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Wer den Blechschaden hat, braucht für den Schotter nicht zu sorgen! Fingierte Autounfälle auf Hamburgs Straßen sind ein durchaus einträgliches Geschäftsmodell. Man muss nur aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen. Denn der Tod macht keine Deals. »Scheiße«, schreit er. »Scheiße.« Er kommt hoch, und sein Zeigefinger spießt Jochen auf. »Der ist schuld, polier ihm die Fresse.« »Ihr seid mir doch reingefahren. Ist ja nicht so schlimm. Ich sag mal, für drei- bis vierhundert lass ich das ausbeulen.« Der Golffahrer gibt einen Schmerzenslaut von sich, packt Jochen an der Jacke. »Das hast du mit Absicht gemacht.« »Schlag doch zu«, sagt Jochen. »Wer hinten reinfährt, hat Schuld.« Er lächelt mir zu. Einige Fußgänger sind stehengeblieben. Einer ruft: »Wir wollen Blut sehen!« Blutspuren gibt es keine am Unfallort, darauf legt Jochen großen Wert, Bremsspuren aber umso mehr. Der Kleinkriminelle verursacht Auffahrunfälle und sorgt dafür, dass der Blechschaden an Ort und Stelle unbürokratisch behoben, sprich, mit ein paar Scheinchen beglichen wird. Und das Geschäft läuft nicht schlecht. Auffahren ist eine Sache, Überfahren eine andere: Als Jochen eines Nachts den Nahkampf mit einem schwarz lackierten Kühler verliert, glaubt sein Kumpel Jakob nicht an die Unfalltheorie der Polizei und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Jochens hohe Lebensversicherung macht Jakob stutzig. Hat Jochens Frau etwas mit der Sache zu tun? War es Selbstmord? Dann kreuzen zwei fiese Typen in einem schwarzen Golf Jakobs Weg, und er beschließt, die Spur zu wechseln ... »Hamburger Verkehr« ist der zwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – bitte anschnallen!
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Seitenzahl: 66
Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München
Originalausgabe © 2000 by Hamburger Abendblatt in der Reihe Schwarze Hefte erschienen, herausgegeben von Volker Albers
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München
Autorenfoto: © privat
ISBN: 978-3-942822-93-0
Hamburger Verkehr ist der zwanzigste Band der Krimireihe hey! shorties. Jede Folge ist in sich abgeschlossen. Eine Auflistung der bereits erschienenen Titel befindet sich am Ende dieses eBooks (bitte hier klicken).
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Hamburger Verkehr
Wer den Blechschaden hat, braucht für den Schotter nicht zu sorgen! Fingierte Autounfälle auf Hamburgs Straßen sind ein durchaus einträgliches Geschäftsmodell. Man muss nur aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen. Denn der Tod macht keine Deals.
»Scheiße«, schreit er. »Scheiße.« Er kommt hoch, und sein Zeigefinger spießt Jochen auf. »Der ist schuld, polier ihm die Fresse.«
»Ihr seid mir doch reingefahren. Ist ja nicht so schlimm. Ich sag mal, für drei- bis vierhundert lass ich das ausbeulen.«
Der Golffahrer gibt einen Schmerzenslaut von sich, packt Jochen an der Jacke. »Das hast du mit Absicht gemacht.«
»Schlag doch zu«, sagt Jochen. »Wer hinten reinfährt, hat Schuld.« Er lächelt mir zu.
Einige Fußgänger sind stehengeblieben. Einer ruft: »Wir wollen Blut sehen!«
Blutspuren gibt es keine am Unfallort, darauf legt Jochen großen Wert, Bremsspuren aber umso mehr. Der Kleinkriminelle verursacht Auffahrunfälle und sorgt dafür, dass der Blechschaden an Ort und Stelle unbürokratisch behoben, sprich, mit ein paar Scheinchen beglichen wird. Und das Geschäft läuft nicht schlecht.
Auffahren ist eine Sache, Überfahren eine andere: Als Jochen eines Nachts den Nahkampf mit einem schwarz lackierten Kühler verliert, glaubt sein Kumpel Jakob nicht an die Unfalltheorie der Polizei und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Jochens hohe Lebensversicherung macht Jakob stutzig. Hat Jochens Frau etwas mit der Sache zu tun? War es Selbstmord? Dann kreuzen zwei fiese Typen in einem schwarzen Golf Jakobs Weg, und er beschließt, die Spur zu wechseln ...
Die Laternen schalten sich ein, als ich die Straße an der Kreuzung überqueren will. Ein Wagen biegt um die Ecke, bremst ab. Ein alter Audi. Ich winke ihm: Er soll vorbeifahren. Er fährt an, dann bremst er sofort wieder. Es folgt ein dumpfer Schlag. Der Wagen schaukelt vor und zurück. Der Kopf des Fahrers in der Gegenbewegung. Glasstücke scheppern auf das Pflaster. Der schwarze Golf mit den Zusatzscheinwerfern ist aufgefahren. Der Wackeldackel auf der Hutablage des Audi will sich nicht beruhigen.
In dem Golf sitzen zwei Jugendliche. Von der hinteren Seitenscheibe grinst mich eine Plüschkatze an. Der Fahrer öffnet die Tür. Laute Musik. Er kommt nach vorn, schlägt mit der Hand auf das Wagendach und brüllt: »Du Arsch, was bremst du denn!«
Der Audifahrer steigt aus, reibt sich den Nacken. Er deutet auf mich.
»Der wollte über die Straße, soll ich den überfahren?«
In diesem Moment erkenne ich ihn. Jochen versenkt seinen Kopf zwischen den Schultern und breitet seine Schaufelhände aus. Ich habe ihn lange nicht gesehen. Der Beifahrer hat sich vor die Schnauze des Golf gekniet. Er probiert, den Zusatzscheinwerfer wieder in Stellung zu bringen. Scherben fallen heraus. »Scheiße«, schreit er. »Scheiße.« Er kommt hoch, und sein Zeigefinger spießt Jochen auf. »Der ist schuld, polier ihm die Fresse.«
»Ihr seid mir doch reingefahren. Ist ja nicht so schlimm. Ich sag mal, für drei- bis vierhundert lass ich das ausbeulen.«
Der Golffahrer gibt einen Schmerzenslaut von sich, packt Jochen an der Jacke. »Das hast du mit Absicht gemacht.«
»Schlag doch zu«, sagt Jochen. »Wer hinten reinfährt, hat Schuld.« Er lächelt mir zu. Einige Fußgänger sind stehengeblieben. Einer ruft: »Wir wollen Blut sehen!«
Jochen sieht mich an, nickt. Erwartet er, dass ich eingreife? Was soll ich tun? Für Schlägereien bin ich ungeeignet. Soll ich mich einfach als Zeuge ausgeben? Nein, wenn schon als Bulle. Ob die mir glauben?
»Polizei!« Ich bin mit zwei Schritten auf der Straße. »Ich bin zwar nicht im Dienst, aber ich kann einen Streifenwagen rufen. Eine Blutprobe scheint mir angebracht.« Ich halte mein Handy in die Höhe. Es wirkt.
Der Golffahrer lässt Jochen los und dreht den Kopf zur Seite. Vielleicht gibt es ein Fahndungsplakat von ihm.
Jochen sagt: »Danke, Herr Inspektor, aber wir regeln das schon allein.«
Ich ziehe mich auf den Fußweg zurück. Sie verhandeln leise. Dann geht der Golffahrer gegenüber zum Bankautomaten. Er kommt zurück. Zwei Scheine wechseln den Besitzer.
Jochen lädt mich ins Schiff ein.
»Die hätten dich fast verprügelt.«
Aber er will nicht mehr über den Unfall reden. Er schweigt, zeichnet mit dem Finger Linien auf sein Bierglas. Seine Lederjacke knirscht, wenn er die Arme anwinkelt.
Ich versuche ein neues Thema: »Wovon lebst du jetzt so?«
Jochen kommt hinter seinem Bier hoch. Er sieht mich an, als hätte er mich nicht verstanden. Dann blickt er sich in der Kneipe um. Es ist nicht viel los. Britta hinter der Theke spült Gläser. Sie hat immer mal die Augen und ständig die Ohren bei uns. Ihr Haar hat die gleiche Farbe wie das Bier. Wenn ich sie ansehe, legt sie den Kopf schräg wie ein Hund, der auf einen Befehl wartet.
»Warum fragst du?«
»Nur so.«
Jochen arbeitet wahrscheinlich immer noch als Schuldeneintreiber. Seine Waffe ist das Auto. Er jagt die Schuldner, drückt sie mit dem Kühler an die Wand. Vielleicht bricht er ihnen auch die Beine oder stößt sie mit dem Kotflügel in den Rinnstein.
»Und bei dir. Wie läuft es bei dir?«
Soll ich ihm erzählen, dass ich schon meine Centsammlung gerollt und zur Sparkasse gebracht habe?
»Ach … Im Augenblick nicht so toll.«
Ich kann Jochen nicht die Wahrheit sagen. Ich gelte als erfolgreicher Autor. Aber meine Romane bringen nicht genug ein. Ich lebe von Einbrüchen. Ich habe immer von Einbrüchen gelebt. Und dann ist es gut, als Schriftsteller zu gelten. Schriftsteller sind Menschen, denen vertraut wird.
»Ich mache jetzt in Versicherungen.« Jochen spitzt die Lippen.
»Das bringt genug?«
»Ich habe ein kleines Versicherungsbüro.«
»Unfallversicherungen, nehme ich an. Da bist du ja Spezialist.«
Er lacht. »Ich bin raus. Napoli zuliebe.«
Neapel, eine Asiatin, war angeblich Prostituierte. Neapel sehen und sterben, soll ihr Werbespruch gewesen sein. Er hat sie geheiratet, obwohl sie schon einen kleinen Jungen hatte. Joke. Sie wohnen in Wandsbek. Einfamilienhaus. Der Vorgarten ist eine vierspurige Straße. Aber einmal in der Woche kommt er noch ins Schiff.
Jochen trinkt sein Bier, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Du brauchst Geld, was?«
Es muss eine Falte im Gesicht geben, die sich bei Geldmangel besonders ausprägt. Vielleicht verlieren auch die Augen ihren Glanz, das Haar schuppt, und die Nägel brechen. Vielleicht habe ich den Pleitepickel mitten auf der Stirn, ohne es zu wissen.
»Ach, na ja, nicht unbedingt.« Ich streiche mir übers Haar, taste nebenbei meine Stirn nach einem Pickel ab. Da ist einer.
»Wie viel brauchst du?« Jochen hat sich aufgerichtet. Sein Blick kommt von oben.
»Nein, nein.« Wie die Leute enden, die ihm Geld schulden, weiß ich zu genau.
»Ich will dir nichts leihen.« Er weiß, dass ich es weiß.
»Was dann?«
»Ich zeige dir, wie es geht. Du hast es doch gesehen.«
Er zahlt mein Bier. Britta tanzt hinter der Theke entlang. Das macht sie immer, wenn jemand viel Trinkgeld gibt.
Wir steigen in Jochens Auto. Er fährt immer um den gleichen Block im Schanzenviertel. Bei der dritten Runde bumst es beim Abbiegen. Ein BMW sitzt uns auf der Stoßstange.
Jochen steigt langsam aus, legt die Hand in den Nacken. Es ist eine Drohung. Mögliches Schleudertrauma. Der Schaden ist nicht groß. Der BMW hat fast nichts abbekommen. Bei Jochens Audi waren die Beulen schon vorher da. Jochen schätzt den Schaden auf dreihundert Euro. Der BMW-Fahrer protestiert ohne Nachdruck. Er behauptet, Jochen sei losgefahren und hätte dann wieder gebremst. Genauso war es.