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Ein wichtiges Thema im DDR-Alltag war das Einkaufen, welches nicht immer ein Vergnügen war. Inzwischen sind fast 30 Jahre vergangen, doch sollen in dieser kleinen Publikation heitere und weniger erfreuliche Episoden erzählt werden, die an Handel, Mangel und Warteschlangen erinnern. Die Versorgung wies oft Lücken und Engpässe auf, aber jeder DDR-Bürger fand Mittel und Wege, um zum gewünschten Produkt zu gelangen. Manchmal nahm man stundenlanges Schlangestehen in Kauf und dabei wurde sehr viel Freizeit geopfert. Was hätte man in der freien Zeit nicht alles unternehmen können? Aber so war er nun einmal – der DDR-Bürger. Manch ein Zeitgenosse wartete auf ein Auto mehrere Jahrzehnte. Unvorstellbar! Das hat den Autor Hans Hüfner (1926-2009) jedoch wenig interessiert, denn er benutzte die öffentlichen Verkehrsmittel, welche damals nicht selten für Überraschungen sorgten. Basis für seine Aufzeichnungen sind Tagebücher und Kalenderaufzeichnungen, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren. Prägnant und mit einer Prise Humor beschreibt er seine Beobachtungen, Eindrücke und Erlebnisse jener Jahre. Manchmal schimmerte ein wenig Resignation durch, weil sich so gar nichts verbesserte. Doch mit dem Mauerfall und der Währungsunion und somit dem Ende der Teilung Deutschlands, veränderte sich alles.
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Seitenzahl: 86
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Zum Autor:
Hans Hüfner (1926-2009) wurde in der Kleinstadt Groitzsch südlich von Leipzig geboren. Der Krieg unterbrach seine Schulzeit auf St. Augustin zu Grimma/Sachsen, denn die Schüler des Jahrganges 1926 gehörten zu jenen jungen Menschen, welche ab Februar 1943 als Luftwaffenhelfer für den „Flak-Dienst“ der Leuna-Werke eingesetzt wurden. Ein sich anschließender „Reichsarbeitsdienst“ (RAD) führte ihn nach Ostpreußen. Offensichtlich gehörte es zum ungeschriebenen Gesetz, sich als Schüler einer höheren Schule zur Ausbildung als Reserveoffizier zu melden. Mein Vater absolvierte ab Juni 1944 seine Ausbildung beim Regiment der Hoch- und Deutschmeister in Brünn. Nach Marschbefehl verließ er am 2. April 1945 seinen Standort Znaim und kam nach vielen Wegen und Umwegen schließlich am 12. Mai 1945 in seiner Heimatstadt Groitzsch an. Dort erlernte er bei der Firma Sebastian das Maurerhandwerk, welches er mit der Gesellenprüfung im März 1947 abschloss. An Arbeit mangelte es durch die vielen Kriegszerstörungen nicht. Später studierte Hans Hüfner ab dem Wintersemester 1948/49 Architektur an der Technischen Hochschule in Dresden. Nach Beendigung des Studiums 1954 arbeitete er bis 1991 als Architekt in Dresden. Seine Beobachtungen und Eindrücke basieren auf über viele Jahrzehnte geführte Kalender- und Tagebuchaufzeichnungen sowie zahlreichen Briefen.
Hans Hüfner
Claudia Stosik (Hg.)
Über die DDR:
Die Versorgung, der Handel, der Mangel, die Schlangen und anderes
Engelsdorfer VerlagLeipzig2019
Titelbild:
Dresden, Ernst-Thälmann-Straße Anfang der 1960er Jahre.
Heute Wilsdruffer Straße
Zur Herausgeberin:
Claudia Stosik, geb. 1961 in Dresden, Studium der Geschichte, Kulturwissenschaften und Literatur an der staatlichen Fernuniversität Hagen. Masterarbeit über die Schulklasse ihres Vaters Hans Hüfner:
„Die Kriegsjahre 1943-1944 und die Fürstenschüler von St. Augustin zu Grimma – Schuljahrgang 1939-1945“
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über https://dnb.de/DE/Home/home_node.html abrufbar.
Copyright (2019) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019
Cover
Zum Autor
Titel
Impressum
Vorbemerkung „Über die DDR“
Betrachtungen zu Wachstum, Wohlstand, Stabilität
Allgemeines zu Versorgung und Mangel
Der Mangel im Handel
Kohlemangel
Das neue Jahr beginnt
Auspuffanlagen
Schuhe für die Berge
Die Fotoabteilung im Centrum-Warenhaus
Das Waschbecken
Bettwäsche
Aus dem Leben gegriffen – der Bezugsstoff
VEB Oberlausitzer Textilbetriebe
Berlin an der Spree
Weltniveau
Neuerermethoden
Freizeit- und Erholungszentrum Berlin
Kurioses
Alles hat zwei Seiten
Disketten für den Betrieb
Die Ölkrise – Februar 1982
Das Raritätenkabinett
Verschiedenes aus dem Alltag
Kreatives im Handel und beim Handeln
Trödelmarkt auf den Elbwiesen
An- und Verkauf
Kleine Anzeigen – Kleinanzeigen
Leserzuschriften
Im Leserauftrag
Himmelfahrt
Die Schlangen
Briefzitate – 1960er und 1970er Jahre
Wochenendschlangen am „Hol-fix“ Januar 1975
Schlangestehen für eine Eintrittskarte
In einem Leipziger Kaufhaus – September 1981
Das Geburtstagsgeschenk – Oktober 1984
Gespräche in der Schlange
Der 17. Juni 1988
Obst- und Gemüseversorgung
Obst und Gemüse zum Jahrestag
Erfassungsstellen von Obst und Gemüse
Verbesserung der Versorgung
Die Freundlichkeit des Personals
„Blumengeflüster“
Verkauf nach Nase?
Schludrig und ungesetzlich
Kundendienst
Katrin verkauft Radios
Die Vorweihnachtszeit in Dresden
Die Partei, die Partei hat immer Recht
Die Vorweihnachtszeit Dresden 1986
Apfelsinentag – Dezember 1987
Weihnachtspakete
Die Jahre 1989 und 1990
Abschluss: 40 Jahre DDR
Das Jahr der Schlange
Maikundgebung 1990
Die letzte Gelegenheit – 30. Juni 1990
Der Tag X – Währungsunion am 1. Juli 1990
Sowjetische (Neuerer)Methoden – Juli 1990
Nachbemerkung
Literaturverzeichnis/Internetquellen
Quellen/Bildnachweise
Anhang
Endnoten
Über die DDR – dieses Thema erschöpfend in einem begrenzten Umfang und mit einem gewissen Abschluss zu behandeln, ist nicht möglich. Dem steht die Fülle des Materials entgegen, und, was die abschließende Betrachtung betrifft, wäre das in jedem Falle vom Standpunkt des Betrachters abhängig.
Über die DDR – In den folgenden Kapiteln beschränke ich mich im wesentlichen auf die Wiedergabe von Aufzeichnungen und Notizen, die in den Jahren der DDR spontan aus aktuellen Anlässen entstanden sind. Darüber hinaus greife ich auf weitere authentische Unterlagen, Dokumente, Zeitungsausschnitte zurück. Es sind also keine durch die zeitliche Distanz verzerrte Betrachtungen.
Über die DDR – Es sind Begebenheiten aus dem gewöhnlichen DDR-Alltag im weitesten Sinne, meist mühsam, manchmal bedrohlich und voller Willkür, oft kurios bis grotesk, zuweilen auch heiter und unbeschwert und, um gerecht zu bleiben, auch mit beachtlichen Freiräumen. Der damaligen Situation entsprechend waren es in erster Linie die negativ bewerteten Ereignisse und Erscheinungen, die in den Aufzeichnungen ihren Niederschlag fanden.
Aus einer zeitlichen Distanz von mehr als zehn Jahren (seit 1989) relativiert sich allerdings manches. Mit „DDR-Nostalgie“ hat das nichts zu tun. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Bewohner der „alten Bundesländer“ haben wir beide Seiten der Medaille kennen gelernt. Auf Grund dieser Erfahrungen wird man uns eine entsprechende Urteilsfähigkeit zugestehen müssen. Auch in der gegenwärtigen Gesellschaft lassen sich schwerwiegende Defizite nur übersehen, wenn man beide Augen schließt. Mir würde es nicht schwer fallen, in gleicher Weise wie „Über die DDR“, aus eigenem Erleben, aus Pressenotizen und persönlichen Berichten, einiges über den Alltag in der Bundesrepublik Deutschland zusammenzutragen. Diese Sammlung könnte man als letztes Kapitel dem „Über die DDR“ anhängen, zum Zeichen dessen, dass wir zwar weiterhin in der zur Zeit besten aller möglichen Welten lebten, die aber weiterhin die keinesfalls denkbar beste Welt ist.
Dresden, im April 1999
Hans Hüfner
Da treibt es hin, das Schifflein unserer Republik, mit geblähten Segeln zwar, doch ständig gegen widrige Winde ankämpfend, vermochte es nicht, auch nur eine jener anvisierten Positionen zu erreichen, die der Besatzung das Ausharren an Bord noch erträglich gemacht hätte.
In den fünfziger Jahren, noch unter dem Kommando Otto Grotewohls, steuerte es hoffnungsträchtig dem „nie gekannten Wohlstand“ entgegen. Es gibt Menschen, die das noch wissen. Aber der Ruf „Land in Sicht“ blieb aus.
Zu Beginn der sechziger Jahre war es mit Walter Ulbricht als Kapitän und mit dem Ziel ausgelaufen, den bereits zu jener Zeit beachtlichen und damals noch erstrebenswert anerkannten Lebensstandard der Bürger des anderen deutschen Staates zu erreichen. Schiffbruch an der Mauer beendete auch diese Ausfahrt.
Nach der Periode des verwegenen Drauflossteuerns, die nur die bittere Erkenntnis einbrachte, daß der begrenzte Aktionsradius eine grundlegende Verbesserung der Position nicht zuließ, verlegte man sich auf Scheinmanöver. Die Positionen, die zu erreichen wollen man sich vorgab, konnte man nicht erreichen, ohne sich selbst aufzugeben. Die seinerzeit allerorten proklamierte Losung „Deutsche an einen Tisch – Friedensvertrag noch im Jahre 1962“ war ein durchsichtiges Propagandaunternehmen, das allein den Zweck verfolgte, anderen die Verantwortung für das Scheitern dessen aufzubürden, was man zwar proklamierte, aber keinesfalls wollte.
Ohne Kommentar und unverrichteter Dinge kehrte das Staatsschiff der DDR auch von seiner nächsten Ausfahrt in den heimatlichen Hafen zurück. „Überholen ohne Einzuholen“, lautete der Auftrag, der, ohnehin nur geschulten Dialektikern verständlich, unausgeführt blieb.
Erneuter Wechsel auf der Kommandobrücke zu Beginn der siebziger Jahre und Ablösung von W. Ulbricht durch Erich Honecker. Der Grundvertrag folgte und der Verkehrsvertrag. Er sprach von gutnachbarlichen Beziehungen, der Kommandant und gleichzeitig von strikter Abgrenzung. Neue Hoffnungen sollten die Versprechungen des VIII. Parteitages wecken. Sie weckten außer Hoffnungen aber auch Skepsis. Daß sie begründet war, diese Skepsis, erweist sich jetzt, nach fast dreißigjähriger Irrfahrt des DDR-Staatsschiffes. Es droht zu sinken, doch allen physikalischen und ökonomischen Gesetzen zum Trotz schaukelt es weiter auf den Wellen. Gute Freunde befreien es ständig von überflüssigem Ballast, so, auch zum eigenen Nutzen den Untergang verhindernd, und böse Feinde versorgen es aus undurchsichtigen Motiven mit Treibstoff mancherlei Art und tragen dazu bei, es wenigstens begrenzt manövrierfähig zu erhalten. Und der Kommandant läßt, eine Mischung von ungebrochenem Optimismus und bitterstem Zynismus demonstrieren, wieder einmal eine neue Flagge aufziehen, die der Minderheit, die noch daran glaubt, Wachstum, Wohlstand und Stabilität verheißt und der durch Erfahrung gewitzten Mehrheit unverhüllt zeigt, daß hier unter falscher Flagge gesegelt wird.
Was hierzulande wächst, ist das wirtschaftliche Chaos, ist die Armee, sind die Preise. Der Wohlstand ist auf eine Minderheit begrenzt. Stabilität bedeutet weitere Erstarrung eines Systems, das durch jede ernsthafte Kritik seinen Bestand gefährdet sieht.
***
Der Alltag in der DDR wurde vom ersten bis zum letzten Tage vom Mangel begleitet und geprägt. Es gab Perioden, da schien das Schlimmste überstanden zu sein, aber dem folgten fast gesetzmäßig immer wieder schwere Rückschläge. An der in solchen Zeiten sprunghaft wachsenden Zahl von DDR-Bürgern, die ihrem Staat den Rücken kehrten, war das ablesbar. Das war vor dem 17. Juni 1953 der Fall, dann wieder vor dem Mauerbau am 13. August 1961. Bis dahin war es verhältnismäßig unproblematisch, die DDR über Westberlin zu verlassen. Als das nicht mehr möglich war, setzte die Ausreisewelle ein, die, ständig anschwellend, in den achtziger Jahren mit dazu beitrug, das Ende der DDR zu beschleunigen. Vermutlich waren bei den meisten „Republikflüchtigen“ und Ausreisewilligen weniger politische Gründe oder der unbezwingbare Drang nach der großen Freiheit das Hauptmotiv, sondern der profane Wunsch, der Mangelwirtschaft der DDR zu entfliehen. Maßstab für einen zunächst noch bescheidenen Wohlstand wurde für viele DDR-Bürger, beginnend mit der Währungsreform im Juni 1948, der „goldene Westen“. Aus mancherlei Gründen konnte die DDR nicht konkurrieren, ob das nun die Versorgung mit Lebensmitteln und Industriewaren betraf, die Lage auf dem Wohnungsmarkt, die begrenzten Urlaubs- und Reisemöglichkeiten, und woran es sonst noch fehlte.
Besonders in den ersten Jahren nach Gründung der DDR haben „Westpakete“ mit dazu beigetragen, die Versorgung mit Lebensmitteln etwas aufzubessern. Glücklich preisen durfte sich, wer damals auf krummen oder geraden Wegen zu einem Würfel „Westmargarine“ gekommen war. Diese Kostbarkeit war