Handbuch Korrekturlesen - Johannes Sailler - E-Book

Handbuch Korrekturlesen E-Book

Johannes Sailler

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Beschreibung

Diese ausführliche und praxisnahe Darstellung aller wichtigen Aspekte des Korrekturlesens ist Lehrbuch und Nachschlagewerk in einem, nicht nur für das professionelle Korrektorat, sondern für alle, die für die Qualität veröffentlichter Text Verantwortung tragen, etwa in den Bereichen Assistenz, Sekretariat, Lektorat, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Vertrieb, Übersetzung. Für Lektorinnen und Lektoren bietet das Werk zudem Informationen zur Vergabe von Korrekturaufträgen. Der Visualisierung und Auflockerung dienen zahlreiche Beispiele. Alles, was ein Handbuch braucht: Teil 1 erklärt leicht verständlich, was zum Korrekturlesen dazugehört und wie man zu guten Ergebnissen kommt, gibt Tipps für die Lesepraxis und die Zusammenarbeit von Auftraggeber und Auftragnehmer. Teil 2 bietet ein umfangreiches Glossar, das neben Fachbegriffen und orthotypografischem Know-how die ganz konkreten Korrekturerfordernisse zu den jeweiligen Stichwörtern vermittelt, erstmalig in dieser Ausführlichkeit und Übersichtlichkeit.

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Handbuch

Handbuch Korrekturlesen

Korrekturlesen, Korrekturablauf planen, Korrekturaufträge vergeben –

mit Korrekturwissen von A bis Z

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/jdnb.d·nb.de abrufbar.

Es wurde große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten Angaben korrekt sind und der derzeitigen Praxis entsprechen. Für dennoch wider Erwarten im Werk auftretende Fehler übernimmt der Autor keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

AIle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.

© 2017 Johannes Sailler

[email protected]

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

Korrektur: Gerda Böller, Helga Berger

ISBN 978-3-74485903-5

Vorwort

In den mehr als fünfeinhalb Jahrhunderten seit Erfindung des Buchdrucks sind viele Bücher erschienen, die sich mit Druck, Schriftsatz, Buchherstellung, Schreiben und Publizieren beschäftigen und dabei mehr oder weniger intensiv auch Fragen des Korrekturlesens berühren. Die Tätigkeit des Korrekturlesens selbst – den Leistungsumfang, die Arbeitsweise, die unterschiedlichen Methoden und die Korrekturaufgaben im Einzelnen – behandeln aber nur sehr wenige Fachbücher. Seit die letzten Titel in den 1950er- bis 1980er-Jahren erschienen sind, hat sich infolge der technischen Entwicklung so viel verändert, dass die heutigen Produktionsabläufe und damit auch die Korrekturtätigkeiten mit den damaligen kaum noch vergleichbar sind. Insofern ist die erneute Auseinandersetzung mit dem Thema überfällig.

Das vorliegende Werk bietet eine ausführliche Darstellung aller wichtigen Aspekte des Korrekturlesens und wendet sich als Lehrbuch und Nachschlagewerk an alle, die als Korrektorinnen und Korrektoren schon arbeiten oder zukünftig arbeiten wollen, sowie an alle, die im Rahmen ihrer Arbeit Korrektur lesen müssen – beispielsweise in den Bereichen Assistenz, Sekretariat, Lektorat, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Vertrieb, Übersetzung – im Grunde an alle, die Verantwortung für die Qualität von Texten übernehmen müssen, die veröffentlicht werden. Für Lektorinnen und Lektoren bietet es darüber hinaus wichtige Informationen zur Vergabe von Korrekturaufträgen mit vielen nützlichen Tipps und Arbeitsvorlagen. Der Visualisierung und Auflockerung dienen zahlreiche Beispiele.

In den Kapiteln 1 bis 8 wird umfassend dargelegt, was beim Korrekturlesen zu beachten ist, um zu guten Ergebnissen zu kommen, und es werden Tipps für die Probleme der Lesepraxis und für die Zusammenarbeit mit Partnern gegeben. Seinem Anspruch als Handbuch kommt das Werk nach, indem es in Kapitel 9, dem Korrekturglossar, Fachbegriffe erklärt und orthotypografisches Know-how bietet. Vor allem aber, indem es zu den einzelnen Stichwörtern – erstmalig in dieser Ausführlichkeit und Übersichtlichkeit – die konkreten Korrekturaufgaben und Korrekturtätigkeiten aufführt. Orthografische und grammatische Problemstellungen werden bis auf wenige Ausnahmen nicht behandelt, da solche Fragen schon in zahlreichen Nachschlagewerken zur deutschen Sprache und zu ihren Zweifelsfällen umfassend und gut beantwortet werden.

Das Handbuch ist keine wissenschaftliche Arbeit, für die Sekundärliteratur vollständig erschlossen wurde. Es basiert auf Wissen und Erfahrungen aus mehr als zwanzig Berufsjahren als Korrektor und Leiter eines Korrektorats sowie auf eigener Schulungstätigkeit. Erworben wurden die Kenntnisse im Bibliographischen Institut, sprich in den Verlagen Duden, Brockhaus und Meyer, wo sowohl die für die deutsche Sprache maßgeblichen Wörterbücher als auch die führenden Lexika für Allgemeinwissen herausgegeben wurden oder noch werden.

Wichtig war es mir, gendergerecht zu formulieren, nicht zuletzt, weil die Mehrheit freiberuflich arbeitender „Korrektoren“ Frauen sind. Möglicherweise ist mir das nicht immer gut, befriedigend, vielleicht gelegentlich auch gar nicht gelungen – wo dem so ist, bitte ich die Leserinnen und Leser um Nachsicht.

Dieselben bitte ich auch, mich von etwaigen Fehlern, die Sie feststellen, zu unterrichten, besonders von inhaltlichen, damit diese korrigiert werden können. „Sollten [sich] in diesem Werkchen da oder dort noch einige falsche Buchstaben eingeschlichen [haben] oder sonst einige Ungleichheit in der Orthographie angetroffen werden, so beliebe der gütige Leser es zu verzeihen ...“, das schreibt Christian Gottlob Täubel 1785 in der Nachschrift seiner „Orthotypographia“. Diesem Wunsch schließe ich mich in Demut an, in der Gewissheit, dass der Fehlerteufel dem Buch eines Korrektors besondere Aufmerksamkeit widmen wird.

Mannheim, im April 2017

Johannes Sailler

www.korrektur-schulungen.de

Inhaltsverzeichnis

Korrekturlesen heute – eine Standort­bestimmung

1 Leistungsumfang des Korrekturlesens

1.1 Rechtschreibung

1.2 Grammatik

1.3 Zeichensetzung

1.4 Worttrennungen

1.5 Sprachliche Korrektheit

1.6 Inhaltliche Plausibilität

1.7 Einheitlichkeit der formalen Gestaltung

1.8 Einheitlichkeit von Schreibweisen

1.9 Typografische Mindeststandards

1.10 Know-how Umbruchkorrekturen

2 Erreichbare Qualität beim Korrekturlesen

2.1 Gravierende Fehler – lässliche Fehler

2.2 Die Erfahrungswerte

2.3 Die Nutzung von Korrektursoftware

2.4 Wogegen (kein) Korrekturlesen hilft – der Fehlerteufel

3 Korrekturlesen – richtig gemacht: Erfolgs­voraussetzungen und Arbeitsweise

3. 1 Fachliche, sachliche, persönliche Erfolgsvoraus­setzungen

3.1.1 Eignung und Fähigkeiten

3.1.2 Arbeitsplatz, Arbeitsbedingungen, Arbeitsunterlagen und Nachschlagen

3.2 Grundsätzliches zur Arbeitsweise

3.2.1 Augen entlasten

3.2.2 Anders lesen

3.2.3 Aufmerksamkeit richtig fokussieren und konzentriert bleiben

3.2.4 Korrekturarbeiten richtig organisieren

3.2.5 Warnungen, Probleme, Gefahren

3.2.6 Weitere Tipps und Tricks

4 Das Arbeiten mit Korrekturzeichen

5 Die Korrekturmethoden

5.1 Korrekturlesen ohne Manuskript

5.2 Kollationieren – Anwendungsgebiete und Arbeitsweise

5.3 Teilkollationieren – Anwendungsgebiete und Arbeitsweise

5.4 Korrekturlesen zu zweit – Anwendungsgebiete und Arbeitsweise

6 Zusammenarbeit und Kommunikation mit Auftraggeberinnen und Auftraggebern

6.1 Die Erwartungen der Auftraggeber

6.2 Auftraggeber richtig informieren

6.3 Korrekturdurchführung – Spielregeln beim Anzeichnen

7 Der Korrekturauftrag – Vorbereitung, Ablauf, Vergabe

7.1 Manuskript und „Vorauskorrektur“

7.1.1 Neue Daten

7.1.2 Wiederverwendete Daten

7.2 Satzdaten und Umbruchkorrektur

7.2.1 Die Satzprobe

7.2.2 Korrekturentscheidungen treffen

7.2.3 Die Korrekturanweisung

7.3 Korrekturvergabe und Korrekturrücklauf

7.3.1 Geeignete Dienstleister finden

7.3.2 Preisfindung

7.3.3 Durchsicht der korrigierten Seiten

7.3.4 Prüfen aller Änderungen

8 Zu guter Letzt … eine kleine Liebeserklärung

9 Glossar – Korrekturwissen von A bis Z

9.1 Vorbemerkung

9.2 Verzeichnis der Stichwörter

9.3 Stichwörter / Erfordernisse beim Korrekturlesen

10 Addendum

Literaturverzeichnis

Fachliteratur

Sonstige Literatur

Korrekturanweisung (Vorlage zum Ankreuzen)

Textprobe (Hinweise und Auswertungsvorlage)

Beispiel für eine Auswertung

Arbeitsanweisung für Konvertierungsprüfungen und Satzproben

Auswertungsbeispiel einer Satzprobe

Auswertungsvorlage

Korrekturlesen heute – eine Standortbestimmung

Wie wichtig sollten uns korrekte Sprache und Rechtschreibung sein? – Nun, soweit es um Verstehen und Verständigung geht, sind sie in der Tat von geringer Bedeutung, denn wir verstehen auch falsch Formuliertes und Geschriebenes meist mühelos. Geschriebene Sprache ist äußerst fehlertolerant. Man versteht in aller Regel, was gemeint ist, selbst dann, wenn ein Text voller Tippfehler ist. Sobald es aber um Sozialprestige und um Qualitätswahrnehmung geht, liegen die Dinge anders.

Dennoch kann es nicht verwundern, dass sich Privatpersonen und Unternehmen die Frage nach der Notwendigkeit des Korrekturlesens stellen, zumal in Zeiten, in denen Qualitätserreichung – und zwar nicht nur sprachliche – unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit steht. Unter Fachleuten der Druck- und Verlagsbranche und unter allen, die Texte schreiben, ist die Notwendigkeit des Korrekturlesens dennoch unbestritten. Denn wer würde ein Lexikon, Wörterbuch oder Fachbuch kaufen, wenn auf der ersten Seite gleich mehrere Fehler ins Auge stechen? Wohl niemand, weil das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des ganzen Werkes unmittelbar untergraben wäre. Zu Recht würde man sich fragen, ob jemand, dem so wenig an orthografischer Korrektheit gelegen ist, nicht auch bei der inhaltlichen Korrektheit alle fünfe gerade sein lässt, und ob Einzelne oder Firmen, die so wenig Sorgfalt walten lassen, nicht auch in anderer Hinsicht „schlampen“, beispielsweise bei der Abwicklung von Geldgeschäften oder Versicherungsfällen.

Seinem Lebensmittelhändler wird man verzeihen, wenn er „Eis am Stil“ anbietet, dem Würstchenbudenbesitzer „die Porzion Fritten“, und ein „Sahnehäuptchen“ auf einer Speisekarte mag nachgerade freundliche Gefühle auslösen … Aber gilt das auch für eine Bank, die in ihrem neuesten Hochglanzprospekt für „Zinsderiwate“ wirbt, oder für ein Pharmaunternehmen, das Ihnen „Tapletten“ anbieten würde? – Wer würde der geschmacklichen Bewertung einer Mahlzeit eine faire Chance geben, wenn sie auf einem schrammigen Plastikteller serviert wird? Nur wem die Wahrnehmung durch Kunden gänzlich gleichgültig ist, achtet nicht auf Fehler. Denn korrektes Schreiben und Fehlerfreiheit sind zwar nicht der wichtigste, aber immer der erste Teil einer Qualitätswahrnehmung. Bevor wir ein Urteil zur inhaltlichen Qualität fällen, nehmen wir die äußere Qualität wahr. Fällt diese Wahrnehmung negativ aus, stoßen wir zu einer vorurteilsfreien und möglicherweise positiven Bewertung der inhaltlichen und sachlichen Qualität nicht mehr vor.

Darum werden Broschüren, Prospekte, Bücher usw. vor ihrer Veröffentlichung üblicherweise auch heute noch Korrektur gelesen. Zwar versucht man, Aufwand und Kosten gering zu halten, aber alle wissen, dass Fehlerfreiheit und ein ordentliches Erscheinungsbild kein Selbstzweck sind und nicht reinem Perfektionismus und dem Hang zur Pedanterie geschuldet. Nein, wie gesagt beeinflussen beide die Qualitätswahrnehmung und werden so quasi zur Visitenkarte eines Unternehmens – korrektes Schreiben zeugt ebenso von Sorgfalt und Qualität wie von der Wertschätzung für Leser bzw. Kunden. Korrektes Schreiben ist allerdings auch für Privatpersonen von nicht zu unterschätzender Bedeutung, sogar beim Schreiben im rein informellen Bereich. Solange man einander nicht näher kennt, wird von auffälligen und „peinlichen“ Fehlern immer auf Bildungsgrad und Intelligenz der Betroffenen geschlossen – ob zu Recht oder zu Unrecht, ist für unser Thema dabei nicht von Bedeutung.

„Peinlich“ sind gravierende Fehler für die Textverantwortlichen selbst, aber eben auch für die Institutionen, die sie vertreten. Doch gilt es, zu differenzieren, bei welchem Produkt (z. B. Fachlexika), bei welchem Unternehmen (z. B. Anbieter qualitätssichernder Software), auch bei welchem persönlichen Text (z. B. Bewerbung) die Rechtschreibqualität von besonderer Wichtigkeit ist, weil sie zu negativen Schlüssen auf Qualität oder Qualifikation führen könnte, und bei welchen eher nicht, wie in Vereinsverlautbarungen, E-Mails im Freundeskreis oder in Speisekarten. Zumindest überall dort, wo ein solcher Schluss in der Regel erfolgt, empfiehlt es sich, Korrektur lesen zu lassen.

Inakzeptabel wäre dieser Fehler in einer Grammatik für den Schulunterricht (vor Erscheinen korrigiert):

Von untergeordneter Bedeutung für die Notwendigkeit des Korrekturlesens ist dagegen wohl der Aspekt rechtlicher Haftung für Fehler. Verleger sind zwar von der Haftung für selbstverschuldete Fehler nur dann ausgenommen, wenn diese „nach dem Stand der Wissenschaft und Technik bei der Herstellung eines Buches nicht zu verhindern waren“ [Hiller/Füssel: Wörterbuch des Buches, Stichwort: Haftung], aber mir sind das Thema und die rechtliche Bestimmung aus dem Produkthaftungsgesetz lediglich bei der Recherche für dieses Buch begegnet, nie aber in meiner Berufslaufbahn.

Zweifel an der Notwendigkeit des Korrekturlesens treten eher bei Fachfremden auf. Zwei Gründe mögen dabei eine Rolle spielen. Einerseits wird das Leistungsvermögen von Korrektursoftware viel zu optimistisch gesehen, andererseits werden die eigenen Fähigkeiten oder die der Schreibenden in Bezug auf die Beherrschung von Grammatik und Orthografie immens überschätzt sowie die vielen Möglichkeiten, wie Fehler entstehen können, immens unterschätzt. Wie begrenzt die Möglichkeiten von Korrekturprogrammen in Wirklichkeit sind, scheinen viele nicht zu wissen, vermutlich, weil sie sich der Komplexität von Sprache nicht bewusst sind. „Ratsvorsitzende tritt Verteidigungsminister“, so hieß es in einem online abrufbaren Newsletter der Evangelischen Kirche 2010 für relativ kurze Zeit – bis es auffiel und korrigiert wurde. – Amüsant? Ja. – Ein bisschen peinlich? Ja, auch; denn obwohl es zu diesem Zeitpunkt in der Tat Meinungsverschiedenheiten gab, wollten sich beide natürlich nur „treffen“. Ein Korrekturprogramm hätte hier nicht helfen können (mehr dazu in den Kapiteln 1.1 bis 1.10). Wie schnell und leicht allen – wirklich allen – Fehler unterlaufen, auch Sprachwissenschaftler(inne)n, Wörterbuchredakteur(inne)n und selbstverständlich auch Korrektorinnen und Korrektoren, auf welch mannigfachen Wegen Fehler entstehen und dass niemand (!) auch nur annähernd alles weiß, wenn es um sprachliche und rechtschreibliche Dinge geht, darum wissen viele ebenso wenig wie um die Grenzen der Software. Wer das aber nicht zur Kenntnis nimmt und bei wichtigen Texten auf das Korrekturlesen verzichtet, kann von Glück sagen, wenn er sich oder sein Unternehmen nicht bloßstellt und ihm schadet. Leider begreifen viele das erst, wenn der Schaden entstanden ist.

Viele gehen wohl auch davon aus, dass in Zeiten des Internets in puncto Qualität andere Maßstäbe gelten. Dass das stimmt, wage ich anzuzweifeln. Die Bedeutung korrekten Schreibens, auch für das persönliche Image, ist den meisten auch heutzutage durchaus bewusst. Selbst für Mobiltelefone lassen sich Rechtschreib-Apps mit gutem Erfolg verkaufen.

Hier noch eine andere Stimme zum Thema:

Kein Brief, kein Bericht und erst recht keine Broschüre oder gar ein Buch sollte ohne expliziten Arbeitsschritt des Korrekturlesens hinausgehen bzw. zur Produktion freigegeben werden. Die Korrektur sollte zumindest dreifach erfolgen.

Durch den Autor oder den Ersteller des Dokuments.

Durch eine Person, die das Dokument weder entworfen noch gesetzt hat. Dies sollte jemand sein, der im Korrigieren Erfahrung hat und die benutzte Sprache und deren Rechtschreibung sehr gut beherrscht.

Durch einen Korrektor, der das Dokument sowohl auf sprachliche Richtigkeit als auch auf satztechnische Grundlagen und Aufbau überprüft.

[Jürgen Gulbins, Christine Kahrmann: Mut zur Typographie.]

Obwohl also in Fachkreisen Korrekturlesen im Allgemeinen für notwendig gehalten wird, beschäftigen Buch- und Zeitungsverlage heute keine festangestellten Korrektorinnen und Korrektoren mehr. Die Tätigkeit konnte in Bezug auf die Arbeitsabläufe (allzu) leicht „outgesourct“ werden. Die Gelegenheit, damit Kosten einzusparen und personelle Verpflichtungen loszuwerden, hat man sich nicht entgehen lassen. So scheint es, als ob Korrekturlesen zwischenzeitlich für Unternehmen und Verlage etwas geworden ist, das man zwar nicht wagt, ganz einzustellen, das aber auch möglichst wenig oder nichts kosten soll. Darum wird von Autoren oft erwartet, dass sie ihre eigenen Texte Korrektur lesen, oder die Aufgabe des Korrekturlesens wird dem Lektorat mitzugewiesen. Darum müssen auch Beschäftigte in Marketingabteilungen häufig selbst Korrektur lesen, statt es anderweitig erledigen zu lassen. Wie ihnen geht es vielen, sowohl Selbstständigen als auch Angestellten – im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, in Redaktion und Lektorat, im Marketing, in Sekretariaten und Vorzimmern der Chefetagen und vielerorts mehr – auch Übersetzer/-innen müssen meist selbst Korrektur lesen: Sie alle müssen für die Korrektheit veröffentlichter Texte geradestehen, obwohl ihre Kernaufgabe eine andere ist und ihnen oft das nötige Know-how fehlt. Sie selbst empfinden die Situation in der Regel als recht unangenehm, denn sie wissen, wie leicht es zu Fehlern kommt – trotz aller eigenen Bemühungen und trotz des Einsatzes von Korrektursoftware. Und natürlich wissen sie, wie die Öffentlichkeit auf offenkundige Fehler reagiert und wie schnell sich Peinliches über die Social Media verbreiten kann.

Mit dieser Entwicklung ist ein heftiger Know-how-Verlust in Sachen Korrekturlesen verbunden, eines Know-hows, das schon seit den 1960er-Jahren nur noch mündlich in Setzereien und Druckereien gelehrt und weitergegeben wird. Einen Verband der Korrektorinnen und Korrektoren gibt es in Deutschland schon lange nicht mehr. Was verloren zu gehen droht, sind erstens die Grundkenntnisse in den Techniken des Korrekturlesens. Denn – man muss es heute tatsächlich betonen – Korrekturlesen ist etwas anderes als „Lesen“. Und man kann es lernen! Oder besser: Nur durch Anwendung der richtigen Arbeitstechniken und mithilfe der Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen können beim Korrekturlesen befriedigende Ergebnisse erzielt werden. Verloren geht zweitens satztechnisches Spezialwissen. Früher gänzlich unverzichtbar, benötigen es die freiberuflich arbeitenden Korrektorinnen und Korrektoren für ihre Berufsausübung nicht mehr zwingend; in dieser Hinsicht wird auch nicht mehr viel von ihnen erwartet. Dennoch besteht wenig Zweifel daran, dass es für Korrekturlesende nützlich wäre, die Regeln des Schriftsatzes zu kennen, denn in gewissem Umfang erwarten Auftraggeber im Zweifelsfall eben doch, dass solches Wissen in die Korrekturarbeit einfließt. Drittens geht ohne die direkte Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus den fachtechnischen Abteilungen das Know-how für die Gesamtheit einer Umbruchkorrektur verloren, für die einzelnen Korrekturaufgaben, die anfallen, und für die zusätzlichen Prüfvorgänge bei Registern, Verzeichnissen oder Textkästen wie auch Grafiken und Tabellen. Viertens verliert sich das Wissen über unterschiedliche Korrekturmethoden und ihre Anwendungsgebiete. So muss beispielsweise abgetippter Text mit der Vorlage abgeglichen werden, und Text- und Bilddaten, die konvertiert wurden, bedürfen einer genauen Überprüfung.

Diesem Know-how-Verlust möchte das vorliegende Werk entgegenwirken, vielleicht kann es sogar dem Berufsstand der Korrektorinnen und Korrektoren, der in Deutschland seit Langem weder durch eine berufsständische Organisation noch sonst irgendwie vertreten ist, wieder eine Stimme geben. Darüber hinaus mag der Band allen, die das Korrekturlesen erlernen oder auch nur mehr darüber erfahren wollen, bisher dazu aber keine Anleitung finden konnten, einen Zugang zur wunderbar interessanten und erstaunlich abwechslungsreichen Welt des Korrekturlesens ermöglichen.

1 Leistungsumfang des Korrekturlesens

[…] nur ein Korrektor hat gelernt, dass die verbessernde Arbeit

als Einziges auf der Welt nie aufhört […]

[José Saramago:

Geschichte der Belagerung von Lissabon]

Bei erster und oberflächlicher Betrachtung scheint jede und jeder zu wissen, was unter „Korrekturlesen“ zu verstehen ist: Es geht um Rechtschreibung inklusive Worttrennungen und Zeichensetzung, wobei die grammatische Korrektheit zwar mitgedacht, aber selten explizit genannt wird. Aber ist damit wirklich schon alles gesagt? Wohl kaum! Denn bei genauerer Überlegung wird man von Korrekturlesenden auch erwarten, dass sie offensichtliche inhaltliche Widersprüche, Unverständliches, sprachliche Mängel wie schiefe Vergleiche, Uneinheitlichkeit aller Art sowie typografische Fehler in Ordnung bringen oder wenigstens darauf hinweisen. Leider fehlt eine exakte, allgemeinverbindliche Definition. Definitionen in Wörterbüchern und Lexika bleiben viel zu ungenau. Allen, die Korrektur lesen, und allen, die Korrekturaufträge erteilen, ist daher zu empfehlen, sich – gegenseitig – Klarheit über den Leistungsumfang bzw. die Erwartungen zu verschaffen, damit am Ende nicht wichtige Sachverhalte ungeprüft bleiben.

De facto geht die Unsicherheit so weit, dass selbst viele Branchenangehörige die Begriffe Lektorat und Korrektorat gleichsetzen. Die Gründe dafür dürften wohl hauptsächlich in den sich verändernden Berufsbildern und – was Korrekturleistungen angeht – in Deutschland auch im Fehlen eines Berufsverbandes zu suchen sein. Eine der Aufgaben des Lektorats in Verlagen ist der Kontakt mit Autorinnen und Autoren sowie die Begleitung und Betreuung ihrer Werke bis zum Erscheinen. Dazu gehören neben vielem anderen auch die inhaltliche Prüfung eines Textes, Fragen der inhaltlichen Struktur, der Schlüssigkeit, des Schreibstils – und das ist es auch, was man „klassisch“ unter Lektorieren versteht. Seit den 1980er-Jahren sind Lektorinnen und Lektoren in den Verlagen aber immer mehr zu Programmmacherinnen und -machern geworden. Sie haben Jahr für Jahr erfolgreiche Bücher an den Markt zu bringen, die geeigneten Autoren zu finden und zu betreuen, Werbestrategien mitzuentwickeln und vieles mehr. Sie sind für den wirtschaftlichen Erfolg „ihrer“ Titel verantwortlich, was ihnen – angesichts der Titelvielfalt – in aller Regel nicht mehr die Zeit lässt, ihre „klassischen“ Aufgaben wahrzunehmen. Mit diesen werden dann oft „freie“, also selbstständige Lektorinnen oder Lektoren beauftragt, die der Einfachheit halber und natürlich auch aus Kostengründen das Korrekturlesen gleich mit übernehmen sollen. Eine Entscheidung, die im Allgemeinen auf Kosten der eigentlichen Korrekturqualität geht, denn inhaltliche Arbeit entzieht der anders gearteten Arbeit des Korrekturlesens Aufmerksamkeit.

Eine klare Trennung der Tätigkeiten des Korrekturlesens und des klassischen Lektorierens ist daher unbedingt sinnvoll und zur Erreichung einer guten Qualität im Allgemeinen sogar unerlässlich. Zwar ergeben sich in Sachen Verständlichkeit, sprachliche Korrektheit und inhaltliche Plausibilität Überschneidungen, das ist aber nicht problematisch, sondern ganz im Gegenteil zu begrüßen und von großem Vorteil, denn gerade in so empfindlichen Fehlerbereichen wie den genannten ist eine Gegenkontrolle immer von Vorteil. Grundsätzlich gilt dabei: Korrekturlesen bedeutet, Fehler anzustreichen und auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen. Es bedeutet nicht, inhaltlich oder stilistisch in Texte einzugreifen.

1.1 Rechtschreibung

Bei der Rechtschreibung geht es um die regelgerechte Wiedergabe der gesprochenen Sprache in Schriftzeichen, also die richtige Schreibung von Wörtern, die Getrennt- oder Zusammenschreibung, die Groß- oder Kleinschreibung, das richtige Setzen von Leerzeichen, im Grunde auch um Zeichensetzung und um die Worttrennungen, denen aus Gründen der Übersichtlichkeit hier eigene Kapitel gewidmet sind. Die Korrektur von Rechtschreibfehlern macht das aus, was gemeinhin als eigentliche Aufgabe des Korrekturlesens verstanden wird: Klassische Tippfehler, Buchstabendreher oder Falschschreibungen, die auf mangelndes Rechtschreibwissen zurückgehen, sind aufzuspüren und anzuzeichnen. Solche Fehler sind im Allgemeinen leicht zu erkennen, sie stechen geradezu ins Auge und werden größtenteils auch von Rechtschreibprüfprogrammen mühelos erkannt. Schwieriger wird es bei Schreibungen wie „Spießroutenlauf“ statt „Spießrutenlauf“ oder „Kreissaal“ statt „Kreißsaal“, weil wir auf an dieser Stelle zwar falsche, aber ansonsten vertraute Schreibungen (Route, Kreis) treffen. Noch mehr Aufmerksamkeit ist erforderlich, wenn statt „mir“ fälschlicherweise „mit“ oder wenn „furchtbar“ statt „fruchtbar“ geschrieben wird. Solche den Sinn verändernden Fehler – es stehen zwar korrekt geschriebene, aber inhaltlich falsche Wörter im Text – werden nur dann gefunden, wenn nicht nur optisch erfasst und geprüft, sondern verstehend gelesen wird. Es genügt nicht, nur das fotografische Gedächtnis einzusetzen.

Korrektursoftware erkennt meist Falschschreibungen wie „Denkmahl“, aber nicht immer. Bei sinnverändernden Schreibungen wie „Ausgabe“ statt „Aufgabe“ hat sie keine Chance und versagt. Vielen ist nicht klar, wie oft es zu solchen sinnverändernden Fehlern kommt. Vom „Buch“ zum „Bauch“, vom „Soloturner“ zum „Solothurner“ ist es nur ein überzähliger Buchstabe, vom „Taschenbuch“ zum „Taschentuch“ oder vom „gefeiert werden“ zum „gefeuert werden“ nur ein falscher, vom „Lied“ zum „Leid“ nur eine kleine Vertauschung, vom „Klavier“ zum „Kavalier“ auch nur ein kleiner Schritt … und denken Sie bloß nicht, dies seien erfundene Beispiele.

Geht es um Fehler bei Eigennamen („Melanchton“ oder „Melanchthon“), Fremdwörtern („Katarrh“ oder „Katharh“) und dergleichen, ist ein umfangreiches Rechtschreibwissen vonnöten oder das sichere Gespür dafür, welche Schreibungen zu verifizieren sind. Es ist deshalb wichtig, sich beim Korrekturlesen permanent, geradezu automatisiert, Rechenschaft darüber zu geben, ob man etwas aktiv weiß oder es, beispielsweise aufgrund von Sehgewohnheiten, bloß für richtig hält – „Meißen“ oder „Meissen“, „Huber“ oder „Hueber“, „Pogrom“ oder „Progrom“, „PS“ für Postscriptum oder „P.S.“? – Hier heißt es jeweils nachschlagen, wenn man nicht sicher ist. Auf Prüfprogramme ist in solchen Fällen nur teilweise Verlass.

Auch ob etwas getrennt oder zusammengeschrieben wird, kann bedeutungstragend sein und erfordert inhaltliches Verstehen: „Er wird diesmal sitzenbleiben!“ ist als fehlerhaft anzuzeichnen, wenn es nicht um die Schule geht, sondern ums Aufstehen vor Gericht oder in der Kirche. Und bei der Frage, ob es sich um einen „vielversprechenden Politiker“ handelt oder um einen „viel versprechenden“, möchte wohl niemand einen Fehler zu verantworten haben.

Bei Fragen der Groß- oder Kleinschreibung geht es ebenfalls nicht ohne verstehendes Lesen. Wenn zwei sich treffen wollen, ist es durchaus von Bedeutung, ob dies in „Ihrem“ oder „ihrem“ Büro geschehen soll, oder in Geldfragen, ob „sie“ (= die anderen) oder „Sie“ (= Sie selbst) Schulden haben. Prüfprogramme können in beiden Fehlerbereichen (je nach Einstellung) allenfalls Hilfestellung geben, indem sie zur Überprüfung der jeweiligen Schreibungen auffordern.

Beispiele (Hervorhebungen von mir):

HSV ist dem Führungsduo auf denVersen.

Edmond Rostand arbeitet gegenwärtig an dreiDamen.

[Theaterzettel um 1900 in Frankfurt; zitiert nach:

Felix Schloemp (Hrsg.): Die meschuggene Ente]

Das Angebot reichte damals noch vonFeuerwehrkörpernüber Anzündmittel und Fackeln bis hin zu Kerzen, Himmelslichtern und Räucherwaren.

Auf einer Webseite wurde 2011 auf eine Veranstaltung über das Köchelverzeichnis (Mozarts Werke) hingewiesen:

Die Korrektursoftware akzeptiert im folgenden Beispiel „Ale“ (ein Bier) statt „Alle“, ebenso ein überzähliges Komma, findet einen Fehler und moniert die „Höh“, die hier korrekt ist:

Werden Wörter, wie hier, falsch geschrieben oder Leerzeichen versehentlich nicht getastet, handelt es sich tendenziell um eher auffällige Fehler; Fehler im Bereich der Groß- oder Kleinschreibung, häufig auch der Getrennt- und Zusammenschreibung, fallen dagegen weniger auf.

Typische bzw. häufige Fehler in Sachen Rechtschreibung finden sich wie erwähnt bei der Schreibung von ihr/Ihr oder sie/Sie, bei der Schreibung von „darüber hinaus“, der richtigen Anwendung von „zurzeit“ und „zur Zeit“ und in falschen Großschreibungen bei Ausdrücken wie „künstliche Intelligenz“ oder „katholische Kirche“. Bindestrichschreibungen bereiten offenbar bei Koppelungen wie „Formel-1-Fahrer“ generell Probleme, ebenso Wortersatzstriche, die oft fehlen oder falsch gesetzt werden. Formen wie „Buch und Filmklub“, „Kinder- und Wärmedämmungsprämien“ sind als falsch zu erkennen und anzuzeichnen, vor allem im zweiten Fall. Für all diese Sachverhalte können Prüfautomatismen (→ Kap. 3.2.6) entwickelt werden, die dazu beitragen, solche Fehler nicht zu übersehen.

Auch die typischen Tippfehler, die irgendwie richtig aussehen (Wochende, gegebenfalls) und im Text stehen geblieben sind, weil kein Korrekturprogramm eingesetzt wurde, können mithilfe einer entsprechenden Sensibilisierung zuverlässig gefunden werden.

Viele der häufigen Fehler gehen auf (falsche) Hör-Wahrnehmungen zurück (hälst – hältst, Lybien – Libyen, Sylvester – Silvester, Webblog – Weblog). Dazu gehören auch Probleme mit gleich klingenden, aber unterschiedlich geschriebenen Wörtern (Seite – Saite, weismachen – weiß machen). Andere häufig vorkommende Fehler sind fehlende Leerzeichen, die Nichtberücksichtigung von Regeländerungen (Portrait – Porträt, Hobbies – Hobbys) und falsche Schreibungen, die man einfach allzu häufig so sieht (e-mail, Email – statt richtig E-Mail).

So schlimme Rechtschreibfehler kommen vor:

Und hier ein Rechtschreibfehler mit Folgen:

Im Februar 2009 berichtet der Mannheimer Morgen (dpa-Bericht) von einem Juristen, der nur mithilfe der Fälschung des Zeugnisses fürs 2. Staatsexamen eine Arbeitsstelle bei der Architektenkammer ergattern konnte. Allerdings fiel sein Betrug auf: Er hatte in der Fälschung „Nordrhein-Westfahlen“ geschrieben. – Jobverlust und Geldstrafe waren die verdienten Folgen.

Die Aufmerksamkeit Korrekturlesender muss der genauen Wortgestalt gelten, damit überzählige, verdrehte oder fehlende Buchstaben bemerkt werden. Aber das genaue Hinsehen allein genügt nicht, es darf nicht bloß mechanisch gelesen werden, um Wortbilder zu prüfen, sondern es muss auch inhaltlich mitgelesen werden, damit sinnverändernde Fehler festgestellt werden können. – Mehr dazu → Kap. 3.2.2.

Im Rahmen der Rechtschreibkorrektur bereiten folgende Problembereiche gelegentlich Schwierigkeiten. 1. die Verantwortlichkeit für nicht im Wörterbuch gelistete Wörter: Sehr häufig taucht die Frage auf, wer denn schlussendlich für die korrekte Schreibung von (weniger bekannten) Eigennamen, speziellen Fachbegriffen, längeren fremdsprachigen Passagen und Ähnlichem die Verantwortung trägt. Kurz gesagt, sie liegt nicht bei den Korrekturlesenden. Korrektorinnen und Korrektoren müssen nicht alles wissen oder nachschlagen. Für die korrekte Schreibung dessen, was in den aktuellen Rechtschreib-Wörterbüchern verzeichnet ist, und für die der Namen und Bezeichnungen, die dem Allgemeinwissen zuzurechnen sind, tragen sie Verantwortung, aber nicht darüber hinaus. Wer dem nicht zustimmt, möge an den kaum abzuschätzenden Aufwand (und die Kosten) denken, würde hier keine Grenze gezogen. 2. Eigenwilligkeiten von Autorinnen und Autoren: Offensichtlich gewollte, durchgehende Abweichungen von der aktuellen Rechtschreibung oder Zeichensetzung, wie sie sich nicht selten bei belletristischen Autorinnen und Autoren finden, sind meist zu akzeptieren. Nicht hinterfragtes Korrigieren muss in diesen Fällen tabu sein, ggf. kann die Frage natürlich im Rahmen des Korrekturauftrags diskutiert werden. Man denke nur an Werke aus den 1970er-Jahren mit durchgehender Kleinschreibung oder an die eigenwillige, gleichwohl fürs Lesen ganz unproblematische Zeichensetzung der Autorin Eva Demski, ganz zu schweigen von der Länge der Sätze bei Dürrenmatts „Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter“. Bei Auftragserteilung sollten Korrekturlesende von solchen Besonderheiten in Kenntnis gesetzt werden, damit es nicht zu Irritationen und unnötigem Anzeichnen kommt. 3. Zitate und Literatur vor 1996: Bei Zitaten und Literaturangaben von Werken, die aus einer anderen Rechtschreibepoche stammen, ist Zurückhaltung geboten. Zitate dürfen nur nach Absprache der aktuellen Rechtschreibung angepasst werden, handelt es sich um Quellentexte, ist eine Anpassung tabu. Ebenso müssen Literaturangaben so bleiben, wie sie sind. Offenkundige Fehler wie ein falsch geschriebener Erscheinungsort, z. B. „Heldelberg“ statt „Heidelberg“, sind davon auszunehmen. Tatsächlich ist das nicht immer eindeutig zu entscheiden. In diesem Fall muss ein entsprechender Hinweis gegeben werden.

1.2 Grammatik

Ebenso wie die korrekte Schreibung von Wörtern sind der regelgerechte Bau von Sätzen und Satzteilen, korrektes Konjugieren und Deklinieren usw. beim Korrekturlesen zu überwachen. Ein weites Feld, wie schon ein kurzer Blick in eine Grammatik der deutschen Sprache zeigt. Sind Haupt- und Nebensätze korrekt gebaut? Fehlen Wörter oder Satzteile? Weisen Adjektive oder Appositionen den zum Bezugswort passenden Kasus auf? Folgt einer Präposition der richtige Kasus? Weist das Verb den richtigen Numerus auf, wenn der Satz mehrere Subjekte hat? Ist der Plural von Wörtern richtig gebildet? Sind starke bzw. schwache Verben korrekt gebeugt? Sind Steigerungsformen korrekt gebildet und grammatisch erlaubt (einzigartig, nicht: einzigartigst)? Folgt auf „sowohl“ an passender Stelle ein „als auch“ und auf „zwar“ ein „aber“, oder fehlen sie und liegt ein Satzbruch vor? – Wir bewegen uns auf einem Gebiet, das noch viele Möglichkeiten mehr bietet, etwas falsch zu machen. Und es gibt zudem viele spezielle Fragestellungen, wie zum Beispiel die, ob es korrekt heißen muss: „Aktien der Deutsche Bank AG“ oder „Aktien der Deutschen Bank AG“. Als Native Speaker beherrschen wir die Regeln und Ausnahmen eher aufgrund des erworbenen Sprachgefühls als aufgrund erlernten grammatischen Wissens. Wo unser Sprachgefühl trügt, laufen wir Gefahr, Fehler zu übersehen, manchmal sogar Gefahr, Falsches zu verschlimmbessern. Darum sollten Korrekturlesende sich nach und nach grammatisches Wissen aneignen, statt allein ihrer Erfahrung zu vertrauen (vgl. → Kap. 3.2.2).

Um grammatische Korrektheit zu überwachen, muss immer das Satzganze im Auge behalten werden, damit die Bezüge der Satzteile und Teilsätze zueinander erkannt werden können. Bei langen, verschachtelten Sätzen kann das durchaus eine Herausforderung sein. Übrigens hilft (korrekte) Zeichensetzung dabei, die Struktur von Sätzen erkennbar zu machen. Grammatikkorrektur bedeutet aber keinesfalls Stilkorrektur. In welchem Stil ein Werk geschrieben ist, geht Korrekturlesende nichts an. Abgesehen davon ist die Bewertung eines Schreibstils meist sehr subjektiv, und auch ein (objektiv) schlechter Stil kann grammatisch vollkommen korrekt sein. Stilkorrektur ist Arbeit am Text und, wenn überhaupt, Sache des Lektorats. Texte zu bearbeiten, ist zeitintensiv und lenkt von dem ab, was eigentlich Aufgabe des Korrekturlesens ist. Sollten stilistische Mängel beim Korrekturlesen allzu sehr stören, beispielsweise, weil man sich immer wieder über eine nicht zielgruppengerechte Sprache ärgert, empfiehlt sich ein Hinweis an die Auftraggeber/-innen, um sich Luft zu machen (dazu → Kap. 6.2; die wissen das übrigens meist schon selbst … und leiden längst darunter). Konkrete Hinweise empfehlen sich jedoch im Fall von Wort- und ähnlichen Wiederholungen, wenn solche inakzeptabel häufig auftreten.

Korrektursoftware ist im Bereich falscher grammatischer Konstruktionen nur bedingt hilfreich. Wenn sie Fehler erkennt, dann vorwiegend in dem Sinne, dass sie auf von ihr als kritisch eingestufte Stellen aufmerksam macht und dazu auffordert, die Konstruktion zu überprüfen. Das kann gelegentlich hilfreich sein und beim Eliminieren von Fehlern helfen. Wer eine Grammatikprüfung aber in Texten mit komplexem Satzbau anwendet, wird schnell feststellen, dass viel zu häufig korrekte Konstruktionen zur Überprüfung vorgeschlagen werden. Das kostet viel Zeit und schränkt den Nutzen der Funktion außerordentlich ein.

Die überwiegende Zahl der Grammatikfehler ist als schwerwiegend anzusehen; viele erschweren sogar das Verstehen eines Textes. Dagegen fallen andere Fehler wie falsche Genitive bei Fremdwörtern (des Kidnappings, nicht: des Kindnapping) oder viele Ellipsen (das Kehren der Gartenwege, der Einfahrt und der Terrasse, nicht: das Kehren der Gartenwege, Einfahrt und Terrasse) nicht besonders ins Gewicht.

Zu den häufigen Fehlern im Bereich der Grammatik zählt die scheinbar unsterbliche Verwechslung von „als“ und „wie“ – übrigens nicht nur in Süddeutschland.

Recht häufig wird „das“ geschrieben, wo die Konjunktion „dass“ grammatisch erforderlich wäre, wobei es sich ebenso oft um grammatisch falsches Verständnis wie um einen simplen Tippfehler handeln mag. Probleme bereitet offensichtlich auch die Verwendung des richtigen bestimmten Artikels bei manchen Substantiven, beispielsweise „der Krake“ oder (falsch:) „die Krake“, „die Klientel“ oder (falsch:) „das Klientel“. Dass es viele Substantive gibt, bei denen zwei, ja sogar alle drei Artikel erlaubt sind, erleichtert die Arbeit leider nicht, sorgt aber im Gegenzug dafür, dass solche Fehler Kunden nicht sonderlich auffallen. Noch größere Schwierigkeiten bereitet die Anwendung des richtigen Kasus nach Präpositionen, gewiss auch deshalb, weil einige Präpositionen unterschiedlichen Kasus erlauben. Aber auf „entsprechend“ und „gemäß“ muss der Dativ folgen, auf „wegen“ und „zufolge“ der Genitiv – jedenfalls zurzeit noch. Vor allem bei Appositionen wird der richtige Kasus oft verfehlt. Anstatt den des Bezugswortes anzuwenden, wird – scheinbar aufs Geratewohl – gern ein anderer Fall genommen, wie z. B. in: „der Sohn Karls des Großen, dem ersten deutschen Kaiser“. Zunehmend ist auch Unsicherheit darin festzustellen, wie die Bildung des Perfekts bei Verben erfolgen soll – mit „ist“ oder mit „hat“. So liest man, dass „das Wetter umgeschlagen hat“, oder dass „Pendler an Bahnhöfen festgesessen sind“. Falsche Pluralbildung bei Fremdwörtern (Makkaronis, Spaghettis – statt Makkaroni, Spaghetti) und fehlendes Genitiv-s bei eingedeutschten Fremdwörtern (des Piercing – statt Piercings) treten ebenfalls sehr häufig auf, werden allerdings auch von Lesern selten als Fehler aufgefasst. Falsche doppelte Verneinungen, wie die folgende, erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit: „Er litt nicht an dem Unvermögen, wie die anderen morgens nicht aus dem Bett zu kommen.“ Und die schon oben erwähnten falschen Steigerungsformen finden sich in noch abenteuerlicheren Formen wie etwa in „schnellstmöglichst“ oder „bestangezogenster“, wo „schnellstmöglich“ oder „bestangezogener“ schon die maximalen (nicht: maximalsten) Steigerungsformen sind. Am übelsten, aber nur im Zeitungs(un)wesen besonders häufig, sind falsche und missverständliche Bezüge, besonders in Schlagzeilen, beispielsweise: „Eine Ente stahl die Frau.“ Die Probleme lagen im 17. Jahrhundert offenbar schon ähnlich:

Insonderheit aber wolte ich gern, dass er den Irrtum fleißig wahrnehme, welcher vornehmlich in diesen Landen gemeiniglich begangen wird, in den Artikeln und Casibus Singularis Numeri, nämlich im Dativ, Akkusativ und Ablativ, welche ganz und gar confundiret, und unter einander vermenget werden.

[Hieronymus Hornschuch: Orthotypographia]

Einige Beispiele für Grammatikfehler (Hervorhebungen von mir):

Ein Geburtstag und zwei Todestage: Drei große Komponisten – Purcell, Händel, Haydn –denen allen2009 gedacht wird, …

Oben „… den Toxinen“; anschließend wird die Krise in Seenot gebracht:

Und hier müsste es „das“ Verdienst heißen:

Ein unbestimmter Artikel wäre nicht schlecht:

Im Folgenden ein Zeugma:

Er hatte einen schlechten Geschmack im Munde und das Verlangen, ehe er nach Hause fuhr, ein Glas kühles Bier zu trinken.

Grammatikfehler zu finden und zu korrigieren, gehört ohne Wenn und Aber zum Verantwortungsbereich der Korrekturlesenden. Oft können sich Korrektorinnen und Korrektoren schon nach wenigen Seiten ein Bild davon machen, wie sicher Autorinnen und Autoren sich auf dem Feld der Grammatik bewegen und ob sie spezifische Schwächen haben, die dann leichter im Auge behalten werden können. Manche der Fehler gehen allerdings auch auf Flüchtigkeiten zurück oder – nicht gerade selten – auf nachträgliche, flüchtige Bearbeitung. Die Aufmerksamkeit beim Finden grammatischer Fehler liegt, anders als bei der Rechtschreibkorrektur, vor allem auf der Satzstruktur und den grammatischen Bezügen der Satzglieder und Teilsätze.

1.3 Zeichensetzung

Zeichensetzung wird im Allgemeinen fast ausschließlich mit Kommasetzung assoziiert, nach kurzer Überlegung auch mit Strichpunkten, Satzschlusspunkten, Doppelpunkten, Ausrufe- und Fragezeichen. An Anführungszeichen, Apostrophe, Binde- und Ergänzungsstriche, Gedankenstriche, Abkürzungs- und Auslassungspunkte oder an Klammern denkt gemeinhin niemand, obwohl auch sie zu den → Satzzeichen zählen. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt das daran, dass Fragen der Zeichensetzung in erster Linie die Kommasetzung betreffen, weil dabei die meisten Unsicherheiten bestehen und am ehesten Fehler gemacht werden. Die Verwendung der anderen Satzzeichen bereitet Schreibenden seltener Probleme. Zwar werden auch hier immer wieder Fehler gemacht – beispielsweise durch die Verwendung falscher typografischer Zeichen (etwa beim Apostroph, dem Anführungszeichen oder Gedankenstrich) – oder (versehentlich) Leerzeichen falsch gesetzt, Satzzeichen einfach vergessen und dergleichen mehr, aber grundsätzlich befinden sich Schreibende hauptsächlich im Kampf mit der Kommasetzung. Fehler bei den anderen Satzzeichen gehen eher auf Flüchtigkeit zurück oder auf fehlendes typografisches Grundwissen; sie fallen auch kaum ins Gewicht, sind also meist zu den eher lässlichen Fehlern zu zählen, und sie sind leicht zu finden.

Satzzeichen helfen dabei, die Struktur von Texten zu erkennen. Sie gliedern Texte und Sätze. Außerdem haben sie hervorhebende Wirkung (Anführungszeichen, Gedankenstriche) oder kennzeichnen weggefallene Zeichen (Apostroph) oder ausgelassenen Text (Auslassungspunkte). Fehler der Zeichensetzung können dementsprechend nicht nur die inhaltliche Erfassung eines Satzes erschweren, sondern ihn sogar unverständlich machen, ja sogar seinen Sinn gänzlich verändern, also missverständlich machen.

Im ersten der folgenden Beispiele fehlt das Komma hinter „Knechte“. Der Satz ist darum, zumindest wenn man ihn zum ersten Mal liest, nahezu unverständlich; im darauf folgenden Beispiel ändert sich der Sinn, je nachdem, wo das Komma gesetzt wird:

Geschichte: eine meist falsche Darstellung von meist unwichtigen Ereignissen, herbeigeführt von Herrschern, die meist Knechte und durch Soldaten, die meist Narren waren.

[Ambrose Bierce; zitiert nach dem Buchkatalog eines Versandbuchhändlers, Mai 2010]

Die beiden beschlossen, im Jahr 2014 in Urlaub zu gehen.

Die beiden beschlossen im Jahr 2014, in Urlaub zu gehen.

Darum ist im Hinblick auf Zeichensetzung allein verstehendes Korrekturlesen erfolgversprechend, diesmal mit Fokussierung auf die Satzstruktur. Darüber hinaus gilt es, die Vollständigkeit von Satzzeichen (nach einer öffnenden Klammer muss eine schließende folgen) und ihre Folgerichtigkeit (Fragezeichen nach Fragesatz) im Auge zu behalten.

Noch ein paar Worte speziell zur Kommasetzung: Sowohl vielen Schreibenden als auch manchen Korrekturlesenden gilt sie als besonders schwieriges Thema und verursacht Unbehagen, wenn nicht sogar Bauchgrimmen. Dabei ist ihre Logik im Hinblick auf ihre strukturierende Funktion (Abtrennung des Nebensatzes vom Hauptsatz oder Einschluss einer Apposition im Satz) im Grunde leicht nachzuvollziehen. Wichtige Kommafehler zu finden, setzt lediglich ein Grundverständnis der (unterschiedlichen) Bauweise von Sätzen voraus – und natürlich die entsprechende Aufmerksamkeit. Statt tendenziell auf Kommas zu verzichten und darauf zu hoffen, dass Lesende schon verstehen werden, oder statt Kommas willkürlich über den Text zu verstreuen wie Schokokrümel über einen Kuchen, sollten Schreibende wie Korrekturlesende einfach im Auge behalten, wo sie sich grammatisch gerade befinden: im Hauptsatz, im Nebensatz, wieder im Hauptsatz oder in einem weiteren Nebensatz, oder in einer Beifügung (Apposition)? Wer sich auf diese Art beim Schreiben oder Korrekturlesen die Satzstruktur vergegenwärtigt, hat beste Chancen, wenig Fehler zu machen bzw. vorhandene Fehler zu erkennen. Zwar sind die fehlenden Kommas, die für das Satzverständnis verzichtbar sind, auch schwerer zu finden, aber wenn sie fehlen, ist das aus dem gleichen Grund auch weniger schlimm. – Also keine Bange, die meisten Kommafehler behindern das Verstehen eines Satzes nicht wirklich, Kommas sind größtenteils lediglich zusätzliche (redundante) Hilfen beim Verstehen eines komplexen Satzgefüges. Fragen der Kommasetzung werden meines Erachtens oft zu wichtig genommen, und gerade bei schwierigen Fragen der Kommasetzung handelt es sich nur selten um auffällige Fehlerarten.

Wenden wir uns wieder kurz der Leistung von Korrektursoftware zu: Einige Fehler im Bereich Satzzeichen erkennt sie zuverlässig, etwa Leerzeichen vor Ausrufe- oder Fragezeichen, Kommas, Strichpunkten oder Satzschlusspunkten, selbstverständlich auch nach öffnenden und vor schließenden Klammern. Auch Fehler wie fehlende Satzschlusspunkte oder versehentlich hintereinander doppelt getastete Satzzeichen werden erkannt. Einige Programme erlauben zudem spezielle Einstellungen für den Binde- und den Gedankenstrich. Ansonsten gilt wie bei der Grammatik, dass (zu) oft korrekte Zeichensetzung hinterfragt wird und dass das Zeit kostet.

Besonders häufig kommen nur zwei Arten von Kommafehlern vor. Die eine betrifft das Fehlen von Kommas nach in den Satz eingeschlossenen Appositionen, die andere das Fehlen von Kommas am Ende von Nebensätzen, wenn ein Hauptsatz fortgeführt wird.

Relativ häufig fehlen zudem Kommas, die bei Infinitivkonstruktionen verpflichtend zu setzen sind, vor allem dann, wenn Infinitive von einem Bezug nehmenden Wort abhängen.

Andere Beispiele:

In seiner Sammlung von Sprachwitzen „Das ist bei uns nicht Ouzo“ erzählt Hans-Martin Gauger den Witz von einem Bären, der in einem Restaurant wild um sich schießt. Der Bär hat in einem Handbuch über Bären gelesen: „Eats, shoots and leaves“, also salopp formuliert: Frisst, schießt und haut ab. – Ohne Komma liest sich der Satz anders, er bedeutet dann: „Er frisst Schößlinge und Blätter“.

Schwer zu verkaufen … oder: schwer, zu verkaufen?

Hin und wieder kommt es zu Korrekturproblemen der Art, dass offenkundig ein Komma fehlt, aber sich je nach Anzeichnen ein anderer Sinn ergibt. In diesem Fall empfiehlt sich das Anzeichnen der plausible(re)n Korrektur, aber ein ausformulierter Hinweis auf die andere Möglichkeit darf nicht fehlen; die angezeichnete Korrektur selbst ist → fraglich zu machen. Ähnlich gelagert sind Fälle, in denen eine Schreibung ohne Komma erlaubt ist, beispielsweise „neue umweltfreundliche Tüten“ (das heißt, es gibt schon andere umweltfreundliche), aber dem Zusammenhang nach etwas anderes gemeint sein müsste, beispielsweise „neue, umweltfreundliche Tüten“ (= die neuen Tüten sind erstmals umweltfreundlich). Auch hier sollte eine Korrektur fraglich gemacht und erklärt werden, wo das Problem liegt. Bei literarischen Werken kann beabsichtigt eigenwilliger Umgang mit der Zeichensetzung vorliegen. In solchen Fällen ist zu hinterfragen, wie damit umzugehen ist. Eine vorausschauende Information der Auftraggeber/-innen ist in solchen Fällen hilfreich und erleichtert den mit dem Korrekturlesen Beauftragten die Arbeit.

Grundsätzlich sollte man nicht vergessen, dass Kommasetzung in gewissem Umfang variabel ist, das heißt, Kommas können auch zu stilistischen Zwecken gesetzt werden, etwa um Sprechpausen zu verdeutlichen. Beim Umgang mit fakultativen Kommas, also solchen, die man setzen darf, aber nicht setzen muss, ist es naheliegend, zu akzeptieren, was man vorfindet, und zwar auch dann, wenn der Umgang mit diesen Kommas variiert. Zwei Ausnahmen sind aber in Betracht zu ziehen: Weil Kommas grundsätzlich ihrer strukturierenden Wirkung wegen das Lesen erleichtern, sollte man in Kinderbüchern fakultative Kommas eher setzen als weglassen. Dasselbe gilt generell, wenn Kommas zwar weggelassen werden dürfen, aber der Satz sich ohne Kommas schwerer erschließt.

1.4 Worttrennungen

Korrekte Worttrennungen sollten für jeden Text, der veröffentlicht wird, selbstverständlich sein. Wörter am Zeilenende korrekt zu trennen, weckt in vielen die Erinnerung an unangenehme Probleme im Deutschunterricht – zumindest bei denjenigen aus Schuljahrgängen vor der Rechtschreibreform 1996: Die meisten schrieben damals ihre Aufsätze unter angestrengter Vermeidung jeglicher Worttrennung. Die Regeln orientierten sich nämlich am etymologischen Prinzip, sodass man „Chir-urg“, „Mon-oxyd“ oder „Kilima-ndscharo“ trennte und die Stadt „Ander-nach“ (der Name ist lateinischen Ursprungs) anders als „Eisen-ach“ (es hat germanische bzw. althochdeutsche Wurzeln). Heute bereitet das Thema weniger Probleme, nur hier und da müssen noch Kenntnisse von den zugrunde liegenden Sprechsilben vorhanden sein: „Heb-amme“, nicht „He-bamme“, „Beob-achtung“, nicht „Beo-bachtung“, „Atmo-sphäre“, nicht „Atmos-phäre“, „Zist-rose“, nicht „Zis-trose“, weil es sich um eine Rose handelt. Grundsätzlich nehmen uns zudem Silbentrennprogramme diese Aufgabe halbwegs zuverlässig ab, sodass sich kaum noch jemand den Kopf darüber zerbricht.

Gute Silbentrennprogramme, deren Ausnahmenspeicher zudem konsequent „gefüttert“ werden kann, verursachen in Populärtexten nur noch eine geringe Anzahl von Fehlern. Zudem bieten sie u. a. Einstellungsvarianten für die Anzahl der erlaubten aufeinanderfolgenden Trennungen, mit deren Hilfe sich eine verbesserte Lesefreundlichkeit erzielen lässt. Aber es bleiben Programme mit festgelegten Parametern, die den zahlreichen Einzelfällen nicht Rechnung tragen können. Von Fehlerfreiheit sind sie deshalb alle weit entfernt. Werden Texte hinsichtlich ihres Vokabulars anspruchsvoller (Fachbegriffe, Fremdwörter) und enthalten sie ungewöhnliche Wortzusammensetzungen oder (fremdsprachige) Eigennamen u. Ä., nimmt die Fehlerquote zu, mitunter stark. Typische Fehler sind, je nach Software, Trennungen wie „Abt-rennen“, „best-reuen“, „Gas-träume“, „Go-ethe“, „Hitz-etage“, „Kau-fladen“, „Sha-reholder“, „Tee-nager“, sogar „Wortt-rennung“ oder „Zuck-erguss“. Treffen wir als Leser/-innen auf derartige Worttrennungen, fühlen wir uns belästigt, nicht nur ästhetisch, sondern vor allem, weil sie in der Regel das Lesen aufhalten und erschweren.

Letzteres gilt auch für erlaubte Worttrennungen, die trotz des inhaltlichen Kontextes selbst geübte Leser/-innen (kurz) in die Irre führen können, weil zunächst nicht nur ein anderes Wort erkannt, sondern auch noch anders betont oder ausgesprochen wird, zum Beispiel „Autoren-nen“, „beige-mengt“, „Busen-de“, „dement-sprechend“, „erster-bend“, „rein-vestiert“, „Spargel-der“, „Ur-anatom“, „Voraus-scheidung“, „Vorüber-legung“ und dergleichen mehr. Solche Worttrennungen sind zu behandeln wie falsche, d. h. unbedingt zu korrigieren. Im Grunde nur um ein Weniges akzeptabler sind Worttrennungen mit ähnlich irritierenden Wortbildern, die aber immerhin nicht (ganz) anders betont werden, sowie solche, die aufgrund ihrer Gestalt irritieren. Auch diese Varianten können ablenken, was allerdings für geübte Leser/-innen nicht unbedingt gilt, beispielsweise „beer-ben“, „Generalin-tendant“, „Lacher-folg“, „Losse-rien“, „Leserin-teresse“, „Messeratten-tat“, „Seinein-sel“ (Insel im Fluss Seine), „Weichei-sen“. Ich bezeichne sie als leseerschwerende Worttrennungen. Wer Wert auf Qualität legt, korrigiert auch sie.

Die letzte und umfassendste Kategorie suboptimaler Worttrennungen nenne ich „unschöne“, man könnte auch von optischem Trennungsschmerz sprechen. Sie werden – wenn überhaupt – nur ungeübte Leser beim Lesen stören: „beiei-nander“, „Buchil-lustration“, „Flügelal-tar“, „Fußballli-ga“, „Halbin-sel“, „Herzensau-torin“, „Maluten-silien“, „Waa-ge“, „Rokokokom-mode“, „Stilele-ment“, „Tourismusche-fin“, „wiederer-kennen“, „Stofffa-ser“. – Die Grenzen zwischen den genannten Kategorien sind durchaus fließend, die Bewertung ist eine subjektive – gemeinsam haben alle, dass sie flüssiges Lesen stören können. (Dazu auch → Orthotypografie).

Gut lesbarer Schriftsatz verlangt klare, an den Bestandteilen eines Wortes orientierte „sinngerechte“ Abteilungen (un-mittel-bar; Halb-insel). Geübte Leser lassen sich auch von anderen Worttrennungen nur selten irritieren, doch nicht alle Leser sind geübt. Ob aber neben falschen und irreführenden auch leseerschwerende und sogar unschöne Worttrennungen zu korrigieren sind, bedarf der Absprache, denn es ist kostenintensiv, gut lesbare Zeilenumbrüche herzustellen, und erfordert weitere Arbeitsgänge. Daher pflegt man diese Mängel zu akzeptieren. Wer Preise für schöne Gestaltung gewinnen will, mag sich vielleicht die Mühe machen, andere tun es ganz offensichtlich nicht. Als unverzichtbar gilt aber nach wie vor die Berücksichtigung gut lesbarer Worttrennungen aller genannten Kategorien bei Texten/Büchern für Leseanfänger (Kinder, Jugendliche und Menschen im Spracherwerb), denn sie haben schon genug andere Probleme mit dem Lesen.

Vor der Ära der Textverarbeitungen und Satzsysteme, als Setzer/-innen Texte erfassten und gestalteten, wurden für Worttrennungen Satzregeln angewandt, die sich an guter Lesbarkeit orientierten. Ziel eines jeden sowohl schönen als auch die Lesbarkeit fördernden Schriftsatzes war es, Worttrennungen ganz zu vermeiden. Worttrennungssoftware ist derzeit, auch wenn sie durchaus einige verbessernde Einstellungsoptionen bietet, nicht annähernd in der Lage, ein vergleichbar schönes und gut lesbares Satzbild zu generieren. Wobei natürlich die Breite der Satzspalten eine entscheidende Rolle spielt. Je schmaler die Spalte, umso schwieriger ist es, ein schönes Satzbild ohne Lücken im Blocksatz und mit gut lesbaren Trennungen herzustellen. – Wer die „klassischen“ Trennregeln der Schriftsetzerei kennenlernen will, findet mehr unter dem Stichwort → Worttrennungen im Glossar.

In den heutigen Textfluten tanzen […] die Wörter auf den Schaumspitzen des Zufalls. Sie lachen über die menschlichen Ansprüche, die dem Zufall abhold sind. Der Mensch soll, meinen die Wörter, nicht so tun, als sei er ihr Herr. Mit willkürlichen Silbentrennungen geben sie ihm Rätsel auf: Was fängt mit „Et-“ an und hört mit „hik“ auf? Richtig, Ethik. Dass man „Vorau-sahnen“ trennen kann, hätte wohl kaum einer vorausgeahnt. Und wer wollte leugnen, dass das „Sperlenspiel“ eine schöne Wortschöpfung ist? Aber es ist nichts weiter als eine vorzeitige Trennung im Glasperlenspiel. So kommt es auch zu „Theaters Tücken“ statt zu Theaterstücken. Ist es nicht toll, dass die Texte heutzutage so furchtbar fruchtbar sind?

[Wilhelm Schmid: Die Fülle des Lebens]

Als Arbeitsgang verbindet sich die Überprüfung der Worttrennungen meist mit dem Korrekturlesen des Textes. Obwohl falsche Worttrennungen dabei normalerweise gefunden werden, rate ich dazu, einen eigenen Arbeitsgang durchzuführen.

Warum? Erstens entlastet ein eigener Arbeitsgang für die Trennungen das Korrekturlesen selbst, bei dem schon auf genug anderes zu achten ist. Zweitens erhält das Auge unter Nutzung unseres fotografischen Gedächtnisses sozusagen eine zweite Chance, Fehler zu finden.

Denn beim Prüfen der Worttrennungen ist es nötig, das Auge jeweils bis auf den Anfang der Folgezeile zu führen. Nur dann kann die Korrektheit einer Trennung zuverlässig bewertet werden (z. B.: Verband-material vs. Verbands-mitglied, ge-nannt vs. gen-manipuliert). Und in diesem Fall überfliegt das Auge notwendigerweise fast den gesamten Text noch einmal, und geübten Korrektorinnen und Korrektoren fallen unbekannte Wörter bzw. Wortgestalten auf, stechen ihnen förmlich ins Auge, obwohl das Auge gar nicht lange verharrt hat.

Beispiel für einen zusätzlichen Fehlerfund ganz anderer Art (dank des fotografischen Gedächtnisses) beim Prüfen der Worttrennungen – es muss „Degas“ heißen.

Beispiel für die Notwendigkeit, das Auge an den Beginn der nächsten Zeile zu führen:

Die Überprüfung der Worttrennungen erfolgt normalerweise erst im Rahmen der Umbruchkorrektur, und zwar, weil in diesem Produktionsstadium Texteingriffe, die den Zeilenverlauf und damit die Worttrennungen verändern, nicht oder kaum noch stattfinden (sollten). Bei der Umbruchkorrektur verbindet man den Arbeitsgang idealerweise mit der Überprüfung von Seitenzahlen und Kolumnentiteln, außerdem führt man ggf. orthotypografische (→ Orthotypografie) und → Ästhetikkorrekturen aus. Ob sich bestimmte Arten von Fehlern bei Worttrennungen häufen, ist von der jeweils verwendeten Software sowie ihrer Pflege (Ausnahmenspeicher) abhängig. Im Folgenden weitere Beispiele:

Software ohne Chance – der oder die Filmende, das Filmende:

Kreative Trennungen von Software (zuerst meine Lieblingstrennung):

Je nach Textsorte sollten nicht mehr als drei (Fachbuch, Sachbuch, Belletristik), bei schmalem Satz wie in Wörterbüchern und anderen Nachschlagewerken auch bis zu fünf Trennstriche untereinander stehen (s. u. Beispiel mit vier Trennstrichen). Ausnahmen davon sind akzeptabel, wenn die Worttrennungen entlang der Wortbestandteile „sinngerecht“ verlaufen, also gut lesbar sind (Ast-gabel, nicht Astga-bel). Findet sich eine zu hohe Anzahl von aufeinanderfolgenden Worttrennungen, kann man dies mit einem vertikalen Strich entlang der Trennstriche markieren; erfahrene Korrektorinnen und Korrektoren können die gewünschten Zeilenumbrüche auch mit sogenannten „Treppchen“ einzeichnen.

Probleme hinsichtlich der Vorgehensweise beim Korrekturlesen bereiten gelegentlich folgende Sachverhalte: 1. Wie sollen Korrekturlesende mit fremdsprachlichen Texteinschüben umgehen? Erfolgt keine Anweisung vonseiten der Auftraggeber, sollte man einzelne Wörter aus anderen Sprachen den deutschen Regeln unterwerfen, dagegen bei längeren Passagen die Worttrennungsregeln der jeweiligen Sprache anwenden. Gegebenenfalls sind derartige Stellen kenntlich zu machen und mit einer Anmerkung zu versehen. Ebenso wie bei Eigennamen und Fachbegriffen aus fremden Sprachen können nicht aufklärbare Worttrennungen beispielsweise mit einem Kreuzchen am Zeilenende markiert werden, damit die Frage in redaktioneller Verantwortlichkeit geklärt werden kann. 2. Problematisch erscheinen hin und wieder auch Abteilungen in → E-Mail- und Internetadressen.

Auf fehlerhafte Dateneingabe (siehe Abbildung) gehen sogenannte „harte Worttrennungen“ zurück.

In solchen Fällen wurde beim Schreiben ein Bindestrich getastet, wo die Abtrennung erfolgen sollte. Bei verändertem Zeilenverlauf rückt dieser in die Zeile, und anders als ein Trennstrich verschwindet er nicht wieder (mehr dazu → Divis). Harte Worttrennungen sind beim Korrekturlesen einfach zu tilgen.

1.5 Sprachliche Korrektheit

Fehler, die die sprachliche Korrektheit betreffen, gehören zu den unangenehmsten, denn sie führen im Allgemeinen zu unmittelbaren Rückschlüssen auf die Sprachkompetenz der Schreibenden. Wer sprachliche Bilder falsch benutzt („über die Schnur hauen“ statt richtig: „über die Stränge schlagen“) oder ein freundliches Lächeln als „Grinsen“ bezeichnet, läuft leicht Gefahr, sich lächerlich zu machen. Zwar ist es Aufgabe des Lektorats, in solchen Fällen verbessernd einzugreifen, aber angesichts der fatalen Wirkung derartiger Fehler kann die zweite Meinung der Korrekturlesenden gewiss nicht von Schaden sein. Fehler dieser Kategorie nehmen meiner Wahrnehmung nach immer mehr zu, nicht nur, weil die durchschnittliche Sprachkompetenz der Schreibenden abzunehmen scheint, sondern wohl mehr, weil professionelles Schreiben immer mehr unter Kosten- und damit Zeitdruck gerät. Dadurch unterbleibt dann leider auch die Gegenkontrolle oder Kommentierung durch erfahrenere Kolleginnen und Kollegen, die früher einmal zur Sprachbildung der Neulinge beitrug. Hier eine in vielen Zeitungen recht häufig benutzte, seltsame Metapher:

Nun zu den verschiedenen Arten der Fehler, die sprachliche Korrektheit betreffen – ohne dabei Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen und durchaus in dem Bewusstsein, dass der ein oder andere streng genommen dem Bereich der Grammatik oder dem der inhaltlichen Plausibilität zuzuordnen wäre.

Texte können korrekt gebaut und stilistisch einwandfrei sein und dennoch sprachliche Mängel aufweisen. Das beginnt mit schlecht formulierten Gedanken. Sätze sind manchmal inhaltlich so unscharf, dass man nur ahnen kann, was gemeint ist; andere sind so formuliert, dass man zwar weiß, was gemeint ist, aber de facto steht etwas ganz anderes da. „Erst denken sie nicht, und dann drücken sie’s schlecht aus“, könnte man mit Kurt Tucholsky dazu sagen. So kann es vorkommen, dass „wegen steigender Lebenserwartung Menschen ihre Gelenke überleben“, „immer nur einer gleichzeitig spricht“ oder „einige späte Liebespaare mit beschlagenen Windschutzscheiben im Schutz einiger Eichen parken“. Zu solch auffälligen sprachlichen Fehlern zählen auch schiefe Vergleiche wie „die Kritik an seinem Werk prallte an ihm wie an einem Blitzableiter ab“ oder „er schoss aus dem Bett wie eine schuldbewusste Zwiebel“. Sodann falsch verwendete Sprachbilder/Metaphern wie „der erste Dominostein, der ins Rollen geraten ist“ (weil Dominosteine rund sind?), „lügen, dass die Balken brechen“ (statt „sich biegen“), „Licht am Ende des Tunnels schnuppern“. Weiter mit unglücklich oder im falschen Zusammenhang verwendeten Metaphern (Katachresen) wie „die Champions League im Nebenwaschgang gewinnen“ oder „ihr Armbruch ist kein Beinbruch“, zudem miteinander vermischte Ausdrücke (Kontaminationen) wie „jemandem das Genick umdrehen“ (aus: Genick brechen + Hals umdrehen) oder „jemanden übers Ohr ziehen“ (aus: übers Ohr hauen + über den Tisch ziehen), auch so erstaunliche Sätze wie „er schlug die Kerbe noch tiefer in die Wunde“ oder „Marlene Dietrich litt im Alter unter einer Behinderung ihrer berühmten Beine“, bis hin zu sogenannten Unsinnssätzen wie „… ihr Gift war für Frösche tödlicher als für andere Tiere“.

Nicht selten werden auch einzelne Wörter inhaltlich falsch oder ungenau verwendet, etwa wenn „schmerzhaft“ und „schmerzlich“ verwechselt werden, „anscheinend“ und „scheinbar“, wenn es heißt „in schwindeliger Höhe“ statt „in schwindelnder Höhe“, oder auch, wenn jemand „beim Überholen die Beherrschung über ein Fahrzeug verliert“ anstatt der „Herrschaft“. Zudem kommt es oft zu Wortwiederholungen wie „berauschende Konzerte, die … berauschten“. Eher selten, aber doch bemerkenswert, sind Zweideutigkeiten, die unbeabsichtigt entstehen, etwa in „die Geschäftsführung war selten vorausschauend“ (war sie nun sehr vorausschauend oder zu wenig vorausschauend?) oder „es passte ihnen nicht, dass ihre Kinder sich nicht mehr politisch betätigten“ (hatten die Kinder aufgehört, sich politisch zu betätigen, oder hätten sie sich bloß stärker betätigen sollen?).

Dem Pleonasmus gebührt besondere Aufmerksamkeit, und er taucht in recht vielfältiger Form auf – allen voran die Klassiker „neu renoviert“, „auch … ebenfalls …“ oder „bereits … schon gesagt“. In seiner kleinen, leider unveröffentlichten Blütenlese zum Pleonasmus moniert der ehemalige Feuilletonredakteur der Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ Heinz Schönfeldt noch viele andere, darunter „einmalige Unikate“, „tatsächliche Fakten“, „zeitliche Chronologie“, „hundertprozentige Volltreffer“, „durchgeführte Wiederbelebungsversuche“, „positive Aufwertungen“, „erschienene Gäste“, „gemachte Erfahrungen“ und „intime Insiderkenntnisse“, denen ich bloß noch die erfahrungsgemäß recht beliebten „alten Antiquitäten“ und „seltenen Raritäten“ hinzufügen möchte. Pleonasmen, die falsche Verwendung von Metaphern und falscher Wortgebrauch sind die häufigsten Fehler innerhalb der Fehlerart „sprachliche Korrektheit“. Viele andere sprachliche Mängel lassen sich nicht so leicht kategorisieren und stellen eher Einzelfälle dar.

Für Korrektorinnen und Korrektoren sind hier das eigene Sprachwissen, Spracherfahrung und Sprachgefühl von entscheidender Bedeutung. Anders als Rechtschreib- und Grammatikwissen lässt sich dieses Wissen nicht ohne Weiteres erwerben, jedenfalls nicht innerhalb kurzer Zeit. Es ist für Korrekturlesende in jedem Fall sinnvoll, manche Wörter, seltsame Vergleiche und benutzte Metaphern zu hinterfragen und in Nachschlagewerken über Redewendungen nachzuprüfen, ob die vorgefundene Verwendung korrekt ist. Hat zum Beispiel jemand „das Heft in der Hand“, ist kein „Schreibheft“ gemeint, sondern das „Heft“ eines Messers, was nichts anderes bedeutet, als dass der Bewaffnete bestimmt, wo es langgeht. Fehler dieser Kategorie sind nicht immer durch das Anzeichnen einer einfachen Korrektur zu beheben. Dann genügt es auch nicht, den monierten Ausdruck durchzustreichen und lediglich ein Fragezeichen am Korrekturrand zu notieren. Es ist nötig, den Mangel oder Fehler kurz und verständlich zu erklären, damit das Problem auftraggeberseitig verstanden und dementsprechend gelöst werden kann (mehr dazu → Kap. 6).

Korrektursoftware ist nicht in der Lage, im Hinblick auf die hier aufgeführten Fehlerarten Unterstützung zu geben. Im Folgenden wieder einige Beispiele (Hervorhebung/Kennzeichnung von mir):

[…] und tat so, als könneihnkein Wässerchen trüben.

Sicher wäre es besser, das Klima „in den Griff“ zu bekommen und „kein Öl ins Feuer zu gießen“:

So belustigend solche Fehler auch manchmal wirken, sind Besserwisserei und Spott auf keinen Fall angebracht, nicht nur, weil uns allen (zumindest beim Sprechen) solche Fehler unterlaufen – man denke nur an die unzähligen schrägen Sportler- und Sportreportersätze, die seit Jahren durchs Internet geistern –, sondern auch, weil Sprache nicht statisch ist: der Fehler von heute kann die Regel von morgen sein. Sprache verändert sich, auch die Art, wie und in welchen Fällen beispielsweise Redewendungen oder Metaphern benutzt werden. Nehmen wir die Wendung, dass „etwas wie die Faust aufs Auge passt“. Ursprünglich bedeutete sie, dass etwas ganz und gar nicht passt, eine Faust passt eben nicht (!) aufs Auge: ein Fausthieb ist äußerst schmerzhaft und fügt eine Verletzung zu. Im Laufe der Zeit wurde die Wendung dennoch immer häufiger – vielleicht infolge ihrer oft ironischen Verwendung – auch gegenteilig, nämlich im Sinne von „passt ganz hervorragend“, verwendet, sodass sie heute von Jüngeren in der zweiten Bedeutung wahrgenommen wird. Letztlich muss man konstatieren, sie kann beides bedeuten, und nur dem Zusammenhang ist (hoffentlich!) zu entnehmen, wie sie eigentlich zu verstehen ist.

Am Ende entscheidet die Mehrheit einer Sprachgemeinschaft darüber, was zu akzeptieren ist und was nicht, was als richtig und was als falsch zu gelten hat. Überhaupt gibt es viele Grenzfälle, sodass nicht besserwisserische Dogmatik, sondern Gelassenheit und Toleranz gefragt ist. „Eine kleine Katastrophe“ etwa: Ist das nun eine unsinnige Formulierung, ein Widerspruch in sich selbst, weil eine Katastrophe per Definition groß ist, oder ist es, je nach Zusammenhang, vielleicht doch eine akzeptable Formulierung für ein global kleines, aber persönlich riesiges Problem? Oder wie gut können wir erklären, dass „neu renoviert“ als Fehler (Pleonasmus) gilt, während „einzig und allein“ eine erlaubte Redefigur der Verstärkung (Tautologie) ist? Und vollends ist die „Vortäuschung falscher Tatsachen“ längst eine allgemein gebräuchliche und akzeptierte Formulierung, obwohl Tatsachen ganz ohne Zweifel per Definition nicht falsch sein können – vorgetäuscht wird eigentlich, dass etwas eine Tatsache sei, obwohl es keine ist. Erfreuen wir uns also besser einfach an dem ein oder anderen sprachlichen Lapsus, aber bitte ohne Hohn und Herablassung. So – „ich habe fertig“ mit dem kleinen Exkurs.

1.6 Inhaltliche Plausibilität

Aus guten Gründen ist dieses Kapitel des Leistungsumfangs mit „inhaltliche Plausibilität“ überschrieben und nicht mit „inhaltliche Korrektheit“. Für Letztere sind nämlich Autoren und Autorinnen, Redaktion und/oder Lektorat verantwortlich. Die Überprüfung inhaltlicher Aussagen und Sachangaben gehört definitiv nicht zum Arbeitsgebiet des Korrekturlesens. Zahlen, Daten, Fakten, Erklärungen und dergleichen sind nicht zu überprüfen. Das Geburtsjahr einer Politikerin, die Länge des Rheins oder die Höhe eines Bergs, die Richtigkeit einer Formel oder eines Sachverhalts sind nicht nachzuschlagen. Dennoch müssen Korrekturlesende ihr eigenes Wissen nicht verleugnen. Wer positiv weiß, dass etwas falsch oder ungenau dargestellt ist, oder gut begründete Zweifel an der Darstellung hat, sollte Auftraggeber/-innen selbstverständlich auf mögliche Fehler hinweisen. Wer dank ordentlicher Allgemeinbildung verhindert, dass der „Wilhelm Tell“ in einem Text Goethe zugeordnet wird, rettet das Ansehen des Autors und fördert damit auch seine eigene Reputation.

Aus einem Zeitungsbericht vom 02.06.2015, in dem Kästner zugeschrieben wird, was in Wahrheit Heinrich Böll geschrieben hat:

Es gibt eine Kurzgeschichte von Erich Kästner aus den 50er Jahren, die auch heute noch in Mannheim spielen könnte. „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ handelt von einem Redakteur, der täglich Paternoster fährt. […]

Beim Korrekturthema inhaltliche Plausibilität geht es allerdings nicht in erster Linie um Wissen und Allgemeinbildung, sondern vor allem darum, die Logik des Dargestellten nicht aus dem Auge zu verlieren: Ist ein Komma nur um eine Stelle verschoben, schon ist das für einen Gegenstand angegebene Gewicht unwahrscheinlich klein oder groß, manchmal sind sogar einfache Prozentrechnungen falsch oder die Protagonistin eines Romans hat zu Beginn naturblonde Haare, weiter hinten aber schwarze, oder eine Person der Handlung heißt zunächst Albrecht, taucht aber im weiteren Verlauf plötzlich als Alfred auf. Wer davon ausgeht, derartige Fehler seien selten, sei gewarnt. Sie kommen nämlich recht häufig vor. Und gerade, weil es sich um Fehler handelt, die ins Gewicht fallen, ist es auch wichtig, seine Aufmerksamkeit entsprechend auszurichten. „Sind Sie jedoch des Lesens nicht mächtig, fragen Sie bitte andere Friedhofsbesucher“, dieser Satz stand tatsächlich so auf dem Verbotsschild einer Friedhofsanlage; der folgende 1996 in einem Konkurrenz-Wörterbuch des Dudenverlags: „Sherpa = Angehöriger eines Volksstammes im Himalaja, meist als Lastträger bei Himalaja-Speditionen tätig“. Auch Sätze wie „nach dem 2 : 2-Unentschieden von Werder Bremen über den französischen Klub St. Etienne …“ dürfen nicht akzeptiert werden.

Es ist also zu überwachen, ob einzelne Angaben, Zusammenhänge oder aufeinander bezogene Informationen folgerichtig oder „plausibel“ sind.

Dazu gehören selbstverständlich offenkundig Fehlerhaftes oder Unwahrscheinliches sowie offenkundig Widersprüchliches, etwa unterschiedliche Größenangaben für dasselbe Objekt. Weiterhin geht es um falsche Zuordnungen, beispielsweise von Text und Bild, oder auch darum, darauf zu achten, ob angekündigte Angaben im Folgetext tatsächlich (vollständig) erfolgen. Auch um auffällig Unpassendes, wie es der Fall ist, wenn etwa in einem Rechenbeispiel für die Beschleunigung einer Raumkapsel die Astronauten jeweils 120 kg wiegen. Sodann geht es um Formulierungen, die keinen Sinn ergeben, und um falsche, dem Zusammenhang widersprechende Wortwahl: Wenn jemand ein Amt „begleitet“, ist aller Wahrscheinlichkeit nach „bekleidet“ gemeint, und wenn von einem „Bournot-Syndrom“ die Rede ist – und diese/r Bournot könnte ja theoretisch auch irgendein Wissenschaftler sein –, ist anhand des Textzusammenhangs zu prüfen, ob es sich nicht um ein „Burnout-Syndrom“ (auch mit Bindestrich: Burn-out-Syndrom) handelt.

Vollständig aufgezählt sind die Bereiche, die zur Überwachung der inhaltlichen Plausibilität zählen, damit gewiss nicht. Und je nach Textsorte können viele, auch recht spezielle Sachverhalte im Auge zu behalten sein, beispielsweise in einem Wörterbuch die Plausibilität der einem Stichwort zugeordneten Ausspracheangaben.

Die Fantasie des Fehlerteufels ist auf dem Gebiet der inhaltlichen Plausibilität fast unerschöpflich. Im folgenden Beispiel hat er wieder erbarmungslos zugeschlagen; es handelt es sich vermutlich um einen Tippfehler, sowohl „Eiszeit“ wie auch „Eisenzeit“ gibt es ja.

Dass aufmerksame Korrektoren und Korrektorinnen solche Fehler finden, wird im Allgemeinen erwartet, und das, wie ich finde, zu Recht. Wird inhaltlich offensichtlich Falsches übersehen, ist der Ärger oft groß – heute wie früher: Peter Schifferli berichtet in der Sammlung „Vom Druckfehlerteufel …“ von folgendem Brief, den Gottfried August Bürger, der Autor des „Münchhausen“, 1778 an seinen Verleger schrieb – „in seinem gerechten Grimme“:

Wehe, wehe, wehe! Ach und wehe! Endlich, endlich, lieber Dietrich, reißt mir über den Druckfehlern die Geduld. So wahr ich lebe, Ohrfeigen könnte ich dem Herrn Korrektor geben […]. Großer Gott, wo hast du noch auf deinem weiten Erdboden ein solches Rindvieh, ein solches Generalfeld-Rindvieh, als dieser Korrektor ist? Man lässt ja wohl Druckfehler stehen, dem Allerbesten begegnet das. […] Aber welcher Korrektor, der nicht ein solches Rindvieh ist, lässt einen solchen Druckfehler wie Seite 74 stehen? ‚Das Wasser rinnt immer bergan‘. O, du Ochse aller Ochsen!

Um beim Korrekturlesen Erfolg zu haben, muss das aufmerksame Erfassen der inhaltlichen Aussagen, ihrer Wiederaufnahmen und der Zusammenhänge in den Mittelpunkt rücken – wiederum eine ganz andere Art von Aufmerksamkeit als die für korrekte Schreibungen oder korrekten Satzbau.

Teilweise lassen sich die auftretenden Fehler mittels einfacher Korrekturvorschläge in Ordnung bringen (im Falle des iPhone im oben abgebildeten Beispiel einfach: 6,2), teilweise müssen die problematischen Stellen kommentiert werden, damit das Problem von denen, die es lösen müssen, auch wirklich verstanden wird.

Bestimmte besonders häufig auftretende Fehler lassen sich für dieses Problemfeld nicht herausheben – man muss in der Tat einfach auf alles gefasst sein. Korrekturprogramme sind für das Auffinden dieser Fehlerart vollkommen nutzlos. – Im Folgenden wieder ein paar Beispiele:

Eine wirklich „fabelhafte“ Zeit:

Widersprüchliche Titelangaben … richtig wäre allerdings „Nora oder ein Puppenheim“:

Bemerkenswert, dass das Todesjahr vor dem Geburtsjahr liegt:

Hier ein Erschossener außer Lebensgefahr (Hervorhebung von mir):

Knapp ein Vierteljahr nach den tödlichen Schüssen auf einen Erzieher […] ist der 16 Jahre alte Täteraußer Lebensgefahr. Der Jugendliche hatte den Lehrer mit einer Pistole seines Vaters niedergestreckt undsich dann selbst erschossen.

Doppelter Text:

Ein erstaunlich alter Verbrecher:

Bei seiner polizeilichen Vernehmung durch das zuständige Fachkommissariat stellte es sich heraus, dass der Festgenommene bereits einschlägig vorbestraft ist, da er wegen des gleichen Deliktes bereits 1648, 1815 und 1929 in Erscheinung getreten ist. Weitere Ermittlungen der Polizei dauern an.

Der Kampf mit dem richtigen Jahr:

Die Last Night Of The Proms 2009 findet am 12. September 2008 in London in der Royal Albert Hall statt.

Rechenfehler:

In seltenen Fällen wird inhaltlich Fragwürdiges allerdings in voller Absicht in Texte eingefügt (Hervorhebungen von mir), siehe dazu das folgende Beispiel und mehr zu diesem Thema im Glossar → U-Boote.

Zecken, Ixodida, weltweit verbreitete Gruppe der Milben mit etwa 800 Arten, die […] Blut saugen […]. Man unterscheidet die Lederzecken (Argasidae) und die Schildzecken (Zecken i. e. S.; Ixodidae), zu Letzteren gehören u. a.