Grundtexte der neueren evangelischen Theologie -  - E-Book

Grundtexte der neueren evangelischen Theologie E-Book

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Beschreibung

Die Sammlung von Grundtexten der neueren evangelischen Theologie kommt einem verbreiteten Interesse nach Übersichtlichkeit und Konzentration auf das Wesentliche entgegen. So bietet der Band eine Auswahl der wichtigsten evangelisch-theologischen Texte der letzten zweihundert Jahre – von Friedrich Schleiermacher bis Wolfgang Huber. In der durch große systematische Kraft gekennzeichneten Einleitung des Herausgebers werden die Stücke in ihrem theologiegeschichtlichen Zusammenhang sehr gut nachvollziehbar vorgestellt. Wilfried Härle hat ein ausgezeichnetes Arbeitsmittel erstellt, mit dem sich nicht nur Studierende der Theologie und Religionspädagogik einen verlässlichen Überblick über die neuere evangelische Theologie und ihre konzeptionellen Entscheidungen verschaffen können. Der Band eignet sich zum Selbststudium und zur Prüfungsvorbereitung ebenso wie für Seminare und Übungen.

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Grundtexte

DER NEUEREN EVANGELISCHEN THEOLOGIE

HERAUSGEGEBEN UND EINGELEITETVON WILFRIED HÄRLE

Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage

Wilfried Härle, Dr. theol., Jahrgang 1941, hatte Professuren für Systematische Theologie in Marburg (1978–1995) und Heidelberg (1995–2006) inne. Seit 1992 war er Mitglied und seit 1998 Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland, von 2003 bis 2005 gehörte er der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages »Ethik und Recht der modernen Medizin« an. – Härle ist Autor zahlreicher Werke, hervorzuheben sind seine Lehrbücher der Dogmatik und der Ethik. Mit herausgegeben hat er die Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Martin Luther, das Marburger Jahrbuch Theologie und die Marburger Theologischen Studien, die Theologische Realenzyklopädie und das Theologenlexikon.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

2., verb. u. erw. Aufl. 2012 ©2007 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig Alle Rechte vorbehalten Satz: Evangelische Verlagsanstalt GmbH

ISBN 9783374034574www.eva-leipzig.de

VORWORTE

ZUR ERSTEN AUFLAGE

Die Idee zu diesem Arbeitsbuch entstand schon vor mehreren Jahren. Ausgelöst wurde sie durch die immer wiederkehrende Frage von Studierenden, welche theologischen Texte man denn im Studium gelesen haben müsse ‚um einen guten Überblick über die evangelische Theologie zu bekommen und hinreichend Bescheid zu wissen. Ich brachte die Idee eines Sammelbandes mit ‚Klassischen Texten‘ oder ‚Grundtexten der evangelischen Theologie‘ damals in den Theologischen Arbeitskreis Pfullingen (TAP) ein, wo sie auf uneingeschränkt positives Echo stieß. Trotzdem kam es nicht zu einer Realisierung, und zwar aus zwei Gründen: Schon im Blick auf die reformatorische Theologie (vor allem Luthers und Calvins) gab es so zahlreiche und umfangreiche (gut begründete) Vorschläge, dass dafür ein Band nicht ausgereicht hätte. Hinzu kam, dass die Vorstellungen davon, welche Texte in einem solchen Band versammelt sein müssten – abgesehen von einem stattlichen gemeinsamen Kern – so ausuferten, dass auch dadurch ein mehrbändiges Werk notwendig geworden wäre. Gerade das aber sollte möglichst vermieden werden. Die ursprüngliche Idee, in einem Band die Grundtexte der evangelischen Theologie zusammenzustellen, erwies sich als nicht realisierbar.

Nun sind inzwischen zahlreiche grundlegende Texte der reformatorischen Theologie in Form von Studienausgaben zugänglich,1 so dass in dieser Hinsicht eine Entlastung eingetreten war bzw. ist: Aus den geplanten ‚Grundtexten der evangelischen Theologie‘ konnten ‚Grundtexte der neueren evangelischen Theologie‘ werden.

Der Anstoß zur Realisierung dieser Idee kam dann freilich von einer unerwarteten Seite: aus den Baltischen Staaten. Zwei in Heidelberg promovierte junge Wissenschaftler aus Litauen und Lettland baten mich um Rat und Hilfe bei dem Versuch, für die Studierenden ihrer Heimatländer einen Band grundlegender Texte aus dem Bereich der deutschsprachigen evangelischen Theologie zusammenzustellen. Dadurch wurde jene alte, zwischenzeitlich zur Seite gelegte Idee neu belebt, und so entstand in Form einer ‚Parallelaktion‘ der Plan für einen deutschsprachigen Band mit Grundtexten, zu dem es eine – vom Umfang her etwas reduzierte – übersetzte bzw. zweisprachige Auswahlausgabe für Lettland und Litauen geben soll.

Mit der Evangelischen Verlagsanstalt in Person von Dr. Annette Weidhas fand sich eine verlegerische Partnerin, die dieses Unternehmen gern unter ihre Fittiche nahm und tatkräftig förderte. Dafür möchte ich ihr ebenso wie den Autoren und anderen Verlagen für die Erteilung der Abdruckerlaubnisse herzlichen Dank sagen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD), die Evangelische Landeskirche in Baden, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau sowie die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck haben die deutschsprachige und die zweisprachigen Ausgaben dieses Bandes durch namhafte Druckkostenzuschüsse unterstützt und ermöglicht. Dafür sei ihnen ganz herzlich gedankt.

Die vorliegende Auswahl orientiert sich an dem Ziel, diejenigen Texte zusammenzustellen, die in den hinter uns liegenden 200 Jahren evangelischer Theologiegeschichte (seit Schleiermacher) eine so grundlegende Rolle gespielt haben und spielen, dass man anhand ihrer einen Gesamtüberblick über diesen Zeitraum gewinnen kann, von dem man sagen kann: Wer diese Texte gründlich erarbeitet hat und sich mit ihnen kritisch auseinandergesetzt hat, besitzt eine gute theologiegeschichtliche und systematisch-theologische Grundlage für das Studium und Examen sowie für eine theologisch fundierte Berufstätigkeit. Dabei wurde darauf geachtet, dass möglichst viele der relevanten theologischen Konzeptionen, Schulen oder Richtungen mit mindestens einem Text vertreten sind. Da im vorigen Jahr ein Band ‚Quellentexte theologischer Ethik‘2 erschien, konnte sich diese Sammlung noch stärker als ursprünglich geplant auf dogmatisch und fundamentaltheologisch relevante Beiträge konzentrieren und auf ethische Texte so gut wie vollständig verzichten. Die Einleitung, die dem Band beigegeben und den Texten vorangestellt ist, dient nicht dazu, die jeweiligen Autoren und Autorinnen vorzustellen,3 sondern zum Verstehen der Texte anzuleiten und dabei solche Informationen und/oder Lektürehinweise zu geben, die für deren Verständnis nützlich sein können.

Der Edition der Texte wurden folgende vier Prinzipien zugrundegelegt:

– Alle entbehrlichen Fußnoten wurden weggelassen, lediglich Fußnoten, die im Text verwendete Begriffe erläutern oder Zitate quellenmäßig belegen, wurden beibehalten.

– Die Orthographie wurde behutsam modernisiert und damit unseren Lesegewohnheiten und Rechtschreibregeln angeglichen.

– Die – teilweise sehr eigenwillige – Zeichensetzung wurde beibehalten, da sie – zumindest gelegentlich – den Charakter einer Textinterpretation und Verstehenshilfe hat.

– Auslassungen bzw. Kürzungen, die nicht von den Autoren, sondern vom Herausgeber dieses Bandes stammen, werden durch […] gekennzeichnet.

Soweit autorisierte deutsche Übersetzungen fremdsprachiger Texte vorlagen, wurden diese benutzt. Der Text von Walter Altmann ‚Bekehrung, Befreiung und Rechtfertigung‘, der auf Spanisch erschienen ist und von dem es eine publizierte englische Übersetzung gibt, wurde von stud. theol. et phil. Matthias Schleckmann aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und von Herrn Prof. Dr. Christoph Stenschke anhand des spanischen Originals auf seine Richtigkeit hin überprüft. Beiden Herren sei dafür auch an dieser Stelle gedankt.

Zu danken habe ich schließlich vor allem Herrn Marc Zukowski, der die Texte eingescannt und Korrektur gelesen hat. Herrn Willi Schmitt, Frau Anja Siebert, Herrn Christian Polke, Herrn Dr. Frank Martin Brunn und nochmals Herrn Zukowski möchte ich danken für Ihre Mitwirkung an der Erstellung der Einleitung.

Heidelberg, den 14. Februar 2007
Wilfried Härle

ZUR ZWEITEN AUFLAGE

Wenn man die Verkaufsziffern als Indiz dafür werten darf, in welchem Maß ein Buch in der Leserschaft Interesse fand und angenommen wurde – und das ist ja kein abwegiges Kriterium –, können Verlag und Herausgeber der 2007 veröffentlichten „Grundtexte der neueren evangelischen Theologie“ eigentlich ganz zufrieden sein. Die dadurch notwendig gewordene zweite Auflage bietet – wie immer und überall – die Gelegenheit, eventuell vorhandene Druckfehler aus der ersten Auflage zu beseitigen. Es waren nicht allzu viele, aber ihre Zahl dürfte nun noch einmal deutlich verringert worden sein. Eine Zweitauflage bietet in diesem Fall aber auch die Möglichkeit, die getroffene Textauswahl aus ca. 200 Jahren neuerer evangelischer Theologiegeschichte noch einmal zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Das ist umso nahe liegender, als die Auswahl dieser Grundtexte sich nicht auf vorgegebene, bewährte Beispiele oder Muster stützen konnte, sondern ein Stück weit experimentellen Charakter hatte. Umso interessanter war natürlich die Frage, welche Resonanz diese Auswahl in Rezensionen, bei der praktischen Nutzung im akademischen Lehrbetrieb oder im Rahmen der Einzellektüre hervorrufen würde. Auch in dieser Hinsicht war und ist ein sehr positives Echo zu registrieren. Das schloss nicht aus, dass es den einen oder anderen Ergänzungsvorschlag gab, die ich gründlich geprüft und soweit wie möglich aufgenommen habe.

In diesem Zusammenhang war zweierlei sehr hilfreich: einerseits die gründliche Rezension von F. Nüssel in der ThLZ (134/2009/H. 12, Sp. 1363-1368), in der Texte von David Friedrich Strauß und Falk Wagner als sinnvolle Ergänzungen vorgeschlagen wurden, was ich gerne realisiert habe; andererseits war der Austausch mit den Übersetzern der Grundtexte für die baltischen Staaten für mich sehr anregend. Von dort wurden – neben Autoren, die mit den jeweiligen Ländern besonders verbunden sind (wie z. B. Theodosius Harnack mit Estland) – zusätzlich der Name von Albert Schweitzer und weitere Texte von Paul Althaus und Eberhard Jüngel ins Spiel gebracht. So fanden Texte zusätzlicher Autoren (Strauß, Schweitzer und Wagner) Aufnahme in diese zweiten Auflage, und bei zwei Autoren (Althaus und Jüngel) kam es zur Aufnahme je eines weiteren Textes gegenüber der ersten Auflage.

Für Streichungen in der zweiten Auflage der deutschen Ausgabe ergaben sich keine Gründe, wohl aber für eine weitere – und zwar außergewöhnliche – Ergänzung. Es handelt sich um den Aufsatz des früh verstorbenen Philosophen Erwin Metzke: ‚Sakrament und Metaphysik – Eine Lutherstudie über das Verhältnis des christlichen Denkens zum Leiblich-Materiellen‘ aus dem Jahr 1948. Die Gründe für diese zusätzliche Aufnahme nenne ich in der Einleitung (s. u. S. XXXVIII). Es wäre mir eine große Freude, wenn dieser Aufsatz auf diesem Wege zu einem der Grundtexte der neueren evangelischen Theologie würde, der er jetzt – legt man den Bekanntheitsgrad als Maßstab zugrunde – leider noch nicht ist. Durch die genannten Ergänzungen ist die zweite Auflage ein gegenüber der Erstauflage zwar deutlich erweitertes Buch geworden, aber immer noch handlich geblieben. Für die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, danke ich Frau Dr. A. Weidhas von der EVA herzlich.

Die Realisierung dieses ganzen Projekts wurde, wie aus dem Vorwort zur ersten Auflage hervorgeht, von Anfang an durch junge Theologen und Theologinnen aus den baltischen Ländern vorangebracht. Dazu passt es nun sehr gut, dass die Umarbeitung von der ersten zur zweiten Auflage auch durch den baltisch-deutschen Austausch beeinflusst wurde und dass etwa gleichzeitig mit der zweiten deutschen Auflage die drei baltischen Ausgaben der Grundtexte in Erstauflagen erscheinen. Die lettische Übersetzung erschien bereits Anfang 2012 in Riga, die litauische und die estnische Übersetzung sollen möglichst noch in diesem Jahr folgen.

Dabei sei auch mit Dank erwähnt, dass alle Verlage auf Tantiemen für die Veröffentlichung der Texte in den baltischen Staaten und Sprachen verzichtet haben und dass mehrere deutsche Kirchen durch namhafte Druckkostenzuschüsse das Erscheinen der baltischen Ausgaben überhaupt erst ermöglicht haben. Das Buch kann so vielleicht einen bescheidenen Beitrag nicht nur zum europäischen kulturellen Austausch leisten, sondern auch ein wenig zur „Wiedergutmachung“ von früherem deutschem Unrecht an den baltischen Staaten und ihren Menschen beitragen.

Ostfildern, den 24. April 2012
Wilfried Härle

INHALT

Cover

Titel

Über den Autor

Impressum

Vorworte

Einleitung (W. Härle)

1. FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

Über die Religion, 1799

2. FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

Kurze Darstellung des theologischen Studiums, 18302

3. FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

Der christliche Glaube, Bd. 1, 1830/312

4. SØREN KIERKEGAARD

Furcht und Zittern, 1843

5. SØREN KIERKEGAARD

Die Krankheit zum Tode, 1849

6. DAVID FRIEDRICH STRAUSS

Der alte und der neue Glaube, 1872

7. ALBRECHT RITSCHL

Unterricht in der christlichen Religion, 1875

8. MARTIN KÄHLER

Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus, 1892

9. ADOLF VON HARNACK

Das Wesen des Christentums, 1899/1900

10. ERNST TROELTSCH

Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte, 1902

11. WILHELM HERRMANN

Unser Glaube an Gott, 1912

12. ALBERT SCHWEITZER

Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 1913

13. RUDOLF OTTO

Das Heilige, 1917

14. FRIEDRICH GOGARTEN

Zwischen den Zeiten, 1921

15. KARL BARTH

Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, 1922

16. RUDOLF BULTMANN

Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? 1925

17. KARL BARTH

Die Lehre vom Wort Gottes – Prolegomena zur kirchlichen Dogmatik, 1932

18. PAUL ALTHAUS

Theologie der Ordnungen, 1934

19. THEOLOGISCHE ERKLÄRUNG ZUR GEGENWÄRTIGEN LAGE DER DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHE

(Barmer Theologische Erklärung), 1934

20. DIETRICH BONHOEFFER

Nachfolge, 1937

21. EMIL BRUNNER

Unser Glaube: eine christliche Unterweisung, 1939

22. RUDOLF BULTMANN

Neues Testament und Mythologie, 1941

23. DIETRICH BONHOEFFER

Widerstand und Ergebung, 1944

24. PAUL ALTHAUS

Die christliche Wahrheit, 1947

25. WERNER ELERT

Gesetz und Evangelium, 1948

26. ERWIN METZKE

Sakrament und Metaphysik, 1948

27. PAUL TILLICH

Systematische Theologie, Bd. 1, 1951

28. PAUL TILLICH

Der Mut zum Sein, 1952

29. FRIEDRICH GOGARTEN

Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit, 1953

30. KARL BARTH

Die Menschlichkeit Gottes, 1956

31. GERHARD EBELING

Das Wesen des christlichen Glaubens, 1959

32. WOLFHART PANNENBERG

Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 1961

33. JOHN HICK

Verifikation im Jenseits, 1963

34. EMANUEL HIRSCH

Weltbewusstsein und Glaubensgeheimnis, 1967

35. JÜRGEN MOLTMANN

Der Gott der Hoffnung, 1967

36. DOROTHEE SÖLLE

Atheistisch an Gott glauben? 1968

37. EBERHARD JÜNGEL

Die Welt als Möglichkeit und Wirklichkeit, 1969

38. HELMUT GOLLWITZER

Revolution als theologisches Problem, 1970

39. KONKORDIE REFORMATORISCHER KIRCHEN IN EUROPA

(Leuenberger Konkordie), 1973

40. DIETRICH RITSCHL

„Story“ als Rohmaterial der Theologie, 1976

41. JOHN B. COBB JR./DAVID R. GRIFFIN

Prozess-Theologie, 1976

42. FALK WAGNER

Die Wirklichkeit Gottes als Geist, 1977

43. WALTER ALTMANN

Bekehrung, Befreiung und Rechtfertigung, 1983

44. ROSEMARY RADFORD RUETHER

Kann ein männlicher Erlöser Frauen erlösen? 1983

45. JÜRGEN MOLTMANN

Politische Theologie, 1984

46. EILERT HERMS

Offenbarung, 1985

47. EBERHARD JÜNGEL

Dermenschliche Mensch, 1985

48. INGOLF U. DALFERTH

Volles Grab, leerer Glaube? Zum Streit um die Auferweckung des Gekreuzigten, 1998

49. WOLFGANG HUBER

Gute Theologie, 2004

Quellenangaben

Weitere Bücher

Endnoten

EINLEITUNG

Der Begriff ‚neuere evangelische Theologie‘ ist nicht eindeutig definiert.1 Trotzdem wird kaum ein Sachkundiger der These widersprechen, die neuere evangelische Theologie nähme ihren Anfang bei Friedrich Schleiermacher. Mit diesem großen theologischen (sowie philosophischen und pädagogischen) Denker an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert beginnt eine neue Epoche in der Theologie. Zwar hat er von Pietismus und Aufklärung als den wichtigsten Strömungen, die seiner Zeit vorausgingen, wichtige Impulse empfangen und aufgenommen, aber er ging selbst bewusst und in grundlegender Hinsicht über beide hinaus, indem er den Gegenstand der Theologie, nämlich die Religion, neu bestimmte. Mit dem Text, in dem Schleiermacher dies erstmalig tat, seinen Reden ‚Über die Religion‘, beginnt darum die vorliegende Sammlung von Grundtexten der neueren evangelischen Theologie.

1 Friedrich Schleiermacher (1768–1834) war reformierter Prediger am Berliner Krankenhaus Charité, als er im Alter von 31 Jahren – anonym – die Reden über die Religion veröffentlichte, die sich ‚an die Gebildeten unter ihren Verächtern‘ richteten. Mit diesen gebildeten Verächtern der Religion sind vor allem die Zeitgenossen und Weggefährten Schleiermachers gemeint, die man als ‚Romantiker‘ bezeichnet. In insgesamt fünf Reden versucht er deren Verachtung gegenüber der Religion zu überwinden, indem er schon in der ersten Rede ihre verkehrten Vorstellungen und ihre Vorurteile im Blick auf die Religion aufdeckt und korrigiert. Er tut dies, indem er davon spricht, was für ihn selbst Religion bedeutet und dass sie ihm sogar erhalten blieb, als er nicht mehr an Gott und die Unsterblichkeit (der Seele) glauben konnte. Eine solche Aussage überrascht, denn für viele Menschen ist eine ‚Religion‘ ohne Gott und Unsterblichkeit gar keine Religion mehr. Schleiermacher steht deswegen vor der Notwendigkeit, so genau wie möglich zu beschreiben, was denn für ihn das Wesen der Religion ist. Davon handelt die zweite der fünf Reden, die in diesem Band in Auszügen abgedruckt ist.2 In den folgenden Reden behandelt Schleiermacher ‚die Bildung zur Religion‘, ‚das Gesellige in der Religion‘ (Kirche und Allgemeines Priestertum) sowie schließlich ‚die Religionen‘, also die konkret existierenden Religionsgemeinschaften.

In der zweiten Rede vertritt Schleiermacher eine Doppelthese, in der er Religion zu Metaphysik, also dem Erkennen der Wirklichkeit durch das Denken, und zu Moral, also dem Gestalten der Wirklichkeit durch das Handeln, in Beziehung setzt. Diese Doppelthese besagt: Religion hat denselben Gegenstand wie Metaphysik und Moral, „nämlich das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm“ (S. 1)3; aber Religion hat zu diesem Gegenstand ein anderes Verhältnis als Metaphysik und Moral. Was ist dieses andere Verhältnis? Religion „begehrt nicht, das Universum seiner Natur nach zu bestimmen und zu erklären wie die Metaphysik, sie begehrt nicht, aus Kraft der Freiheit… es fortzubilden und fertig zu machen wie die Moral. Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl.“ (ebd.) Missverständlich ist für uns dabei der Begriff ‚Universum‘, den wir normalerweise in einem engen naturwissenschaftlichen Sinn auffassen, während Schleiermacher darunter das Ganze der Wirklichkeit in Natur und Geschichte, Geist und Materie versteht. Dieses Ganze auf sich wirken zu lassen, es also anzuschauen, und dabei zugleich in sich das Gefühl wahrzunehmen, das durch dieses Ganze im Menschen, der ein Teil dieses Ganzen ist, ausgelöst wird, das ist für Schleiermacher Religion.

2 Schon in den ‚Reden‘ wurde deutlich, wie wichtig für Schleiermachers Religionsverständnis die Gemeinschaftsbildung ist. Dies gilt auch für sein Theologieverständnis, wie es seiner Schrift ‚Kurze Darstellung des theologischen Studiums‘ (1. Auflage 1811, 2. Auflage 1830) zu entnehmen ist. Im vorliegenden Band sind die 31 Paragraphen (samt Erläuterungen) abgedruckt, die in der zweiten Auflage dieser Schrift die Einleitung bilden. Sie hat die Funktion und den Charakter einer Grundlegung. Dieser Einleitung folgen im Originaltext drei Teile, in denen Schleiermacher die philosophische, die historische und die praktische Theologie behandelt und damit sein Verständnis vom Sinn und Aufbau der Theologie umfassend darlegt.

Während Schleiermacher in der ersten Auflage der ‚Kurzen Darstellung‘ noch mit dem Begriff ‚Religion‘ ansetzt und damit an die ‚Reden‘ von 1799 anknüpft, verwendet er in der zweiten Auflage den Begriff ‚Glaubensweise‘ und schließt sich damit enger an seine inzwischen (1821/22) in erster Auflage entstandene ‚Glaubenslehre‘4 an.

Die zentrale These Schleiermachers zum Verständnis der Theologie, im Sinne christlicher Theologie, findet sich in § 5: „Die christliche Theologie ist… der Inbegriff derjenigen wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln, ohne deren Besitz und Gebrauch eine zusammenstimmende Leitung der christlichen Kirche, d. h. ein christliches Kirchenregiment nicht möglich ist.“ (S. 13) Der für uns missverständliche Begriff ‚Kirchenregiment‘ wird in diesem Satz selbst definiert als ‚zusammenstimmende Leitung der christlichen Kirche‘. Schleiermacher bezieht dies jedoch nicht nur auf die Institutionen, die wir normalerweise mit dem Begriff ‚Kirchenleitung‘ bezeichnen (Synoden, Bischöfe, Kirchenämter etc.), sondern versteht darunter jede leitende Tätigkeit in der christlichen Kirche, auch das Pfarramt.

Durch diese Ausrichtung der Theologie an der praktischen kirchenleitenden Aufgabe hält Schleiermacher konsequent fest, dass Theologie aus seiner Sicht keine spekulative, also dem unabhängigen Erkenntnistrieb dienende, sondern eine positive Wissenschaft ist, d. h. eine Wissenschaft, die bezogen ist auf die „Lösung einer praktischen Aufgabe“ (S. ), eben die der Kirchenleitung. Die einzelnen Disziplinen werden demnach als theologische Wissenschaft durch ihren Bezug auf die Lösung dieser praktischen Aufgabe der Kirchenleitung zusammengehalten. Verlieren sie diesen Bezug, so fallen die Disziplinen jeweils „der Wissenschaft anheim, der sie ihrem Inhalte nach angehören“ (S. ).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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