Hamish Macbeth macht sich die Finger schmutzig - M. C. Beaton - E-Book

Hamish Macbeth macht sich die Finger schmutzig E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Wenn der Müllmann ins Gras beißt ...

Als Fergus Macleod, der schnell beleidigte und oft betrunkene Müllmann von Lochdubh, zum Leiter des örtlichen Recyclingzentrums und zum Umweltbeauftragten ernannt wird, wittert der schottische Dorfpolizist Hamish Macbeth bereits Ärger. Fergus wird durch seine neuen Befugnisse tatsächlich zu einem Tyrannen, und als seine Leiche in einer Mülltonne gefunden wird, tut es niemandem leid - noch nicht einmal seiner Familie ... An Verdächtigen mangelt es also nicht. Als der Täter ein zweites Mal zuschlägt, muss der schlaksige Gesetzeshüter schnell den Schuldigen ausfindig machen - bevor der Mörder sich aus dem Staub machen kann!

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Seitenzahl: 270

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Epilog

Über das Buch

Wenn der Müllmann ins Gras beißt …

Als Fergus Macleod, der schnell beleidigte und oft betrunkene Müllmann von Lochdubh, zum Leiter des örtlichen Recyclingzentrums und zum Umweltbeauftragten ernannt wird, wittert der schottische Dorfpolizist Hamish Macbeth bereits Ärger. Fergus wird durch seine neuen Befugnisse tatsächlich zu einem Tyrannen, und als seine Leiche in einer Mülltonne gefunden wird, tut es niemandem leid – noch nicht einmal seiner Familie … An Verdächtigen mangelt es also nicht. Als der Täter ein zweites Mal zuschlägt, muss der schlaksige Gesetzeshüter schnell den Schuldigen ausfindig machen – bevor der Mörder sich aus dem Staub machen kann!

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M. C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish macht sich die Finger schmutzig

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 2001 by Marion ChesneyPublished by Arrangement with M.C. BEATON LIMITED

Titel der englischen Originalausgabe:»Death of a Dustman«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

M.C. BEATON® and HAMISH MACBETH® are registered trademarks of M.C. Beaton Limited

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2024 byBastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Textredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichUmschlaggestaltung: Kirstin OsenauEinband-/Umschlagmotiv: © Arndt Drechsler, Leipzig; © angelo gilardelli/Shutterstock; TashaNatasha/Shutterstock; Vasya Kobelev/Shutterstock;eBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-5623-5

luebbe.delesejury.de

Für Olivia und Gwenda Petersin Liebe

Kapitel 1

Muss Liebe bei Brot und Wasser in der Kate leben,Bleibt von ihr Asche nur und Staub – möge sie uns vergeben!

JOHN KEATS

In Großbritannien heißen sie noch »Müllmänner«. Nicht »Abfall-« oder »Sanitärmanager«. Einfach »Müllmänner«, wie schon zu Zeiten von George Bernard Shaws Pygmalion und Charles Dickens’ Unser gemeinsamer Freund.

Lochdubhs Müllmann Fergus Macleod wohnte mit seiner Frau Martha und vier Kindern in einem kleinen, heruntergekommenen Cottage am oberen Dorfrand. Er war ein sauertöpfischer kleiner Mann, der zu gelegentlichen Besäufnissen neigte, doch da er die zwischen die Mülltage legte, beachtete es niemand weiter. Es hieß, dass er früher mal Steuerberater gewesen sei, bevor er das Trinken angefangen hatte. Niemand in dem ruhigen Highland-Dorf in der Grafschaft Sutherland ganz im Norden Schottlands hätte sich jemals vorstellen können, was für ein Monster in ihm schlummerte und bald zum Leben erwachen sollte.

Mrs. Freda Fleming hatte sich kürzlich in den Kommunalrat von Strathbane gedrängt und war zur Umwelträtin ernannt worden. Diesen Posten hatte man eigens für sie geschaffen, damit sie den Mund hielt und sich aus anderen Ratsangelegenheiten raushielt. Sie war die einzige Frau im Kommunalrat, und dass sie in den chauvinistischen Highlands überhaupt dort hatte landen können, war der Tatsache geschuldet, dass die ehrgeizige Witwe den Provost verführt hatte – das schottische Pendant zum Bürgermeister.

Das war nach einem Burns Supper gewesen, dem Fest, das in Schottland alljährlich zu Ehren des Dichters Robert Burns gefeiert wurde. An diesem Abend hatte der sonst eher hasenfüßige kleine Provost, Mr. Jamie Ferguson, zu viel Whisky getrunken.

Mrs. Fleming hatte einen Traum, und der war, ins Fernsehen zu kommen. Der Spiegel warf ihr das Bild einer gut gepolsterten Frau mittleren Alters mit gold getöntem Haar und kampflustiger Miene zurück. Mrs. Fleming indes sah eine Dame, die erheblich schlanker war und ein blendendes Charisma besaß.

Ihr Ehemann war drei Jahre zuvor gestorben. Er war ein bekannter Geschäftsmann gewesen und hatte eine Fabrik für Elektrogeräte in Strathbane geleitet. Sein Tod durch Herzinfarkt hatte Mrs. Fleming zu einer sehr vermögenden Witwe mit großen Ambitionen und viel Zeit gemacht. Zunächst hatte sie den Posten der Umwelträtin nur widerwillig angenommen, jedoch kürzlich erkannt, dass »Öko« in war – definitiv in.

Und sie dachte sich, wenn sie sich einen Plan zurechtlegte, wie die Umwelt besser geschützt wurde, kämen die Kameras von ganz allein. Sie glaubte fest daran, dass sie zum Fernsehstar geboren war. Und Strathbane brauchte dringend einige Verbesserungen. Die Stadt war ein Schandfleck der Highlands mit ihren Hochhäusern, der Kriminalität, der Arbeitslosigkeit und dem Dreck im Allgemeinen.

Nur war das eine gewaltige Aufgabe und ganz und gar nicht telegen. Mrs. Fleming ging es um das überregionale Fernsehen, und das flog bekanntlich auf Fotogeneres und Landestypischeres. Dann fiel ihr Lochdubh ein, das sie einmal an einem sonnigen Tag besucht hatte. Sie würde Lochdubh »grün« machen.

An einem heißen Sommermorgen traf sie in Lochdubh ein. Und das Erste, was sie erblickte, waren aufgereihte stinkende Müllsäcke vor dem Gemeindesaal. Das ging gar nicht! Sie drehte sich um und sah wütend zum Ufer. Ihr Blick fiel auf die blaue Lampe der Polizeiwache, die teils von üppig blühenden Hängerosen über der Tür verdeckt war.

Mrs. Fleming marschierte auf die Wache zu und spähte über die Hecke.

Hamish Macbeth, der kürzlich zum Sergeant befördert worden war, spielte im Garten mit seinem Hund Lugs, den er seit einer Weile hatte.

»Ähem!«, räusperte sich Mrs. Fleming streng. »Wo ist der Constable?«

Hamish war nicht in Uniform. Stattdessen trug er ein altes Karohemd und eine ausgebeulte Cordhose. Die Sonne schien auf sein feuerrotes Haar und das freundliche Gesicht. Er lächelte ihr zu. »Ich bin Sergeant Macbeth. Kann ich Ihnen helfen?«

»Was ist mit Lochdubh passiert?«, fragte sie.

»Lochdubh«, korrigierte Hamish sanft. »Es wird ›Lochdu‹ ausgesprochen.«

»Egal.« Mrs. Fleming mochte es nicht, verbessert zu werden. »Warum steht der ganze stinkende Abfall vor dem Gemeindesaal?«

»Wir hatten ein Fest, um Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln«, antwortete Hamish. »Wer sind Sie?«

»Ich bin Mrs. Freda Fleming. Die Umwelträtin von Strathbane.«

»Nun, Mrs. Fleming, der viele Müll ist von dem Fest.«

»Und warum ist er noch nicht abgeholt worden?«

»Fergus Macleod, unser Müllmann, holt die Müllsäcke an festen Tagen ab. Und bis zum nächsten Termin dauert es noch ein bisschen.«

»Das werden wir ja sehen. Wo wohnt er?«

»Wenn Sie zu Patels Laden gehen und dann die Straße daneben rauf, ist es das letzte der vier Cottages da.«

»Und warum sind Sie nicht in Uniform?«

»Es ist mein freier Tag«, antwortete Hamish und hoffte, sie würde es nicht überprüfen.

»Na gut. Sie werden mich künftig häufiger sehen. Ich habe vor, Lochdubh ›grün‹ zu machen.« Mit diesen Worten schritt sie von dannen, während Hamish dastand und sich verwundert am Kopf kratzte. Was in aller Welt könnte sie meinen? Bäume vielleicht oder Gärten?

Doch er hatte genug andere Probleme, um sich wegen Mrs. Flemings Plänen Gedanken zu machen. Hinter ihm und hoffentlich im Büro war sein neuer Constable, Clarry Graham. Clarry war ein unordentlicher Faulpelz, der es nie zu einer Beförderung gebracht hatte, sich selten wusch und in einer speckigen alten Uniform herumschlurfte.

Und dann war da noch die Sache mit dem neuen Hotel. Einige Jahre lang hatte das Lochdubh Hotel am Hafen leer gestanden. Vor Kurzem war es jedoch von einem griechischen Unternehmer namens George Ionides gekauft worden. Es bedeutete Arbeit für die Dorfbewohner, worüber Hamish froh war, aber ihm war auch bewusst, dass es eine Konkurrenz zum Tommel Castle Hotel wäre. Letzteres führte Colonel Halburton-Smythe, dessen schillernde Tochter Priscilla einst Hamishs große Liebe gewesen und die im Augenblick wieder in Lochdubh war.

Er ging in die Wache, gefolgt von Lugs. »Lugs« war das schottische Wort für »Ohren«, und Hamish hatte den Hund so genannt, weil dessen Ohren sehr groß waren. Lugs hatte blaue Augen. Am Schreibtisch schnarchte der dicke Clarry leise vor sich hin.

Ich sollte ihn aufwecken, dachte Hamish, aber wozu? Dieser Tage ist es hier totenstill. Clarry hatte sich das strähnige graue Haar über die rosige Halbglatze gekämmt und trug einen dichten grauen Schnauzbart, der sich bei jedem Atemzug hob und senkte. Sein Gesicht war rund und rosig wie das eines vorzeitig gealterten Babys. Die wurstigen Finger hatte er auf dem Bauch gefaltet. Das Einzige, was für Clarry sprach, war, dass er gut kochen konnte und wahrlich nicht geizig war. Er gab den Großteil seines Lohns für Essen aus – das er mit Freuden für Hamish und sich zubereitete.

Ach, dachte Hamish und schloss die Tür leise wieder. Sie hätten mir jemand Schlimmeres an die Seite stellen können.

Fergus war mitten in einem seiner Saufexzesse, und wäre er zu Hause gewesen, hätte Mrs. Fleming dafür gesorgt, dass er seinen Job verlor. Doch Fergus lag oben in der Heide und schlief seinen Rausch aus, weshalb es seine Frau Martha war, die die Tür öffnete.

Martha war früher ein hübsches Mädchen gewesen, aber die Ehe, vier Kinder und reichlich Prügel hatten sie verblassen lassen. Ihr einst dickes schwarzes Haar war von Grau durchzogen, und sie hatte einen ängstlichen Blick.

Mrs. Fleming befragte sie eingehend zu ihrem Ehemann, und Furcht bewirkte, dass Martha den schrecklichen Fergus in Schutz nahm. Denn wovon sollten sie leben, wenn er keine Arbeit mehr hatte?

Sie sagte, er sei ein hart arbeitender Mann und hole den Müll nur einmal die Woche ab, weil er einen dieser altmodischen Laster hatte, bei denen alles von Hand reingehoben werden musste.

Mrs. Fleming gefiel Marthas schüchterne, unterwürfige Art. Sie gab ihr ihre Karte und erwiderte, Fergus solle sich um elf am nächsten Morgen bei der Kommunalverwaltung melden. »Wir müssen sehen, dass er einen neuen Wagen bekommt«, fügte sie gönnerhaft hinzu. »Ich habe Pläne für Lochdubh.«

Nachdem sie gegangen war, wies Martha ihren Ältesten, Johnny, an, auf die Kleinen aufzupassen, und machte sich auf die Suche nach ihrem Mann. Darüber wurde es Abend, und sie hatte beinahe aufgegeben. Müde lehnte sie an der Buckelbrücke über den Fluss Anstey.

Und sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie hoffte, er wäre tot. Es wäre anders als der Verlust seines Jobs. Sie würde eine Witwenpension bekommen, und wenn ihr drittes Kind, Sean, im Schulalter war, könnte sie vielleicht in dem neuen Hotel arbeiten, sofern sie während ihrer Schicht jemanden für das Baby fand.

Mrs. Wellington, die Pfarrersfrau, hatte vor einiger Zeit wenig mitfühlend bemerkt: »Sie müssen doch gewusst haben, dass er ein Säufer ist, als Sie ihn geheiratet haben.« Aber das hatte Martha nicht. Sicher trank er gern mal ein Glas, was allerdings auf eine Menge Highlander zutraf. Martha hatte ihn auf einer Hochzeit in Inverness kennengelernt. Er hatte ihr erzählt, dass er Steuerberater sei und drüben in Dingwall arbeite. Und er hatte sie eifrig umworben.

Erst nachdem sie geheiratet hatten und er in das Cottage gezogen war, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, war ans Licht gekommen, dass er keinen Job mehr hatte und ein chronischer Trinker war. Da war auch herausgekommen, dass er wirklich Steuerberater gewesen war. Doch er empfand eine grausame Freude, als er zum Dorfmüllmann wurde.

Martha spürte, dass er sich näherte, noch ehe sie ihn sah. Sie drehte sich um, sodass sie mit dem Rücken zum Brückengeländer stand. Er kam mit schlenkerndem Gang und einem halb entschuldigenden Grinsen auf sie zu, wie immer, wenn er zwischen seinen Saufgelagen kurz nüchtern wurde.

»Suchst du mich?«

»Ja, eine Frau von der Verwaltung in Strathbane war da. Sie will dich morgen früh in Strathbane sehen.«

»Weswegen?«

»Hat sie nicht gesagt. Sie hat ihre Karte dagelassen.«

»Du hättest fragen sollen.« Obwohl erst Mitte vierzig, hatte Fergus vom Trinken sehr runzlige Haut. Seine Nase war groß, er hatte wässrige Augen und einen schmalen, verkniffenen Mund. Seine Schultern waren gebeugt und seine Arme lang, als hätte das viele Heben der Mülltonnen sie verlängert. Es fiel Martha schwer, sich vorzustellen, dass sie ihn einst geliebt hatte.

»Dann fahre ich lieber zu ihr«, brummelte Fergus.

Martha fröstelte, obwohl es ein lauer Abend war. Sie hatte das Gefühl, dass schlechte Zeiten bevorstanden. Dann schalt sie sich im Geiste eine Närrin. Wie könnten schlechte Zeiten kommen, wenn sie längst da waren?

Clarry schob Hamish Macbeth einen Teller dampfende Bouillabaisse hin. »Probieren Sie, Sir«, sagte er. »Keiner macht eine Bouillabaisse wie Clarry.«

»Ja, Sie sind ein hervorragender Koch«, lobte Hamish, der dachte, dass er sich mit Fischstäbchen und Tiefkühlpommes zufriedengäbe, wäre Clarry stattdessen ein guter Polizist. Aber der Fischeintopf war köstlich. »Haben Sie jemals überlegt, in die Gastronomie zu gehen?«, fragte Hamish. »Ein Genie wie Sie sollte sein Talent nicht bei der Polizei vergeuden. Das Tommel Castle Hotel könnte einen guten Koch gebrauchen.«

»Das ist nicht dasselbe«, erwiderte Clarry. »In diesen Nobelhotels muss es immer schnell, schnell gehen, und man soll wichtige Zutaten weglassen, um Geld zu sparen.« Zufrieden begann er zu essen.

»Heute war eine Frau vom Kommunalrat in Strathbane hier. Sie wollte zu Fergus.«

»Dem Säufer?«

»Genau dem. Vielleicht könnten Sie etwas für mich tun, Clarry. Ich habe es weiß Gott versucht, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er seine Frau schlägt. Gehen Sie morgen mal hin und versuchen Sie, sie allein zu erwischen. Sagen Sie ihr, dass sie das nicht hinnehmen muss.«

»Häusliche Gewalt ist noch nie mein Ding gewesen«, gab Clarry zurück, brach sich ein großes Stück Brot ab und nahm damit den Rest Suppe von seinem Teller auf.

»Sie sind Polizist«, entgegnete Hamish streng. »Wir lassen nicht mehr zu, dass Männer ihre Frauen verprügeln.«

»Ja, ich versuch’s mal«, lenkte Clarry ein. »Wenn Sie aufgegessen haben, hätte ich noch einen schönen Apfelkuchen im Ofen.«

Fergus fuhr am nächsten Morgen mit dem Müllwagen nach Strathbane. Er trug seinen einzigen Anzug, einen dunkelblauen, den seine Frau sorgsam abgebürstet und gesäubert hatte. Sein spärliches Haar hatte er über die sommersprossige kahle Stelle gebürstet und mit Öl fixiert.

Er merkte, wie Wut auf die Dorfbewohner von Lochdubh in ihm hochkochte. Einer von denen musste ihn wegen irgendetwas gemeldet haben. Er würde herausfinden, wer das gewesen war, und es demjenigen heimzahlen.

Und so war er sehr zornig an diesem herrlichen Highland-Sommermorgen unterwegs, an dem die Bussarde frei am Himmel kreisten und die Berge und Moore im sanften Sonnenschein lagen.

In Strathbane parkte er vor dem unansehnlichen Betonblock, in dem sich die Gemeindeverwaltung von Strathbane befand. Am Empfang nannte er seinen Namen und fragte nach Mrs. Fleming.

Eine Sekretärin erschien und führte ihn eine Treppe hinauf in den ersten Stock. Mrs. Fleming hatte sich eines der schönsten Büros gesichert. Fergus wurde hineingebeten, und sein Mut schwand merklich beim Anblick der Umwelträtin. Wie die meisten Rüpel schüchterten ihn andere Menschen gleichen Temperaments ein, und er erkannte schon an Mrs. Flemings Haltung, ihrem harten Blick und der Art, wie sie ihn musterte, dass sie genauso tyrannisch war wie er.

»Setzen Sie sich, Mr. Macleod«, sagte Mrs. Fleming. »Wir müssen uns darüber unterhalten, Lochdubh ›grüner‹ zu machen.«

»Ich tue immer, was ich kann, um die Umwelt zu schützen, Mrs. Fleming.«

»Sehr schön. Und warum haben Sie dann den Müll nicht eingesammelt, der sich vor dem Gemeindesaal stapelt?«

»Wenn Sie aus Ihrem Fenster sehen … Da unten steht mein Laster. Es ist einer von den alten mit Schiebetüren.«

Mrs. Fleming trat ans Fenster, und Fergus ging zu ihr. »Ich muss den Müll da von Hand reinheben. Ohne Hilfe. Und ich bin schon in Behandlung mit meinem Rücken. Es geht, solange ich mich an den einen Abfuhrtag halte. Der ist mittwochs.«

Mrs. Fleming blickte finster zu dem alten Lastwagen. Nein, der war gar nicht telegen.

Sie schritt zurück zu ihrem Schreibtisch. »Setzen Sie sich, Mr. Macleod. Der Laster muss ausgetauscht werden. Ich plane, Lochdubh zu einem wegweisenden Beispiel zu machen.« Sie hob eine schwarze Plastikbox hoch, die neben ihrem Schreibtisch stand. »Solche Kisten werden an alle Haushalte verteilt werden. Altpapier, Flaschen und Dosen kommen in diese Kisten, nicht in den allgemeinen Abfall. Und es werden Tonnen mit Rollen ausgeliefert.«

Fergus dachte an diese riesigen Plastiktonnen auf Rädern. »Die kann ich nicht heben!«, protestierte er.

»Das werden Sie auch nicht müssen«, erklärte Mrs. Fleming triumphierend. »Ihr neuer Wagen wird einen Mechanismus haben, der die Tonnen anhebt und auskippt. Und wir werden große Container am Hafen von Lochdubh aufstellen. Einen für Altpapier, einen für Dosen und noch einen für Flaschen.«

»Aber wenn die Leute die Dosen, Flaschen und so in die schwarzen Kisten packen sollen, wofür brauchen sie dann die Container?«

»Damit sie keine Ausrede mehr haben, ihren Müll nicht zu trennen, falls bei ihnen mehr anfällt, als in die Kiste passt. Die Hotels und Pensionen werden auch größere Tonnen brauchen.« Sie neigte sich vor. »Wir bringen Lochdubh auf die Landkarte, Mr. Macleod. Wie viel verdienen Sie?«

Fergus sagte es ihr.

»Das verdoppeln wir. Sie sind ab sofort zum Umweltbeauftragten von Lochdubh befördert. Was tragen Sie bei der Arbeit?«

»Overalls und alte Sachen«, antwortete Fergus.

»Nein, das ist nicht gut für die Fernsehkameras.«

»Fernsehkameras?«, wiederholte er.

»Ja, wenn es Ihnen gelungen ist, Lochdubh zu einem Musterdorf zu machen, komme ich mit dem Provost und diversen Würdenträgern. Dann werden die Presse und das Fernsehen dort sein. Sie müssen eine richtige Uniform haben.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Wenn Sie so gut wären, hier zu warten … Ich habe ein Treffen mit den anderen Ratsmitgliedern.«

Clarrys rotes Gesicht glänzte vor Schweiß unter der spitzen Mütze, als er hinauf zu Fergus’ Cottage watschelte. Er wusste, dass Fergus vier Kinder hatte, weil Hamish es ihm erzählt hatte. Da Schulferien waren, rechnete er damit, sie um das Haus herum spielen zu sehen.

Vor der Tür stand ein schäbiger Kinderwagen. Clarry wackelte vor dem Babygesicht mit den Fingern, und das Kleine blickte ihn sehr ernst an. Dann klopfte er an die Tür.

Martha öffnete und wich mit einem erschrockenen kleinen Aufschrei zurück, kaum dass sie die Uniform sah.

»Es ist nur ein Freundschaftsbesuch«, beschwichtigte Clarry. »Darf ich reinkommen?«

»Ich mache gerade Mittagessen für die Kinder.«

Die Kinder – Johnny, zehn Jahre, Callum, acht, und der vierjährige Sean – saßen an einem Tisch. Sie schauten ihn so ernst an wie das Baby eben.

»Was bekommen sie zum Mittagessen?«, fragte Clarry, dessen Gedanken immerfort dem Essen galten.

»Baked Beans auf Toast.«

Martha sah so blass und müde aus, und die Kinder waren so unnatürlich ruhig, dass Clarry Mitgefühl bekam. »Sie alle müssen mal richtig aufgepäppelt werden«, sagte er. »Warten Sie hier. Ich koche für Sie.«

»Aber das ist doch nicht nötig …«, begann Martha, doch Clarry winkte bereits munter und zog mit einer Leichtigkeit und einem Tempo los, die manche beleibten Männer zu guten Tänzern machten.

Eine halbe Stunde später war er mit zwei schweren Einkaufstaschen zurück. »Wenn Sie mir jetzt nur die Küche zeigen …«

Martha führte ihn in einen kleinen, engen Raum. »Gehen Sie alle fernsehen«, verkündete Clarry. »Das Essen ist gleich auf dem Tisch.«

Martha schaltete nebenan den Fernseher ein, und die Kinder gesellten sich zu ihr aufs Sofa.

Clarry klopfte Hüftsteaks papierdünn und warf sie in Öl und Knoblauch. Er erhitzte Knoblauchbrot im Ofen, mischte einen Salat in einer Schüssel und schnippelte Kartoffeln, um einen Berg Pommes frites herzustellen.

Bald waren sie alle um den Tisch versammelt. »Es ist Coca-Cola für euch da«, sagte Clarry strahlend zu den Kindern, »und Mum und ich werden ein Glas Wein trinken.«

Die Kinder betrachteten diesen großen, freundlichen Mann. Johnny fand, dass er wie der Nikolaus aussah. Sie machten sich über das Essen her.

»Ich fürchte, wir kosten Sie eine Menge Geld«, bemerkte Martha.

»Das lasse ich meinen Boss bezahlen«, antwortete Clarry.

Unter dem Einfluss von Wein und gutem Essen zeigten sich bei Martha geisterhafte Andeutungen ihres früheren hübschen Aussehens. Nur fürchtete sie sich die ganze Zeit vor der Rückkehr ihres Mannes. Clarry sprach von seiner Zeit als Polizist in Strathbane, die Kinder lauschten aufmerksam, und Martha begann, sich zu entspannen. Fergus konnte schlecht eine Szene machen, wenn ein Polizist im Haus war.

Nach dem Essen hockten die Kinder sich wieder vor den Fernseher.

»Nein, nein, das geht doch nicht an solch einem schönen Tag«, wandte Clarry ein. »Eure Mum und ich waschen ab. Ab nach draußen mit euch!«

»Warum sind Sie hergekommen?«, fragte Martha, als sie allein waren. Er spülte, und sie trocknete das Geschirr ab.

»Nur, um Ihnen zu sagen, dass Sie es melden sollten, wenn Ihr Mann Sie schlägt«, antwortete Clarry.

»Er schlägt mich nicht«, widersprach sie. »Und selbst wenn, könnte ich die Kinder nicht allein versorgen. Man würde sie mir wegnehmen.«

Clarry sah die zierliche Frau an. »Dazu käme es nicht, weil ich es nicht zulassen würde, Mädchen. So, das war’s. Sehen wir jetzt mal, ob wir Ihre Kinder ein bisschen in Bewegung bringen können.«

Er improvisierte draußen ein Schlagballspiel mit einem Besenstiel und einem alten Tennisball. Die Jungen rannten umher und kreischten vor Lachen. Martha fühlte, wie ihr die Tränen kamen. Wann hatte sie ihre Kinder zuletzt lachen gehört?

»Dann ist das also geregelt«, sagte Mrs. Fleming siegesgewiss, als die Ratsmitglieder sie ansahen und das Gefühl hatten, sie wären allesamt brutal ausgeraubt worden. Vergeblich hatten sie die Kosten des Plans angeführt. Mrs. Fleming hatte ihre Einwände kurzerhand niedergewalzt.

Sie kehrte in ihr Büro zurück, wo Fergus geduldig wartete. Dort nahm sie ein Maßband aus ihrer Schreibtischschublade. »Jetzt vermesse ich Sie für die Uniform.«

Fergus war verwirrt. Er bekäme doppelten Lohn und obendrein eine Chance, die Dorfbewohner zu tyrannisieren. Keine einzige Dose oder Flasche, keine einzige Zeitung sollte mehr im Restmüll auftauchen. Allmählich ging es ihm richtig gut. Jetzt standen herrliche Zeiten an! Ihm kam der Gedanke an einen Drink zur Feier des Tages, den er jedoch gleich wieder verwarf. Als Mrs. Fleming seine Maße nahm, wurde er immer euphorischer, so sehr freute er sich über seinen neuen Status.

Er, Fergus Macleod, war jetzt Umweltbeauftragter!

Von ihrem Cottage aus konnte Martha einen Teil der geschlängelten Straße nach Lochdubh sehen. Und sie kannte das Motorengeräusch des Müllwagens.

»Dad kommt!«, rief sie.

Clarry stellte fest, dass das Schlagballspiel auf einmal zu einem Spiel von lebenden Statuen geworden war. Die Kinder erstarrten mitten in der Bewegung, als der Lastwagen näher kam. Dann schlichen sie sich ins Haus.

»Gehen Sie lieber«, sagte Martha zu Clarry.

»Nicht vergessen«, erinnerte er sie. »Ich bin gleich die Straße runter. Sie müssen sich das nicht gefallen lassen.«

Sie nickte, doch ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen, und sie wollte dringend, dass er verschwand.

Clarry trottete davon und bog um die Ecke zum Ufer, als der Lastwagen an ihm vorbeirauschte.

Fergus parkte den Laster. Martha kam ihm aus dem Haus entgegen. Und bei den ersten Worten ihres Mannes wurde ihr flau. »Heute Abend feiern wir!«

»Feiern« bedeutete gewöhnlich nur eines. Doch Fergus war viel zu begeistert von seinem neuen Job, um irgendetwas zu trinken. Er brachte eine Kiste Einkäufe in die Küche. Darin waren Coca-Cola, Chips und Süßigkeiten für die Kinder. Außerdem eine seltsame Ansammlung an Delikatessen: Wildpastete, exotische Käsesorten, Parmaschinken, eingelegte Kirschen im Glas und Obstkonserven. Martha dachte sehnsüchtig an Clarrys Mittagessen.

»Was feiern wir?«, fragte sie schüchtern.

»Ich bin Lochdubhs neuer Umweltbeauftragter«, antwortete Fergus. Stolz erzählte er ihr von seiner Lohnerhöhung, dem nigelnagelneuen Wagen und dem Plan, Lochdubh »grün« zu machen.

Für die Macleod-Familie war es ein seltsam entspannter Abend, und Martha betete, dass die Kinder Clarrys Besuch nicht erwähnten, was sie zu ihrer Erleichterung nicht taten. Sie hatten alle solche Angst vor den Wutausbrüchen ihres Vaters, dass sie gelernt hatten, immerzu den Mund zu halten.

Die nächsten Wochen schien es, als wäre der Erfolg wie Balsam für Fergus’ sonst so wütende Seele. Er plauderte sogar mit Leuten im Dorf. Clarry war merkwürdig enttäuscht. Insgeheim hatte er sich vorgestellt, der Ritter in schimmernder Rüstung zu sein, der Martha aus ihrer katastrophalen Ehe rettete.

Martha hatte noch nie erlebt, dass Fergus so lange ohne einen Drink auskam. Sie hatte nach wie vor Angst vor ihm, wie jemand, der dauerhaft im Schatten eines aktiven Vulkans lebte, war aber dankbar für die Verschnaufpause.

Dann wurden eines Morgens Faltblätter an alle Haushalte in Lochdubh verteilt, die eine Versammlung in der Dorfhalle ankündigten, um die Verbesserungen in Lochdubh zu besprechen.

Hamish ging hin wie alle anderen auch.

Mrs. Fleming saß auf dem Podium. Sie trug einen schwarzen Abendblazer mit Pailletten über einer weißen Seidenbluse. Ihr langer schwarzer Rock war an einer Seite hochgeschlitzt, sodass er den Blick auf ein sehr kräftiges Bein in einem Stützstrumpf freigab. Sie verkündete die »grüne Revolution« in Lochdubh.

Die Dorfbewohner hörten verwundert zu und erfuhren, dass sie anfangen sollten, ihren Müll in lauter unterschiedliche Behälter zu sortieren. Neue Recycling-Container für Altglas und Altpapier würden am Hafen aufgestellt werden.

»Was sind denn Recycling-Container?«, flüsterte Archie Maclean, ein Fischer.

»Das sind diese großen, glockenförmigen Metalldinger, wie sie auch vor einigen Supermärkten in Strathbane stehen. Da steckt man seine Flaschen rein.«

»Ach, dafür sind die!«, sagte Archie. »Oh, Mann! Guckt euch das an!«

Mrs. Fleming hatte Fergus auf das Podium geholt. Die anderen Ratsmitglieder hatten vorgeschlagen, dass ein grüner Overall als Uniform reichen würde, aber Mrs. Fleming hatte den Auftrag ihrem Neffen Peter gegeben, einem spargeldürren jungen Mann, der Ambitionen hatte, ein großer Modeschöpfer zu werden.

Das Publikum starrte verblüfft auf Fergus, der stolz auf die Bühne trat. Seine Uniform war pseudo-militärisch, grellgrün mit Epauletten und Messingknöpfen. Auf dem Kopf hatte er eine spitze Mütze. Fergus sah wie ein runzliger Diktator irgendeines totalitären Regimes aus.

Einer im Publikum kicherte, dann lachte jemand anders laut, und bald prustete der ganze Saal.

Fergus stand da, die langen Arme an seinen Seiten hängend und rotgesichtig, als ihm das Gelächter entgegenschallte. Er hasste sie. Er hasste sie alle.

Und er würde es ihnen heimzahlen.

Am nächsten Tag schlenderte Hamish hinunter zum Hafen, um die Arbeiten an dem neuen Hotel zu begutachten. In den Highlands waren Jobs rar gesät, und es freute ihn, so viele Einheimische hier bei der Arbeit zu sehen.

»Hamish?«

Er drehte sich um. Da stand Priscilla Halburton-Smythe. Einen Moment lang zurrte die alte Sehnsucht an seinem Herzen, als er das klare, ovale Gesicht und das schimmernde Haar sah. Doch dann sagte er ruhig: »Bist du hier, um den Konkurrenten bei der Arbeit zuzusehen, Priscilla?«

»Etwas in der Art. Es macht mir Sorgen, Hamish. Bei uns läuft es nicht so gut. Und die werden uns Gäste abwerben.«

»Sie haben keine Angellizenz«, antwortete Hamish gelassen. »Wegen der kommen doch die meisten eurer Gäste – zum Angeln. Und ihr nehmt keine Busreisen an.«

»Noch nicht. Vielleicht müssen wir das ändern, um mithalten zu können.«

»Bisher habe ich den neuen Besitzer nicht gesehen«, bemerkte Hamish.

»Ich glaube, er hat Hotels in ganz Europa.«

»Und gibt es Anzeichen, dass Angestellte von euch gehen wollen?«

»Bis jetzt nicht. Aber, Hamish, was ist, wenn er viel höhere Löhne bietet? Dann wären wir in echten Schwierigkeiten.«

»Warten wir erst mal ab, was passiert«, sagte er. »Ich stelle immer wieder fest, wenn man ruhig bleibt und nichts tut, lösen sich die Dinge von selbst.«

»Wie geht es mit deinem neuen Polizisten?«

Hamish seufzte. »Du hast also von ihm gehört? Ich fand ja, dass der letzte, Willie Lamont, mit seinem ewigen Putzen und wenig richtiger Arbeit eine Nervensäge war. Aber kaum hatte er was Neues zu putzen gefunden, war er weg. Jetzt habe ich Clarry. Das ist das Problem, wenn man in Lochdubh lebt, Priscilla: In Strathbane fragen sie sich, auf wen können wir wirklich verzichten, und dann schicken sie mir Clarry. Ach, er ist schon nett. Und er kocht super, aber er riecht ein bisschen und ist … so richtig faul.« Hamishs R’s wurden sehr viel ausgeprägter, wenn er sich aufregte. »Wenn er nicht bald ein Bad nimmt, schmeiße ich ihn in den Loch.«

Priscilla lachte. »So schlimm?«

»Ja, so schlimm.«

»Und was ist mit der ganzen ›Grünwerden‹-Geschichte?«

»Die verdanken wir dieser herrischen Frau, Freda Fleming. Bist du nicht im Gemeindesaal gewesen?«

»Nein.«

»Sie ist vom Kommunalrat, und sie will, dass wir alle unseren Müll in unterschiedliche Behälter sortieren. Da kommen die großen Container dafür.«

Priscilla blickte zum Ufer. Dort hob ein Kran das erste der glockenförmigen Objekte an seinen Platz. »Wir mögen keine Veränderungen«, sagte sie. »Die Leute werden auf die Barrikaden gehen. Und sie werden keine einzige Flasche und keine Zeitung in eine dieser Tonnen werfen.«

»Oh, aber du hast den grünen Müllmann noch nicht gesehen! Und da ist er auch schon!«

Fergus war in seiner neuen Uniform erschienen. Er stand da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, wippte auf den Fußballen, das Gesicht von der Spitzhaube beschattet.

»Du lieber Himmel«, murmelte Priscilla. »Jetzt fehlt ihm nur noch eine Reitgerte oder ein Offiziersstock.«

»Ich denke, dass diese Uniform Ärger verheißt«, bemerkte Hamish. »Ist dir aufgefallen, dass Leute wie Polizeihelfer zu Ungeheuern werden, sobald sie eine Uniform bekommen?«

»Ein Müllmann kann nicht viel ausrichten.«

»Oh doch, er kann eine Menge tun, die Leute auf kleinliche Weise schikanieren. Die Currie-Schwestern hatten Fergus nichts zu Weihnachten gegeben, und da hat er ihren Müll nicht mehr mitgenommen, bis sie sich bei der Kommunalverwaltung beschwert haben.«

»Na, siehst du! Wenn er sie schikaniert, beschweren sie sich, und es ist erledigt.«

»Falls diese Fleming auf jemanden hört.«

»Wie ist die überhaupt? Ist sie überzeugte Umweltschützerin? In dem Faltblatt steht, dass sie das Umweltresort der Kommunalverwaltung leitet.«

»Da wir gerade von Schikane reden, ich denke, sie gibt gern Steuergelder aus, um Leute herumzukommandieren. Übrigens kommt sie da.«

Beide sahen hin, als Mrs. Fleming am Ufer entlangfuhr. Sie stieg aus dem Wagen, und Fergus stolzierte zu ihr.

Priscilla kicherte los. »Glaubt man das, Hamish? Fergus Macleod salutiert ihr!«

Auch Hamish lachte. Die Sommertage und der Mangel an Verbrechen in seinem Revier machten ihn fauler denn je und dämpften seine normale Intuition. Er ahnte nicht, dass Fergus’ Salutieren Mrs. Fleming immun gegen jede Kritik an ihm machte und damit eine Reihe von Ereignissen in Gang setzte, die zu Schrecklichem führen sollte.

Kapitel 2

Der Verderbte, der nur kreist um sich selbst,Verdient im Leben keinen Ruhm und kein Ansehen,Und wenn gestorben, soll er doppelt vergehen,Im Staub, aus dem er einst entsprungen,Unbeweint, ungeehrt und unbesungen.

SIR WALTER SCOTT

Der nächste Abfuhrtag verging ohne Zwischenfälle, ebenso der darauffolgende. Dann jedoch wurden die Kisten und Mülltonnen geliefert, und Fergus begann seinen Rachefeldzug.

Die älteren Currie-Schwestern, Nessie und Jessie, waren die ersten Opfer. Was sehr unfair war, da sie zu den wenigen Dorfbewohnern zählten, die ihren Recyclingmüll tatsächlich in die Kisten sortiert und den restlichen in die Tonne gesteckt hatten. Sie stellten fest, dass zwar die Kisten mit Dosen, Flaschen und Altpapier geleert worden waren, die Tonne mit dem restlichen Müll hingegen noch voll war und eine Nachricht auf grünem Papier darauf prangte.

Die lautete:

Gartenabfälle sind zu verbrennen. F. Macleod, Umweltbeauftragter.

»Was meint er mit ›Gartenabfälle‹?«, fragte Nessie. »Wir haben doch gar keine.«

»Haben doch gar keine«, echote ihre Schwester, deren lästige Angewohnheit es war, die letzten Worte zu wiederholen, die irgendjemand gesagt hatte, sie selbst eingeschlossen. »Ich hole einen Stuhl, hole einen Stuhl.« Denn die Schwestern waren zu klein, um so in die Tonne zu schauen.

Jessie brachte einen Küchenstuhl, stieg hinauf und hob den Deckel der Tonne an. »Da sind nur die welken Rosen drin, die in der Vase waren und die wir weggeworfen haben, wir weggeworfen haben.«

»Ich schreibe an die Verwaltung«, sagte Nessie.

»Er hat den Müll nicht abgeholt«, jammerte Clarry.

»Wo ist denn die Tonne von dem Mann?«, fragte Hamish. »Wir sollen die benutzen, keine Müllsäcke mehr rausstellen.«

»Ach, ich fand die Tonne so praktisch für das Hühnerfutter«, antwortete Clarry.

Hamish seufzte. »Holen Sie die zurück und packen Sie den Müll da rein, Clarry. Wir leben jetzt in einer Diktatur.«

Und so ging es überall im Dorf. Schließlich waren es auch die Dorfbewohner gewesen, die einige Jahre zuvor die öffentlichen Papierkörbe aus dem netzartigen Metall vom Uferweg entfernt hatten, um sie als Hummerfangkörbe zu nutzen. Und genauso hatten die einfallsreichen Highlander auch jede Menge andere Verwendung für die Mülltonnen gefunden. Sie wurden für alle möglichen Utensilien und Viehfutter genutzt. Kinder spielten mit ihnen, indem sie sich gegenseitig damit ans Wasser rollten, und ihre Eltern erhielten prompt grüne Drohbriefe vom »Umweltbeauftragten«.

Bei der Kommunalverwaltung gingen zuhauf Beschwerdebriefe ein. Mrs. Fleming stammte ursprünglich aus Hamilton in Lancashire und hielt die Highlander ausnahmslos für faul, schwierig und schlicht wunderlich. Daher sparte sie sich die Mühe, auch nur einen einzigen Brief zu beantworten. Sie wies ihre Sekretärin an, sie alle wegzuwerfen.