaftlich verbindet, was davor in den Räumen so ist, ein warmes Bett, ein Stuhl, ein Tisch, ein Flur, andere Räume von Gemeinschaft, und all das gibt, was zu einem guten Leben im Haus dazugehört.
Zudem gab es in jenen Wochen einen Blick, den es für mich zu würdigen gilt. Der Blick aus dem Fenster meines Zimmers fiel Woche für Woche, Tag für Tag und Stunde um Stunde auf einen Berg. Der Berg war nicht besonders hoch und nahm gleichwohl zwei Drittel der Sicht aus dem Fenster ein, wer davor saß. Der Berg war von verschiedenen Baumsorten gesäumt, darunter von Tannenarten, von Nadelhölzern und von Laubbäumen, die zu jener Jahreszeit, als ich dort verweilte, keine Blätter trugen. Der Berg erstreckte sich im Blick durch das Fenster in einem Ganzen und in einem Großen und führte erst, wenn ich bei geöffnetem Fenster herauslehnend hinausschaute, den Berg und in der Folge den Hang hinunter in das Dorf, wo es Häuser und Lichter gab, auch ein Schloss dabei, und alles, was eine kleine Stadt ausmacht, während es am Berg selbst nur den Berg gab. Der Berg hatte eine Kuppe, hatte Linien, einen Horizont und Kurven und war für mich schwer zu zeichnen, weil er in vielen Schattierungen vor mir lag. Während ich ein Büchlein bei mir beim Tisch hatte, das 24 Graphit-Handzeichnungen des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe zeigte, wurde mir bewusst, je länger ich den Berg, meinen Berg, zu zeichnen versuchte, dass es für mich ein hilfloses Unterfangen wäre, diesen bildlich, naturalistisch oder gar fotografisch in Graphit zeichnerisch zu fangen, was und wie Goethe in seinen mir vorliegenden Landschaftszeichnungen durchaus gelungen war.
So lernte ich im Zimmer, am Fenster und am Berg, dass ich nicht der Kultur und den Vorbildern folgen dürfte, die alles anders, alles sehr gut und bestimmt hochwertig gemacht hatten. Ich lernte in den Wochen, in denen ich „Groß werden“ herstellte, dass ich es derart machen dürfte und müsste, wie es meinen Fähigkeiten, meinem Gefühl und meiner Kunst entsprach. So liegt der Band nun vor, und das als vermutliche Seitwärtsbewegung zu meinen anderen Arbeiten als Schriftsteller, nach vorne gewandt und zugleich in einer eigenen Linie abseits der gegangenen Pfade, sodass ich hoffe, dass mein Publikum alles erfahren wird, was ich zum benannten Thema zu dichten hatte, und zugleich erlebt, wie es ist, in einem Zimmer darin groß geworden zu sein, einen Berg und den Horizont darüber als das verstanden zu haben, was beides im Grunde ist: die stille Bewegung der Festigkeit eines großen Steines und eines Weges darüber hinaus. Willkommen, also, in der Welt meines siebten Büchleins im steten „Groß werden“. Ich werde den Blick auf jenen Berg nicht vergessen, ich werde das Zimmer nicht vergessen, wo ich gewesen war, das ein Fenster zum Berg hatte, wie ich es mir nicht schöner hätte erdichten können auf dem Weg, ein Dichter zu bleiben … oder ein solcher mit dem vorliegenden Band à la finale zu werden.
Rafael Robert Pilsczek,
zum Jahreswechsel 2017/2018
Reim oder Reason?
Vers oder Vernunft?
Reim
Und
Reason?
Vers
Und
Vernunft?
Bein oder Arm?
Kopf oder Geist?
Ich komme nach Hause
Und der Schnee liegt dort
Und die Liebe ist dort
Und es ist mir egal
Was die denken
Ich dichte, wie ich es bin
Ich bin bei dir
Wir
Ein Gedicht
Der Auszug in die Fremde
In neue Hände
Der Abschluss
Und nie wieder in die Lehre
Ich gebe mir denen die Ehre
Der Abschiede, der waren viele
Ah, das war eine große Menge
Ah, ich habe sie nicht gezählt
Warum auch, dränge mich nicht
Zu erzählen, wer es war und wo
Der Abschiede, der waren viele
Solche bei trockenem Wein, bei Bohnen
Solche in High Heels am Pool, in der Wüste
Solche nah und solche fern
Solche zu Hause und solche hurtig
Solche vor dem Flug, solche ganz schnell
Solche über Jahre, solche nach einem Abend
Hinter der Mauer, vor der Grenze
Auch als ich das letzte Treffen schwänzte
Auch als du mich batest zu bleiben
Auch als ich dich bat, mich nicht ziehen zu lassen
Im Tempel, in der Bar, im Gras, auf dem Berg
Solche und solche, solche es waren
Ich habe sie nicht gezählt
Meine Tränen, die ich vergoss
An Schultern und in Armen
Meine Herzschläge, die ich spürte
An der Seite, in der Mitte, bei denen
Der Abschiede, derer waren viele
Hier wie dort, am Wald und in der Stadt
Am Roten Platz
An der Mauer, auch der Mauer, wo sie klagten
An der Türe, im Auto, auf dem Weg
Im großen Schauer auch
Ich habe sie nicht gezählt
Die, die mich mochten
Die, die an mich dachten auch danach
Die, die mich halten wollten für immer
Die, die verrückt wurden an mir so schön
Der Abschiede, derer waren viele
Von der Mutter, dem Florian, dem Vater
Von den Pferden, den Vögeln, dem Kater mit Namen Paul
Von dem Champagner, dem Rot, dem Kind
Von dem Schönen, dem Bösen, von allem
Ich habe sie nicht gezählt
Der Namen wären zu viele
Der Orte wären zu viele
Der Großen und der Kleinen
Der Nomaden und der Einsiedler
Der Gesunden und der Kranken
Der Mädchen und der Jungen
Der Frauen und der Männer
Den Häusern, den Gebäuden, den Äckern
Der Abschiede, derer waren viele
Endgültige unter dem Kreuz
Der Kurze bis auf den guten Morgen
Der Mittelbaren in der Mitte waren
Ich habe sie nicht gezählt
Warum soll ich sie gewichten?
Warum soll ich sie schichten?
Warum soll ich beichten?
Warum soll ich weichen?
Warum soll ich mich erinnern?
Warum soll ich weinen, wimmern?
Ich habe sie nicht gezählt
Jeder war so etwas wie mein einziges
Einziges
Wenn auch vergessen
Oder auch nicht
Der Abschiede, derer waren viele
Ich weiß, dass dort Seelen an mich denken
Von mir träumen
Von mir sich lenken
Von mir sich schenken
So wie ich von ihnen nicht ging
Nun ist der Abschied wieder ein erneuter
Heute und jetzt, im Januar
Wo, spielt keinen Vers
Wäre es anders
Täte ich es schreiben
So rufe ich mir und alle denen zu
Von denen ich einst und jüngst ging
Nach vorne geht die gute Bewegung
Nicht nach hinten
Es waren Abschiede, derer waren viele
Wichtiger ist nach vorne zu gehen
Dass die Zukünfte die Gegenwarte behauen
Schauen nach vorne, nicht zurück
Ich bin entzückt
Wenn du mir einen Kuss gibst
Die Hand zum Griff reichst
Wenn ich Abschied nehme
Und dich mit mir nehme
Und dich gleichwohl vergessen darf
Lass es mit mir schön
Der Abschiede, derer waren viele
Ich habe sie nicht gezählt
Die da oben schon, wenn es sie gibt
Dann bis später, bis bald später
Meine Freundin
Mein Freund
Ich sage auf bald
Im Wald, auf der Lichtung, bei Tee
Und Kresse, bei Whiskey und Brot
Ich denke an dich
Oder nicht
Oder nicht
Oder auch nicht
Recht schnell verfasst
Auch schnell verblasst
Damit der Abschied passt
Reell ist, nicht verrückt
Und mein Leben schmückt
Deinem Leben entrückt
Von mir
Der Abschied, dein Abschied
Mein Leben schmückt
Schmückt
Schmückt
Geglückter Abschied, das konnte ich stets
Danke
Ich bin jetzt fort
Fort von diesem Ort
Das Land ist gar nicht so groß
Wo wir uns wiedersehen?
Es kann geschehen
Es kann geschehen
Es kann wirklich geschehen
Es ist geschehen
Du bist fort, nicht verweht in den Wind
Du bist nun in mir, mein Kind
Der Wind trägt deinen Namen
Wenn der Zug kommt, steige ich ein
Und verabschiede mich
Ich umarmte dich
Lebe wohl, lebe gut
Habe Mut, dich an mich zu erinnern
Auf Wiedersehen
Auf dass ich sehe
Und du auch
Auf Wiedersehen
Mehr sage ich nicht
Und winke dir hinterher
Wie es sich gehört
Wie du mir jetzt
Ein wenig
Auf Wiedersehen
Auf Wiedersehen
Auf Wiedersehen
Das Gehen geht gut
Habe Mut
Auch wenn ich es nun nicht mehr bin
Der dich mutig macht abends, mein Kind
Mein Kind
Meine Freundin
Mein Freund
Es ist vorbei mit den Abschieden
Wenn es die Treffen nicht mehr gibt
Die die Seele frühen und rühren
Und zum Klingen bringen
Noch gibt es solche Begegnungen
Noch gibt es Abschiede, derer viele
Auf Wiedersehen
Auf Wiedersehen
Auf Wiedersehen
Jetzt
Jetzt
Jetzt
Bin ich gegangen
Von dir gegangen
Heute denke ich, es ist das mein Leben
Zu kommen und zu geben und zu weben in meinem Leben
Und dann doch zu gehen wegen
Eines Lebens, das ich nur führe
Eines Leben von Abschieden
Derer waren so viele
Dass kein einziger verloren ist
Kein einziger verloren ist
Es reicht jetzt, rufst du aus alten Zeiten herüber
Mir zu. So höre ich jetzt auf
Und verliere dich erneut
Heute und jetzt
Jetzt
Jetzt
So
Jetzt
Der Abschiede, derer waren viele
Ich habe sie nicht gezählt
Komm in die Nacht
Komm, ich decke dich zu
Wie es meine Mutter
Tat
Manches Mal
Nach dem Abendessen
Dem zur Nacht-Anziehen
Dem Märchen
Tat
So decke ich dich zu
Bereit für die Nacht
Ich halte Wacht
Wie die Mutter es tat
So manches Mal
Tassen hoch
Zigaretten an
Dann ist es gut
Eine Weile lang
So lang die Weile
Dass der junge Mann
Noch nicht zählen kann
Die Tage, die ihm bleiben
Lebt gar fast ein wenig ganz
Will dich, will dich fast beneiden
Oder auch nur kaum an diesem Abend
An dem fröhlich, kaum traurig, denke zurück
Wie schön mein Leben war und was für ein Glück
In der Bar, auch, ja, auch, in der Bar, dort, ja, in der Bar
Wo wir stehen dort, wo wir stehen da, wo wir stehen da, da
Ab nach Hause nach der Sause suchen wir die schönste Pause
Kaum 12 und schon unterwegs im Tesla in der Welt
Kaum 14 und schon machen sich alle Sorgen um sein Geld
Kaum 16 und schon sprechen sie über seine ungeborenen Kinder
Kaum 18 und schon verlangen sie von ihm den Après Ski im Winter
Junge, Junge, was soll bloß aus dir werden?
Superstar, Mann der Wirtschaft, ein Held voller Kraft
Ein Arsch, ein reicher Kerl, ein Schläger, ein Egoist
Einer, der laut ist ohne Ende und nachts für sich ein Wicht
Kaum 4 und schon bekam er einen weiteren Lehrer
Kaum 6 und schon musste er einen Preis erringen
Kaum 8 und schon hatte er sich zu zwingen