Hausaufgaben - Karin Bräu - E-Book

Hausaufgaben E-Book

Karin Bräu

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Beschreibung

Hausaufgaben sind für Kinder, aber auch für Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer mit Herausforderungen verbunden: Kinder kommen von der Schule nach Hause und müssen Hausaufgaben erledigen, obwohl sie lieber Freundinnen und Freunde treffen oder Zeit für sich haben möchten. Begleitet werden Hausaufgaben dann oftmals von Spannungen, Streit sowie Kontrollen und Sanktionen. Mit Orientierungswissen und Fallbeispielen werden in diesem Buch Fragen zur Hausaufgabenpraxis aufgeworfen und - manchmal auch überraschende - Analysen geboten. Dabei werden neben dem Aufgeben, der Kontrolle und dem Besprechen von Hausaufgaben in der Schule auch das Hausaufgabenmachen und verschiedene Arten der Hilfe beleuchtet. Das Buch regt Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer an, eingeschliffene Handlungen und Überzeugungen im Umgang mit Hausaufgaben zu überdenken, und ist darüber hinaus geeignet, in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung praxisnah zum Thema hinzuführen.

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Contents

Cover

Titelei

1 Einleitung

2 Was wir aus der Forschung über Hausaufgaben wissen

3 Hausaufgaben aufgeben

3.1 Zeitpunkt und Umfang der Vergabe

3.2 Dokumentation der Hausaufgaben

3.3 Disziplinierung und Konflikte

4 Aufgaben

4.1 Aufgaben mit Lebensweltbezug

4.2 Hausaufgaben und soziale Ungleichheit

5 Hausaufgabenmachen zu Hause

5.1 Die Arbeitsumgebung

5.2 Stillgestellte Körper

5.3 Arbeitsstrategien

6 Unterstützung und Beteiligung beim Hausaufgabenmachen

6.1 Elternbeteiligung beim Hausaufgabenmachen

6.2 Hausaufgaben und der Einsatz von digitalen Medien, Messengerdiensten und künstlicher Intelligenz

6.3 Hausaufgaben abschreiben

7 Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen

7.1 Die Herstellung der Arbeitsatmosphäre

7.2 Die individuelle Unterstützung in der Hausaufgabenbetreuung

8 Hausaufgabenkontrolle

8.1 Formen der Hausaufgabenkontrolle

8.2 Konsequenzen fehlender Hausaufgaben

9 Hausaufgabenbesprechungen

9.1 Umgang mit Bearbeitungsschwierigkeiten

9.2 Verwertung der Hausaufgabenbearbeitungen für das Unterrichtsgeschehen

10 Hausaufgaben und Leistung

10.1 Imagepflege und Leistungszuschreibungen in Hausaufgabenkontrollen und -besprechungen

10.2 Schriftliche Hausaufgabenüberprüfungen

11 Fazit

Literatur

Praxiswissen Erziehung

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/praxiswissen-erziehung

Die Autorinnen

Prof. Dr. Karin Bräu lehrt und forscht am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und leitet den Arbeitsbereich ›Heterogenität und Ungleichheit‹ (im Kontext Schule). Die Arbeitsschwerpunkte sind Hausaufgaben, Inklusion, Differenzforschung und soziale Ungleichheit, insbesondere mit Mitteln der Ethnografie. E-Mail: [email protected]

Dr. Laura Fuhrmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Heterogenität und Ungleichheit am Institut für Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie studierte die Fächer Biologie und Geschichte auf Lehramt. Zu ihren Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten zählen ethnographische Schul- und Unterrichtsforschung, Hausaufgaben, Differenzforschung und soziale Ungleichheit. E-Mail: [email protected]

Karin Bräu/Laura Fuhrmann

Hausaufgaben

Praxis verstehen, Praxis verändern

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-035260-5

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-035261-2epub:ISBN 978-3-17-035262-9

1 Einleitung

Hausaufgaben sind an den meisten Schulen ein selbstverständlicher Bestandteil des Lernkonzeptes. Kinder und Jugendliche sollen den Unterrichtsstoff zu Hause nachbereiten, Aufgaben bearbeiten, üben, Vokabeln lernen, etwas im Internet recherchieren oder fertigstellen, was sie im Unterricht angefangen und nicht zu Ende gebracht haben. Manchmal sollen sie auch schon etwas für das kommende Thema vorbereiten oder von zu Hause mitbringen. Diese Aufgaben werden vielleicht bereitwillig, selbstständig und ohne Probleme erledigt oder machen manchmal sogar Spaß. In vielen Fällen aber herrscht Unlust vor, Aufgaben werden aufgeschoben, nur langsam und mit Mühe oder auch gar nicht bearbeitet. Manchmal gibt es dann Unterstützung von Eltern oder anderen Familienmitgliedern. Gerne werden auch Hausaufgabenportale, Chats mit Klassenkamerad:innen und neuerdings KI genutzt. Viele Eltern kontrollieren – zumindest bis etwa zum 7. Schuljahr – die Hausaufgaben, ob alles bearbeitet und richtig ist. Auf diese Weise kommt jedoch über Hausaufgaben auch einiges an Ärger und Streit in die Familie (Moroni, Dumont & Trautwein, 2016a). Aber auch im Unterricht sind neben den erwünschten Effekten Ärger, negative Sanktionen, manchmal auch Beschämungen Begleiterscheinungen von Hausaufgaben (Fuhrmann, 2022), insbesondere wenn sie nicht gemacht wurden oder wenn den Schüler:innen Abschreiben unterstellt wird. Das Aufgeben, Kontrollieren und Besprechen von Hausaufgaben scheint bisweilen selbst den Lehrer:innen lästig zu sein, kommt nicht immer gelegen und nimmt viel Unterrichtszeit in Anspruch.

Und dennoch: Die Akzeptanz von Hausaufgaben ist bei Lehrer:innen und Eltern und selbst bei den Schüler:innen relativ hoch. Der Nutzen der Verlängerung der (eigenständigen) Lernzeit über den Unterricht hinaus scheint zu groß, sodass die negativen Begleiterscheinungen kaum in Frage gestellt werden. Ob Hausaufgaben aber wirklich den Lernerfolg verbessern, ist wissenschaftlich durchaus umstritten. Das ist einer der Gründe, warum die Debatten um Hausaufgaben immer wieder aufflammen. Ein anderer ist, dass die Möglichkeiten, zu Hause Unterstützung bei den Hausaufgaben geben zu können, in den Familien sehr unterschiedlich sind und dies als ungerecht empfunden wird. Schließlich gehen Hausaufgaben direkt und indirekt in Leistungsbewertungen ein. Dies ist nicht zuletzt einer der Gründe, die dafürsprechen, das schulische Lernen weitgehend in der Schule zu belassen, und die zur Einrichtung von Angeboten der Hausaufgabenbetreuung an den meisten Ganztagsschulen führten.

Hausaufgaben sind also ein Thema, das bewegt und strittig ist. Dieser Band möchte anregen, sich dieser Praxis vielseitig und aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern und jenseits bekannter Sichtweisen und Argumente möglichst unvoreingenommen auf sie zu schauen. Hierfür fassen wir zunächst zusammen, was die Forschung an Wissen um Einstellungen und Wirkungen rund um Hausaufgaben hervorgebracht hat (▸ Kap. 2). Der Kern des Bandes liegt aber in der Analyse der Praxis, wie sie alltäglich zu beobachten ist und erlebt wird. Dabei legen wir Beschreibungen von Situationen rund um Hausaufgaben vor, die wir analysieren und diskutieren möchten. Die meisten dieser Beispiele sind im Kontext von Forschungsprojekten in unserem Arbeitsumfeld entstanden oder sind protokollierte Beobachtungen von Lehramtsstudierenden. Darüber hinaus haben wir publizierte Fälle von Kolleg:innen einbezogen, um möglichst viele Facetten der Hausaufgabenpraxis in unterschiedlichen Situationen und unter Involvierung der verschiedenen Beteiligten sichtbar zu machen und diskutieren zu können. Die Verweise auf die jeweiligen Publikationen sind direkt unter den entsprechenden Fällen vermerkt. Die Mehrheit der Fälle stammt aus dem Gymnasium oder der Gesamtschule, darüber hinaus werden auch Situationen aus anderen Schulformen einbezogen, z. B. aus Grund- oder Hauptschulen. Wir fragen danach, was in jeder dieser Szenen geschieht, welche Effekte und Konsequenzen die Handlungsweisen haben, welcher Sinn zum Ausdruck gebracht wird und welche nicht beabsichtigten Nebenwirkungen das Geschehen hat. Sind die Szenen Beispiele gelungener Praxis? Wenn ja, was gefällt uns daran, und wenn nein, welche Alternativen des Handelns gäbe es?

Nach der Beschreibung der jeweiligen Szene‍(n)1 möchten wir Sie zunächst durch Fragen anregen, das Geschehen selbst zu betrachten, zu analysieren oder direkt in eine Diskussion mit Kolleg:innen, Schüler:innen und/oder (anderen) Eltern zu starten. Anschließend beleuchten wir die Szene aus unserer Sicht – im Idealfall von mehreren Seiten und unter unterschiedlichen Gesichtspunkten. Dabei werden wir in den einzelnen Kapiteln alle Phasen des Homework-Cycles (Landers, 2013), also vom Aufgeben (▸ Kap. 3 und ▸ Kap. 4) über das Bearbeiten (▸ Kap. 5, ▸ Kap. 6 und ▸ Kap. 7) zum Kontrollieren und Besprechen der Aufgaben (▸ Kap. 8, ▸ Kap. 9 und ▸ Kap. 10) betrachten.

Gleichwohl wir keinen Hehl daraus machen möchten, dass wir einiges an der Praxis des Aufgebens, Anfertigens, Kontrollierens, Besprechens und Bewertens von Hausaufgaben kritisch sehen, möchten wir in diesem Band keinen moralischen Zeigefinger erheben und auch keine Ratschläge erteilen. Nein, das ganze Thema ist komplex, die Forschungslage uneindeutig und die Bedingungen an jeder Schule, bei jeder Lehrperson, bei jedem Schüler/jeder Schülerin und in jeder Familie sind so unterschiedlich, dass es gar keine eindeutigen Vorgaben geben kann, wie eine gute Hausaufgabenpraxis aussehen sollte. Stattdessen möchten wir Seiten von Hausaufgaben zeigen, die Sie so vielleicht noch nicht betrachtet haben (vgl. auch Bräu, Fuhrmann & Rother, 2023) und Anregungen zur Reflexion, Diskussion und zum bewussten Umgang mit Hausaufgaben geben.

Endnoten

1Zum Teil wurden einzelne Passagen der Fälle gekürzt, um die für das jeweilige Kapitel zentralen Aspekte der Situation stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Wenn solche Kürzungen vorgenommen wurden, ist dies durch Auslassungszeichen markiert.

2 Was wir aus der Forschung über Hausaufgaben wissen

Unter Hausaufgaben werden im engeren Sinn Aufgaben verstanden, die von Lehrpersonen aufgegeben werden und die in der Regel nach der verbindlichen Unterrichtszeit bearbeitet werden sollen (Hintz, Pöppel & Rekus, 1995, S. 139). In einem weiteren Verständnis werden unter Hausaufgaben alle Aktivitäten zusammengefasst, die Schüler:innen im Zusammenhang mit Unterricht und schulischen Prüfungen außerhalb des Unterrichts vollziehen, was auch freiwilliges Lernen, Nachhilfe, Vor- und Nachbereitung oder Zusatzübungen einschließt (Nilshon, 2001, S. 231). Neben dem namensgebenden häuslichen Umfeld als Erledigungsort ist im Zuge der Ausweitung von Ganztagsschulen in Deutschland die Hausaufgabenbetreuung in der Schule bedeutsamer geworden.

Hausaufgaben haben unterschiedliche Funktionen und Ziele: Neben der Funktion, dass Eltern über Hausaufgaben Lerninhalte und -fortschritte ihrer Kinder kontrollieren können (Informationsfunktion), werden meist didaktische von erzieherischen Funktionen unterschieden (Standop, 2013, S. 41 – 57). Zu den didaktischen bzw. unterrichtlichen Funktionen zählen v. a. die den Unterricht vor- und nachbereitenden Aktivitäten, wohingegen die Hausaufgaben erzieherisch auf die Ausbildung eines eigenverantwortlichen Arbeitsmanagements, die Förderung von damit verbundenen Tugenden sowie auf die Entwicklung von Interesse an Themen und Motivation zu selbstständigem Weiterlernen abzielen.

Inwiefern diese Ansprüche tatsächlich eingelöst werden, zeigt die empirische Forschung nicht ganz widerspruchsfrei.2

Einstellungen zu Hausaufgaben und Wirksamkeit

Sowohl ältere (Wittmann, 1964; Petersen, Reinert & Stephan, 1990) als auch neuere Befragungen (Standop, 2013) verweisen darauf, dass alle beteiligten Akteur:innen Hausaufgaben eine relativ hohe Bedeutung zumessen und die Akzeptanz groß ist. Dabei liegt die Zustimmung zu Hausaufgaben bei den Schüler:innen und Eltern sogar noch höher als bei den Lehrkräften (ebd., S. 130 f.). Ob Hausaufgaben aber tatsächlich wirksam sind, muss differenziert betrachtet werden. In der bekannten Hattie-Studie (2008) zeigt sich nur ein geringer positiver Effekt von Hausaufgaben, der allerdings sehr stark von Bedingungen wie Alter, Leistungsniveau, Fach, Art der Aufgabe und deren Einbettung in den Unterricht abhängig ist. Im Durchschnitt profitieren v. a. ältere und leistungsstärkere Schüler:innen von Hausaufgaben. Insbesondere die regelmäßige Erteilung von Hausaufgaben fördert die Lernentwicklung (Trautwein, Köller & Baumert, 2001), wohingegen eine große Menge an Aufgaben meist negative Auswirkungen hat (ebd., S. 715; Schnyder et al., 2006).

Eine regelmäßige Hausaufgabenbearbeitung durch die Lernenden hat einen stärkeren positiven Einfluss auf die Leistung als eine lange Bearbeitungszeit (Haag & Mischo, 2002). Auch die Motivation der Schüler:innen bei der Hausaufgabenbearbeitung ist der Leistungssteigerung zuträglich. Gleichzeitig erweisen sich Schüler:innen motivierter für Hausaufgaben, wenn sie sich für die Inhalte interessieren und sie als nützlich empfinden (Trautwein & Lüdtke, 2009; Dettmers, Trautwein & Lüdtke, 2009). Schließlich ist auch die Art der Einbindung in den Unterricht entscheidend für die Wirksamkeit von Hausaufgaben. Während Erledigungskontrollen nur geringe Effekte nachgesagt werden, zeigen Studien einen positiven Einfluss von inhaltlichen Rückmeldungen zu Hausaufgaben auf die Leistungsentwicklung (Lipowsky et al., 2004). Insgesamt ist die Wirksamkeit von Hausaufgaben also sehr voraussetzungsreich.

Studien zur Hausaufgabenvergabe

In Befragungen geben Lehrer:innen an, dass Hausaufgaben didaktisch überdacht sein müssten und dem selbstständigen Lernen dienen sollten, doch stehen diesen Zielsetzungen in der Praxis nicht immer entsprechende Vorüberlegungen gegenüber. Häufig werden Reproduktions- und Nachbereitungsaufgaben gestellt und selten besonders anregende Hausaufgaben ausgewählt, die den Schüler:innen Spielraum zur Entwicklung von eigenen Lösungswegen bieten würden. Ebenfalls selten sind differenzierende Aufgaben (Kohler, 2020; Standop, 2013; Hascher & Hofmann, 2008), obwohl viele Lehrer:innen gegenüber innerer Differenzierung auch im Hausaufgabenkontext positiv eingestellt sind (Petersen, Reinert & Stephan, 1990).

Was die Häufigkeit von Hausaufgaben betrifft, geben die meisten Grundschullehrer:innen eine tägliche Vergabe und viele Fachlehrer:innen der Sekundarstufe das Erteilen von Hausaufgaben in jeder Unterrichtsstunde an (Roßbach, 1995; Standop, 2013). Im Unterricht werden für das Aufgeben der Hausaufgaben – in der Regel am Ende der Stunde – nach Auskunft der Lehrkräfte maximal fünf Minuten verwendet, nur ein kleiner Anteil nimmt sich regelmäßig zehn Minuten oder länger dafür Zeit (Kohler, 2020; Petersen, Reinert & Stephan, 1990). Die Hausaufgabenvergabe stellt damit ein oftmals flüchtiges und endständiges unterrichtliches Ereignis dar, wodurch die erteilten Aufgabenstellungen leicht untergehen und/oder durch andere Tätigkeiten der Schüler:innen überlagert werden können. Die Kontakte zu den Mitschüler:innen erweisen sich dahingehend als entscheidende Ressource, um noch nachträglich in Erfahrung bringen zu können, welche Aufgaben erteilt wurden (Fuhrmann, 2023a).

Studien zur Hausaufgabenbearbeitung

Was die Dauer der Hausaufgabenbearbeitung betrifft, gibt es große Unterschiede zwischen den Schüler:innen. So wird herausgestellt, dass jüngere Kinder weniger Zeit mit Hausaufgaben als Schüler:innen höherer Klassenstufen (Roßbach, 1995; Wagner, 2005), Jungen weniger Zeit als Mädchen (Fölling-Albers, Haider & Meidenbauer, 2010; Xu, 2006) und Schüler:innen an Hauptschulen weniger Zeit als diejenigen an Gymnasien (Rolff et al., 1982) verbringen.

Verbunden ist die Hausaufgabenbearbeitung bei sehr vielen Schüler:innen (zumindest bis etwa zum 7. Schuljahr) mit der Beteiligung von Eltern oder anderen Familienangehörigen (Killus & Paseka, 2014). Angefangen von der Bereitstellung von Arbeitsplätzen (Kesselhut, 2023; Krinninger et al., 2018), was bisweilen auch das Freiräumen des Familientisches umfasst und die Versorgung mit Getränken einschließt (Nieswandt, 2014, S. 182), wird die Bearbeitung auch durch Anregung, Instruktion und Kontrolle begleitet (Trudewind & Wegge, 1989). Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Beteiligungsformen (Wingard & Forsberg, 2009), etwa Strukturgebung (Grolnick & Pomerantz, 2009) oder langwierige Recherchen für das Kind (Bräu, 2017a, S. 19).

Im Hinblick auf die Qualität der elterlichen Beteiligung unterscheiden Wild und Gerber (2007, S. 368 ff.) funktionale von dysfunktionalen Strategien der Hausaufgabenhilfe. Als dysfunktional werden v. a. stark kontrollierendes Verhalten und die direkte Einmischung in die Bearbeitung von Hausaufgaben verstanden. Dagegen wirke sich eine autonomiebegünstigende, auf indirekte Unterstützung setzende elterliche Haltung langfristig förderlich auf die Leistungsbereitschaft und die Motivation von Schüler:innen aus (Cooper et al., 2000; Dumont et al., 2012). Allerdings ist die gemeinsame Arbeit mit den Eltern bisweilen auch konfliktbehaftet, sodass viele Schüler:innen Einmischungen der Eltern, auch was den Zeitpunkt des Hausaufgabenmachens betrifft, zurückweisen und nur bei Bedarf Eltern hinzuziehen möchten (Budde & Bittner, 2018, S. 336; Dannesboe, 2016).

Inwiefern es einen Zusammenhang zwischen elterlichen Beteiligungsformen und familienstrukturellen sowie sozioökonomischen Merkmalen der Familie gibt, ist unklar. Zwar scheint dies naheliegend, wenn etwa Lange und Thiessen (2018) den Auftrag an Eltern, »Bildungscoaches« ihrer Kinder zu sein, dahingehend kritisch diskutieren, dass die Familie als Bildungswelt soziale Ungleichheit verschärfe. Moroni et al. (2016b) können jedoch keinen Zusammenhang zwischen den Typen elterlicher Beteiligung und Familienmerkmalen erkennen. Kaufmann und Wach (2010) hingegen zeigen zwar, dass in allen Milieus kontrollierendes Verhalten der Eltern und ein stark an der Produktion richtiger Ergebnisse und guter Noten orientiertes Verhalten zu verzeichnen ist. Allerdings sei eine am Verstehen ausgerichtete Kontrolle im Gegensatz zur ausschließlichen Überprüfung, ob das Kind die Hausaufgaben ordentlich gemacht habe, eher in Familien des mittleren und höheren sozioökonomischen Status zu finden (ebd., S. 130 – 133). Chandler et al. (1986) sehen einen Unterschied hinsichtlich unterstützender Elternbegleitung eher in der Bildungsaspiration als im Wohlstandsstatus.

Für die Jugendlichen stehen Hausaufgaben oft in einem zeitlichen Konflikt zu Freizeit und Peeraktivitäten. Und egal, wem sie Priorität einräumen, dem Lernen oder den Freizeitaktivitäten, wirkt sich die jeweils nicht gewählte Aktivität beeinträchtigend auf die gewählte aus, sei es durch ein schlechtes Gewissen, nicht für die Schule zu arbeiten, sei es durch schwindende Motivation für schulische Aufgaben, wenn alternativ Freund:innen zum Spielen auf einen warten (Hofer et al., 2008). Das Abschreiben bietet dahingehend eine Möglichkeit, diese Konflikte zu entschärfen (Kohler & Katenbrink, 2023). Die Verbreitung des Abschreibens von Hausaufgaben wird von Kohler et al. (2013) als alters-‍, geschlechts- und fachabhängig gesehen. Hierfür sind heute neben den klassischen Formen des Abschreibens insbesondere die neuen Medien interessant geworden (Rummler, 2018). WhatsApp-Gruppen sowie einschlägige Portale und Blogs ermöglichen das Verschicken von Hausaufgaben; ob solche Veröffentlichungen auch dem Abschreiben dienen, konnte Rummler allerdings nicht nachweisen (ebd., S. 57). Unabhängig davon stellen neue Medien eine große Hilfe bei der Hausaufgabenbearbeitung dar. Nach der JIM-Studie (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2016) werden nämlich Online-Medien wie Google, Wikipedia, YouTube-Erklärvideos oder eben Hausaufgabenportale je nach Alter und Geschlecht zwischen 30 und 45 Minuten täglich für das Hausaufgabenmachen genutzt (ebd., S. 46). Zur Nutzung von KI (z. B. Chat-GPT) liegen zum Zeitpunkt dieser Publikation noch keine belastbaren Studien vor.

Studien zur Hausaufgabenkontrolle, -besprechung und -bewertung

Die Mehrheit der Lehrkräfte gibt an, eine Kontrolle und Besprechung der Hausaufgaben in jeder Unterrichtsstunde oder häufig durchzuführen (Hascher & Hofmann, 2008). Allerdings erstreckt sich diese Kontrolle nicht immer auf alle, sondern bisweilen nur auf einzelne Schüler:innen (vgl. auch Roßbach, 1995). Für einen großen Teil der Lehrkräfte steht zwar nach eigenen Angaben der Lösungsweg im Vordergrund, im Verlauf der Besprechung rückt dieser aber gegenüber einer Produktorientierung, also ob eine Lösung im Heft steht oder nicht, in den Hintergrund. Wie oben aufgeführt, hat aber gerade die inhaltliche Besprechung der Hausaufgaben eine förderliche Wirkung auf Leistung und Motivation der Schüler:innen (Haag, 1991; Lipowsky et al., 2004).

Für den Umgang mit fehlenden Hausaufgaben sind Unterschiede zwischen verschiedenen Schulformen auszumachen: Während am Gymnasium eine pragmatische Orientierung bei fehlenden Hausaufgaben dominiert, sind an der Sekundarschule Kontroll-‍, Disziplinierungs- und Moralisierungspraktiken häufig (Zaborowski & Breidenstein, 2011, S. 155). Ähnliche Unterschiede stellen Budde und Geßner (2017; vgl. auch Geßner, 2015) bei Hausaufgabenbesprechungen an einem Gymnasium, einer Sekundar- und einer Gesamtschule fest. Sie schlussfolgern, dass am Gymnasium die sachlich-inhaltliche Dimension des Unterrichts im Vordergrund stehe (Budde & Geßner, 2017, S. 248 f.), während an Sekundar- und Gesamtschulen nicht selten erzieherischen und disziplinarischen Maßnahmen im Zusammenhang mit Hausaufgaben Priorität vor den Inhalten eingeräumt wird (ebd., S. 242 und 245).

›Haus‹aufgaben an Ganztagsschulen

In gebundenen Ganztagsschulen existieren Hausaufgaben im klassischen Sinn oft nicht mehr, vielmehr sind entsprechende Aufgaben in den Unterricht oder in Selbstlernzeiten integriert. Die meisten offenen Ganztagsschulen bieten eine Hausaufgabenbetreuung an (StEG-Konsortium, 2019, S. 105), die in der Regel vom vorwiegend vormittags stattfindenden Unterricht getrennt abläuft und für viele Eltern das wichtigste Argument ist, sich für eine Ganztagsschule zu entscheiden (Dieckmann et al., 2007, S. 167). Die Eltern haben hohe Erwartungen an Verlässlichkeit und Qualität dieser Betreuung (Höhmann & Schaper, 2008, S. 578; Standop, 2013, S. 236), auch insofern, als ausgebildetes pädagogisches Personal die Lernunterstützung bei den Hausaufgaben besser leisten könne als sie selbst (Börner et al., 2010, S. 210; Beher et al., 2007, S. 147).

Gemessen an ihren hohen Erwartungen betrachten Eltern die Realität der Hausaufgabenbetreuung an der offenen Ganztagsschule allerdings eher kritisch. Sie wünschen sich eine bessere personelle Ausstattung und eine intensivere Förderung ihrer Kinder (Nordt, 2013, S. 58 f.). Dabei wird auch der fehlende Kontakt der Klassenlehrkräfte zum Nachmittagsbereich einschließlich der Hausaufgabenbetreuung beklagt (Standop, 2013, S. 234 f.). Das Konzept der Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen wird den damit verbundenen Wünschen und Ansprüchen der Eltern somit nicht voll gerecht.

Fazit

Die empirische Forschung zeigt, was viele Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern auch so wissen: Hausaufgaben können den Lernfortschritt, die Lernmotivation und das selbstständige Arbeiten von Schüler:innen unter guten Bedingungen verbessern. Sie können im Alltag aber auch wirkungslos oder sogar kontraproduktiv sein, wenn solche positiven Effekte von langweiligen oder zeitfressenden Aufgaben, priorisierten Freizeitinteressen, konfliktbehafteten Bearbeitungssituationen, stark kontrollierendem Verhalten von Eltern und Lehrer:innen, Sanktionen bei fehlenden Hausaufgaben oder von feedbackarmen Besprechungen überlagert werden.

Was die empirische Hausaufgabenforschung im Überblick zeigt, soll im Folgenden an ganz konkreten Fällen im Kleinen untersucht werden. Was geschieht in der Praxis rund um Hausaufgaben, wenn man mal genau hinschaut? Und was kann man daraus für eine gute Praxis lernen? Oder sollte man Hausaufgaben ganz abschaffen? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Endnoten

2Für eine ausführlichere Darstellung des Forschungsstandes zu Hausaufgaben siehe Bräu und Fuhrmann (2022) oder Standop (2013).

3 Hausaufgaben aufgeben

Die Vergabe von Hausaufgaben zählt zu den Phasen der Hausaufgabenpraxis, die wissenschaftlich bislang eher randständig untersucht wurde. Das ist insofern verwunderlich, als dass mit der Hausaufgabenvergabe der ›Kreislauf‹ der Hausaufgaben in Gang gesetzt wird – sie stellt den Auftakt für alle nachfolgenden Phasen dar: die sich anschließende Hausaufgabenbearbeitung sowie eine spätere Wiedereinbindung in den Unterricht in Form einer Kontrolle und/oder Besprechung. Ein Blick auf die Hausaufgabenvergabe verspricht nun Aufschluss zu geben, was zu welchen Zeiten unter Einbezug welcher Medien bei der Hausaufgabenvergabe im Unterricht geschieht. Aufgegriffen werden drei relevante Themen: Zunächst der Zeitpunkt der Vergabe und der Umfang von Aufgaben (▸ Kap. 3.1), die Dokumentation der Aufgaben in unterschiedlichen Medien (▸ Kap. 3.2) sowie Disziplinierung und Konflikte (▸ Kap. 3.3), die mit der Hausaufgabenvergabe verbunden sein können.

3.1 Zeitpunkt und Umfang der Vergabe

Hausaufgaben werden oftmals am Ende von Unterrichtsstunden vergeben (Kohler, 2020), demgegenüber lassen sich nur selten auch andere Zeitpunkte der Hausaufgabevergabe beobachten. Mit den je verschiedenen Zeitpunkten, zu denen Hausaufgaben im Unterricht erteilt werden, eröffnen sich unterschiedliche Möglichkeiten oder auch Begrenzungen für die Vermittlung der Aufgaben. Zudem wirkt sich auch die jeweilige Menge der erteilten Hausaufgaben auf deren Vergabe aus. Dem soll mit den folgenden Fällen nachgespürt werden.

Zeitpunkte der Hausaufgabenvergabe

Mit den folgenden zwei Fällen rücken verschiedene Zeitpunkte der Hausaufgabenvergabe im Unterricht in den Blickpunkt. Zunächst eine Vergabe am Ende einer Erdkundestunde in einer 6. Klasse:

Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Ende der 5. Stunde. In der 6. Stunde haben die Schüler:innen Englisch bei einer anderen Lehrperson. Es gibt kein Klingelzeichen, denn dieses ertönt nur nach den Doppelstunden im Übergang zur Pause.

Die Schüler:innen haben schon ihr Englischbuch herausgeholt und den Vokabelteil im hinteren Teil des Buches aufgeschlagen. Sie schreiben wohl einen Englischtest, was sie bereits in der vorherigen Deutschstunde erwähnt haben. Frau Kurze nimmt ihren Rucksack und wirft noch einen kurzen Blick rechts ins Klassenbuch, das aufgeschlagen auf dem Tisch liegt. »Ahhh« macht sie und dreht sich schnell zur Tafel um. Sie klopft mit der Faust auf die Tafel und ruft: »Stopp! Hausaufgabe!«

Die Schüler:innen stöhnen auf. Frau Kurze schreibt mit rasanter Geschwindigkeit ›Protokolliere deinen Fleischverzehr in einer Woche (bis Montag)‹ an die Tafel.Erdkunde Klasse 6, Gymnasium (aus: Fuhrmann, 2022, S. 86)

Schauen wir nun auf ein Kontrastbeispiel, eine Hausaufgabenvergabe im Verlauf einer Unterrichtsstunde:

Die Hälfte der Stunde ist nun vorüber, die Schüler:innen arbeiten an den Aufgaben, Frau Kurze steht vorne am Pult und wirft einen Blick in ihre Unterlagen. Dann dreht sie sich um und schreibt die Hausaufgabe an der Seitentafel an:

1)

Bericht Spürnasen im Schnee mit der Musterlösung zu Ende vergleichen

2)

Fußballtraining einmal anders 🡪 W-Fragen

Nachdem Frau Kurze die Hausaufgabe angeschrieben hat, geht sie in die Mitte. Sie fordert die Schüler:innen auf, die Arbeit zu unterbrechen. Die Schüler:innen schreiben weiter, einige reden mit ihren Mitschüler:innen. »Hände hoch« ruft Frau Kurze. Die Schüler:innen blicken auf und legen ihre Stifte weg. Die Hände gehen nach oben. Frau Kurze wartet, bis alle Hände oben sind. »Ihr bekommt von mir als Hausaufgabe zwei Aufgaben«, fährt sie fort, die Schüler:innen nehmen ihre Hände wieder nach unten. Sie erläutert, dass der Bericht vollständig mit der Musterlösung verglichen werden soll und dann die W-Fragen aus dem Text »Fußballtraining einmal anders« rausgeschrieben werden sollen.Deutsch Klasse 6, Gymnasium

Welche Vorteile sind mit einer Hausaufgabenvergabe in der Mitte bzw. am Ende der Unterrichtsstunde verbunden? Welche Nachteile sehen Sie jeweils?

Welche Techniken würden Sie als hilfreich ansehen, damit die Hausaufgabenvergabe im Verlauf des Unterrichts nicht in Vergessenheit gerät und in die Unterrichtsvorgänge eingebunden wird?

Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie bemerken, dass die Schüler:innen mit anderen (Unterrichts-)‌Tätigkeiten beschäftigt sind, sodass die Hausaufgabenvergabe unbemerkt bleibt? Wie können Unterbrechungen von Unterrichtstätigkeiten für Schüler:innen minimiert werden?

Die Hausaufgabenvergabe in der ersten Szene erfolgt am Ende der Unterrichtszeit, im Übergang zur Folgestunde. Die Tätigkeiten der Schüler:innen sind bereits auf den anstehenden Englischunterricht ausgerichtet und auch die Lehrerin ist dabei, das Klassenzimmer zu verlassen, was durch den Griff nach ihrem Rucksack deutlich wird. Allerdings scheint der Blick ins Klassenbuch die Hausaufgabe in Erinnerung zu rufen, die bislang noch nicht erteilt wurde. Der Ausruf von Frau Kurze markiert die Hausaufgabenvergabe als Anliegen, das in Vergessenheit geraten ist und nun noch unter Zeitdruck nachgeholt werden muss. Die Tafel wird zum zweifachen Hilfsmittel für die Hausaufgabenvergabe: So stellt das Klopfen auf die Tafel zunächst ein akustisches Signal dar, um die Aufmerksamkeit der Schüler:innen zurückzugewinnen, der anschließend vorgenommene Anschrieb verdeutlicht dann die Hausaufgabenstellung. Die Schüler:innen markieren demgegenüber ihren Unmut über die späte Hausaufgabenvergabe, mit der überdies ihre vorbereitenden Tätigkeiten auf den Englischtest unterbrochen werden.

Mit einer Hausaufgabenvergabe ganz am Ende der Unterrichtszeit oder gar im Übergang zu Folgestunden oder Pausen ergibt sich für Lehrer:innen sowohl Zeitdruck, die Hausaufgabe noch bekannt zu geben als auch eine erhöhte Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit der Schüler:innen zurückzugewinnen, wenn diese bereits auf andere Tätigkeiten ausgerichtet ist. Gleichzeitig lässt sich nach der Relevanz der Hausaufgabe im Unterricht fragen, wenn sie in dessen Verlauf in Vergessenheit gerät. Auch für die Schüler:innen erhält die Hausaufgabe in solch einer verspäteten Vergabe leicht den Status eines nachträglichen Anhängsels an den Unterricht, der sich nicht zwingend aus den Unterrichtsinhalten ergibt, sondern lediglich der täglichen Routine geschuldet ist. Darüber hinaus ist mit der Platzierung der Hausaufgabenvergabe am Ende der Stunde auch das Risiko verbunden, dass keine Zeit mehr für mögliche Rückfragen von Schüler:innen bleibt.

Demgegenüber wird die Hausaufgabe im zweiten Fall im Verlauf der Unterrichtsstunde erteilt. Ähnlich wie in der ersten Szene sind die Schüler:innen mit anderen Tätigkeiten beschäftigt, die hier in der Auseinandersetzung mit einer Unterrichtsaufgabe bestehen. Während sie noch in die Aufgaben vertieft sind, schreibt die Lehrerin die Hausaufgabe an der Seitentafel an. Trotz der Visualisierung an der Tafel droht die Hausaufgabe nun auch in dieser Unterrichtsstunde unterzugehen, wenn sie von den Schüler:innen über die Beschäftigung mit anderen Tätigkeiten nicht registriert wird (Fuhrmann, 2023a, S. 83 f.; 2022, S. 201 f.). Dies scheint auch der Lehrerin aufzufallen, denn sie unterbricht die Arbeit der Schüler:innen, um explizit auf die Hausaufgabe hinzuweisen und diese auch zusätzlich zu erläutern. Indem die Lehrerin die Aufmerksamkeit der Schüler:innen auf die Hausaufgabenvergabe lenkt, unterstützt sie, dass diese zur Kenntnis genommen und nicht durch die parallel erfolgenden Tätigkeiten überlagert wird. Dies hat allerdings den Preis, dass Schüler:innen bei der aktuellen Aufgabenbearbeitung unterbrochen werden und danach erst wieder den Anschluss finden müssen.

Auch hier wird also der Hausaufgabenvergabe gegenüber den Schüler:innenaktivitäten Priorität eingeräumt. Im Unterschied zum ersten Fall findet die Unterbrechung allerdings innerhalb des Unterrichts statt, sodass den Schüler:innen nicht die Übergangszeit und damit verbundene Vorbereitung auf nachfolgende Unterrichtsstunden beschnitten wird. Überdies wird die Hausaufgabenvergabe für alle Beteiligten auch darüber entzerrt, dass sie nicht mit zeitlichem Druck am Ende der Stunde vergeben wird. Die Erteilung der Hausaufgabe sowie eine darauffolgende Rückkehr zu der Unterrichtsarbeit mit Zeit für deren Fertigstellung kann somit im Anschluss an die Hausaufgabenvergabe moderiert und miteinander verbunden werden.

Mit einer Hausaufgabenvergabe am Ende und im Verlauf der Unterrichtsstunde konnten zwei verschiedene Zeitpunkte für die Erteilung von Hausaufgaben im Unterricht gegenübergestellt und auf die damit verbundenen An- und möglichen Herausforderungen ausgelotet werden. Weitaus häufiger greifen Lehrpersonen auf eine Bekanntgabe der Hausaufgaben am Ende von Unterrichtsstunden zurück, mit der allerdings auch die oben aufgezeigten Risiken verbunden sein können, dass mit dem Studenende Informationen untergehen oder nicht mehr vermittelt werden können und die Relevanz der Hausaufgabe fraglich erscheint. Ausreichend Zeit für die Hausaufgabenvergabe in der Unterrichtsplanung kann demgegenüber dazu beitragen, den Schüler:innen die Aufgaben und die Anforderungen an deren Bearbeitung kenntlich zu machen und darüber auch die inhaltliche Funktion der Hausaufgabe im Unterrichtsverlauf zu verdeutlichen.

Auch eine Hausaufgabenvergabe im Verlauf der Unterrichtsstunde erfordert einige Überlegungen, denn sie kann mit anderen Unterrichtstätigkeiten zusammenfallen und von diesen überlagert werden. Es wäre ebenfalls zu überlegen, wie die Hausaufgabe in die Arbeitsprozesse im Unterricht integriert werden könnte, um diese möglichst wenig zu unterbrechen und trotzdem eine Kenntnisnahme der Hausaufgabenstellung bei den Schüler:innen zu gewährleisten, insbesondere, wenn es sich um mehrteilige oder komplexe Aufgabenstellungen handelt.

Die Menge von Hausaufgaben

Die Menge der zu bearbeitenden Hausaufgaben ist nicht allein von dem Aufgabenpensum der einzelnen Unterrichtsstunde abhängig, sondern summiert sich für die Schüler:innen mit den verschiedenen Fächern über den Verlauf des Schultages. Eine solche Ansammlung von Hausaufgaben führt im folgenden Fall zu Einwänden gegen die Hausaufgabenvergabe.

Frau Kurze stellt sich ans Pult. »Hausaufgabe« sagt sie. Sofort werden Rufe laut: »Oh, bitte keine Hausaufgabe.« Die Lautstärke steigt an, die Rufe der Schüler:innen überlagern sich, sodass ich die einzelnen schwer oder gar nicht verstehen kann. Ich höre viele ›nein‹ und ›bitte nicht‹ heraus. Felicitas ruft: »Nee, wir haben doch schon so viel auf.« Frau Kurze schaut verdutzt. »Hausaufgabe« wiederholt sie und dreht sich an die Tafel. »Einmal nicht, bitte, Frau Kurze, wir schreiben doch eine Arbeit«, wirft Isabelle ein. »Montag ist so ein harter Tag«, fügt Pia hinzu. Frau Kurze hat sich wieder umgedreht. »Wenn ich euch die Hausaufgabe erlasse und wir machen die Hausaufgabe jetzt in der Stunde, brauche ich sehr gute Argumente von euch, nämlich, wie weit ihr am Ende der Stunde seid«, sagt Frau Kurze und hat dabei den rechten Arm in die Hüfte gestemmt. Sie geht hinter das Pult und blättert im Klassenbuch. Dann blickt sie auf und sagt, dass diejenigen, die die Aufgabe vier nicht hätten, diese zu Hause machen müssten. Die Hausaufgabe wäre gewesen, Attribute genau zu bestimmen. Sie müsse dann davon ausgehen können, dass alle die Attribute bestimmen könnten. Einige Schüler:innen nicken, andere sind wieder in ihr Arbeitsheft vertieft. Die Bearbeitung der Aufgaben im Arbeitsheft wird fortgesetzt. Am Ende der Stunde gibt es tatsächlich keine Hausaufgaben.Deutsch Klasse 6, Gymnasium

Wie würden Sie mit solchen oder ähnlichen Einwänden gegen Hausaufgaben umgehen?

Gibt es Regelungen an Ihrer Schule/der Schule Ihres Kindes, wie die Gesamtmenge von Hausaufgaben innerhalb einer Woche für die Schüler:innen zwischen den Fachlehrer:innen abgestimmt werden kann?