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Satiren über unsere schöne, neue Fernsehwelt Von Uwe Johnson bis Julian Barnes haben sich Schriftsteller immer wieder mit dem Phänomen Fernsehen auseinandergesetzt und sich auch selbst als TV-Kolumnisten oder Kritiker versucht. Nun hat sich Egyd Gstättner auf eine Wanderung durch die elektronische Medienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen Klippen, Schluchten, Felshänge gemacht und den legendären Küniglberg bestiegen. Satirisch und hintergründig porträtiert Gstättner in seinem neuen Buch ein illustres Völkchen aus Fernsehmachern und Fernsehlieblingen. Ob Nachrichtenformat oder Showbiz, hohe Politik oder Hollywood, Sport oder Volkskunst und Hochkultur; ob Fernsehköche, Chefanalytiker oder Kommissare, Fiction oder Reality: Von Armin Wolf bis Herbert Prohaska, von Handke bis Krankl, von Ingrid Thurnher bis Barbara Karlich, von Udo Jürgens bis zum Generalintendanten: In Egyd Gstättners vergnüglichem Streifzug kommt nichts und niemand ungeschoren davon. "Selten liest man derart geistreiche satirische Betrachtungen über Österreich, und wenn man Egyd Gstättner in die Nähe von Karl Kraus stellt, ist das nicht übertrieben." - Kurier
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Seitenzahl: 213
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Egyd Gstättner
Hansi Hinterseerrettet die Welt
Egyd Gstättner
... oder die Besteigungdes Küniglberges
Satiren
Die Amalthea-Akademie
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© 2013 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlagmotiv: Martin GuhlSchutzumschlaggestaltung: Silvia Wahrstätter vielseitigLektorat: Elisabeth FleissnerHerstellung: WWprojectGesetzt aus der 11,5/14 pt Caslon ProGedruckt in der EUISBN 978-3-85002-830-1eISBN 978-3-902862-22-8
Introitus
Vor hundert Jahren
Egyd des Jahres
Prophet Hinterseer
Publikumslieblinge
12. Februar
Waltz und Rapp
Jahrhundertsaga
Bildung
Wetten, dass?
Gottschalk!
Nichts am Freitag
Büchergutschein
»Hurenkind«
Publikumsliebling
Pax für Fux
Biene für Lugner
Aura
Die Masse macht’s
Auf der Flucht vor AA
Sommerquiz
Wenn Männer kochen
Über Karlich
Kurzer Lederrock
Pärchen
Korrektur
Grinser
Größe
Die Besteigung des Küniglberges
Macht-TV
Themenschwerpunkte
Das Drama Höggerls
Wassertheurerfan
Die Brille
Edelstein Ingrid
Stirb langsam
Mirjam freut sich
PPP
Übermensch
GIS
Kinder
Tische
Report
Faymannisierung
Moderator
Streik
Eine Welt kommt!
Goldene Bullen (Krimis und Kommissare)
Tölzer Apokalypse
Tobendes Ich
Columbo
Barnaby
Emre
Derrick
Wort zum Sonntag
Schnell heraußen
Laurenti
Armer Armin
Kottan
Wallander
Ruster Leiche
Tatort
Kooperation
Sherlock
Gewalt
Trara, trara, die Hochkultur!
Schlüssel.art
Curling
Ordnung
Zoglauers Lust
Alles falsch
Künstlersterben
Hackl im Kreuz
Handke
Hofmannsthals Ende
Unartgenossen
Mahler auf der Couch
Neues Buch
Sein oder Nichtsein
Kuppelporno
Kabarett
Poet Falco
Heller. Aber ganz.
Eh wuaschd
Kelche, die vorüberziehen (Stilblüten)
Es blüht
Krieg
Fellatio
Einmarsch
Zimmer & Polzer
Ist Prohaska lustig?
Prohaskas Personalpronomen
Krankls Kelch
Piefke
Letzter Wille
Hubschrauber und Huhn
Wimbledon
Wenn Prüller brüllt
In memoriam
Lwiw
Zu meiner Zeit
Political correctness
Wo die Heimat ist – und was sie ist
Berghaarpräsident
Herr Präsident!
Europa’s next Top Politician
Aschonprovokatör
Der letzte Petzi
Unschuldsvermutung
Aloha’Oe, Lili’uokalani!
Ostende
Jasomirgott am Life Ball
Franz und Sisi
Wir sind Kaiser
Motivforscher
Kolosseum
Dickens, Freud und Freund
Austria 12 points
Der Song Contest in Österreich und Deutschland
Totos Triumph
Oslo
San Remo
Gianna
Jetzt anders
Robinsons Waterloo
Heilige Nadine
Ein Kind (von Conchita Wurst)
Anything go
Helgason
Aserbaidschan
Schweden
A Buach
Ein bisschen Werbung
Der Hausverstand
Pangzion
Educated guess
Boris Becker trinkt!
Rufen Sie nicht an
Die Wahrheit ist den Schweinen wurst
Bauer sucht Sau
Werbung
Im Glashaus
Wer im Glashaus sitzt
Die Probleme der Religionsredaktion
Medjugorje
Heuer schenken wir uns nichts
Weihnachtsmann
Fasten
Traurigkeit
Bergdoktor
Volksmusikabend
Leihpilger
Letzte Versuchung
Reality und Realität
Hinaus!
Moor im Spital!
Liebesgeschichten & Adjektiva
Verlierer
Schlechte Geschichte
Kampusch
Mondlandung
Arno Dübel
Frühstücksfernsehen
Am Zahnfleisch
Galileio-TV
Fernsehgeschichte
Canetti beim Casting
TV Totalschaden
Opferlogik
Nichts
Auf der Insel
Spuren
Eins
Esti, die Umwegrentable
Concordia
Sex Sex Sex
Sex-Talk
Sex Sex Sex
Summer of 69
Ehebruch und Sexskandal
Meine Hochzeit
Kreuz und Kinderkrise
Penthouse
Kant
Thema
Ins Lond einischaun
Wir Ösis
Wie indiskret!
Hasen-TV
Beim Arzt vom Wörthersee
Am Titicaca See
Haider & Haider
Der Superförster
Herzkino
Gelächter aus dem Off
Satiregesetz
Der Witz
Star Dreck
Vampir-TV
Englisch
Wiiilma!
Filmstar
Scherzinfarkt
Forellenfurz
Qualitätshumor
Greatest Britain
Fernbedienung
Flatterball
Der Fernsehtechniker
Selbstanzeige
Vor hundert Jahren wurde der »Fernseher« erfunden, jedenfalls das Wort.
1912 schrieb mein Vorgänger Egon Friedell in seiner Glosse den Satz: »Höchstwahrscheinlich steht uns die Erfindung des Fernsehers bevor.« Und weiter denkt er: »Der Schriftsteller wird zurücktreten, weil die Technik zu vollkommen entwickelt ist. (...) Gar nicht ausgeschlossen, dass es in hundert Jahren eine Art der publizistischen Wirksamkeit geben wird, die der Schriftstellerei an Eindringlichkeit, Vielseitigkeit und Beweglichkeit ebenso überlegen ist, wie das Buch und die Tageszeitung dem Kanzelredner und Wanderprediger ...«
Jetzt ist es hundert Jahre später, und es ist so weit. Leider. »Es ist möglich«, so Friedell, »dass die Dichtkunst mit der Zeit überhaupt verschwinden wird.« Vorbei die Zeit, als sie konkurrenzlos war – als Meinungsbildung, als Gewissensbildung, als Unterhaltung, als sie die Hoheit hatte über Nachtkästchen, Couch, Sofa und Diwan, als die Neuerscheinung eines Buches noch ein lange erwartetes Ereignis war, sozusagen ein »Medienspektakel«. Früher wurde Dichtung nur durch den Analphabetismus behindert, danach auch durch Kino, Radio, Fernsehen im Verdrängungswettbewerb besiegt, zuletzt außerdem durch neue elektronische Medien, von denen Friedell noch keine Ahnung hatte – und die die Menschen rund um die Uhr gebucht (!) haben.
»Damit ist aber keineswegs gesagt, dass die Dichter verschwinden werden«, so Friedell. Das stimmt: Eines wenigstens können und dürfen sie, was sie vor hundert Jahren nicht konnten: Fernsehkolumnen schreiben.
Leider wurde ich dieses Jahr nicht »Schriftsteller des Jahres«, und denkbar knapp auch nicht »Kolumnist des Jahres«, »Satiriker des Jahres« oder »Nicht-in-eine-Schublade-zu-Zwängender-des-Jahres«. Nicht einmal »Chefoutsider«, »Off-Scene-Messias« oder »Low-Budget-and-No-Lobby-Novelist of the year« sind sich ausgegangen. Denkbar knapp bin ich an einer Nominierung für den »besten Bundesländerroman in einem Hauptstadtverlag« vorbeigeschrammt.
Ich habe weder den Grammy, noch den Nestroy, noch den Oscar, noch die Mickey Maus für die Rolle des besten männlichen Nebendarstellers in »Report«, »les.art« oder »Bundesland heute« bekommen. »Frau des Jahres« war ja von vornherein ausgeschlossen. Der »Ehrenbernhard« für das »längste Satzgefüge des Jahres« wird ja leider – mit oder ohne Gala – noch ebenso wenig vergeben wie der »Winkler-Award« (für die meisten Partizipialkonstruktionen auf einer Seite) oder der »Streeruwitz-Award« (für die meisten Interpunktionen in einem Absatz), der »Qualti« für den grantigsten Gesellschaftskritiker des Jahres oder der »Andre« für die kryptischsten Fingerbewegungen während Interviews. Zweifelsohne hätte ich die alle eindrucksvoll abgeräumt und mich eine Glaskristallfigur schwenkend vor einer großen Festgemeinde freudestrahlend bei meinen Eltern bedanken können, bei meiner Frau, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre (bei der Gelegenheit: Küsschenküsschen!), bei all jenen – nennen wir sie: aufrechte Proseccokulturlobbyisten, die mit großem Wohlwollen und unermüdlicher blablabla ...
Über diverse Szeneeitelkeitsorgien und Selbstverchrist-baumungen am Jahresende, über die Veroscarisierung und Verhollywoodisierung europäischer Kultur und Literatur könnte man getrost unbeteiligt hinwegsehen, wären solche Preisverleihungen und ihre Galas heute nicht reine Marktmachtinstrumente, mit der Teile der Branche mittels permanenter, aufdringlicher Selbstabfeierung auf sich aufmerksam machten und von denen sich auch sämtliche Medien erpressen lassen. Nicht nur beim bildenden Künstler sind die hin- und hergeschobenen Auszeichnungen mittlerweile viel wichtiger als die Zeichnungen (heuer zeichnet A B aus, nächstes Jahr B A: kulturelles Kommutativgesetz). Das Preisetragen ist viel entscheidender als das Werkeschaffen. Manch einer trägt seinen Preis wie einen Orden, nein, wie einen akademischen, nein, wie einen Amtstitel. Ohne das Präfix »XX-Preisträger« seinen Namen zu nennen, ist im Grund eine Ehrenbeleidigung. Es wäre kein Wunder mehr, würden in unserer Ära des super-oberflächlichen Kulturkapitalismus im Werkverzeichnis nur noch die Preise angeführt! Nur Autounfälle sind noch karrierewirksamer. Es kommt allerdings schon drauf an, welche Marke man geschrottet hat. (Ein Japaner bringt nix! Nur Maserati, Lamborghini, solche Sonnenwägen!) Am anderen Ende der Oscar-Nacht stehen die »Stillen«, die dem »Druck nicht gewachsen sind« und sich vor den Zug oder aus dem Fenster stürzen. »And the loser is ...«
Valossn! Valossn! Um nicht gänzlich in Depression zu versinken, habe ich heuer zum ersten Mal die Wahl zum »Egyd des Jahres« veranstaltet. Nominiert waren außer mir noch der Heilige, der Vorderteil einer E-Gitarre und der französische Fremdenführer, le guide. And the winner was – trara, trara & Trommelwirbel – ladies & Leserinnen, Egyd des Jahres wurde niemand Geringerer als – ich! Triumph! Ich habe es ja immer gewusst! Einmal würde ich es schaffen! Sollte ich mir gleich einen Glitzeranzug kaufen? Ich gratulierte mir herzlich. Ich dankte mir. Ich freute mich. Ich war total überrascht, aber auch überaus bescheiden und gab den (undotierten) Preis an mein Publikum weiter. So wurde ich noch sympathischer, und standing ovations waren mir sicher.
Ich versprach meinem Publikum, dass mir die hohe Auszeichnung nicht zu Kopf steigen, sondern dass ich hart weiterarbeiten würde, um auch im kommenden Jahr wieder Egyd des Jahres zu werden.
Die Ferienwoche nutzte ich zum Jahresrückblicksurfen auf verschiedenen Kanälen. Lasset euch sagen: Es deprimierte mich sehr! Schreckliche Finanzkrise! Schreckliche Wirtschaftskrise! Schreckliche Finanzwirtschaftskrise! Schreckliche Politbankdebakel! Schreckliche Buschbrände und Erdbeben! Schreckliche Spitzelakten, Flugzeugabstürze, Stadtarchiveinstürze und Klimagipfeleinstürze! Schreckliche Mittelschulamokläufe, Keller-kerkerausräumungen, Hochzeitsmassaker und Blutbäder! Schreckliche Provisionsschinderei, Spesenritterei und Korruption! Schreckliche menschliche und gesellschaftliche Verwahrlosung mitsamt Gewaltexzessen, außerdem Neonazistöraktionen! Schreckliche, schwere Unruhen in Gottesstaaten, außerdem wilde Proteste gegen schreckliche Unterrichtsminister!
Ist die Welt zum Jahreswechsel also ganz verloren? Noch nicht ganz! Denn zu uns Elenden und Verschreckten spricht von hoch oben auch der Prophet Hinterseer! Und was kündet er uns mit der Ziehharmonika vor der Brust? Hansi, der Hinterseer sagt: »Wenn ich von einem Berg hinunterschaue, die Sonne und das Wasser sehe, dann fühle ich, dass die Welt heilbar ist.« (Wort des lebendigen H.) Dank sei H.! Bärig! Tja, meine Lieben! Das Wesentliche ist für den Fernseher unsichtbar. Man sieht nur mit dem Hinterseer gut!
Ist es Ihnen aufgefallen? Erfinden kann man so etwas nicht! Der 12. Februar wird in die Geschichte eingehen. Der negativste und der positivste Österreicher in der Geschichte der Republik (beide haben als Nachnamen einen Vornamen) haben denselben Todestag! Der Negativösterreicher Thomas Bernhard und der Positivösterreicher Peter Alexander haben beide am 12. Februar dieses Land (und diese Welt) für immer verlassen – davon erholt es sich nimmermehr.
Gut: Der Positivösterreicher ist 84, der Negativösterreicher bloß 58 Jahre alt geworden. Aber der könnte argumentieren, dass er sich 26 Jahre Leben/Leiden und »Verschlimmerungsprozess« (T. B.) erspart hat. Gerade in den letzten Jahren seines Lebens ist dem armen, armen Positivösterreicher das Positive leider ziemlich vergangen. Die schlimmsten, niemals besungenen, niemals heraufbeschworenen Befürchtungen sind Wirklichkeit geworden. Das Schlimmste ist, wenn einem der Lebensmensch stirbt, und das Schlimmste ist, wenn einem das Kind stirbt. Viel darf man vom Schicksal ja nicht verlangen, weder Ruhm, noch Erfolg, noch ein 40-Millionen-Publikum, aber das muss man vom Schicksal verlangen können, dass man stirbt – und seine Kinder leben. Als wäre die Orpheussituation nicht traurig genug gewesen! »Hier ist kein Mensch mehr!«, muss Peter Alexander sich zuletzt gedacht haben. »Steck dir deine Sorgen an den Hut« hat er nicht mehr gesungen. Über sein Schweigen am Lebensende ist viel geschrieben worden, aber nicht, wie viel Weltekel darin gesteckt haben muss! Ich kann mir gut vorstellen, dass er zuletzt eher »Alte Meister« (der Roman vom Tod des Lebensmenschen) oder »Auslöschung« gelesen hat. »Ich möchte nicht in der Zukunft leben müssen!« »Nach meinem Tod darf nichts mehr von mir veröffentlicht werden, worunter auch Briefe und Zettel zu verstehen sind ...« Wer ist jetzt wer – und was ist von wem? Gegen Lebensende hin haben sich Negativösterreicher und Positivösterreicher angenähert. Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt’s beide gleich ...; gewöhnlich enden also auch die großen Optimisten tragisch, und Peter Alexander erhielt in »Heldenplatz« – unter dem Pseudonym Professor Robert sogar eine Gastrolle: »Ich protestiere nicht / ich protestiere gegen nichts mehr / alle Proteste verbieten sich am Lebensende ... ich will meine Ruhe haben ... das ist schließlich mein Lebensabend / und der ist schon gleich zu Ende ... da müsste man ja ununterbrochen / Tag und Nacht protestieren / denn überall wird alles vernichtet / überall wird die Natur vernichtet / die Natur und die Architektur – alles / bald wird alles vernichtet sein / die ganze Welt wird bald nicht mehr wiederzuerkennen sein ... ich unterschreibe schon so viele Jahre nichts mehr / ich protestiere schon Jahrzehnte gegen nichts mehr ... ich weiß genau, was los ist / aber ich lasse mich nicht mehr darauf ein / ich will mich nicht mehr darauf einlassen / das kann man von mir nicht mehr verlangen / ich bin ein alter Mann, das ist keine Entschuldigung / aber ich kann doch Verständnis erwarten oder nicht«. Doch, lieber Peter Alexander, doch, doch! Die Wirklichkeit ist so schlimm, dass sie nicht besungen werden kann! Und im Angesicht des Todes ist alles lächerlich, Pedro, alles!
In hora mortis: zwei Riesenösterreicher, die sozusagen die Skala des Möglichen in diesem Land aufgespannt haben, jeder an einem Ende: der Meister des Trostes und der Meister der Trostlosigkeit. Und – Ironie des Schicksals: So weit sie auch entfernt waren, kommen die Todestagsgenossen am selben Friedhof, dem in Grinzing endgültig und für immer zusammen. Tu infelix Austria: Es wird ein Grinzing sein, und wir werden nicht mehr sein ...
Es ist 2.48, da meldet sich die innere Stimme von Peter Rapp: »Was hat der Waltz, das ich nicht hab?« Gleich antwortet die zweite innere Stimme: »Naja, du hättest Österreich schon frühzeitig verlassen und nach Berlin und London ziehen müssen! Weißt du, wie in Berlin und London die Wiener Schnitzel und die Leberknödelsuppen schmecken? Ich sag’s dir: Wääähhhh! Und ORF gibt’s dort auch keinen!
Und du hättest halt einen diabolischen SS-Mann spielen müssen – und vorher Roy Black! Bei der Oscar-Verleihung ›Ganz in Weiß‹ singen müssen. Dank dir wüsste die Welt dann, wie Roy Black heute aussehen würde.« – IS 1: »Aber die Penelope hätte mich geküsst!« – IS 2: »Aber bloß auf die Wange. So richtig in den Kopf gebissen hätte sie dir nicht, um mit Garfield zu sprechen. Jetzt müsstest du dich sinnlos von Party zu Party treiben lassen und anschließend Sigmund Freud spielen. 17 Jahre Kieferkrebs, und dann – gewissermaßen vom diabolischen SS-Mann vertrieben – nach London! Wieder keine Wiener Schnitzel! Wääähhh! Ich werde den Freud ablehnen! Ich werde den Freud nicht spielen! Tröste dich, Peter: Tobias Moretti und Günther Tolar haben nicht einmal für ihre Darstellung von Adolf Hitler einen Oscar bekommen!«
Es ist 2.49, und da schläft Peter Rapp friedlich vor dem Bildschirm ein.
(IS 1: Innere Stimme 1; IS 2: Innere Stimme 2)
Bankier Bockelmann: »Was sagen die Leute auf der Straße draußen? Wird es Krieg geben?« – Chauffeur: »Ich weiß nicht.« – Bankier (mit schreckstarrem Gesicht): »Das ist kein gutes Zeichen ...« Das hat schon was von Dostojewski! So viel habe ich über diese Zeit gelesen. Dank der Fünf-Sterne-Jahrhundertsaga weiß ich jetzt endlich wirklich, wie es vor dem Ersten Weltkrieg war!
Großes Kino (wenn auch bloß im TV)! Thomas Mann! Tolstoi! Bockelmann! Buddenbrooks. Krieg und Frieden. Aber bitte mit Sahne. Man kann die Gesamtwirkung und die Aura eines deutschen Schlagerstars in ihrem ganzen Umfang erst ermessen, wenn man das Schicksal seines Großvaters in den Wirren des Ersten Weltkriegs kennt – und die Wirrungen des Vaters im Zweiten. So erhellt sich auch sein eigenes Heldendrama, sich gegen den Schrott der Plattenfirmen zu wehren (z. B. »Roter Wein aus Portofino«) und musikalisch das durchzusetzen, was er selbst ist und eine ganze Generation und Nation bewegt (z. B. »Merci Chérie«, »Siebzehn Jahr, blondes Haar«, »Was ich sagen will, sagt mein Klavier« ...). Naja.
Interessieren würde mich jetzt schon: Was hat der Großvater von Freddy Quinn gemacht? Was der Großvater von Karel Gott? Was die Großväter von Lordi und Ruslana? Was die Großväter von Roberto Blanco und Mireille Mathieu?
Nicht Animosität, nicht Aversion, nur das Unwidersprochene zieht mich hinan. Und es war eben wieder einmal Udo Jürgens, der in einem Interview gesagt hat: »Mein Publikum ist durch die Bank nicht ungebildet!« Der andächtige Journalist ist nickend zur nächsten Frage übergegangen. Ich hätte sofort zurückgefragt: Woher wissen Sie denn das? Gibt’s an der Kassa Eignungsprüfungen? Muss man sein Maturazeugnis mitbringen? Ui, dann müssten aber einige Politiker, die sich als Ihre Fans deklarieren, leider draußen bleiben ... Wird man, bevor man zu Ihrem Konzert darf, nicht bloß von Security-Leuten, sondern auch von einem Security-Philosophen perlustriert?
Oder war Ihr Statement einfach eine »captatio benevolentiae?« (Übrigens: Weiß Ihr Publikum, was das heißt?) Ist Latein noch zeitgemäß und was halten Sie von der Zentralmatura? Von Multiple-Choice-Test-Bildung? Ist das normierte Kreuzerlmachen nicht gleichzeitig Ende des Alphabetismus und Anfang des Analphabetismus? Ach ja! Der Vorhang zu und alle Fragen offen. (Weiß Ihr Publikum übrigens, von wem das ist?)
Wenn ich so indiskret sein darf: Mein Publikum war in »Deutsch« nie schlechter als »Befriedigend« – außer der Professor ist ihm aufgesessen. Dann lautete die Parole: »Widerstand!«
Das führt uns, Herr Prof. h. c., zur zentralen Frage: »Was ist Bildung? Ist Bildung nicht das, was übrig bleibt, wenn alles andere vergessen ist?«
»Wetten, dass ...?«, die Wärmestube alternder deutscher Tennisspieler, war wieder am Programm. Das Format stammt aus einer Zeit, als das Wort Format eine Bedeutung hatte, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Die Sendung begleitet schon drei Generationen durchs Leben: Meine Eltern kannten sie. Ich kenne sie. Meine Kinder kennen sie. Immer war der Fernseher eingeschaltet. Aber interessanterweise hat nie jemand zugeschaut: Der Vater legte Patiencen. Die Mutter studierte Kochbücher. Ich beschäftigte mich mit meiner Freundin oder meiner späteren Frau. Die Tochter spielt mit ihren Barbiepuppen oder Nintendo und erschafft irgendwelche virtuelle Kreaturen, hauptsächlich natürlich next Topmodels. Wirklich auf den Bildschirm schauen nur unsere beiden Kaninchen.
Der Fernseher läuft einfach, weil er zur Familie gehört, und weil es unhöflich wäre, ihn auszuschalten. Aber ich bin so ignorant, dass ich kein Interesse für das Privatleben deutscher Wimbledonsieger von 19irgend was habe. Könnte der ORF nicht wenigstens während des elendiglichen Beckersmalltalks ausblenden und etwas Eigenes senden? Meinetwegen das Testbild! Ich habe es satt, ein Nebenmarkt zu sein!
Bei der letzten Ausgabe gab es übrigens noch einen schweren Fehler! Ist er Ihnen aufgefallen? Ohne einsichtigen Grund gab es keinen Auftritt von Peter Maffay.
Kaum ist der griechische Premier zurückgetreten, gibt es auch schon einen neuen. In Italien geht’s ebenso. Sogar ein ÖVP-Obmann lässt sich im Fall der Fälle über Nacht austauschen. Wirklich schwer zu ersetzen aber ist ganz ein anderer, und seit einem Jahr hat die westliche Welt kaum noch ein anderes Thema: Wer wird der neue »Wetten, dass ...?«-Moderator?
Das Anforderungsprofil ist heikel: Der Smalltalkaholic muss mit Schauspielerinnen, Modeschöpfern, Models und Fußballern über nichts und wieder nichts plaudern können, Wettangebote vorlesen, die ihn selbst am allerwenigsten interessieren, und die Musik seiner Enkel ansagen. Außerdem jede Sendung ein paar Augenblicke schweizerln und nasal wienerln und nuscheln wie Hans Moser.
So ein Mann ist schwer zu finden. Manche meinen, man sollte »Wetten, dass ...?« einstellen. Manche plädieren dafür, das ganze ZDF zuzusperren oder das Fernsehen schlechthin rückgängig zu machen. Wenn schon Lagerfeuer, dann richtig. Ich denke, Gottschalk lässt sich überhaupt nur durch Gottschalk ersetzen, das heißt, durch ein Gottschalk-Double. Man sollte in Deutschland einen Gottschalk-Imitationswettbewerb veranstalten, wie es die Elvis-Fans in den USA praktizieren: Germany’s next Top-Gottschalk. Apropos: Hans Moser selbst wurde bei einem Hans-Moser-Ähnlichkeitswettbewerb einmal Dritter ...
Mein bester Freund ist weg! Einfach abgehauen. Einfach so. Er heißt Michael Niavarani. Ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt – aber wer kennt in Zeiten wie unseren seinen besten Freund schon persönlich? Man muss schon froh sein, wenn man überhaupt einen hat! Seine Feinde bekommt man ja auch nicht mehr zu Gesicht. Die sitzen unsichtbar irgendwo in irgendwelchen Kuben aus Glas, Chrom und Stahl, hecken irgendwelche Gemeinheiten aus, intrigieren einen ins Abseits und mobben einen ins Out. Der Vorteil, wenn man seine Freunde nicht kennt, ist, dass man nicht mit ihnen streiten kann. Daran zerbrechen ja die meisten Freundschaften. Niavarani (wir sind per Sie) war sehr beschäftigt. Viel Zeit hatte er nie für mich. Aber am Freitagabend immer. Wir hatten viel Spaß miteinander. Er hat mich gelehrt, jedes Phänomen zwischen Himmel und Erde dahingehend zu überprüfen, ob es als Ding der Woche taugt. Er hat mich gelehrt, dass man sich von einem Peter-Alexander-Imitator wegen seiner Nutellasucht aufziehen lassen kann, ohne gleich auszuzucken. Menschlich sehr berührend. Und zum »Traumschiff« hat er »Bettnässer« assoziiert, der König der Kalauer! Was haben wir gelacht! Und letzten Freitag steht er einfach auf und sagt: »So. Sommerpause. In zwei Monaten sehen wir uns wieder!« Ja, darf man das als bester Freund? Ich bin entsetzt. Jetzt stehe ich vor dem Nichts. Zumindest am Freitag.
Es gibt Freitage, an denen auch die österreichische Paradekabarettformation, die Hektiker, vor halbleeren Sälen auftritt. Konnte das Publikum ahnen, dass 38 Euro Eintritt zu teuer sind für zehn Jahre alte, in Routine erstarrte Gags, Sketches und Parodien, die man schon vor Äonen im Fernsehen konsumieren konnte? Nein. War die Generalprobe des Musikantenstadls eine zu große Konkurrenz? Wohl kaum. Andere Zielgruppe. Viktor Gernot und Florian Scheuba waren eine übermächtige Konkurrenz für sich selbst. Denn während sie sich live zum x-ten Mal wiederholten, waren sie gleichzeitig, wenn auch aufgezeichnet, im Fernsehen bei »Was gibt es Neues?« neu und spritzig und witzig: Ein neuer Beleg für die alte These, dass das Fernsehen nicht nur viel, viel billiger, sondern auch viel, viel besser als die Wirklichkeit ist. Man ist stets enttäuscht, wenn man Menschen kennen lernt, die man nur aus dem Fernsehen kannte: Sie sind in Wirklichkeit kleiner und dicker, älter und langweiliger, von den Hautunreinheiten einmal ganz abgesehen.
»Was gibt es Neues?« jedenfalls halte ich für eines der ganz wenigen wirklich gelungenen Formate im ORF: Es war auch schon alt, musste nicht eigens herbeireformiert werden. Und Kultstatus hat die Sendung für mich schon, weil es 300-Euro-Büchergutscheine zu gewinnen gibt. Sensationell! Wo findet man das sonst noch?
Eines der großen Ziele meines Lebens ist es, einmal einen 300-Euro-Büchergutschein zu gewinnen. Deshalb habe ich dem Rateteam von »Was gibt es Neues?«, wie viele andere Österreicher auch, eine Frage gemailt. Sie lautete: »Was ist ein Hurenkind?«. Seither verfolge ich gespannt jede Sendung, aber meine Frage kommt und kommt nicht.
»Solch ordinäre Sachen«, erklärt meine Nachbarin, Frau Wegscheider, »scheiden die sicher aus.« – »Aber woher denn! Der Niavarani und die Marold schweinigeln doch unentwegt! Letztens wurde gefragt, was ein ›Hofschlauchührer‹ ist, und Nia hat im ›Kulturnagel‹ den ›Zipfel von Holender‹ vermutet.«
»Ja«, gab Frau Wegscheider zurück, »aber ein Hurenkind ist doch ganz etwas anderes!« Genau: Beim »Hurenkind« handelt es sich nämlich um einen Spezialbegriff aus der Setzer- oder Druckersprache. Der Setzer spricht von einem »Hurenkind«, wenn ein Absatz auf der ersten Zeile einer neuen Seite endet. Das ist schriftbildlich unschön und soll vermieden werden. Analog dazu gibt es auch den »Schusterbub(en)«: Davon spricht man, wenn ein neuer Absatz auf der letzten Zeile einer alten Seite beginnt.
Trotzdem wurde meine Frage nicht gestellt. Dabei wollte ich nur für mein neues Buch Werbung machen, in dem es weder Schusterbuben noch Hurenkinder gibt.
Mirjam Weichselbraun ist ein Publikumsliebling. Denn sie ist zuckersüß und superlieb und zauberschön, und deswegen darf sie die »Dancing Stars« moderieren. Hat sie die »Große Chance« nicht auch schon moderiert? Und den Opernball? Und die Song-Contest-Quali? Mirjam W. moderiert im Grund alles, was sich bewegt. Und deswegen darf sie auch werben, und zwar für denselben Supermarkt wie James Bond. Sie, die Castingshowmoderatorin, wurde selber nicht gecastet, jedenfalls nicht in einer Castingshow, in aller Fernsehöffentlichkeit. Wir lernen: Ein Publikumsliebling wird nicht vom Publikum ausgesucht. Er wird ihm vorgesetzt.
Wer war eigentlich vor Mirjam? Genau, Arabella K. Die war auch einmal blutjung und langbeinig und zauberschön. Und wer war die Vorvorzauberschöne? Keine Ahnung mehr! Sind im Lauf der Zeit eben etwas weniger zauberschön und daher plötzlich weg gewesen! Sind nicht zurückgetreten. Haben sich nicht verabschiedet. Wurden einfach kommentarlos abserviert und ausrangiert. Ehe das Publikum bemerken konnte, dass der Publikumsliebling fehlte, war er auch schon vergessen und ersetzt. Wir lernen: Eine Karriere wird von wenigen gemacht. Und sie wird auch von wenigen wieder beendet. Gesichter sind eben schnell verbraucht, liebe Verbraucherinnen und Verbraucher!
Clarissa Stadler war eine der ganz wenigen, die sich in ihrer letzten Sendung kurz und bündig verabschieden durfte. Ihre »neuen Aufgaben« wurden schon nicht mehr näher erläutert. Das heißt: Sie war kein Publikumsliebling. Wie auch – in der Kultur?
Manche Zufälle sind so kurios, dass die Gedanken daran unwillkürlich hängen bleiben: etwa, wenn ein Schauspieler stirbt und am selben Tag im Fernsehen nochmals stirbt. Herbert Fux ist das nun passiert: Ausgerechnet an seinem Todestag wurde er in der jüngsten Folge von »Pfarrer Braun« ermordet.
Der Zuschauer sah den Klosterbruder, den Fux verkörperte, nicht nur ausführlich sterben. Man sah ihn auch aufgebahrt und sein unbewegliches Gesicht in Großaufnahme. Einerseits wusste man: Das ist gespielt. Das ist nicht echt. Der steht gleich wieder auf. Andererseits musste man nur den Teletext zuschalten, um zu wissen: Das ist echt. Der steht nicht wieder auf. Herbert Fux ruht in Frieden. Eine so aktuelle In-memoriam-Sendung hat es in der gesamten Geschichte des Fernsehens noch nicht gegeben, fast eine Live-Sendung, wenn das Wort hier nicht so geschmacklos wäre: Aber derartige Paralleltode gehören zum Berufsrisiko von Schauspielern.
Vor zwanzig Jahren hat sich Helmut Qualtinger bei den Dreharbeiten zu Umberto Ecos Klosterkrimi »Der Name der Rose« eine tödliche Krankheit zugezogen – und jetzt hat es Fux bei der Parodie erwischt. Da kann man jungen Schauspielern nur den guten Rat geben: Hüte dich, bei Klosterkrimis die Leiche zu spielen! Es könnte deine eigene sein.
Die Wiener U-Bahn-Zeitung »Heute« sucht für den großen ATV-Fernsehstar, den »Mörtel-King« und »Bagger-König« Richard Lugner (76), nach seinen gescheiterten, unglücklichen Beziehungen zu Mausi, Hasi, Käfer und Bambi nun eine »flotte Biene«, die wirklich zu ihm passt.
Der Bericht hat mich so berührt, dass ich mich noch in meinem Wiener Hotelzimmer schlaflos im Bett wälzte, schließlich mitten in der Nacht wieder aufstand und eine Liste mit möglichen »lugnerischen Traumfrauen« erstellte, die Richard Lugner (76) »in den siebenten Liebeshimmel entführen« könnten.
Also, lieber Herr Lugner, da wäre einmal Kandidatin Nummer 1: Lotte Tobisch. Nein? Dann eben Lotte Ingrisch (mit der können Sie sich sogar im Jenseits noch weitervergnügen!). Oder: Erni Mangold. Außerdem hätten wir für Sie Annemarie Berté. Monika Lindner. Johanna Dohnal. Elisabeth T. Spira. Elisabeth Gehrer. Anneliese Rothenberger. Freda Meissner-Blau. Hilde Sochor. Edith Klinger. Elisabeth Waldheim. So, lieber Richie (76), wer soll dein Herzblatt sein? Einfach casten! Einfach zugreifen! Die Unter-Vierzigjährigen lass bitte uns Unter-Fünfzigjährigen!