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***BAND 1-2 DER FESSELNDEN HEINZ-SABLATNIG-KRIMI-REIHE IN EINEM SAMMELBAND***
DIE TOTE IM RAMPENLICHT
Der bevorstehende Auftritt der deutschen Schlagersängerin Saskia Frenzen bei der "Starnacht am Wörthersee" begeistert offenbar nicht jeden: Ein anonymer Brief droht ihr mit dem Tod, sollte sie die Bühne betreten.
Der Klagenfurter Privatdetektiv Heinz Sablatnig erhält den Auftrag, den Schreiber des Drohbriefs ausfindig zu machen und so für Saskias Sicherheit zu sorgen. Heinz beginnt seine Ermittlungen in dem Hotel, in dem die Sängerin vor ihrem Auftritt residiert.
Die Hotelangestellten vermitteln ihm ein zwiespältiges Bild von dem Star. Wie es scheint, hat Saskia zwei Persönlichkeiten, eine freundliche und eine biestige. Ist dieses divenhafte Verhalten das Motiv für die Todesdrohung? Heinz kann einige Verdächtige isolieren, doch gerade als die Spur heißer wird, schnappt eine perfide Falle zu und es gibt eine Tote. Der mediale Rummel ist groß und schnell stellt sich heraus, dass nichts so ist, wie es scheint und Heinz dem Mörder eventuell näher ist als er denkt.
Neuauflage von Starmord am Wörthersee.
DER BRAVE SOHN
Vor Jahren folgte Landesrat Rudi Moritsch seiner Mutter als Chef einer Mitte-links-Partei nach. Seither glänzte er durch stupide Arroganz, rücksichtslose Machtpolitik und eine schier unglaubliche Blasiertheit.Als er auf einer öffentlichen Toilette erwürgt aufgefunden wird, herrscht kein Mangel an Verdächtigen.
Moritschs Mutter, die in ihrer Aktivzeit ebenfalls als machthungrige Politikerin bekannt war, beauftragt Berufsdetektiv Heinz Sablatnig, den Mörder zu finden. Als Heinz sie in einem noblen Altersheim am Wörthersee kennenlernt, ahnt er, dass hinter der gebrechlichen alten Dame im Rollstuhl, die von wiederkehrender geistiger Umnachtung heimgesucht wird, mehr steckt, als es den Anschein hat.
Bei seinen Ermittlungen befragt Heinz unter anderen den besten Freund des Ermordeten, der eine Schwulenbar betreibt, eine weitere Spur führt zur Katholischen Kirche.
Ist der Mörder hier zu finden, im Kirchen- oder im Homosexuellen-Milieu? Oder hat das Motiv seine Wurzeln in der Vergangenheit, als Moritschs Mutter ihrem braven Sohn noch beibrachte, wie man das Spiel der Macht spielt?
Neuauflage vonTotenmesse. Beide Teile können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Roland Zingerle
Über den Autor:
Roland Zingerle, geboren 1973, lebt und arbeitet in Klagenfurt am Wörthersee. Er studierte Germanistik und Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Journalist und Kulturmanager, ehe er sich als Schriftsteller selbstständig machte. Zingerle verfasst Romane und Sachbücher und unterrichtet deutsche Literatur und kreatives Schreiben.
rolandzingerle.at
Buchbeschreibung:
Die Tote im Rampenlich
Der bevorstehende Auftritt der deutschen Schlagersängerin Saskia Frenzen bei der „Starnacht am Wörthersee“ begeistert offenbar nicht jeden. Denn ein anonymer Brief droht ihr mit dem Tod, sollte sie die Bühne betreten.
Der Klagenfurter Berufsdetektiv Heinz Sablatnig erhält den Auftrag, den Schreiber des Drohbriefs ausfindig zu machen und so für Saskias Sicherheit zu sorgen. Heinz beginnt seine Ermittlungen im Hotel, wo die Sängerin vor ihrem Auftritt residiert.
Die Hotelangestellten vermitteln ihm ein zwiespältiges Bild von dem Star: Wie es scheint, hat Saskia zwei Persönlichkeiten, eine respektvolle und freundliche, und eine biestige und rücksichtslose. Ist dieses divenhafte Verhalten das Motiv für die Todesdrohung? Heinz kann einige Verdächtige isolieren, doch gerade als die Spur heißer wird, schnappt eine perfide Falle zu und Heinz, Saskia, sowie deren Visagistin Anne werden betäubt und anschließend entführt.
Heinz und Saskia erwachen in einem dunklen, abgeschlossenen Raum – neben Annes Leiche. Diese Wendung der Ereignisse wirft für den Detektiv eine Reihe von Fragen auf: Wer hat die Entführung veranlasst? War Annes Tod ein Unfall oder war sie vielmehr das Ziel des Mörders und der anonyme Brief nur die Ablenkung? Oder dient Anne, nun die Tote im Rampenlicht, nur dazu, das wahre Motiv des Mörders zu verbergen?
Dieser Roman ist eine Neuauflage von Starmord am Wörthersee.
Der brave Sohn
Vor Jahren folgte Landesrat Rudi Moritsch seiner Mutter als Chef einer Mitte-links-Partei nach. Seither glänzte er durch stupide Arroganz, rücksichtslose Machtpolitik und eine schier unglaubliche Blasiertheit. Einen unliebsamen Parteifreund trieb er in den Ruin und demütigte ihn, bis dieser handgreiflich wurde. Von einer Klage wegen Körperverletzung sah der Landesrat nur ab, weil die Frau des Parteifreundes bereit war, mit ihm zu schlafen. Dann erpresste Moritsch einen Kirchenmann, um günstig ein Grundstück zu bekommen, das seinen politischen Plänen entgegenkam – und denen einer Immobiliengesellschaft, mit der der Landesrat irgendwie dubios verbandelt war.
Als er auf einer öffentlichen Toilette erwürgt aufgefunden wird, herrscht also kein Mangel an Verdächtigen.
Moritschs Mutter, die in ihrer Aktivzeit ebenfalls als machthungrige Politikerin bekannt war, beauftragt Berufsdetektiv Heinz Sablatnig, den Mörder zu finden. Als Heinz sie in einem noblen Altersheim am Wörthersee kennenlernt, ahnt er, dass hinter der gebrechlichen alten Dame im Rollstuhl, die von wiederkehrender geistiger Umnachtung heimgesucht wird, mehr steckt, als es den Anschein hat.
Bei seinen Ermittlungen befragt Heinz unter anderen den besten Freund des Ermordeten, der eine Schwulenbar betreibt, eine weitere Spur führt zur Katholischen Kirche.
Ist der Mörder hier zu finden, im Kirchen- oder im Homosexuellen-Milieu? Oder hat das Motiv seine Wurzeln in der Vergangenheit, als Moritschs Mutter ihrem braven Sohn noch beibrachte, wie man das Spiel der Macht spielt?
Der Brave Sohn ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel Totenmesse.
Roland Zingerle
Alpenkrimi 1 & 2
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Januar 2025 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Lektorat: Volker Neumann – https://www.krimi-lektorat.de/lektorat.html
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Liedtext »Fremde Gefühle«: Stefan Wrana
Cover: Chris Gilcher
https://buchcoverdesign.de/
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Roland Zingerle
Die Tote im Rampenlicht
Alpenkrimi 1
Mittwoch, 22 Uhr
Ein kalter Windstoß wehte über den Parkplatz, als Heinz Sablatnig auf den Eingang zum Abflugbereich zuging. Dort sah er Direktor Oberhofer wie einen Tiger in seinem Käfig hin- und herlaufen.
»Na endlich, Sablatnig, wo bleiben Sie denn?«
Heinz drückte ihm stumm die Hand. Es hatte keinen Sinn, darauf hinzuweisen, dass er pünktlich gekommen war, Oberhofer brauchte offenbar das Gefühl, in der Offensive zu sein, egal ob er im Recht war.
»Kommen Sie«, sagte der Direktor, »wir müssen dorthin.« Er wandte sich nach rechts und ging voraus, der Außenfassade des Flughafens Klagenfurt entlang.
Als Landesdirektor der Fiducia Versicherungsgesellschaft für Kärnten und Osttirol war Oberhofer der beste Kunde von Heinz Sablatnigs Ein-Mann-Detektei. Nicht nur, dass er gut und pünktlich bezahlte, auch seine Aufträge waren immer interessant, oft auch außergewöhnlich. Das erleichterte es Heinz, über das anmaßende Verhalten des Direktors hinwegzusehen.
Dieser betrat nun das Flughafengebäude durch eine unscheinbare Tür, die zu einem engen Gang führte. Heinz folgte ihm bis zu einer schmalen Glasfront, hinter der ein Mann saß, dem der Landesdirektor grußlos seinen Ausweis hinhielt und erklärte: »Oberhofer und Sablatnig.«
Der Mann nickte und warf einen Kontrollblick auf den Monitor vor sich. »Ihre Maschine landet gleich«, sagte er.
Heinz stutzte – unsere Maschine?
Der Direktor musterte ihn mit einem verstohlenen Seitenblick. Er fand es wohl seltsam, dass Heinz ihm keine Fragen stellte. Dann ging er weiter voran zum Sicherheitskorridor, wo zwei Security-Leute auf sie warteten. Außer Heinz und Oberhofer waren keine weiteren Fluggäste zu sehen. Heinz empfand die Situation als eigenartig – aber nicht eigenartiger als die Tatsache, dass er mit Oberhofer nun irgendwohin fliegen sollte.
Als der Versicherungsmann ihn am Nachmittag angerufen hatte, hatte er nichts davon erwähnt, sondern nur gesagt, Heinz solle ihn um 22 Uhr vor dem Eingang zum Abflugbereich treffen. Aber Heinz war es gewohnt, dass sein Auftraggeber Informationen zurückhielt, das gab ihm Macht über andere – wie er offenbar glaubte. Heinz seufzte.
Nach dem Sicherheitscheck legte er seinen Gürtel wieder an und verstaute Brieftasche, Schlüssel und Mobiltelefon. Dann gingen er und der Direktor auf das Rollfeld hinaus. Obwohl es Mitte Juli war, trugen sie beide Windjacken, denn die Kaltwetterfront der vergangenen Woche hatte die Temperaturen empfindlich sinken lassen. Zwar war sie mittlerweile wieder abgezogen, doch der Sommer kehrte nur langsam zurück. Die Jacke erwies sich nun als gute Wahl, denn der böige, unangenehm kalte Wind wurde stärker. Heinz hörte das entfernte Aufbrüllen von Flugzeugturbinen, und schon im nächsten Augenblick zischte hinter den Hangars für die Sportflugzeuge ein Privatjet auf der Landebahn daher und verlor rasch an Geschwindigkeit.
Direktor Oberhofer deutete mit dem Kinn auf die kleine Passagiermaschine und brummte: »Das ist sie.«
In nunmehr langsamer Fahrt und mit blinkenden Lichtern verließ das Flugzeug die Landebahn und folgte dem Kleinwagen mit dem Follow Me-Schild, welcher auf das Flughafengebäude zusteuerte. Etwa dreißig Meter vor ihnen schwenkte das Flugzeug nach rechts und blieb stehen. Am Rumpf sah Heinz den Schriftzug eines deutschen Bioenergie-Unternehmens und am Seitenleitwerk das dazugehörige Logo. Das musste nichts bedeuten, denn wie Heinz wusste, vermieteten große Firmen ihre Jets, wenn sie sie selbst nicht brauchten. Damit finanzierten sie einen Teil der Erhaltungskosten.
Nach einigen Sekunden schwoll der Turbinenlärm ab, und schließlich klappte direkt hinter der Pilotenkanzel eine Tür nach unten, an deren Innenseite eine Stiege angebracht war. Ohne ein Wort zu sagen, ging der Landesdirektor auf den Jet zu. Heinz folgte ihm. Aus der Türöffnung lächelte ihnen eine Frau mit ostasiatischen Zügen entgegen. Die Stewardess war mit einer adretten, für Heinzʼ Geschmack etwas zu offiziellen Uniform bekleidet. Ihre streng nach hinten gebundenen Haare schimmerten im selben Schwarz wie ihre mandelförmigen Augen, als Kontrast dazu leuchteten ihre weißen Zähne zwischen dunkelroten Lippen hervor.
»Willkommen an Bord«, sagte sie mit norddeutschem Akzent, als Oberhofer und Heinz die Treppe hinaufstiegen.
Während der Versicherungsmann aufgrund seiner Körpergröße geduckt die Fluggastkabine betrat, las Heinz die Typenbezeichnung des Flugzeugs, die neben dem Einstieg am Rumpf angebracht war: Bombardier Learjet 85.
»Wenn Sie bitte Platz nehmen würden?« Die Stewardess deutete mit einer eleganten Handgeste in den Fluggastraum.
Rechts und links eines engen Mittelgangs waren je vier Sitze in zwei einander gegenüberliegenden Paaren montiert. Der ganze Innenraum war in cremeweißen Tönen gehalten und wirkte höchst elegant. Von den beiden in Flugrichtung positionierten Sitzpaaren erhoben sich zwei Männer – die einzigen Passagiere des Learjets. Der eine war schlank und ein paar Zentimeter kleiner als Heinz; er schätzte ihn auf einsfünfundsiebzig. Er trug eine Designerbrille und Freizeitkleidung, der Heinz auf den ersten Blick ansah, dass sie nie auf einem Wühltisch gelegen war. Dies und ein flotter Kurzhaarschnitt verliehen dem Mann ein jugendlich-agiles Aussehen, welches jedoch keinem zweiten Blick standhielt. Seine Bewegungen, vor allem aber seine Augen verrieten Heinz, dass der Mann eher Ende dreißig als Ende zwanzig war.
Den zweiten Fluggast konnte Heinz noch leichter einschätzen. Im Gegensatz zum ersten war er eindeutig Ende zwanzig und trug einen erkennbar billigen Anzug, in dem er wirkte, als fühlte er sich nicht wohl darin. Er war breit gebaut, sein Kurzhaarschnitt wirkte militärisch, und sein weißes Hemd war von Muskeln gewölbt. Seine Augen schnellten umher, als wollten sie möglichst rasch möglichst viele Details erfassen. Heinz nahm an, dass dieser Mann der Leibwächter des anderen war.
Oberhofer schüttelte beiden Männern die Hände, während er sich in weltmännischer Manier vorstellte. »Guten Abend, Magister Oberhofer, Landesdirektor der Fiducia Versicherungsgesellschaft. Schön, dass Sie es einrichten konnten.«
Dann setzte er sich dem Schlankeren gegenüber, der sowohl ihn als auch Heinz mit: »Frank Mertens, freut mich«, begrüßte.
Als Heinz dem Zweiten die Hand drückte, starrte dieser ihm in die Augen und sagte kurz und mit tiefer Stimme: »Müller.« Er war etwas größer als Heinz, und der Druck seiner Hand war wie der einer Schraubzwinge. Heinz ließ sich ihm gegenüber auf dem cremeweißen Ledersessel nieder.
»Was darf ich den Herren zu trinken anbieten?«
Heinz wandte den Kopf und blickte in das professionell-freundliche Gesicht der Stewardess über sich. »Tomatenjuice, bitte.«
Wenn er flog, trank Heinz immer Tomatensaft, sonst aber nie. Auf dem Tischchen zwischen ihm und Müller stand eine halb leergetrunkene Kaffeetasse, auf jenem zwischen Oberhofer und Mertens ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit und ein paar Eiswürfeln; Heinz tippte auf Gin Tonic.
Nachdem der Landesdirektor stilles Wasser bestellt hatte, kam Frank Mertens ohne Umschweife zur Sache: »Machen wir es kurz, ich muss heute noch nach Palma. Saskia soll auf Mallorca ein Konzert geben, und ich bin mit den Konditionen des Veranstalters dort noch nicht einverstanden.«
Heinz fiel auf, dass Mertensʼ Sprechweise zwischen Hochdeutsch und einem bayerischen Dialekt schwankte.
»Worum geht es hier. Wie Sie wissen, tritt Saskia am kommenden Freitag und Samstag beim Zwanzig-Jahr-Jubiläum der Starnacht am Wörthersee auf. Eine große Ehre, die sie zweifellos verdient hat.«
Heinz konnte mit Schlagermusik nichts anfangen, dennoch war selbst ihm der kometenhafte Aufstieg der deutschen Sängerin Saskia Frenzen in den vergangenen Jahren nicht entgangen. Frank Mertens war offenbar ihr Manager.
»Allerdings hat sie dieser Tage einen Drohbrief erhalten, den ich nicht auf die leichte Schulter nehme. Natürlich bekommen Stars wie Saskia merkwürdige Briefe am laufenden Meter, viele kommen von krankhaft verliebten Fans, und immer wieder mal machen sich auch Leute Luft, die es nicht ausstehen können, dass ihre Musik landauf landab zu jeder Stunde und auf jedem Sender gespielt wird.« Mertens verzog den Mund zu einem nachsichtigen Lächeln. »Das verstehen wir alles, sind aber trotzdem auf der Hut, wenn auch meistens unbegründet, Gott sei Dank. Aber bei einem Brief wie dem, um den es hier geht, traue ich mir eine seriöse Einschätzung nicht zu.« Er öffnete die Mappe, die auf dem Tischchen vor ihm lag, und entnahm ihr einen transparenten, wiederverschließbaren Gefrierbeutel, den er zu Oberhofer hinschob.
Der Beutel enthielt ein Blatt Papier und ein Kuvert. Die Schrift auf beiden Stücken war, soweit Heinz es sehen konnte, unregelmäßig und krakelig.
Die Stewardess servierte die Getränke. Heinz bekam ein kleines Tablett mit dem Glas, einem Teelöffel und einem Salz- sowie einem Pfeffer-Briefchen. Er öffnete Letztere und leerte ihre Inhalte in den Tomatensaft, der so dickflüssig war, dass die weißen und schwarzen Körnchen nur langsam versanken. Nachdem er den Saft umgerührt hatte, hob er das Glas an seine Lippen – und dabei traf sein Blick jenen von Müller, der ihn starr und forschend, beinahe drohend ansah. Heinz fragte sich, was mit dem Kerl los war.
Oberhofer überflog Brief und Kuvert, gab einen Zischlaut von sich und schüttelte den Kopf. Er wendete den Gefrierbeutel und kontrollierte kurz die Rückseite der Schriftstücke, dann gab er sie an Heinz weiter. »Klingt nach jemandem, der die Gegebenheiten vor Ort kennt«, meinte er zu Mertens. »Ich nehme an, Frau Frenzen ist während ihres Kärnten-Aufenthalts im Seepark Hotel untergebracht?«
»Ja, ist sie. Brief und Kuvert sind übrigens gleich nach dem Öffnen in diesen Beutel gesteckt worden, um etwaige Fingerabdrücke des Absenders zu schützen.«
Während sich der Landesdirektor anerkennend über die Umsicht des Managers äußerte und dieser erklärte, die für die Fanpost zuständige Dame sei für solche Fälle geschult, nahm Heinz den Brief in näheren Augenschein. Das weiße Blatt Papier hatte ein Eselsohr und war an zwei Stellen zerknittert, die Biegefalten verliefen asymmetrisch. Auch die Schrift war unregelmäßig und verzerrt, stellenweise gar nicht lesbar. Kleckse des verwendeten, offensichtlich schmierenden Kugelschreibers verunzierten das Blatt zusätzlich, es wirkte, als hätte der Briefschreiber sein Werk in einem Rauschzustand verrichtet. Vielleicht handelte es sich auch um einen psychisch Kranken unter Tabletteneinfluss; alles in allem keine beruhigenden Aussichten. Der Inhalt passte zur Form:
Wenn du willst das dir nix passiert, bleibst du, wo du bist! Aber machst du dein Maul auf bei der Starnacht bist du dran! Und in der rechten unteren Ecke stand in schräg angeführten Zeilen: Komm noch einmal ins Seepark und ich lösch dir das Licht, du S…!
Heinz konnte sich lebhaft vorstellen, was das letzte, unleserliche Wort bedeuten sollte.
»Wahrscheinlich ist das Ganze nur ein Sturm im Wasserglas«, meinte Frank Mertens nun. »Auf mich wirkt es, als hätte sich ein frustrierter Kritiker Mut angesoffen und den Brief abgeschickt, bevor er wieder nüchtern war. Aber selbstverständlich dürfen wir keinesfalls davon ausgehen.«
»Da gebe ich Ihnen zu einhundert Prozent Recht«, erwiderte Oberhofer.
Heinz versuchte, einen überraschten Blick zu verbergen. Der Landesdirektor wirkte wie ein Speichellecker, das passte so gar nicht zu ihm. »Wann war Frau Frenzen zum letzten Mal im Seepark Hotel?«, fragte Heinz den Manager.
Dieser musterte ihn mit einem anerkennenden Lächeln. »Ich sehe, Sie verstehen. Saskia und ihr Team waren im Vorjahr dort einquartiert, im Rahmen eines Konzerts in der Wörthersee-Arena. Das muss irgendwann im Frühjahr gewesen sein. Wenn Sie es genau wissen wollen, muss ich nachsehen, ich war damals noch nicht ihr Manager.«
Direktor Oberhofer blickte verständnislos zwischen Heinz und Mertens hin und her. »Ich fürchte, mir ist da etwas entgangen.«
»Im Drohbrief steht: Komm noch einmal ins Seepark, das bedeutet, dass sie schon einmal dort gewesen sein muss«, erklärte Heinz, und der Manager fügte hinzu: »Das ist auch der Grund, warum ich den Schrieb durchaus ernst nehme. Der Briefschreiber hat intime Kenntnisse über Saskias Pläne, so konkret werden die üblichen Verrückten selten.«
Heinz sah noch etwas anderes, das er aber für sich behielt. Während der Haupttext eher allgemein gehalten war, war der Hinweis auf das Seepark Hotel in eine Ecke des Briefes gekritzelt worden. Es hatte den Anschein, als hätte der Schreiber dies ursprünglich gar nicht zum Thema machen wollen, es sich dann aber nicht verkneifen können. »Ich nehme an, ich kann den Brief behalten?«, fragte er den Manager.
»Deshalb habe ich ihn mitgebracht.«
»Weiß Frau Frenzen von dem Brief?«, fragte Oberhofer und erntete dafür ein kurzes, abfälliges Lachen seines Gegenübers.
»Selbstverständlich nicht! Wie ich schon sagte, bekommt Saskia jeden Tag Briefe von Fanatikern und Verrückten, sie wäre kaum noch imstande, ihre Arbeit zu erledigen, wenn sie wüsste, was sich hinter ihrem Rücken alles abspielt.« Mertens warf Oberhofer und Heinz einen forschenden Blick zu, dann klappte er die Mappe zu und meinte: »Wenn das alles war, kann ich ja weiterfliegen. Ich darf doch davon ausgehen, die Fiducia wird dafür sorgen, dass der Drohbriefschreiber nicht zum Zuge kommt, sollte er seine Ankündigung denn ernst meinen?«
Direktor Oberhofer sah Heinz mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck an und antwortete: »Selbstverständlich.« Er stand auf und verabschiedete sich von Frank Mertens.
Heinz nahm noch einen letzten Schluck Tomatensaft und erhob sich dann ebenfalls, um sich zu verabschieden. Seit klar war, dass er heute doch nicht fliegen würde, schmeckte ihm der Saft plötzlich nicht mehr; ein seltsames Phänomen.
Wenige Minuten später standen er und der Versicherungsmann wieder auf dem Rollfeld und sahen zu, wie der Learjet von der Startbahn abhob und seine blinkenden Lichter am Nachthimmel rasch kleiner wurden. Als sie ausgestiegen waren, hatte Heinz zu seiner Überraschung festgestellt, dass die vermeintliche Stewardess auf dem Pilotensitz Platz genommen hatte, neben einem jungen Mann, mit dem sie eine Checkliste für die Startprozedur durchgegangen war. Einleuchtend – wer bezahlte schon eine Stewardess für zwei Passagiere?
»Frank Mertens ist erst seit Jahresbeginn der Manager von Saskia Frenzen«, begann Oberhofer unvermittelt. »Sein Vorgänger hat gesundheitliche Probleme gehabt, mit dem Herz, glaube ich. Saskia Frenzen arbeitet seit Jahren mit Best Heads zusammen, der größten Künstleragentur Deutschlands. Die haben ihr nicht nur Mertens und seinerzeit schon dessen Vorgänger vermittelt, sondern auch den Großteil ihres Teams, vom Bühnentechniker bis zur Visagistin.« Als Heinz nichts darauf erwiderte, wechselte der Landesdirektor, ohne seinen Blick vom Himmel zu wenden, das Thema. »Gestern hat mich der Geschäftsführer der Wörthersee-Events angerufen, das ist die Event-Agentur, die die Starnacht organisiert. Als er mich über den Drohbrief informiert hat, sind bei mir alle Alarmglocken angegangen, wie Sie sich vorstellen können.«
Heinz konnte es sich nicht vorstellen, er hatte keine Ahnung, was das alles hier sollte. Er glaubte nicht, dass die Wörthersee-Events bei der Fiducia eine Versicherung gegen Attentate auf die Stars der Starnacht abgeschlossen hatte – und alles Weitere ergab keinen Sinn.
Dass er auch diesmal schwieg, empörte Direktor Oberhofer offensichtlich. »Was ist mit Ihnen?«, fuhr er Heinz an. »Den ganzen Abend über reden Sie keine zwei Wörter! Außerdem, was soll das? Sie kommen unrasiert zu einer Arbeitsbesprechung?«
Heinz sah ihm in die Augen, verzichtete aber auch diesmal darauf, sich zu rechtfertigen; immerhin hatte Oberhofer vorher mit keiner Silbe erwähnt, was ihn bei ihrem nächtlichen Treffen am Flughafen erwarten würde.
»Sind Sie nicht in Form? Soll ich mich nach einem anderen Detektiv umsehen?«
»Was wollen Sie denn von mir hören?« Heinz musste sich keine Mühe geben, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen.
»Na endlich! Mir fehlt ein bisserle Ihr Enthusiasmus, Sablatnig. Die Aufgabe, die vor Ihnen liegt, ist zwar keine Großtat, aber konzentrieren müssen Sie sich schon.«
»Dann kommen Sie doch endlich auf den Punkt. Was genau ist meine Aufgabe?«
Oberhofer zog die Augenbrauen hoch, Heinzʼ Direktheit schien ihn zu erstaunen. »Versteht sich das nicht von selbst?«, fragte er.
Heinz vertonte sein Kopfschütteln: »Nein.«
Der Landesdirektor forschte in den Augen des Detektivs und schien irritiert darüber, was er in ihnen sah. »Na gut, dann werde ich Ihnen das Einmaleins vorbeten, wenn es denn sein muss.«
Sein Versuch, Heinz als begriffsstutzig hinzustellen, beeindruckte diesen nicht im Geringsten.
»Frank Mertens hat die Wörthersee-Events über den Drohbrief informiert und deren Chef aufgefordert, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dieser hat den Ball an mich weitergespielt. Warum? Weil er die Haftpflichtversicherung für die Starnacht bei der Fiducia abgeschlossen hat. Natürlich deckt die Haftpflicht nicht grundsätzlich irgendwelche Attentate auf die Stars ab – über einen blöden Umweg aber möglicherweise doch: Der Veranstalter eines öffentlichen Events haftet nämlich für alle Schäden, die aus eigenem Verschulden entstehen, aber auch aus Verschulden von Erfüllungsgehilfen, von Teilnehmern oder Gästen der Veranstaltung.« Er schnaubte verächtlich. »Wenn sich der Attentäter also unter die Mitarbeiter oder Gäste mischt und zum Zug kommt, kann es sein, dass die Haftpflichtversicherung schlagend wird. Freilich, das muss im Anlassfall ausjudiziert werden, aber Sie werden verstehen, dass es weder die Wörthersee-Events noch die Fiducia so weit kommen lassen wollen. Mit einem Wort: Ich habe dem Mann versprochen, mich um die Sache zu kümmern, und er hat mir dieses Treffen vorhin vermittelt. Ist Ihnen jetzt klar, was ich von Ihnen erwarte?«
Der Versicherungsmann starrte Heinz provokativ an, doch dieser antwortete ruhig: »Sie erwarten von mir, dass ich den Drohbriefschreiber ausforsche und dingfest mache. Bis übermorgen natürlich, weil Sie mir nicht so viel Druck geben könnten, wenn Sie mich gestern schon in die Sache eingeweiht hätten.«
Oberhofer riss überrascht die Augen auf und stammelte einige empörte Silben. Heinz hätte diesen Anblick genossen, wäre er ihm nicht so völlig egal gewesen.
»Jetzt einmal im Ernst, Sablatnig«, hob der Direktor an, als er sich wieder gefasst hatte, »was ist los mit Ihnen? So kenne ich Sie gar nicht.«
Anstelle einer Antwort fragte Heinz: »Ich nehme an, es gelten die üblichen Konditionen?«
Oberhofer nickte stumm.
»Dann mache ich mich besser sofort an die Arbeit. Sie hören von mir.« Er ging ohne ein weiteres Wort davon, auf das Flughafengebäude zu.
Donnerstag, 11.30 Uhr
Heinz’ Brust- und Oberarmmuskeln vibrierten, als er die Langhantel zitternd in ihre Halterung setzte. Er blieb noch für ein paar Sekunden auf der Trainingsbank liegen und schnappte nach Luft. Zweimal zehn Wiederholungen mit fünfundachtzig Kilogramm – das war sein neuer Rekord beim Bankdrücken. Damals, als er Anfang oder Mitte zwanzig gewesen war, hatte er mehrere Jahre lang regelmäßig intensiv trainiert, doch er konnte heute nicht mehr sagen, welches sein höchstes Trainingsgewicht auf der Langbank gewesen war. Er glaubte, sich an fünfundneunzig Kilogramm zu erinnern, hätte darauf aber keinen Eid geleistet.
Heinz hatte nicht vorgehabt, je wieder Krafttraining in so extremem Ausmaß zu betreiben, doch seit er aus Südamerika zurückgekehrt war, schien es ihm eine vernünftige Alternative zu Bier und Schnaps zu sein, und so hatte er sich in diesem Fitnesscenter in der Klagenfurter Innenstadt eingeschrieben. Trotzdem hatte er am Vorabend wieder mehr Bier in sich hineingeleert, als er vorgehabt hatte. Der spätabendliche Termin mit Direktor Oberhofer war ein willkommener Anlass gewesen, nicht schon beim Abendessen mit dem Trinken zu beginnen. Doch als er dann nachhause gekommen war, in seine einsamen vier Wände, und im Internet erste Recherchen zu Saskia Frenzen angestellt hatte, da schien ein Bier gut zu passen, sozusagen als Tagesabschluss. Es war nicht bei einem geblieben.
Ächzend erhob er sich von der Langbank und schleppte sich in den Cardio-Bereich, wo er ein Trainingsrad besteigen wollte. Vorher holte er sich von der Safttheke einige Illustrierte, die vorwiegend weibliches Publikum ansprachen. Während seine Beine in gleichmäßigem Rhythmus die Pedale traten, blätterte er in den Zeitschriften. Wie jedes Mal schüttelte er auch diesmal wieder innerlich den Kopf, wofür sich die Menschen interessierten. Welchen Wert hatte es, zu wissen, welche Schule die kleine Tochter einer schwedischen Adligen besuchen würde, deren Namen Heinz nicht einmal kannte? Und wen gingen die Beziehungsprobleme einer ehemals gefeierten Nachwuchssportlerin etwas an, die nach einer schweren Beinverletzung vor Jahren ihre Profikarriere hatte beenden müssen und seither nur noch in diesen Klatschblättern prominent war?
Aber so war es nun einmal, ob Heinz es verstand oder nicht. Er malte sich aus, dass viele Dinge, für die er sich brennend interessierte, bei anderen Menschen vielleicht ein ebensolches Kopfschütteln auslösten wie die Schulpflicht der kleinen Prinzessin Sowieso und der Herzschmerz der armen XY bei ihm.
In der dritten Illustrierten wurde er fündig. Saskia im Liebesglück?, lautete die Schlagzeile, und der Untertitel verhieß: Verwaltet ihr neuer Manager auch den Schlüssel zu ihrem Herzen?
Wie Heinz es erwartet hatte, lieferte der Artikel viele Vermutungen und wenige Informationen, jede Menge Emotionen und kaum Fakten. Einige Fotos, auf denen Saskia Frenzen und Frank Mertens gemeinsam abgebildet waren, sollten, für Heinz nicht nachvollziehbar, eine intime Beziehung belegen, und ansonsten wurden nur ein paar alte Klischees aufgewärmt und in Beziehung zur titelgebenden Behauptung gesetzt. Den Wahrheitsbeweis sollten Zeugen mit kryptischen Namenskürzeln wie Anne Sch. liefern.
Diese Klischees, über die Heinz schon bei seiner Recherche am Vortag mehrmals gestolpert war, bezogen sich vor allem auf Saskia Frenzens Single-Dasein, das zumeist ihrem exzentrischen Charakter zugeschrieben wurde. Von den meisten Klatschblättern wurde sie nämlich als wahre Furie dargestellt. Als Zeugen dafür wurden einfache Menschen aufgefahren, die irgendwie privat mit ihr zu tun bekommen hatten und erzählten, wie sehr sie von der Sängerin erniedrigt worden seien. Aber auch ihre ständige Rivalität mit dem spanischstämmigen, deutschen Schlagersänger Antonio Corazon war immer wieder ein Thema, wenn auch nur am Rande.
Abgesehen von Tratsch dieser Art hatte Heinz auch Saskia Frenzens Werdegang bereits recherchiert, der sie als frühberufene, hochbegabte und außergewöhnlich ehrgeizige Sängerin zeichnete. Sie stand seit Kindesbeinen auf der Bühne, sang in ihrer Jugend selbstkomponierte und -getextete Lieder und zog später mit ihrer Band als Vorgruppe von diversen Schlagerstars durch die Lande. Ihr endgültiger Durchbruch gelang ihr zwei Jahre zuvor mit dem Lied: Deine Liebe möcht ich sein. Seither stieg sie auf der Pyramide der erfolgreichsten deutschen Schlagerstars stetig Stufe für Stufe weiter nach oben.
Heinz hatte sich auch ein paar Videomitschnitte von Saskia Frenzens Bühnenauftritten angesehen sowie das offizielle Musikvideo ihres aktuellen Erfolgssongs: Fremde Gefühle. Er hatte zugeben müssen, dass die hübsche Sechsundzwanzigjährige mit ihren hüftlangen, braunen Haaren und der perfekt trainierten Figur eine erotische Wirkung auf ihn ausübte. Aber abgesehen davon, dass die Profis im Showgeschäft genau wussten, wie sie diesen Effekt erzielen konnten, hatte zu diesem Zeitpunkt der Alkohol auch schon einen gewissen Einfluss auf Heinzʼ Wahrnehmung gehabt.
Er warf das Klatschblatt zu den anderen auf den Boden und lehnte sich auf den Lenker. In knapp anderthalb Stunden würde er einen Termin mit Ortrud Anderwald haben, der Geschäftsführerin des Seepark Hotels. Sie war nicht sehr erbaut gewesen, als Heinz sich am Morgen so kurzfristig gemeldet hatte, hatte wegen der Brisanz der Angelegenheit aber ein Treffen mit ihm in ihren Terminkalender eingeschoben. Vor diesem Gespräch wollte er sich noch den Friedelstrand ansehen, wo die Starnacht am Wörthersee über die Bühne gehen würde.
Freilich konnte er sich irren, doch aufgrund seiner Erfahrung glaubte Heinz nicht, dass die Aufklärung des Falls viel Zeit in Anspruch nehmen würde. So, wie der Drohbrief geschrieben war, handelte es sich bei dem Verfasser um einen weiblichen oder männlichen Angestellten des Hotels, der schon beim letzten Besuch Saskia Frenzens in dem Hotel gearbeitet und einen Konflikt mit ihr gehabt hatte. Beim üblicherweise hohen Mitarbeiterwechsel im Hotelleriewesen konnten dafür nicht viele Personen infrage kommen, und Frau Anderwald hatte beim Telefonat am Morgen zugesagt, eine Liste dieser Angestellten vorzubereiten.
»Grüß dich Heinz, wie geht’s dir?«
Heinz brauchte gar nicht erst aufzusehen, um zu wissen, wer seine Kreise störte. Es war Wilfried Egger, ein Lokaljournalist der Tageszeitung Kärntner Beobachter. Er und Heinz hatten in der Vergangenheit immer wieder zusammengearbeitet, wenn es darum ging, Informationen auszutauschen. Der Vorteil ihrer Zusammenarbeit bestand darin, dass Egger als Journalist an Informationen herankam, die Heinz verschlossen waren. Im Gegenzug bekam Wilfried Egger die jeweilige Story, immerhin ging es bei dieser Zusammenarbeit immer um einen von Heinzʼ Aufträgen, die mitunter auch für die Medien berichtenswert waren.
Egger kratzte seinen, von einem schlabbrigen, schwarzen T-Shirt bedeckten Kugelbauch so heftig, dass auch sein Hintern wabbelte. Er hob eine der Illustrierten auf, blätterte darin und hielt Heinz eine Doppelseite mit Diättipps hin. »Gehört das zu deinem neuen Fall?«, fragte er amüsiert.
Nachdem Heinz von seinem Urlaub in Südamerika zurückgekommen war, war ihm Wilfried Egger zufällig über den Weg gelaufen und hatte nicht mehr aufgehört zu plappern. Bei dem Versuch, von ihm loszukommen, hatte Heinz den Fehler begangen, sein Training im Fitnesscenter als Vorwand zu benutzen, dass er es eilig habe. Zwei Tage später hatte er Egger hier angetroffen, wobei dieser sich »für den Tipp mit dem Fitnesscenter« bedankt hatte.
Seither begegnete er ihm hier mit ermüdender Regelmäßigkeit, was aber nicht bedeutete, dass Egger zum Trainieren kam. Heinz hatte ihn bislang noch kein anderes Gerät als den Barhocker an der Safttheke benutzen gesehen, und durch die Art der Fragen, die der Journalist ihm stellte, begriff er rasch, was da wirklich ablief: Wilfried Egger hatte seiner Zeitung schon lange keine gute Story mehr geliefert und wollte wohl nicht immer nur Schönwettergeschichten oder Unfallberichte tippen. Er hielt sich also in Heinzʼ Nähe auf, weil er auf einen Knüller hoffte.
»Kann es sein, dass ich dich gestern mit einem schwarzen, tiefergelegten VW von hier wegfahren gesehen habe?«, fragte Egger nun.
»Ja.«
»Was ist das für ein Typ? Der ist so getunt, da erkennt man nicht einmal mehr die Baureihe.«
»Es ist ein Corrado.«
»Ein Corrado?« Egger wirkte nachdenklich, was seinem Mausgesicht mit der Mecki-Frisur ein fast groteskes Aussehen gab. »Das sagt mir jetzt gar nichts.«
»War vor deiner Zeit.«
»Und warum das deutsche Kennzeichen?«
»Er gehört Sven. Sven wohnt in Kiel.«
Eggers Gesicht wurde gierig. »Eine Leihgabe, oder …?«
Heinz seufzte. »Keine Story für dich, tut mir leid. Sven ist mit dem Wagen vor zwei Jahren beim GTI-Treffen in Maria Wörth gestrandet. Freundin weg – Geld weg.«
»Autsch!«
»Ich habe ihm Geld geliehen. Dafür habe ich seinen Wagen als Pfand behalten.«
»Als Pfand? Und wann löst er ihn aus?«
»Wahrscheinlich hat er noch nicht genug verdient. Es war eine ziemliche Summe, und Sven ist Dockarbeiter.«
Egger nickte verstehend, legte die Illustrierte zurück auf den Boden, fischte sich die nächste und blätterte darin herum. Dabei fragte er wie beiläufig: »Arbeitest du gerade an einem interessanten Fall?«
»Das wird sich noch zeigen.«
Egger fing sofort Feuer. »Worum geht es?«
»Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen, tut mir leid.«
»Verstehe, aber sobald du es kannst, denkst du an mich, okay?«
»Tu ich doch immer.«
»Und wenn ich dir irgendwie helfen kann …« – er hielt Daumen und kleinen Finger wie einen Telefonhörer an seinen Kopf – »Anruf genügt.«
Donnerstag, 12.30 Uhr
Verena Bacher stellte fest, dass sie sich das alles hier weitaus größer vorgestellt hatte. Sie hatte erst einmal in ihrem Leben die Starnacht besucht, aber das war viele Jahre her, als die Veranstaltung noch in der Werzer-Arena in Pörtschach abgehalten worden war. Wenn sie seither Teile der Live-Übertragung im Fernsehen mitverfolgt hatte, hatte sie stets den Eindruck von riesigen Ausdehnungen gehabt. Aber vermutlich wirkte es im Fernsehen einfach anders.
Erfüllt von froher Erwartung umschritt sie jenen abgeschlossenen Bereich am Friedelstrand, auf dem gerade die Bühne, die Tribüne, der Backstage-Bereich, die Gastro-Zonen sowie eine Reihe von Zelten und Hütten für die anstehende Veranstaltung aufgebaut wurden. Interessiert betrachtete sie den Fortschritt des Aufbaus und wunderte sich, dass hier nicht mehr Trubel herrschte. Irgendwie wirkte die gesamte Anlage halbfertig auf sie, doch dann machte sie sich bewusst, dass die Generalprobe ja erst am Abend des nächsten Tages stattfand. Die Hütten, Zelte und Schauwagen an der Westseite des Areals trugen die Aufschriften von Bars, von Snack- und Süßigkeitenanbietern. Vor ihnen verlief ein mit einer Baumreihe bestandener Weg und parallel dazu die Uferpromenade der Ostbucht des Wörthersees.
Verena schritt das Gelände ab, und als ihr eine warme Brise in die Haare fuhr, blieb sie stehen, schloss die Augen und atmete tief ein. Sie liebte es, den See zu riechen, sie liebte den Sommer! Zur Mittagszeit war die Tageshitze schon gut spürbar, aber noch nicht so drückend, wie in den Nachmittagsstunden. Die Luft schien leicht zu sein, und das passte gut zu Verenas momentaner Stimmung. Sie ging weiter, bis ihr ein mit einem Zaun gesicherter Zugang einen Blick in den Veranstaltungsbereich gewährte. Links befand sich der sechs oder acht Meter hohe Tribünenaufbau mit den Sitzreihen, rechts die imposante Bühne, und dazwischen erstreckte sich die Wiese für die Stehplätze. Ihr gegenüber wurde die Wiese von einer weiteren Tribüne abgegrenzt, über der ein Schild mit der Aufschrift Sponsoren angebracht war.
Als sie näher an den Zaun herantrat, kam ein untersetzter, junger Mann mit dunklem Teint auf sie zu, der eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift Security trug. Er machte sie in gebrochenem Deutsch höflich darauf aufmerksam, dass der Zutritt zum Bühnenbereich nicht gestattet sei. Verena erwiderte, sie treffe sich hier mit der Chefgarderobiere der Show, doch als der Security-Mann nach einem Ausweis fragte, musste sie gestehen, keinen zu besitzen. Verena musste also warten, bis ihre Chefin für die nächsten vier Tage sie hier abholte.
Sie sah sich um, und als ihr Blick auf einen Mann traf, in dem sie einen Bekannten zu erkennen glaubte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Nein, das konnte unmöglich Heinz Sablatnig sein, dazu war er zu ungepflegt. Außerdem schleppte sich Heinz nicht so gebückt dahin; aber die Ähnlichkeit war schon frappierend. Aber als der Mann sich ihr zuwandte und sie sein Gesicht sehen konnte, hatte sie Sicherheit.
»Heinz«, rief sie und lief auf ihn zu, »Heinz!«
Der Gerufene hielt inne, sah sich suchend um, und als er Verena erkannte, blieb er regungslos stehen. Das irritierte sie, warum machte er keine Anstalten, ihr entgegenzugehen, sich von ihr abzuwenden, sich peinlich berührt umzusehen oder was auch immer? Er reagierte einfach nicht, war wie eine Aufziehpuppe mit abgelaufener Feder. Folgerichtig fühlte es sich albern an, als sie ihn nun umarmte, weshalb sie sich auch gleich wieder von ihm löste.
Sie sah ihn an und erschrak. Heinz wirkte wie um Jahre gealtert, sein Gesicht war fahl und eingefallen und grobe Bartstoppel drangen aus einer faltig gewordenen Haut. Am meisten entsetzt war sie jedoch vom leblosen Ausdruck seiner Augen, die mit tiefen Ringen unterfurcht waren. Er sah sie an, als würde er sie überhaupt nicht wahrnehmen.
»Um Gottes willen, Heinz, was ist mit dir passiert?«, wisperte sie.
»Servus, Verena.«
Sie wich von ihm weg und fragte ungläubig: »Servus, Verena? Ist das alles?«
»Es ist schon eine Weile her.«
»Allerdings. Fast ein Jahr.«
»Nicht ganz.«
»Ich weiß, du hast mich einmal kurz im Geschäft besucht, nachdem du von deinem Urlaub zurückgekommen bist. Wo warst du, in Kuba?«
»Kolumbien.«
»Kolumbien, genau. Erholt schaust du aber nicht gerade aus.«
»Ist ja auch schon eine Weile her.«
Verena spürte, wie sich ein Knödel in ihrem Hals bildete. Das Gespräch belastete sie, sie versuchte es mit einem Themenwechsel: »Was treibt dich hierher? Ein neuer Fall?«
Heinz nickte. »Ich kann aber noch nicht darüber reden.«
»Stell dir vor, ich bin auch zum Arbeiten hier«, platzte sie heraus. »Die Chefgarderobiere der Starnacht, die sich um die Ausstattung der Moderatoren und der Tänzer kümmert, hat kurzfristig eine Gehilfin gebraucht, weil ihr eine Arbeitskraft überraschend ausgefallen ist. Da bin ich eingesprungen.«
»Ich habe gedacht, die Bühnenbekleidung wäre Sponsorensache.«
»Ist sie auch, aber die Sponsoren stellen ein ganzes Sortiment zur Verfügung, aus dem die Garderobiere die passenden Stücke auswählt. Außerdem kann immer eine Naht aufgehen oder ein Hosenboden reißen, weil ein Moderator aus Eitelkeit vergisst, dass er letztens ein paar Kilo zugelegt hat.« In Verenas Ohren hörte sich ihr eigenes Lachen wie das eines kleinen Mädchens an. »Da braucht es dann eine Änderungsschneiderin – und das bin für die heurige Starnacht ich.«
»Gratuliere.« Das Lächeln kostete Heinz sichtlich Kraft, doch es schien ehrlich zu sein.
»Zu verdanken habe ich das meiner Mutter«, plapperte Verena weiter. »Die ist bei irgendeiner Gala mit der Chefgarderobiere zum Reden gekommen, und als sie von ihrer Arbeit bei der Starnacht am Wörthersee gehört hat, hat sie gleich mich ins Rennen gebracht. Daran hat sich die Dame wohl erinnert, als sich ihre Gehilfin das Bein gebrochen hat.«
Heinz lächelte noch immer. »Eine große Chance für dich«, sagte er.
»Ja. Ja, das ist es allerdings.«
»Verena, ich muss … du musst …«
»Schon klar.« Gar nichts war klar – aber was sollte sie tun? Sie fand keinen Zugang zu ihm.
»Vielleicht können wir zwei … wenn das hier vorbei ist … uns einmal wieder …«
Sie horchte auf. »Treffen? Du willst dich mit mir treffen?«
»Nur, wenn es für dich okay ist. Ich will nicht, dass du glaubst, ich brauche einen seelischen Mistkübel.«
Verena war irritiert, wovon zum Teufel redete er da? »Was, wieso? Nein!«
Er schien sich etwas zu entspannen. »Gut, in Ordnung. Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Arbeit für die Starnacht.«
Er wollte ihr die Hand reichen, doch sie ignorierte das, umarmte ihn, küsste ihn auf beide Wangen und meinte: »Ich freue mich auf unser Treffen, ehrlich!«
Er quittierte ihre Worte mit einem weiteren angestrengten Lächeln, dann wandte er sich ab und ging in einer Art davon, als fiele ihm jeder Schritt schwer.
Verena sah ihm noch lange nach. Heinz war für sie ein enger Vertrauter gewesen, jemand, der einem Lebensgefährten am nächsten kam. Dann, etwa ein Jahr war das jetzt her, hatte sie ihn bitterenttäuscht, und danach war der Kontakt fast abgebrochen. Als er sie nach seinem Urlaub in ihrer Boutique in der Klagenfurter Innenstadt besucht hatte, war er auch schon so seltsam gewesen wie gerade eben, doch das hatte sie auf ihr gespanntes Verhältnis zurückgeführt. Seinen schon damals desolaten körperlichen Zustand hatte sie einer Magen-Darm-Erkrankung zugeschrieben, die man sich in tropischen Ländern fast zwangsläufig zuzog. Doch dass er jetzt, rund ein halbes Jahr später, noch immer so schlecht beieinander war, erfüllte sie mit Sorge und Angst. Immerhin, er wollte sich mit ihr treffen, vielleicht brauchte er jemanden, dem er vertraute.
Aber – vertraute er ihr?
Donnerstag, 13 Uhr
Ortrud Anderwald, die Geschäftsführerin des Seepark Hotels, war eine elegante, resolute Frau Mitte vierzig. Sie hatte Heinz in der Hotellobby mit einem energischen Händedruck begrüßt und ging mit ihm in ihr Büro, wo sie ihn nach seinem Getränkewunsch fragte und mit einem knappen Telefonat einen Kaffee orderte.
Dann begann Sie, die Hintergrundgeschichte zu erzählen, auf die Heinz sie beim morgendlichen Telefonat angesprochen hatte: »Frau Frenzen und ihr Team waren letztes Jahr im Mai für ein paar Tage Gäste in unserem Haus, und anscheinend ist es da zu einigen Differenzen mit unserem Personal gekommen. Frau Frenzen scheint in gewissen Punkten etwas speziell zu sein. Mir wurde das durch eine unserer Rezeptionistinnen zugetragen, Frau Pachoinig, eine Vorzeigekraft übrigens. Nun, ich bin der Sache nachgegangen, und nachdem Frau Frenzen, ich wiederhole mich, sehr speziell war, habe ich mich beim restlichen Personal umgehört und noch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden, deren Arbeit Frau Frenzen ebenfalls beanstandet hat. Selbstverständlich ist mir daran gelegen, dass sich unsere Gäste in unserem Haus wohlfühlen, deshalb habe ich das Gespräch mit ihr gesucht und sie gefragt, wo wir ihrer Meinung nach unseren Service verbessern könnten, doch sie hat mir versichert, es sei alles eitel Wonne, sie fühle sich wohl bei uns wie selten und sei mit dem Service hochzufrieden.«
»Aha«, sagte Heinz, um seine Verwunderung zu überbrücken. »Aber Ihr Personal … ich meine, die Anschuldigungen waren doch nicht erfunden, oder doch?«
Frau Anderwald schüttelte leicht den Kopf und schloss die Augen dabei. »Ganz sicher nicht. Wissen Sie, es ist einfach so, dass verschiedene Menschen, allen voran Künstler, gewisse Eigenheiten haben, die sich oftmals in abstruser Weise äußern. Gerade auf dem Dienstleistungssektor spürt man das besonders, solche Gäste glauben gerne, sie würden sich mit der Dienstleistung gleichzeitig auch den Menschen kaufen, der sie ausführt. Das ist eine Kröte, die wir leider schlucken müssen.«
»Wie viele der damals betroffenen Angestellten arbeiten heute noch hier?«
»Drei.«
»Ist es für Sie vorstellbar, dass einer dieser Angestellten einen Drohbrief an Frau Frenzen geschrieben haben könnte?«
Die Geschäftsführerin blickte für eine Sekunde im Raum umher. »Also im ersten Reflex würde ich sagen, nein. Alle drei sind zuverlässige Arbeitskräfte, die wir seit mehreren Jahren in unserem Haus haben und auf die ich ungern verzichten würde. Aber Sie wissen ja, wie das ist, man kann in keinen Menschen hineinschauen, und so gut kenne ich die Herrschaften dann auch wieder nicht.« Sie hielt kurz inne und schien zu überlegen. »Aber dazu eine andere Frage: Kann der Drohbriefschreiber nicht eine Leiharbeitskraft sein, die damals für uns gearbeitet hat?«
»Was meinen Sie?«
Frau Anderwald rückte etwas auf ihrem Sessel umher. »Es wäre doch möglich, dass eine solche Leiharbeitskraft ebenfalls eine Auseinandersetzung mit Frau Frenzen gehabt hatte, diese aber verschwiegen hat.«
Es war offensichtlich, dass die Geschäftsführerin versuchte, die Verbindung zwischen der Straftat und ihrem Hotel zu kappen. »Das würde keinen Sinn ergeben«, antwortete Heinz. »Wenn diese Leiharbeitskraft nicht mehr für das Seepark Hotel arbeitet, wäre es ihr herzlich egal, ob Saskia Frenzen sich hier wieder einquartiert oder nicht.«
»Ich verstehe.« Frau Anderwald presste die Lippen aufeinander.
Er wollte nun Nägel mit Köpfen machen. »Sie haben bei unserem Telefonat heute in der Früh gesagt, sie würden die fraglichen Mitarbeiter auflisten. Kann ich mit diesen Personen sprechen?«
Als hätten seine Worte einen Schalter in Ortrud Anderwald umgelegt, kam plötzlich Bewegung in die Frau. »Ja, richtig.« Sie suchte zwischen den Papieren auf ihrem Tisch herum und fand schließlich einen Klebezettel, den sie bedeutungsvoll hochhielt. »Herr Sablatnig, ich bin Ihnen selbstverständlich gerne behilflich, ein mögliches Verbrechen aufzuklären, das ist mir lieber, als die Polizei im Haus zu haben. Aus dem Grund habe ich auch nichts dagegen, wenn Sie die drei befragen, aber: Ich muss darauf bestehen, dass Sie mit Diskretion vorgehen. Heute und morgen reist hier die Crème de la Crème der deutschen Schlagermusik an, einige der Stars sind bereits hier und darüber hinaus auch schon jetzt einige Journalisten. Ich möchte nicht, dass mein Hotel in den Illustrierten in halb Europa als Mördergrube hingestellt wird.«
»Natürlich, dazu besteht auch kein Anlass.« Heinz zwang sich zu einem Lächeln.
Mit einer gehörigen Portion Misstrauen reichte Frau Anderwald den Klebezettel an Heinz und riet ihm, als dieser die Zeilen überflog: »Am besten beginnen Sie mit Frau Pachoinig. Sie arbeitet an der Rezeption und kann Ihnen auch sagen, wo Sie die beiden anderen finden.«
Evelyn Pachoinig war eine schlanke, attraktive Frau, deren Alter Heinz zwischen Anfang und Mitte zwanzig einordnete. Ihr Auftreten war korrekt, und ihre Freundlichkeit wirkte, als käme sie von Herzen. Sie war genau die Art Angestellte, die Heinz sich als Gast an einer Rezeption wünschen würde. Als er ihr sein Anliegen eröffnete, bat sie ihn in den Backoffice-Bereich; eine professionelle Geste, wie Heinz fand. In dem hier befindlichen Büro stapelten sich Kartons mit Kopierpapier und Werbematerialien am Boden, ein paar Schreibtische waren von Papieren schier überflutet. Frau Pachoinig bot Heinz einen der Bürosessel an und setzte sich selbst auf einen zweiten.
Heinz begann ohne Umschweife. »Frau Anderwald hat mir erzählt, Sie hätten im vergangenen Jahr ein einschlägiges Erlebnis mit Frau Frenzen gehabt. Bitte erzählen Sie mir davon.«
»Ein einschlägiges Erlebnis wäre zu wenig gesagt.« Frau Pachoinig lächelte. »Es war eher so, dass Frau Frenzen rundum unzufrieden war. Beim Einchecken war sie nett und freundlich, aber kaum hatte sie ihr Zimmer bezogen, war sie wie ausgewechselt. Sie hat die Größe und den Zustand ihrer Unterkunft bemängelt, gemeint, das Personal unhöflich zu ihr und so weiter. Und am nächsten Tag hat sie mir meine Kompetenz abgesprochen, weil ich in ihren Augen unfähig war, all die Probleme zu beseitigen.«
»War einer der Vorwürfe aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?«
Evelyn Pachoinig schnaubte kurz, lächelte und meinte: »Wissen Sie, ich glaube, das ist eine Frage der Perspektive. Wenn ich mir familiäre Herzlichkeit wünsche, ist die distanzierte Höflichkeit in einem Vier-Sterne-Hotel wahrscheinlich zu wenig für mich. Wenn ich Staub suche, werde ich immer irgendwo ein paar Reste finden. Und was meine Kompetenz anbelangt … Ich habe jede ihrer Beschwerden an die Geschäftsführung weitergeleitet, und nur das ist meine Aufgabe. Frau Anderwald hat eh gleich reagiert und das persönliche Gespräch mit Frau Frenzen gesucht. Aber keine Stunde später ist ihr Personal-Trainer schon wieder bei mir an der Rezeption gestanden und hat mir ihren Unmut über dies und jenes mitgeteilt. Besonders kurios war, dass er mir ständig damit gedroht hat, Frau Frenzen werde sich bei der Geschäftsleitung über mich beschweren – was sie aber nie getan hat, im Gegenteil: Sowohl bei ihrer Unterredung mit Frau Anderwald als auch beim Auschecken hat sie unseren Service in den höchsten Tönen gelobt und uns sogar noch ein fettes Trinkgeld gegeben.«
Heinz wusste nicht recht, was er davon halten sollte. War Saskia Frenzen schizophren? »Hat Sie dieses Verhalten persönlich gekränkt?«
Die Rezeptionistin dachte kurz nach, dann meinte sie: »Nein, gekränkt nicht. Es ist halt unangenehm, wenn so etwas länger anhält. Wissen Sie, ich versuche immer herauszufinden, was der Gast will und was ihn stört – und das ist nicht immer leicht. Manche Menschen sind eben schwieriger als andere, aber das muss man in meinem Beruf in Kauf nehmen. Die Schwierigen sind sowieso in der Minderheit.« Sie schenkte Heinz ein charmantes und gleichzeitig so unschuldiges Lächeln, dass er gar nicht anders konnte, als mitzulächeln.
Während er mit dem Lift in den dritten Stock fuhr, dachte Heinz über das Gespräch nach. Evelyn Pachoinig schien ihm eine Top-Kraft zu sein. Sie hatte einen starken und bestimmten Eindruck auf ihn gemacht und war sicherlich kein Mensch, der ein erlittenes Unrecht durch Kritzeleien in irgendeinem Rausch ausglich. Wenn sie ein Problem mit der Frenzen gehabt hätte, hätte sie es konkret angesprochen.
Der Lift hielt an, und eine mechanische Frauenstimme verkündete die Ankunft im dritten Stock, ehe sich die Türen mit einem wohlklingenden Ping öffneten. Frau Pachoinig hatte mit einem kurzen Telefonat herausgefunden, dass Ljubica Konic, Heinzʼ nächste Gesprächspartnerin, derzeit hier arbeitete. Es bedurfte nur eines Blicks links und rechts den Gang entlang, bis Heinz den Wagen der Zimmerreinigung sah. Dort fand er die Putzfrau gemeinsam mit einer Kollegin bei der Arbeit.
Ljubica Konic war Anfang fünfzig, um einen Kopf kleiner als Heinz und sehr rundlich. Schon beim ersten Wortwechsel hörte Heinz, dass sie schlecht deutsch sprach, ihn aber dennoch zu verstehen schien, obwohl er im Dialekt redete. Er stellte sich vor und erklärte, mit ihr reden zu wollen, wobei er darauf hinwies, dass dieses Gespräch von der Geschäftsführung genehmigt sei. Er fragte sie nach einem ruhigen Ort für ein vertrauliches Gespräch, und Frau Konic sperrte eines der Gästezimmer auf, das sie und ihre Kollegin offenbar gerade gereinigt hatten. Der hier eingemietete Gast mochte ein Mann sein, zumindest deuteten ein lässig über eine Sessellehne geworfenes Sport-Sakko und eine etwas weniger lässig auf der Sitzfläche zerknüllt liegende Leinenhose darauf hin.
Heinzʼ einleitende Worte endeten, als er den Namen Saskia Frenzen aussprach. Ab da zerfloss Frau Konic in Tränen, und es schien kein Ende nehmen zu wollen. Heinz trat von einem Fuß auf den anderen und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Dieses Gefühl steigerte sich noch, als Ljubica Konic begann, über ihr schweres Schicksal zu lamentieren. Sie erzählte, noch immer unter Tränen, wie sie in jungen Jahren mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern vor dem Jugoslawienkrieg geflohen sei, wo ihnen als bosnische Kroaten der Tod durch die anrückenden Serben gedroht habe. Mit viel Glück, über Umwege und nach schier unglaublichen Schicksalswendungen sei die Familie nach Österreich gelangt, wo sie Asyl bekommen habe. Sie erzählte, wie schwer es gewesen sei, in einem Land zu leben, dessen Sprache sie nicht beherrschte und wie stolz sie bis heute sei, dass sie seit ihrer Einbürgerung nicht einen einzigen Tag lang auf Arbeitslosengeld angewiesen war. Zuhause in Bosnien sei sie Buchhalterin gewesen, hier verdinge sie sich als Reinigungskraft, aber sie wolle sich nicht beklagen, sie sei froh, ihre Familie in Sicherheit zu wissen. Vor ein paar Jahren dann habe ihr Mann einen schweren Arbeitsunfall gehabt, der ihn für längere Zeit in den Krankenstand versetzte. Sein Arbeitgeber, der Chef eines Hochbauunternehmens, habe ihm mit Kündigung gedroht, obwohl ihr Mann die fünfzehn Jahre davor nicht einen einzigen Tag im Krankenstand gewesen sei. Als Ljubica Konic dann noch begann, über die jüngsten Probleme mit ihrer spät pubertierenden Tochter zu klagen, fiel Heinz ihr endlich ins Wort.
»Frau Konic, Ihr Schicksal berührt mich durchaus, aber was hat das mit Saskia Frenzen zu tun?«
»Frau Frenzen!« Sie heulte erneut auf. »Dieses schwere Schicksal! Zuerst Krieg, dann Unfall, dann Pubertät, dann Frau Frenzen. Die hat mich gedemütigt – wegen nix!«
»Was ist denn passiert?«
Ljubica Konic beruhigte sich etwas, dann erzählte sie: »Sie war drei Tage da, drei Tage Hölle. Immer ist gekommen Mann, immer hat er gesagt: Sauberkeit passt nit, Ordnung passt nit, Hygiene passt nit. Immer hat gesagt: Werde melden Chefin, wirst entlassen. Ich aber habe gesagt: Warum? Ich putze immer gleich, schon seit Jahren. Noch nie jemand ist gekommen und hat gesagt: passt nit.«
»Wer war dieser Mann?«
»Weiß nit. Freund von Frau Frenzen oder Kollege. Aber sie hat ihn geschickt.«
»Hat sie die Beschwerde an Frau Anderwald weitergetragen?«
Ljubica Konic zuckte mit den Achseln und schniefte. »Ich weiß nit. Vielleicht. Einmal ist gekommen Frau Anderwald und hat gefragt, was ist, und ich hab ihr erzählt, was war. Auch Kolleginnen von mir haben erzählt. Frau Anderwald hat nix weiter getan, nur hat gesagt: Machen Sie sich nix Sorgen, Sie sind gute Reinigungskraft.«
»Na, sehen Sie, da kann Frau Frenzen reden, was sie will, wichtig ist doch nur, was Ihre Chefin von Ihnen denkt.«
»Ja, aber wissen Sie, wie mir zu Herzen geht?«, fuhr Frau Konic empört hoch. »Ich mache Arbeit und Gast kommt und sagt: Ist alles nix wert! Noch dazu so ein Star wie die … die Frau Frenzen. Wissen Sie, das tut mir weh.«
Für den Rückweg zur Rezeption nahm Heinz die Treppe. Frau Konics Temperament empfand er als durchaus unberechenbar, doch glaubte er nicht, dass es sich in einem Drohbrief kanalisieren würde. Ein solch aggressives Vorgehen passte nicht zu ihr, sie schien sich eher in der Opferrolle zu sehen, vom Leben dazu bestimmt, leiden zu müssen – und dieses Schicksal anzunehmen. Abgesehen davon waren ihre mangelhaften Deutschkenntnisse im Drohbrief nicht erkennbar, zumindest nicht in dieser ausgeprägten Weise.
Durch ihre und Frau Pachoinigs Schilderung von Saskia Frenzen gelangte Heinz zu dem Schluss, dass die Sängerin einen Minderwertigkeitskomplex haben müsse. Es gab ihr offenbar etwas, wenn sie auf Menschen herumtrampeln konnte, die sie in der Rangordnung unter ihr einstufte. Und sie hatte nicht einmal den Schneid, dies selbst zu tun, sondern schickte Mitarbeiter los, und wenn sie deswegen zur Rede gestellt wurde – so, wie es Ortrud Anderwald und Evelyn Pachoinig beschrieben hatten –, tat sie, als wäre alles in bester Ordnung.
Der letzte Name auf Heinzʼ Klebezettel lautete Wolfgang Lechner, ein Kellner im hauseigenen Restaurant, welches Heinz auch ohne die Hilfe der Rezeptionistin fand. Es lag eine Ebene unter dem Eingangsbereich auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite und hatte einen Sitzgarten samt Park sowie einen Zugang zu einer Bootsanlegestelle am Lendkanal. Da dieser in den Wörthersee mündete, konnten sich Gäste von hier mit Taxi-Booten abholen und zu jedem beliebigen Ort am See bringen lassen.
Im Anrichtebereich des Restaurants fragte Heinz eine Kellnerin nach Wolfgang Lechner, und diese zeigte ihm einen Mann Mitte dreißig, der gerade zwei junge Damen bediente, die an einem Tisch in der Mitte des Restaurants saßen. Auf den ersten Blick wirkte Lechner auf Heinz flott und sympathisch, was er auch an den Reaktionen der Damen am Tisch bestätigt sah. Mit fließenden Bewegungen räumte er das Essgeschirr ab und brachte es zügigen Schrittes zum Anrichtebereich, wobei er seine Lippen schürzte, als pfiffe er ein Lied dabei.
Als er das Geschirr abstellte, sprach Heinz ihn an. »Herr Lechner?«
»Ja?«
»Mein Name ist Heinz Sablatnig, ich bin Berufsdetektiv und müsste mit Ihnen sprechen.«
»Berufsdetektiv? Na, das ist ja einmal was Neues.« Er lachte freundlich.
»Frau Anderwald hat gesagt, ich soll mich in dieser Angelegenheit auch an Sie wenden.«
Wolfgang Lechner wurde ernst. »Ah ja? Worum geht es?«
»Um Saskia Frenzen.« Heinz beobachtete die Reaktion seiner Worte auf den Kellner und wurde nicht enttäuscht. Lechner zuckte zusammen und blickte unstet umher. Er versuchte, seine Reflexreaktion durch ein Lächeln zu überspielen, konnte aber nicht verhindern, dass sein Gesicht knallrot anlief. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«, fragte Heinz.
Der Kellner sah sich flüchtig um und meinte: »Setzen wir uns auf die Terrasse, da sind wir am ehesten ungestört.«
Er wollte losgehen, doch Heinz hielt ihn auf. »Entschuldigen Sie, könnten Sie mir ein Mineralwasser geben?«
Lechners Blicke fuhren abwesend durch den Raum. »Ja, natürlich, gerne«, sagte er automatisch, »gehen Sie voraus, ich bringe es Ihnen gleich.«
Die Terrasse war spärlich besetzt, wohl wegen der Mittagshitze. Heinz wählte den zuäußerst gelegenen Tisch, der zwar nicht mit einem Schirm beschattet, dafür aber weit genug von den belegten Tischen entfernt war, so dass sein Gespräch mit dem Kellner ungehört blieb. Dieser kam gleich darauf mit einem Tablett, auf dem ein Glas und eine kleine Flasche standen. Er öffnete den Drehverschluss und goss das Glas zu drei Viertel voll. Seine Hand zitterte dabei.
»Erzählen Sie mir bitte, was sich vergangenes Jahr ereignet hat, ich meine zwischen Ihnen und Saskia Frenzen.«
Wolfgang Lechner lachte unsicher und ließ sich ebenso unsicher auf dem Stuhl Heinz gegenüber nieder. »Das ist eine gute Frage.« Seine Stimme war leise. »Um die Wahrheit zu sagen, das frage ich mich seither auch immer wieder, aber ich werde nach wie vor nicht schlau daraus.«
»Erzählen Sie.«
»Am Abend ihrer Anreise haben Frau Frenzen und einige Mitglieder ihres Teams hier im Restaurant zu Abend gegessen. Die Leute waren alle locker drauf, und Frau Frenzen war erstaunlich freundlich; richtig herzlich war sie.«
»Warum finden Sie das erstaunlich?«
»Na ja, ich meine, für einen Star ihrer Güte – da erwartet man doch allerhand Allüren. Aber wie gesagt, es war eine lustige Runde, und es war ein Vergnügen, sie zu bedienen. Frau Frenzen hat auf alles eine schlagkräftige Antwort gehabt, sie war herausfordernd, aber nicht beleidigend. Im Grunde war der Austausch mit ihr wie ein unaufdringlicher Flirt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich habe das Gefühl gehabt, die Stimmung sei für alle Anwesenden perfekt. Auch der Abschied war herzlich und humorvoll, und sie hat uns allen viel Trinkgeld gegeben. Uns Kellnern, meine ich.
Und dann, ein paar Stunden später, es war kurz vor Sperrstunde, da ist einer aus ihrer Runde noch einmal aufgetaucht, hat sich vor mich hingestellt und mich ganz böse angeschaut. Es war so bedrohlich, dass ich kurz geglaubt habe, er will mir eine reinhauen, aber dann hat er gesagt: ›Ihnen ist schon klar, dass Sie mit Ihrem Auftritt vorhin wahrscheinlich Ihre Karriere als Kellner beendet haben?‹ Ich … ich bin aus allen Wolken gefallen und habe ihn gefragt, was ich denn getan hätte, da hat der Mann gemeint: ›Ihre Anmache vorhin, die grenzt ja wohl an sexuelle Belästigung. Saskia war darüber so empört, dass sie Schlaftabletten nehmen musste, um sich zu beruhigen.‹
Ich habe gesagt: ›Anmache? Was denn für eine Anmache? Wir haben uns doch blendend miteinander verstanden!‹
Aber der Mann hat gemeint: ›Sie vielleicht, Saskia nicht. Ich kann nur für Sie hoffen, dass Saskia morgen beim Konzert in Topform sein wird, denn wenn nicht, wird sie Sie auf Schadenersatz verklagen. Und das werden Sie sich bei Ihrem Gehalt nicht leisten können, egal, wie lange Sie leben.‹
Ich wollte die Sache noch klären, mich gegebenenfalls entschuldigen, aber der Mann hat sich einfach umgedreht und ist wieder gegangen.«
»Was war dann?«
»Was war dann … dann … dann war ich fertig, wie Sie sich vorstellen können. Ich habe mit meinen Kollegen gesprochen, die noch da waren, und alle haben denselben Eindruck von dem Abend gehabt wie ich. In der Nacht habe ich kein Auge zugetan.«
»Hat Frau Frenzen ihre Drohung wahrgemacht?«
»Nein, hat sie nicht. Am nächsten Tag hat Frau Anderwald die Weisung durchgegeben, dass sich alle Mitarbeiter bei ihr melden sollen, die einen Konflikt mit Frau Frenzen gehabt haben, und natürlich bin ich zu ihr gegangen. Sie hat sich meine Geschichte angehört und gemeint, ich solle mir das Ganze nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Es hätte noch andere ähnliche Vorfälle gegeben und sie wolle abwarten, was dabei herauskäme. Aber das war’s dann, da ist nichts dabei herausgekommen.«
»Haben Sie eine Erklärung für dieses Verhalten, ich meine von Frau Frenzen?«
»Nein, wie gesagt, nicht im Geringsten, ich stehe vor einem Rätsel. Ich kann mir das nur so erklären, dass Frau Frenzen einen – na ja, sagen wir einmal – einen etwas eigenen Charakter hat.«
Heinz sah in Lechners Augen, dass er etwas anderes meinte, und half ihm: »Sie meinen, ein psychisches Problem?«
Der Kellner lachte peinlich berührt und erwiderte: »Im Gegensatz zu mir dürfen Sie es so auszudrücken.«
»Hat Sie das Erlebnis belastet?«, fragte Heinz nun.
»Natürlich, was glauben Sie denn? Das Kellnern ist mein Leben, ich will, dass sich meine Gäste so wohl wie nur möglich fühlen. Dass Frau Frenzen meinen Schmäh mit sexueller Belästigung gleichgesetzt hat, hat mich nachhaltig verunsichert. Ich war danach lange Zeit gehemmt, und ich bin auch heute noch übertrieben vorsichtig im Umgang mit Damen. Ich frage mich jedes Mal, ob ein Witz, den ich anbringen will, nicht zu weit geht. Vor dem Erlebnis war das nie ein Thema für mich, und es hatte sich davor auch noch nie jemand beschwert.«
Heinz nickte. »Wie ist es Ihnen gegangen, als Sie erfahren haben, dass Saskia Frenzen erneut hier übernachten wird?« Wieder beobachtete er genau die Reaktion des Kellners, und wieder wurde er nicht enttäuscht.
Lechner blickte hin und her und schien einen Moment lang abstreiten zu wollen, davon zu wissen. Schließlich meinte er knapp: »Nicht gut.« Heinz wollte eine Frage nachlegen, doch Lechner kam ihm zuvor: »Warum fragen Sie mich das alles überhaupt?«
Heinz musterte ihn für ein paar Sekunden. »Frau Frenzen hat einen Drohbrief bekommen.«
Die Augen des Kellners weiteten sich, und er wurde bleich. »Echt?«, keuchte er.
»Ja. Der Inhalt lässt keinen Zweifel daran, dass der Verfasser irgendwie mit dem Seepark Hotel verbandelt ist; ein Angestellter wäre die logische Wahl.«
»Was … was …« Lechner räusperte sich. »Was steht denn genau drinnen?«
»Das kann ich Ihnen wörtlich nicht wiederholen, im Grunde beschimpft der Schreiber aber Frau Frenzen und droht ihr mit dem Tod, wenn sie sich noch einmal hier im Hotel blicken lässt.«
»Mein Gott!« Lechner starrte vor sich hin.
Heinz fragte geradeheraus: »Haben Sie den Brief geschrieben?«
Der Kellner schrak auf, starrte Heinz an, schüttelte hektisch den Kopf. »Nein, nein, um Gottes willen, so etwas würde ich nie tun.« Gleich darauf lief sein Gesicht wieder knallrot an.
Heinz trank sein Glas aus und stand auf. »Was bin ich schuldig?«
»Lassen Sie nur«, winkte Lechner ab, »geht aufs Haus.«
»Danke. Den Rest werde ich später austrinken.« Er ergriff die halbvolle Mineralwasserflasche am Verschluss und nahm sie mit. »Und danke für das Gespräch.«
Heinz wusste Bescheid. Von den drei Verdächtigen hatte sich Wolfgang Lechner als Einziger nach dem Grund für die Befragung erkundigt. Außerdem war das Trauma, an dem er seit Saskia Frenzens letztem Besuch litt, ein starkes Motiv, um einen Drohbrief zu verfassen, vermutlich hatte ihn die Nachricht vom erneuten Besuch der Schlagersängerin in einen Zustand der Verzweiflung gestürzt. Wenn er sich daraufhin betrunken hatte, war es zum Schreiben des Briefes nur noch ein kleiner Schritt gewesen.
Heinz trat durch den Haupteingang des Hotels auf den Parkplatz und drückte auf die Fernbedienung seines Wagens, was dieser mit einem Aufblinzeln der Angel-Eye-Scheinwerfer quittierte.