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Mit einem Biss hat Savannah ihre große Liebe unsterblich gemacht - und den Hass des Clanns entfesselt … der dritte Band von Melissa Darnells fantastischer Vampir-Trilogie! Es ist geschehen: Savannah und Tristan sind vereint - durch Savannahs Biss, der Tristan zum Vampir gemacht hat. Wenn sie zusammen im Mondlicht tanzen, wenn Tristan sie küsst, könnte Savannah fast vergessen, dass sie ihn zum ewigen Leben verdammt hat! Aber Liebe ist nicht das Allheilmittel: Tristans Verwandlung weckt den Hass des Clanns, zu dem er früher gehört hat. Aus dem schwelenden Konflikt zwischen dem Clann der Magier und dem Hohen Rat der Vampire wird ein Krieg, der eine uralte Macht entfesselt, stärker und böser als alles, was sie bisher kannten. Bald müssen Tristan und Savannah erfahren, dass es Verbindungen gibt, die stärker sind als Liebe - und dass nicht jeder Sieg ohne Opfer errungen werden kann.
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Seitenzahl: 515
IMPRESSUM
books2read ist ein Imprint der HarperCollins Germany GmbH, Valentinskamp 24, 20354 Hamburg, [email protected]
Copyright © 2013 by Melissa Darnell Originaltitel: “Consume” Erschienen bei: Harlequin TEEN, Toronto Published in Arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.ár.l Deutsche Erstausgabe Copyright © 2014 bei darkiss ® in der Harlequin Enterprises GmbH Übersetzung: Freya Gehrke Copyright © 2016 by books2read in der HarperCollins Germany GmbH Deutschland, Hamburg
Umschlagmotiv: EgorLapko / Thinkstock Umschlaggestaltung: Deborah Kuschel
Veröffentlicht im ePub Format im 01/2016
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733785512
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. books2read Publikationen dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Savannah
Starr blickte ich in den Wald des Rich Mountain und stützte mich mit einer Hand an den Stamm des kahlen Laubbaums. Mein unnatürlich schneller Atem stieg in kleinen Wölkchen in die Nachmittagsluft, während die blasse Sonne sich hinter den nackten Ästen der Baumgrenze vorwärtsschleppte. In der Luft hing Rauch, der beißende Gestank eines falschen Versprechens von Wohlbehagen aus dem Schornstein der Jagdhütte, die wenige Meter hinter mir stand. Und die ich in diesen wenigen kostbaren Minuten der Einsamkeit hier draußen verbissen zu ignorieren versuchte.
Eigentlich hätte es perfekt sein sollen ... Tristan und ich und eine abgelegene Blockhütte mit einem knisternden Kaminfeuer, weit abgelegen auf einem Berg im Westen von Arkansas, mitten im Dezember. Weit und breit weder der Clann noch der Vampirrat in Sicht, um uns Probleme zu bereiten. Keine Regeln oder Geheimnisse mehr, die uns trennten. Keinerlei Risiko mehr, Tristan mit einem bloßen Kuss aus Versehen auszusaugen und zu töten.
Doch stattdessen war alles verkehrt, und ich drohte unter dem Gewicht dessen, was uns jetzt bevorstand, zusammenzubrechen.
Wir waren nicht allein hier. Mein Vater war mitgekommen. Nicht zu Tristans oder meiner Sicherheit, sondern um jeden anderen zu schützen, der womöglich zu dicht in die Nähe kam und Tristans Blutdurst weckte. Hätte Dad ihn letzte Nacht nicht zurückgehalten, hätte Tristan dort im Zirkel womöglich seine eigene Familie abgeschlachtet. Jene Lichtung in unseren heimatlichen Wäldern war der Hauptversammlungsort des Clanns, wo erst vor wenigen Stunden so viel Clann- und Vampirblut vergossen worden war.
Allein bei der Erinnerung daran, wie Tristan dort ausgesehen hatte – seine ehemals sanften grünen Augen plötzlich silberweiß vor Begierde, seine sonst vollen Lippen dünn und über frisch gewachsene Fangzähne gespannt, während er wütend fauchte –, durchlief mich ein mächtiger Schauer. Bis zu jenem Augenblick hatte ich nie gesehen, wie ein Vampir die Kontrolle über seinen Blutdurst verlor. Nun würde ich den Anblick nie wieder vergessen.
Zu dieser einsamen Jagdhütte zu fahren war unsere einzige Option gewesen, und unser Aufenthalt hier versprach alles andere als spaßig oder friedlich zu werden. Gestern Nacht hatten wir direkt nach dem Kampf Dads Auto beladen und aufbrechen müssen, nur um Tristan aus der Nähe der Menschen zu bringen, bevor der Blutdurst ihn wahnsinnig machte. Selbst der kurze Halt an einer Tankstelle war ein Albtraum gewesen. Gott sei Dank war es von Jacksonville, unserer Heimatstadt im Osten von Texas, bis hierher nur eine Tagesfahrt, deshalb hatten wir nicht oft anhalten müssen. Jetzt, da Tristan ein ausgewachsener Vampir war, überstiegen seine Kräfte die meinen bei Weitem – schließlich hatte er jahrelang Football gespielt und Krafttraining gemacht, bevor er verwandelt worden war. Bei unserem einzigen Halt war es an mir gewesen, den Tank zu füllen, während Dad Tristan im Auto festgehalten hatte, damit er nicht auf die Menschen an der Raststätte losging.
Und seitdem war es durch die neu entstandene geistige Verbindung nur noch viel, viel schlimmer geworden. Denn Tristan konnte jeden meiner Gedanken aufschnappen, während ich stumm darum kämpfte, nicht durchzudrehen.
Bevor ich Tristan verwandelt hatte, waren die ASW zwischen uns eine Einbahnstraße gewesen, und ich hatte mir keine Gedanken darüber machen müssen, dass er jedes Wort hören könnte, das ich dachte. Weil Vampire und der Clann von Geburt an natürliche Feinde waren, hatten sich in beiden Spezies mentale Barrieren entwickelt, sodass keine Seite die Gedanken der anderen lesen konnte. Doch da ich ein Dhampir war – von einer menschlichen Mutter und einem Vampirvater gezeugt –, konnte ich die Gedanken beider Seiten lesen, während meine vor ihnen abgeschirmt waren.
Unglücklicherweise hatten wir jetzt, da Tristan genau wie ich zur Hälfte dem Clann entstammte und zur Hälfte Vampir war, keinerlei Schwierigkeiten, gegenseitig unsere Gedanken zu lesen. Und das wäre großartig gewesen – hätte es einen Schalter gegeben, mit dem man diese Fähigkeit abstellen konnte. Doch zumindest fürs Erste schien so etwas nicht zu existieren, weshalb die neue Fähigkeit eher ein Fluch war. Der einzige Weg für uns, die Gedanken des anderen zu blocken, war, uns in unterschiedliche Räume zu begeben. Zum Glück hielten anscheinend Wände mit geschlossenen Türen und Fenstern zwischen uns unsere Gehirnwellen auf.
Früher hatte ich mich mit dieser Fähigkeit, all die offenen Gedanken um mich herum zu hören, aber nicht gehört zu werden, so allein gefühlt. Doch jetzt, da Tristan zur einzigen Person auf dem ganzen Planeten geworden war, die meine Gedanken hören konnte, sobald sie entstanden, wurde mir erst bewusst, wie verwöhnt ich durch meine Freiheit gewesen war, alles zu denken, was ich wollte. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich das panische, schuldzerfressene Chaos in meinem Kopf unter Kontrolle bekommen sollte, während ich mit ihm zusammen war. Und durch meine fehlende mentale Selbstbeherrschung verletzte ich ihn ein ums andere Mal.
Das war auch der Grund, warum ich mich nach draußen an den Waldrand geschlichen hatte, um kurz durchzuatmen, nachdem Tristan in der Hütte eingeschlafen war – immer noch verletzt und verwirrt von meiner Reaktion auf ihn an der Tankstelle. Außerdem konnte ich mich hier endlich mit den unzähligen Sorgen beschäftigen, die ich so angestrengt verdrängt hatte, solange er noch wach gewesen war.
Was hatte ich ihm angetan? Uns?
Ich schlang einen Arm um den Baum und lehnte mich an den Stamm, ließ mich von ihm stützen. Ich war so müde, doch mein Geist weigerte sich, abzuschalten und mir Erholung zu gönnen.
Warnend quietschte die Tür der Blockhütte, und als ich mich umdrehte, zerbröselte ein weiteres Stück Baumrinde unter meinen Fingern.
Dad kam zu mir herübergeschlendert, und erleichtert entspannte ich mich. Fast hätte ich vergessen, dass ich nicht allein in dieser Misere steckte. Gott sei Dank hatte ich Dad, an den ich mich wenden konnte, um mir Rat über die Ausbildung eines Zöglings zu holen, denn auf mich gestellt wäre ich in der Hinsicht vollkommen hilflos gewesen.
„Na, schnappst du ein bisschen frische Bergluft?“, fragte er.
„Nein. Ich hab bloß ... etwas Raum gebraucht, um meinen Sorgen um Tristan freien Lauf zu lassen. Von jetzt an kann er all meine Gedanken hören, ob ich will oder nicht. Aber er erinnert sich an nichts außer dem, was er mit meinem Blut aufgenommen hat. Er ist so verloren und verwirrt, und er hat keine Ahnung, warum ich so aufgewühlt bin.“ Ich war lauter geworden. Mühsam atmete ich durch und zwang mich, meine Stimme zu einem Murmeln zu senken, damit Tristan uns nicht hörte. „Wie sollen wir ihm nur alles erklären?“
Dad hatte gesagt, in der größten Gefahr befänden sich die Zöglinge in den ersten paar Monaten nach der Verwandlung, während der menschliche Geist noch darum kämpfte, sich mit der Vampir-DNA zurechtzufinden. Ihm zufolge verhielt sich das Gehirn während dieser Phase oft wie nach einer Gehirnerschütterung: Es schaltete das Erinnerungszentrum ab und operierte allein auf den niederen Ebenen von Instinkt und Sinneswahrnehmungen. Irgendwann würden die Erinnerungen zurückkommen, doch das konnte Monate dauern.
Bis dahin wäre Tristan höchst emotional und vielleicht sogar manchmal irrational, und es würde ihm schwerfallen, sich über längere Zeiträume zu konzentrieren. Zudem würde er den Impuls verspüren, Menschen auszusaugen, ohne zu verstehen, woher dieser Drang kam. Darüber hinaus würde er über die Schnelligkeit, die Kraft und die Reflexe eines ausgewachsenen Vampirs verfügen.
„Wir dürfen auf keinen Fall versuchen, seine Erinnerungen schneller zurückzuholen“, warnte Dad. „Wir müssen Geduld haben und ihnen Zeit lassen, von allein zurückzukehren. Wenn wir ihm erzählen, was er vergessen hat, wird ihn das nur noch mehr aufwühlen und verwirren. Nichts, woran er sich nicht selbst erinnert, wird er je ganz glauben. Und im Moment ist sein Zustand zu instabil, als dass er mit all dem, was unsere Situation im Ganzen bedeutet und was sie nach sich zieht, umgehen könnte. Du wirst ihn weiterhin so gut vor deinen Gedanken schützen müssen, wie du kannst.“
Leichter gesagt als getan.
„Was ist, wenn er sich nie an alles erinnert? Was ist, wenn ich nicht stark genug bin oder schlau genug oder wenn wir ihn nicht richtig ausbilden oder nicht schnell genug ...?“
Dad legte mir eine Hand auf die Schulter. „Jetzt weißt du, was ich mit dir durchgemacht habe. Es gibt keine größere Verantwortung als dafür zu sorgen, dass ein anderer weiterhin existiert. Aber mit der Zeit wird es leichter.“
Zeit. Wie viel hatten wir überhaupt? „Wird der Rat versuchen, uns aufzuspüren?“
Er schüttelte den Kopf. „Sie vertrauen darauf, dass ich ihnen am Telefon wahrheitsgemäß Bericht erstatte. Der Clann dagegen .“
Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Aber sie werden jetzt von Tristans Mom angeführt. Warum sollten sie ein Problem sein?“
„Wir wissen beide, wie sie zu unserer Art steht.“
Und Nancy Coleman gab mir die Schuld daran, dass ich ihren einzigen Sohn in genau das verwandelt hatte, wovor sie sich am meisten fürchtete.
„Okay, vielleicht hasst sie mich abgrundtief“, räumte ich ein. „Aber wenn sie mich ausschalten wollte, hätte sie das gestern Nacht im Zirkel erledigen können.“
„Vor einem so gemischten Publikum aus Clann-Mitgliedern und Vertretern des Vampirrats?“
Hmm. Da hatte er nicht unrecht. Mich überlief ein kalter Schauer. „Trotzdem, sie ist Tristans Mom. Sie weiß, dass er mich jetzt braucht, damit ich helfen kann, ihn auszubilden.“
„Außer sie beschließt, dass Tristan und du doch eine zu große Bedrohung für den Clann seid. Vor allem jetzt, wo du gezeigt hast, dass dein Blut Nachfahren verwandeln kann. Etwas, wozu kein anderer Vampir je in der Lage war.“
Mir krampfte sich der Magen zusammen. Langsam und kontrolliert holte ich Luft. „Das würde sie nicht tun. Ihrem eigenen Sohn würde sie das nicht antun. Egal in was ich ihn verwandelt habe: Sie vergöttert Tristan.“
„Hoffen wir, dass du damit recht hast, um unser aller willen. Lass uns außerdem hoffen, dass sie schnell die Kontrolle über den Clann ergreift, bevor irgendwelche Nachfahren beschließen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und sich an dir zu rächen, weil du ihren Anführer verwandelt hast.“
„Tristan war bloß ungefähr zwei Minuten lang ihr Anführer.“
„Trotzdem war er es. Und jetzt ist er ein Ausgestoßener, für sie ist er so gut wie tot. Du hast ihn in das verwandelt, was sie mehr als alles andere auf der Welt fürchten. Wir können nicht davon ausgehen, dass sie diese Tatsache in nächster Zeit vergessen.“
Ich starrte in die scheinbar endlosen Wälder hinaus, die in der zügig einbrechenden Abenddämmerung immer düsterer und grauer wirkten. „Selbst wenn der Clann Jagd auf uns macht: Hier draußen können sie uns nicht finden. Wir haben keine Spuren hinterlassen und niemand weiß von dieser Hütte, stimmt’s?“
„Davon müssen sie auch gar nicht wissen. Wenn der Clann entschlossen ist, uns aufzuspüren, stehen die Chancen gut, dass es ihnen gelingt. Vergiss nicht, dass sie sowohl ihre Magie als auch die Hüter auf ihrer Seite haben.“
Gütiger Gott. Ich hatte die Allianz des Clanns mit den Hütern vergessen, einer Gruppe von Familien, die ebenfalls aus Irland stammten und sich damals in der alten Welt bereit erklärt hatten, sich mit einem generationsübergreifenden Gestaltwandler-Zauber belegen zu lassen. Wenn sie ihre riesige schwarze Panthergestalt annahmen, konnten die Hüter sowohl die Gedanken des Clanns als auch die von Vampiren lesen, einschließlich der meinen – und wahrscheinlich auch weiterhin die von Tristan. Der Freund meiner besten Freundin, Ron Abernathy, gehörte zu einer langen Reihe von Hütern.
Konnte der Clann Ron und seine Familie zwingen, ihnen bei der Jagd auf uns zu helfen?
Mühsam versuchte ich, den Kloß hinunterzuschlucken, der sich in meiner Kehle bildete. Wir waren tief im Wald verborgen, zwei Staaten entfernt vom Hauptquartier des Clanns in Jacksonville. Wie sollten die Hüter uns aufspüren – anhand des Geruchs unserer Autoabgase?
„Während unserer Reise habe ich sämtliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen“, versicherte mir Dad. „Und wir werden uns von den Städten in der Umgebung fernhalten, um die Menschen nicht auf unsere Anwesenheit aufmerksam zu machen. Trotzdem müssen wir wachsam bleiben. Solltest du spüren, wie irgendeine Form von Magie angewendet wird, musst du es mich sofort wissen lassen. Wenn sie wirklich entschlossen sind, versuchen sie womöglich, einen Zauber einzusetzen, um uns ausfindig zu machen.“
Na super. Auch daran hatte ich nicht gedacht.
Wie alle Nachfahren des Clanns spürte ich, wenn in meiner Nähe Magie eingesetzt wurde. Dann überlief ein unangenehmes Prickeln meinen Nacken und meine Arme. Aber meine Clann-Fähigkeiten waren immer noch neu für mich, und da ich schon vor meiner Geburt ausgestoßen worden war, hatte ich mir alles selbst beigebracht. Was Magie anging, gab es so vieles, was ich nicht wusste. Über welche Entfernung konnte sie gegen jemanden eingesetzt werden? Würde ich einen solchen Zauber spüren, wenn der Ausführende körperlich nicht in meiner Nähe war?
Dann fiel mir wieder ein, mit wem ich da gerade redete, und ich erstarrte.
Sowohl der Clann als auch der Vampirrat hatten darauf bestanden, dass meine Mutter und meine Großmutter mich niemals mit den Lehren der Magie vertraut machen durften. Doch ich hatte diese Regel gebrochen und sie heimlich trotzdem gelernt. Bis zur vergangenen Nacht hatte ich mir alle Mühe gegeben, meine wachsenden Clann-Fähigkeiten vor meinem Dad geheim zu halten, denn der Vampirrat konnte all seine Gedanken lesen.
Dies war Dads erstes offenes Eingeständnis, dass er wusste, dass ich Magie anwenden konnte.
Er musste letzte Nacht im Zirkel gesehen haben, wie ich Abwehrzauber eingesetzt hatte. Wahrscheinlich war es auch den Ratsmitgliedern nicht entgangen. In der Hitze des Gefechts, während ich links und rechts Zauber abwehrte und erwiderte, hatte ich wirklich andere Sorgen gehabt, als meine neuen Fertigkeiten zu verbergen.
Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein sollte, dass nun auch mein letztes Geheimnis ans Tageslicht gekommen war, oder noch besorgter. „Hat der Rat irgendwas zu dir gesagt, was meine neuen ... ähm, Fertigkeiten angeht?“
Er schüttelte den Kopf, den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Ich nehme an, sie warten erst einmal ab, wie sich Tristans Ausbildung gestaltet. Es wäre strategisch unklug von ihnen, die einzigen beiden existierenden Vampire, die zusätzlich magische Fähigkeiten besitzen, gegen sich aufzubringen. Vor allem, solange einer davon so instabil ist und das Friedensabkommen mit dem Clann infrage steht. Trotzdem rechne ich damit, dass sie euch beide in nicht allzu ferner Zeit zu einer ... Unterredung zu sich rufen werden.“
Toll. Das letzte Mal, als der Rat mich in sein Hauptquartier in Paris beordert hatte, hatten sie Tristan entführt und ihn dazu benutzt, meine Widerstandskraft gegen den Durst nach Clann-Blut zu testen, die machtvollste Versuchung für jeden lebenden Vampir. Ich hatte den Test bestanden, aber nur gerade so.
Ich hatte null Interesse daran, zu sehen, wie ein angepisster, frisch verwandelter Tristan darauf reagierte, wenn er dem Rat in dessen Hauptquartier gegenüberstand.
Mit zitternden Fingern rieb ich mir die hämmernden Schläfen. Eins nach dem anderen. Erst mal mussten wir Tristan stabilisieren; dafür sorgen, dass andere in seiner Gegenwart wieder halbwegs sicher waren. Um den Rat würden wir uns später kümmern.
„Wo du gerade von Tristans Ausbildung redest“, wechselte ich das Thema. „Du hast doch einen Plan, oder?“
„Nicht wirklich.“
Ich fuhr herum und starrte ihn an. „Du machst Witze, oder? Du bist über dreihundert Jahre alt. Inzwischen musst du doch Massen von Zöglingen ausgebildet haben.“
„Du bist mein einziger Zögling, der noch am Leben ist.“
„Was ist mit denen vor mir passiert?“
„Es gab nur einen. In den ersten hundert Jahren meines Lebens als Unsterblicher war Gowin mit seinen ganzen anderen Zöglingen beschäftigt, und mit der Zeit fühlte ich mich einsam und desillusioniert, was mein Dasein betraf. Ich war so töricht, zu versuchen, einen Freund zu verwandeln, der im Sterben lag, damit ich einen Gefährten hätte, jemanden, mit dem ich über unsere besonderen Sorgen und Nöte sprechen könnte.“
Plötzlich raste mein Herz. „Was ist passiert?“
„Ich habe es nicht geschafft, ihm über die anfängliche Hürde des Blutdursts hinwegzuhelfen.“
„Also hat der Rat ...?“
„Mein Zögling geriet trotz all meiner Bemühungen außer Kontrolle, und letzten Endes konnte ich dem Rat nicht widersprechen, als sie entschieden, ihm den Gnadenstoß zu versetzen.“
Den Gnadenstoß?
Oh. Er meinte, sie hatten seinen ersten Zögling umgebracht.
Und da ich ein Dhampir war, also kein richtiger Vampir, konnte man meine Ausbildung wohl auch nicht zu Dads wahrer Bilanz als Vampirschöpfer dazuzählen. Was bedeutete, dass Dad genauso wenig wusste, was er tat.
„Warum müsst ihr das so nennen?“, flüsterte ich und versuchte, mir nicht auszumalen, wie sich der Zorn des Rates auf Tristan richten würde, sollten Dad und ich es nicht schaffen, ihm Selbstbeherrschung beizubringen. „Sie sind doch keine Tiere, die man notschlachtet. Das sind Menschen. Also, na ja. Du weißt, was ich meine.“
„Glaube mir, wenn der Rat beschließt, dem Dasein eines Zöglings ein Ende zu setzen, dann geschieht das nicht, weil der Zögling irgendeine Form zivilisierten Verhaltens an den Tag legt. Sie sind Tiere, getrieben von nichts als dem Grundbedürfnis der Nahrungsaufnahme., Gnadenstoß‘ ist die einzig treffende Bezeichnung für das, was der Rat tut. Es ist ein Akt des Mitgefühls, der in dem Wissen ausgeführt wird, dass die Person, die jener Zögling einmal war, in keiner Weise je wiederhergestellt werden kann. So wird hoffentlich sowohl die Seele des Zöglings gerettet als auch die Seelen all der Leben, die er anderenfalls aus dieser Welt reißen würde.“
Stumm blickte ich meinen Dad an. Mir war, als spürte ich, wie das Summen seiner Emotionen durch die Luft zwischen uns huschte, während ich zugleich hörte, was er dachte. Noch nie hatte ich ihn so angespannt gesehen, ängstlich als auch verzweifelt und beschämt, alles zur selben Zeit. Beschämt über sein damaliges Versagen, ängstlich, weil er erneut versagen könnte. Und diesmal wäre es mein Zögling, über den die Höchststrafe des Rates verhängt würde.
Aber mein Dad war ein dreihundert Jahre alter Vampir, ein ehemaliges Ratsmitglied. Er hätte auf alles eine Antwort haben sollen.
„Was ist, wenn wir den Rat befragen?“, schlug ich vor.
„Bei ihren Zöglingen versagen selbst Ratsmitglieder manchmal. In den Rat wird man aufgrund seines Alters und seines politischen Fingerspitzengefühls aufgenommen, nicht weil man mehr weiß als alle anderen in der Gemeinschaft. Davon abgesehen ist unsere Situation in Bezug auf den Rat bereits mehr als riskant, und ich habe nicht das Bedürfnis, ihnen noch mehr Gründe für vorschnelle Entscheidungen zu geben. Schon jetzt sind sie äußerst beunruhigt ob der Tatsache, dass es zwei Vampire mit magischen Fähigkeiten gibt, die sich womöglich eines Tages gegen sie erheben könnten. Wenn sie glauben, wir sind nicht in der Lage, Tristan Selbstbeherrschung beizubringen ...“
Diesen Gedanken musste er nicht weiter ausführen. Meine Fantasie konnte den Satz nur zu leicht beenden.
„Was ist, wenn wir andere Vampire um Hilfe bitten, die nicht zum Rat gehören? Irgendwer da draußen muss doch inzwischen die Sache mit der Ausbildung draufhaben.“
Wortlos blickte Dad weiter in die Ferne. Sein Schweigen war Antwort genug.
„Wir müssen das also echt allein hinkriegen?“ Als mir das Ausmaß dessen, was uns bevorstand, bewusst wurde, konnte ich plötzlich nicht mehr atmen. Es war, als bräche alles über mir zusammen.
„Es tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, Savannah, aber es gibt kein Buch à la, Vampirausbildung für Dummies‘, nach dem wir uns richten können. Keine Schule für Vampirzöglinge, auf die wir ihn schicken können. Jeder Zögling ist ein Fall für sich, dieser mehr als jeder andere. Ich kann es nur mit den Methoden versuchen, die mein Schöpfer in meinen Anfangstagen bei mir angewandt hat, während du dein Möglichstes tust, um Tristan ruhig zu halten. Außerdem musst du ihm beibringen, dass er es vermeidet, seine Clann-Fähigkeiten einzusetzen. Mehr können wir nicht tun.“
Also ließ man uns vollkommen allein. Was auch geschah, es war an uns, rauszufinden, wie wir einen irrationalen, launischen Vampir ohne Erinnerungsvermögen und mit magischen Fertigkeiten, die weit über die meinen hinausgingen, zur Räson bringen sollten. Und um das zu erreichen, würden wir antiquierte Trainingsmethoden anwenden, mit denen mein Dad schon einmal gescheitert war. Schlimmer noch, diese Methoden waren von demselben Ratsmitglied an ihn weitergereicht worden, das abtrünnig geworden war und versucht hatte, Tristan das Herz rauszureißen – wodurch diese ganze Misere überhaupt erst entstanden war.
Wieder quietschte die Tür der Blockhütte, und das Herz hämmerte mir noch härter in der Brust und in den Ohren.
Tristan war wach.
Ich zwang mich, meine Gedanken leer zu fegen und langsamer zu atmen.
Eine Sekunde später stand Tristan neben mir. „Ich bin aufgewacht, und es war niemand da.“
„Wir haben bloß ein bisschen frische Luft geschnappt“, murmelte Dad. „Was für ein herrlicher Sonnenuntergang, nicht wahr?“ Ein kurzer Blick in seine Gedanken zeigte, dass er über die Natur nachdachte.
Doch Tristan sah nur mich an und runzelte die Stirn. Dabei verrieten seine Gedanken, dass er nun, da er nichts aus meinem Kopf herausbekam, versuchte, meine Gefühle zu lesen. „Alles in Ordnung?“ Dein Herz rast, und ich rieche Angst auf deiner Haut, fügte er stumm hinzu.
Ich rang mir ein Lächeln ab. „Alles bestens. Hast du gut geschlafen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich schätze mal ganz gut. Aber als ich aufgewacht bin, hatte ich Durst.“
Fast unmerklich huschte Dads Blick seitwärts und traf den meinen. Dann wandte er sich uns zu. „Wir sollten hineingehen und etwas trinken.“
Doch Tristan hörte nicht mehr zu. Stirnrunzelnd hob er den Kopf ein wenig und schnupperte in die Luft. „Was ist das?“
„Was?“ Ich schnupperte ebenfalls, roch jedoch nur den Rauch aus dem Schornstein, die toten Blätter unter unseren Füßen und den Erdboden.
Und dann war Tristan weg. Er rannte so schnell, dass ich seine Bewegungen nicht einmal mit meinen Vampiraugen verfolgen konnte.
Schockiert sah ich zu Dad. „Was zum ...“
„Jäger“, knurrte Dad.
Oh Gott. Tristan hatte irgendwo in den Wäldern Menschen gewittert.
Auf der Stelle schossen wir hinter ihm her. Nur das aufgewirbelte Laub zeigte, wo er entlanggerannt war.
Savannah
Als wir ihn endlich einholten, war es schon fast zu spät.
Gefangen zwischen Tristan und einem Baum, rang der einsame menschliche Jäger nach Luft, während Tristans Griff ihm die Kehle abdrückte. Ein paar Meter weiter lag vergessen sein Gewehr, dort, wo es ihm aus der Hand gefallen sein musste.
Tristan beugte den Kopf, brachte seine Fangzähne an den Hals des Mannes und lächelte voller Vorfreude.
„Tristan, halt!“, schrie Dad. Er vergaß, dass wegen unserer gemischten Vampir- und Clann-Gene weder Tristan noch ich gezwungen waren, dem Befehl eines älteren Vampirs Folge zu leisten.
Tristan ignorierte ihn, und eine halbe Sekunde später schlug er die Zähne tief in den Hals des Mannes.
„Tristan, bitte“, flehte ich. Angst und Entsetzen schnürten mir die Kehle zu. Wenn er diesen Mann umbrachte, würde er sich das nie verzeihen. Und ich würde mir nie verzeihen, dass ich ihn nicht aufgehalten hatte. Aber wie sollte ich das schaffen? Wenn ich versuchte, sie auseinanderzuzerren, würden Tristans Fangzähne dem Mann die Kehle zerfetzen.
Entweder meine Worte oder die Angst dahinter brachte Tristan dazu, innezuhalten.
Warum sollte ich aufhören? dachte er, die Zähne immer noch tief in der Haut des Mannes vergraben. Aber wenigstens trank er nicht mehr in großen Schlucken das Blut seines Opfers. Ich hab Durst, und er bedeutet für mich Nahrung.
Es gibt andere Möglichkeiten, sich zu ernähren. Möglichkeiten, bei denen niemand verletzt wird. In der Hütte haben wirmehr als genug Blut für uns alle, antwortete ich stumm, um Tristans Opfer nicht noch weiter zu verängstigen. Wie erstarrt stand der Mann in seiner Umklammerung. Schon jetzt waren seine Augen vor Entsetzen geweitet, weil Tristan nicht wusste, wie er ihn mit seinem Vampirblick benebeln musste, um ihn zu beruhigen.
Aber warum sollten wir erst den ganzen Weg dahin zurücklaufen, wenn dieser Mensch sich doch direkt hier vor meiner Nase befindet?
Tristan hatte keine Bedenken, dem Mann Angst einzujagen, trotzdem antwortete er mir ebenfalls telepathisch. Auf Dads Befehl hatte er nicht reagiert, doch bei mir war er bereit, zuzuhören. Ob es an meinem Blut lag, an den paar Erinnerungen, die wir dadurch miteinander teilten, oder daran, dass noch irgendein Gefühl von Liebe die Verwandlung in ihm überstanden hatte – anscheinend war unsere Verbindung das Einzige, was ihn davor bewahrte, vollends den Verstand zu verlieren.
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