Herbstlaub - Micha Theis - E-Book

Herbstlaub E-Book

Micha Theis

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Beschreibung

"Wenn Du Vater noch einmal lebend sehen willst, dann solltest Du Dich beeilen." Micha ist auf dem Weg nach Berlin zu seiner neuen Arbeitsstelle, als ihn die Nachricht erreicht, dass sein Vater im Sterben liegt. Warum in Gottes Namen kommt im Leben immer alles auf einmal? Jahrelang hätte man Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten, ihn noch ein paar Dinge zu fragen ... zu spät. Vor Micha liegt nun - wie verstreut auf dem Boden - das Puzzle eines Lebens. Das Leben seines Vaters. Die Fortsetzung von "Zweieinhalb Stunden mit mir".

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

1

„Wenn du Vater noch einmal lebend sehen willst, dann solltest du Dich beeilen.“

Seltsam, diesen Satz hatte sein Bruder ihm schon einmal gesagt, vor etlichen Jahren, damals meinte er Michas Onkel, und der war der Patenonkel seines Bruders, den fast alle immer nur Pat nannten („Wenn du den Pat noch einmal lebend sehen willst“), man hätte ihn auch Herbert nennen können, mit seinem richtigen Namen, aber für die Kinder war er immer nur der Pat gewesen, nur seine Geschwister nannten ihn mit seinem richtigen Namen, unter sich. Den Kindern gegenüber sprachen auch sie meist vom Pat. Das dürfte schon fünfzehn Jahre her gewesen sein. Micha hatte es nicht mehr geschafft, ihn noch lebend anzutreffen, obwohl er sich fast unverzüglich ins Auto gesetzt und die zweihundert Kilometer in weniger als zwei Stunden hinter sich gebracht hatte.

Jetzt also sein Vater. Die Wiederholung dieses Satzes hatte etwas Unechtes in seinen Ohren, etwa so wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Sein Bruder wusste vielleicht nicht mehr, dass er genau diesen Satz schon einmal gesagt hatte, vor fünfzehn Jahren, oder vielleicht wusste er es sogar noch. Es ist ja tatsächlich so, dass man bestimmte Sätze immer wieder verwendet, das passiert, und manchmal ertappt man sich dabei, wenn es einem passiert, man muss dann über sich selber schmunzeln. Irgendwie erleichtert es einen sogar, dass man nicht jeden Satz völlig neu erfinden muss, das wäre ja eine kaum zu bewältigende Aufgabe, nein, das scheint völlig normal zu sein. Nur eben dieser spezielle Satz, der machte ihn misstrauisch und nahm der Lage ungewollt etwas von ihrem Ernst. Es war der Satz, den er nicht noch einmal hatte hören wollen, nicht weil er fand, dass er der Situation unangemessen sei, sondern weil er fand, dass er sogar höchst angemessen war, dass er allerdings einer der wenigen Sätze war, die man nur einmal aussprechen durfte, weil der Tod eines Menschen eben zwangsläufig einmalig ist und weil das Individuum, wenn dann sein Lebenslicht erlischt, einen Anspruch darauf hat, dass ein solcher Satz nur ein einziges Mal und nur für ihn oder sie ausgesprochen wird. Aus genau diesem Grund ertrug er auch Grabreden nicht, die nun mal meist und zum überwiegenden Teil aus tausendmal wiederholten Versatzstücken bestehen, „wir kannten ihn als einen fröhlichen Menschen“, „er hätte bestimmt nicht gewollt, dass …“.

Jetzt also sein Vater. Eine innere Stimme sagte ihm, dass die Worte seines Bruders wahrscheinlich den Ernst der Lage völlig korrekt zum Ausdruck brachten, dass aber – so paradox es klingen mochte – die von ihm wahrgenommene Unangemessenheit ihrer Wiederholung einen Aufschub implizierte. Natürlich würde er morgen gleich eine Rückfahrt oder einen Rückflug buchen, denn heute war es unmöglich, er saß gerade im Zug nach Berlin, als ihn der Anruf seines Bruders erreichte. Jetzt musste er erst einmal ans Ziel dieser Fahrt kommen, dann alles organisieren, morgen hatte er den ersten Arbeitstag an seiner neuen Arbeitsstelle, und erst dann – nach vielleicht drei Tagen – konnte er die Rückfahrt antreten, obwohl sein neuer Chef gewiss Verständnis haben würde. Er konnte jetzt nicht stante pede beim nächsten Halt aus dem Zug springen und einen Gegenzug nehmen, obwohl ihm eigentlich genau danach zu Mute war. Sein Sinn stand ganz gewiss nicht danach, morgen die neue Stelle anzutreten (was er aber ganz gewiss tun würde), sondern danach, jetzt seinen Vater schnellstmöglich zu sehen, bevor das eintrat, was wohl eintreten würde, auch wenn es in Gottes Hand lag, wann es genau eintreten würde. Eine innere Stimme sagte ihm genau das, dass es nämlich in Gottes Hand lag und dass es noch einen kleinen Aufschub duldete.

Vier Tage später, am Donnerstag, betrat er dann das Zimmer auf der Intensivstation. Er musste sich zu dem Zimmer durchfragen, das Krankenhaus war ihm nicht mehr vertraut, dennoch gab es noch eine ganz schwache Erinnerung daran, dass er vor Jahrzehnten selbst einmal wegen eines unbedeutenden Eingriffs einen Tag und eine Nacht dort verbracht hatte. Jetzt aber ging es um seinen sterbenden Vater, und das Personal schien es ganz genau zu wissen, so wie man ihn anschaute schienen alle genauestens informiert zu sein, und in ihren Blicken, ja in ihren Gesten und Gebärden schien Mitgefühl durch, man suggerierte eine Normalität, so als ob man hier im Krankenhaus für solche Situationen bestens vorbereitet wäre, als ob man alles unter Kontrolle habe und sein Vater bestens versorgt sei. Dies in etwa adressierte man ihm mit Blicken und Gebärden, um den Moment vorzubereiten, an dem er dann die Tür öffnen würde, und um das ganze Elend, die ganze traurige Wahrheit des aktuellen Zustands und des nahenden Ablebens seines Vaters abzumildern, denn daran konnte kein Arzt und kein Pfleger noch irgendetwas ändern, das lag allein in Gottes Hand, und das war eben genau der Moment der Wahrheit, der einerseits unaussprechlich und andererseits beklemmend greifbar und offensichtlich war. Alle wussten es und niemand wollte, konnte oder durfte es aussprechen.

Er drückte die Klinke der Tür, und doch hätte er es liebend gerne nicht getan, wenn ihm irgendjemand im letzten Moment zugeflüstert hätte, dass alles ein Irrtum sei, sein Vater längst wieder genesen und zu Hause, das Zimmer bereits wieder mit einer anderen Person belegt oder auch, ja er gestand sich seine Feigheit ein, dass sein Vater vielleicht schon verstorben sei und sein Leichnam in der Kapelle aufgebahrt liege, so dass er das Zimmer gar nicht mehr betreten musste. So wie damals bei Pat. Da dies alles, was ihm in diesem Augenblick in Sekundenbruchteilen durch den Kopf ging, jedoch nur seiner Feigheit geschuldet war, öffnete er also die Tür und trat vorsichtig ein. Seine Augen glitten an der langen, leicht angegilbten Wand vorbei, und sein Blick richtete sich schließlich auf das Bett ziemlich in der Mitte des Raumes.

Sein Vater wendete den Kopf in seine Richtung und schaute ihn an. Und Micha spürte, dass nun der Moment des Abschiednehmens gekommen war. Es mochten noch so viele Kanülen, Kabel und anderes Gerät um diesen Körper herum angeordnet worden sein (er wurde offenbar künstlich ernährt und beatmet), um die Suggestion aufrecht zu erhalten, die Medizin habe noch ein Wörtchen mitzureden: Das alles war jetzt nur noch Staffage. Er saß in dem erhöhten weißen Bett (mittels einer elektrischen Vorrichtung war der obere Teil des Bettes aufgerichtet, so dass sich auch der Oberkörper in einer halbwegs aufgerichteten Position befand) und folgte Michas Bewegung zum Bett hin mit seinen Augen. Micha berührte seine linke Hand und hielt sie fest. Sie fühlte sich schlaff und weich an, sein Vater ließ es geschehen. Ihre Augen begegneten sich und verharrten in diesem Einander-Anblicken. Was mochte in ihm vorgehen? Micha bemerkte, dass die Augen gegenüber feucht wurden. Und er spürte diese unendliche Liebe des Vaters zu seinem Kind. Neunundvierzig Jahre lang hatte er ihn als sein Kind und Micha ihn als seinen Vater gehabt. In diesem Moment schienen sie sich, diese neunundvierzig Jahre, in der Feuchtigkeit seiner Augen, die keine richtigen Tränen war, zu vereinen. Seine Augen ruhten in Michas Augen, und während Micha in seine Augen blickte, schien es ihm, als sähe er seinen ganzen Leib und als könne er sogar durch seinen Leib hindurch, über seinen Leib hinaus sehen.

Während Micha also in seine Augen blickte, nahm er dennoch wahr, dass die oberen Knöpfe seines Schlafanzughemdes geöffnet waren, sodass er einen Teil von Brust und Schulter sehen konnte, und es war nicht die Haut eines knapp Neunundsiebzigjährigen, sondern die Haut eines Kindes, die er sah. Sie schien rein und unberührt, schneeweiß. Hatte er jemals diese Stellen seines Körpers erblickt? Er hatte den Körper seines Vaters immer fast vollständig mit Kleidung bedeckt gesehen, so wie es die Menschen seiner Generation gewohnt waren. Aus dem Hemd hatten seine Hände hervorgeragt und aus dem Kragen der Kopf, und das waren fast die einzigen Hauptpartien des Körpers seines Vaters, die er kannte. Durch eine Nachlässigkeit des Personals war nun ein Teil von Brust und linker Schulter den Blicken ausgesetzt, was Micha als unzulässige Verletzung der Intimsphäre, ja der Persönlichkeitsrechte empfand. Denn in seinem Zustand konnte sein Vater selbst kaum etwas daran ändern, der Arm würde seiner Absicht nicht mehr gehorchen, wenn er denn die Absicht gehabt hätte, das Hemd wieder zuzuknöpfen. Er konnte auch nicht mehr mit Stimme sprechen, Micha wusste das natürlich und machte daher keinerlei Anstalten mehr, etwas zu sagen oder gar zu fragen. Sein Vater sagte alles mit seinen Augen. Doch machte er noch einen Versuch, der Micha überraschte, denn er hatte einen Schreibblock neben der rechten Hand liegen und einen Kugelschreiber. Seinen Fingern gelang es, den Kugelschreiber zu ergreifen, und die Hand mit dem Kugelschreiber glitt langsam zum Block und setzte an, etwas aufzuschreiben. Sie machte ein paar schwache Schreibbewegungen, ließ den Stift wieder los und erschlaffte. Micha nahm den Block vorsichtig und versuchte, das Geschriebene zu lesen. Es gelang ihm nicht. Es war vielleicht ein Wort, vielleicht waren es zwei, Micha konnte nur ein Hin und Herr von Linien erkennen, keinen Sinn. Doch er brauchte ihm auch nicht vorzuspielen, er hätte verstanden, was er sagen wollte, denn inzwischen hatte sein Vater den rechten Arm leicht angehoben und zeigte mit dem Zeigefinger auf eine Uhr, die an der Wand hing. Oder zeigte er einfach nach oben? Beides deutete sich Micha unmittelbar, es war ein und dasselbe: Die Zeit war um, und er würde heimkehren. Micha nickte ihm zu, und jetzt war es an ihm, feuchte Augen zu bekommen. Die Feuchtigkeit verwandelte sich unversehens in Tränen, die in einem ungehemmten Fluss hervorsprudelten, und er neigte seinen Kopf zu dem Kopf seines Vaters hin, rückte ganz nah zu ihm hin und sagte: „Papa, ich weiß, was du meinst, Dein Wille geschehe. Aber ich hätte dir noch so vieles sagen wollen und dich noch so vieles fragen wollen. Bleib bitte noch.“

Die Worte kamen einfach so aus seinem Mund heraus, er konnte nichts dafür und nichts dagegen, er wollte es ihm doch nicht noch schwerer machen, aber die Endgültigkeit seines Gehens wurde Micha erst in diesem Moment völlig klar, so als ob er ein ganzes Leben in der Illusion gelebt hätte, sein Vater würde ewig leben, oder vielleicht genauso lange wie er selbst, und es wäre immer noch Zeit füreinander … Das alles brach in diesem Moment zusammen. Ihm schien, dass sein Vater sogar schon längst, vor einiger Zeit, vielleicht vor Tagen gegangen und nur noch einmal für diesen Augenblick zurückgekehrt sei, für diesen Augenblick des Abschieds. Er blieb so an seiner Seite, wie lange wusste er nicht, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht eine Stunde, dann wurde die Tür leise geöffnet und eine Krankenschwester zeigte sich in der Tür und bedeutete ihm, dass die Zeit jetzt um sei, dass der Zustand seines Vaters keine Verlängerung des Besuchs mehr dulde. Er stand wie in Trance auf, seine Lippen berührten die Stirn ihm gegenüber, und langsam ging er nun zur Tür, die die Krankenschwester geöffnet hielt, weil sie darauf bestand, zu überwachen, dass er den Patienten jetzt auch wirklich allein ließ. Er drehte sich ein letztes Mal zu ihm um, sah seine Augen, die ihm gefolgt waren, hob den Arm ein wenig zum Abschied und ging vor der Krankenschwester wortlos nach draußen.

Auch später hatte er immer wieder über die auffällige Koinzidenz des Ablebens seines Vaters – gefolgt übrigens zwei Monate später von dem seines Schwiegervaters – und ihres Umzugs nach Berlin nachgedacht. Sie erschloss sich ihm nicht vollständig, abgesehen von der Siegelwirkung des Faktischen: Zwei Leben gingen zu Ende, bei ihm ging ein Lebensabschnitt zu Ende und ein neuer Lebensabschnitt begann. Aber für alle Angehörigen begann ja mit dem Tod der beiden Väter beziehungsweise Ehegatten ein neuer Lebensabschnitt, und nur für ihn und Britta kam ein Ortswechsel von einem Ende Deutschlands diagonal ans andere hinzu und für ihn obendrein noch ein Berufswechsel. Und noch eindrücklicher war, dass sein Vater just an dem Tag ins Krankenhaus eingeliefert wurde, als er, Micha, sich auf den Weg nach Berlin gemacht hatte, zu seinem ersten Arbeitstag auf der neuen Stelle. Wenn er allerdings noch ein kleines Stück zurück ging, etwa fünf Monate zuvor, fand er da ein Puzzlestück, das manches (wenn auch bei weitem nicht alles) erklären könnte. Es musste im Januar des gleichen Jahres gewesen sein, als er von seiner Mutter hörte (in einem Telefongespräch), dass sein Vater beschlossen hatte, die kleine Wohnung in den Bergen zu verkaufen. Diese Nachricht kam für ihn so überraschend, wie sie ihm unwahrscheinlich erschien, denn wenn es einen Ort auf der Erde gab, wo er, sein Vater, sich wohlgefühlt hatte, dann dieser. Sie waren fast zwanzig Jahre lang zwischen Ihrem Haus im Hunsrück-Dorf und der Wohnung in den Bergen hin und her gependelt, und immer hatte er zum Ausdruck gebracht, dass er sich nur in den Bergen wirklich wohlfühlte, während es bei seiner Mutter eher umgekehrt gewesen war. Nun also die plötzliche Absicht, die Wohnung in den Bergen zu verkaufen. Überdies vertraute ihm seine Mutter an, dass er nun abends schon um acht, halb neun ins Bett ging. Er habe gesagt, er brauche diese Zeit, um zu beten (oder sagte sie nicht: mit Gott zu reden)?

Seine Mutter hatte das so gesagt, als ob hier eine Differenz bestünde. Nicht dass sie nicht eine ebenso zuverlässige Beziehung zu Gott gehabt hätte wie er, nein keineswegs, es war nur dieser Bruch mit der Gewohnheit, der eine Differenz schuf, die vorher nicht bestanden hatte. Zuvor waren sie immer mehr oder minder zur gleichen Zeit zu Bett gegangen. Jetzt also gingen sie abends getrennte Wege, er ging ins Bett und sie blieb im Wohnzimmer sitzen, schaute fern oder las etwas. Wahrscheinlich war es auch zu dieser späten Stunde gewesen, als Micha damals mit ihr telefoniert hatte und sie ihm diese Dinge anvertraut hatte. Offenbar hatte sein Vater begonnen, sich auf sein Ableben vorzubereiten, oder eher: auf seine Heimkehr, denn das war es, was es in Wirklichkeit für ihn bedeutet hatte, was es seit Kindesbeinen für ihn bedeutet hatte, nachdem er sich zu Christus bekannt hatte, wie Micha aus seinen nach seinem Tod aufgefundenen Aufzeichnungen erfuhr. Das sind Dinge, die Außenstehende nur sehr schwer verstehen können, das heißt jemand, der die Welt der Freikirchler nicht kennt, zu der sein Vater damals, als Kind und Jugendlicher, noch gehört hatte. Von dieser Welt hatte er sich später, nach dem Krieg, als er heiratete, zwar distanziert, aber sicherlich nicht von den tiefen Glaubensüberzeugungen, die er als Kind erworben hatte. So kam es, dass er sich nun allmählich auf seine ‚Heimkehr‘ vorbereitete, und dazu gehörte das abendliche Zwiegespräch mit Gott. Als er dann einige Monate später, Ende April, die Lungenentzündung bekam, die zunächst nur wie eine Erkältung anmutete, wurde niemand misstrauisch, vielleicht er selbst auch nicht. Und als er dann keine Luft mehr bekam, ahnte immer noch niemand, seine Mutter nicht, Michas Bruder nicht, der ja in der Nähe wohnte, dass es eine Lungenentzündung war, und sie entschlossen sich, als er plötzlich so sehr nach Luft rang, als sie nicht mehr ein noch aus wussten, den Notarzt zu rufen. Das war am Samstag gewesen, und am Sonntag fuhr Micha zum ersten Mal nach Berlin. Das mit dem Notarzt und dem Krankenhaus war im Grunde genommen völlig vergeblich, denn er selbst wollte es gar nicht, er ließ es einfach nur mit sich geschehen, er wusste vermutlich genau, dass es nur ein kurzer Aufschub war, aber vermutlich wusste er in dem Moment nicht, dass dieser Aufschub nötig war, damit sie sich alle von ihm verabschieden konnten.