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Dieser Band enthält folgende Krimis: Jemand neidet dir dein Glück (Anna Martach) Scharlachrote Rosen: Roman (Grace Livingston Hill) Alleine in der Stadt, ohne Geld, ohne Freunde. Mutter und Vater weg, das Haus über ihren Kopf hinweg verkauft, von ihrem einzigen Bruder verlassen - für Marion Warren schien die Welt stehen geblieben zu sein. Aber die langen Jahre, in denen sie einen klaglosen Vater gepflegt hatte, hatten ihr eine große Lektion erteilt. Und sie schritt mutig in ein neues Leben. Alles schien ziemlich finster zu sein, bis diese Rosen kamen, jede Woche eine kühle, samtige Knospe - eine rote Rose für den Mut - aber nie ein Hinweis auf den Geber. Denn es wäre Marion nie in den Sinn gekommen, dass der reiche, gut aussehende Jeff Lyman ein armes, unauffälliges, arbeitendes Mädchen überhaupt bemerken würde. Dies ist einer der schönsten Liebesromane von Grace Livingston Hill, die Geschichte eines Mädchens, dessen Mut im Angesicht der Widrigkeiten schließlich über ihre kühnsten Träume hinaus belohnt wurde.
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Herzroman Doppelband 1014
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Jemand neidet dir dein Glück: Geliebter Fürst Roman
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Scharlachrote Rosen: Roman
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Jemand neidet dir dein Glück (Anna Martach)
Scharlachrote Rosen: Roman (Grace Livingston Hill)
Alleine in der Stadt, ohne Geld, ohne Freunde. Mutter und Vater weg, das Haus über ihren Kopf hinweg verkauft, von ihrem einzigen Bruder verlassen - für Marion Warren schien die Welt stehen geblieben zu sein. Aber die langen Jahre, in denen sie einen klaglosen Vater gepflegt hatte, hatten ihr eine große Lektion erteilt. Und sie schritt mutig in ein neues Leben. Alles schien ziemlich finster zu sein, bis diese Rosen kamen, jede Woche eine kühle, samtige Knospe - eine rote Rose für den Mut - aber nie ein Hinweis auf den Geber. Denn es wäre Marion nie in den Sinn gekommen, dass der reiche, gut aussehende Jeff Lyman ein armes, unauffälliges, arbeitendes Mädchen überhaupt bemerken würde. Dies ist einer der schönsten Liebesromane von Grace Livingston Hill, die Geschichte eines Mädchens, dessen Mut im Angesicht der Widrigkeiten schließlich über ihre kühnsten Träume hinaus belohnt wurde.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
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von Anna Martach
Graf Markus von Erftingen ist Witwer und Vater von den Zwillingen Katharina und Robert. Für die beiden sucht er wieder einmal eine neue Erzieherin, aber diesmal eine, die die Kinder auch akzeptieren. Seine Schwiegermutter, Fürstin Katharina von Mettenheim, wählt die stille, zurückhaltende Teresa von Gehlenrath für diesen Posten aus. Für die Kinder ist die neue Kinderfrau, die sich liebevoll um die Halbwaisen kümmert, eine Wohltat. Doch als Teresa sich unsterblich in ihren Arbeitgeber verliebt, nimmt das Drama seinen Lauf – denn Graf Markus hat nur Augen für Jessica Vandenberg ...
»Oma kommt!« Der Jubelschrei aus zwei Kinderkehlen empfing Graf Markus von Erftingen schon an der Haustür, als er heimkam. Die Zwillinge, Katharina und Robert, waren beide ganz atemlos von ihrem raschen Lauf durch das Schloss.
Die Kinder waren sieben Jahre alt, hatten beide ein fein gezeichnetes, schmales Gesicht und wilde blonde Locken, wobei die Haare von Katharina weit in den Rücken herunterhingen und meist in einem Pferdeschwanz oder Zöpfen gebändigt wurden.
Jetzt aber flogen die Haare, die sich aus dem Band gelöst hatten, wild umher, und einzelne Strähnen legten sich über das Gesicht des Mädchens. Unwillig pustete sie, um die Haare zu entfernen, und Graf Markus fühlte sich an seine Frau erinnert. Regina von Erftingen, die Mutter der beiden, war vor rund einem Jahr gestorben. Auch sie hatte dieses leuchtend blonde Haar besessen, und mit der gleichen übermütigen Geste hatte sie es oft aus dem Gesicht gepustet.
Graf Markus vermisste seine Frau noch immer sehr, es war die große Liebe zwischen den beiden gewesen. Und die Existenz der Kinder erinnerte den Mann immer wieder schmerzlich an seinen Verlust, wobei er nicht bedachte, dass auch die Kinder ihre Mutter vermissten.
So aber auch jetzt. Die Miene des gutaussehenden Mitvierzigers verdüsterte sich, und die Kinder wurden augenblicklich ruhig, als sie seinen Ausdruck bemerkten. Wenn Vaters Miene sich so verschloss, hatten die beiden gelernt, dann war mit ihm nicht gut zu reden, und er würde jetzt auch keinen Lärm oder gar Streiche tolerieren.
Robert, der längst nicht so mutig war wie seine Schwester Katharina, griff nach der Hand des Mädchens, und gemeinsam standen die beiden dann still und blickten erwartungsvoll in das Gesicht ihres Vaters. Dem ging gerade im letzten Moment auf, dass er die Kinder dafür büßen lassen wollte, wie sehr er den Schmerz empfand. Er fasste sich, und sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Er ging in die Hocke und zog die beiden liebevoll an sich.
»So? Oma kommt? Woher wisst ihr das?«
»Sie hat angerufen«, sprudelte Katharina hervor. »Und Fräulein Greitemeier soll nicht so streng mit uns sein, hat sie auch gesagt«, setzte sie altklug hinzu.
Robert boxte sie in die Rippen. »Das solltest du doch nicht erzählen.«
Die Miene von Graf Markus wurde aufmerksam.
»Wie soll ich das verstehen? Raus mit der Sprache, ihr zwei!«
»Na ja, das war so - weißt du ...«, begann Robert kleinlaut und verstummte gleich darauf wieder, als die Erzieherin der Kinder, Anneliese Greitemeier, näher kam.
Selbst Graf Markus, der nicht sehr sensibel war in Bezug auf die Empfindungen seiner Kinder, fiel dieses merkwürdige Verhalten auf.
Anneliese Greitemeier war etwa Mitte vierzig und wirkte wenig attraktiv. Das unterstrich sie noch, indem sie sich unvorteilhaft kleidete und die Haare zu einem strengen Knoten im Nacken aufsteckte. Dazu trug sie eine Hornbrille, sodass sie wirklich wie die Karikatur einer altjüngferlichen Lehrerin wirkte.
Jetzt schaute sie streng auf die Kinder.
»Ich habe euch doch ermahnt, euren Vater nicht gleich an der Tür zu überfallen«, verkündete sie.
Katharina schien jetzt aber nicht bereit, sich einfach abkanzeln zu lassen, für ihre sieben Jahre bewies sie erstaunlich viel Mut. Empört starrte sie zurück.
»Wir freuen uns aber, wenn Vater von der Arbeit nach Hause kommt, und wir wollten ihn ja nur begrüßen. Schließlich ist er unser Vater und kein Fremder.«
Graf Markus stand auf, fasste seine Kinder um die Schultern und drückte sie noch einmal an sich.
»Geht jetzt spielen, ihr zwei. Ich muss mit Frau Greitemeier reden.« Liebevoll drückte er ihnen noch einen Kuss auf die Stirn und gab ihnen dann einen leichten Stups. Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit voll auf die Frau. Warum war ihm nie vorher aufgefallen, wie streng diese Person wirkte? War sie wirklich das, was er für seine Kinder wollte?
Wie jeden Tag in den vergangenen drei Monaten, seit Frau Greitemeier hier arbeitete, bereitete sie sich vor, um ihrem Arbeitgeber den täglichen Bericht abzuliefern über die Aktivitäten und Fortschritte der Kinder. Als sie ansetzte, um emotionslos zu erzählen, was sich den Tag über ereignet hatte, winkte Graf Markus ab.
»Heute nicht, das ist jetzt nicht wichtig.«
Die Miene von Frau Greitemeier drückte unmissverständlich aus, dass sie es durchaus für wichtig hielt, und ihre Missbilligung machte dem Grafen deutlich, dass sie keine hohe Meinung von Vätern hatte, die nichts darüber wissen wollten, was ihre Kinder den ganzen Tag getan hatten.
»Die Kinder haben mir erzählt, dass meine Schwiegermutter sich zu Besuch angemeldet hat?«, fragte er. Frau Greitemeier nickte bestätigend.
»Die Fürstin gab telefonisch Anweisung, ihre Räume für morgen bereitzuhalten. Und wenn ich dazu noch bemerken darf, Graf ...«
Erftingen schaute auf. »Noch etwas?«
»Die Fürstin kommt ohne eine Zofe. Es könnte mit dem Personal knapp werden.«
Ein flüchtiges, ironisches Lächeln stahl sich in das gebräunte, gut geschnittene Gesicht von Graf Markus. »Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wann meine Schwiegermutter ein letztes Mal eine Zofe gebraucht hätte. Sie ist sehr wohl in der Lage, sich allein anzuziehen«, bemerkte er trocken, »in Übrigen begrüße ich es sehr, dass meine Schwiegermutter schon morgen kommt, dann kann sie sich vorerst um die Kinder und Ihre Nachfolgerin kümmern.«
Frau Greitemeier schnappte fassungslos nach Luft, als ihr die Bedeutung dieser Worte aufging.
»Meine Nachfolgerin?«
Graf Markus hielt dem gestrengen Blick stand. »Ich hatte eigentlich nicht vor, es Ihnen hier zwischen Tür und Angel zu sagen, doch das Verhalten meiner Kinder lässt keine andere Möglichkeit mehr zu. Sie sind hiermit fristlos entlassen, Frau Greitemeier. Da die Entlassung noch innerhalb der Probezeit erfolgt, bin ich nicht dazu verpflichtet, werde Ihnen aber trotzdem ein volles Monatsgehalt zusätzlich auszahlen. Es ist mir wichtig, dass meine Kinder frei und ungezwungen aufwachsen. Doch im Augenblick sehen sie eher so aus, als wären sie verängstigt. Sie sollen Respekt vor mir wie vor jedem anderen Menschen auch haben, aber ich wünsche keine Duckmäuser.«
Frau Greitemeier schnappte erneut nach Luft. »Ich sorge dafür, dass Ihre Kinder mit dem gebührenden Abstand zu anderen Menschen und mit vornehmer Zurückhaltung erzogen werden. Schließlich werden sie einmal Graf und Gräfin sein.«
Jetzt explodierte Graf Markus. »So ein hirnrissiger Blödsinn. Die beiden sind Robert und Katharina von Erftingen. Das ist ein Name, ein guter Name, aber nicht mehr. Und sie werden für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen genau wie Sie und auch ich. Name und Adelstitel sind heutzutage kein Freibrief für irgendetwas mehr. Und für das Leben brauchen meine Kinder eine offene und vernünftige Erziehung. Ich denke, ich habe meinen Standpunkt hiermit deutlich klargelegt. Ich möchte Sie bitten zu packen und morgen früh das Haus zu verlassen.«
Anneliese Greitemeier drehte sich abrupt um und ging mit festen Schritten die Treppe hinauf ins Obergeschoss, wo sich ihr Zimmer befand. Jeder ihrer Schritte drückte Unwillen und Wut aus, aber Graf Markus ließ sich davon nicht beeindrucken. Trotzdem seufzte er. Das war die fünfte Erzieherin innerhalb des letzten Jahres. Wie kam es nur, dass Regine, seine geliebte Frau, so mühelos mit den Kindern fertiggeworden war und sie zu wundervollen Menschen erzogen hatte? Oh Gott, Regina, warum hast du mich allein gelassen?«, stöhnte er. Dann ging er, um mit den Kindern zu Abend zu essen, Gott sei Dank würde morgen früh seine Schwiegermutter kommen; Fürstin Katharina von Mettenheim war eine großartige ältere Dame, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. Graf Markus freute sich auf diesen Besuch.
Fürstin Katharina von Mettenheim liebte es, in den frühen Morgenstunden zu reisen. So hielt sie es auch an diesem Tag und kam bereits kurz nach zehn auf Falkenhorst, dem Stammsitz derer von Erftingen an. Die knapp zweistündige Autofahrt war in den Augen der Frau keine besonders große Entfernung. Graf Markus kannte diese Eigenart seiner Schwiegermutter, wie so viele andere auch. Und an diesem Tag hatte er in seiner Firma Bescheid gegeben, dass er später käme. Er war der Inhaber einer großen Maschinenbaufirma mit Filialen im europäischen Ausland, hatte die Firma, damals noch ein kleines Werk, von seinem Vater geerbt und erweitert. Nun führte er sie sehr erfolgreich, aber mit viel Arbeit und Elan. Und so wusste er jetzt, dass seine Sekretärin sich um all diejenigen kümmern würde, die der Meinung waren, ihn unbedingt sprechen zu müssen.
Der Graf kam mit den Kindern die Treppe hinuntergelaufen, als der rote Sportflitzer, den die Fürstin bevorzugte, direkt vor dem Portal hielt. Neben anderen ungewöhnlichen Eigenheiten liebte die Fürstin das schnelle Autofahren, und sie lehnte einen Chauffeur, außer bei offiziellen Anlässen, ab.
Fürstin Katharina wirkte ausgesprochen zierlich, denn sie war nicht sehr hochgewachsen, und schlank. Sie bevorzugte einen sportlichen Kleidungsstil und trug ihre grauen ungefärbten Haare kurz geschnitten ohne Dauerwelle. Und ihrem frischen, fröhlichen Gesicht sah man die fast siebzig Jahre nicht an, die Haut war für ihr Alter ungewöhnlich glatt. Regina war ihre jüngste und einzige Tochter gewesen, eine Nachzüglerin, und es hatte die alte Dame schwer getroffen, als die junge Frau nach kurzer schwerer Krankheit starb. Aber mit bewundernswerter Kraft hatte die Frau, neben anderen schweren Schicksalsschlägen, auch diesen hingenommen, und nicht nur Graf Markus fragte sich manchmal, woher die zähe alte Dame die Kraft nahm, ihr Leben so positiv zu sehen.
Fürstin Katharina liebte ihre beiden jüngsten Enkelkinder fast abgöttisch, wie auch ihren Schwiegersohn Markus, der ihre Tochter sehr glücklich gemacht hatte.
Die Kinder stürmten jetzt auf die Frau zu, als diese aus dem Auto stieg, und warfen sich jubelnd in ihre Arme. Aufgeregtes freudiges Geplapper und Gelächter klang auf, bis Fürstin Katharina es endlich schaffte, die Kinder etwas zu beruhigen. Lächelnd kam nun auch Graf Markus heran, nahm seine Schwiegermutter in die Arme und küsste sie auf beide Wangen.
»Schön, dass du da bist. Hattest du eine gute Fahrt?«, erkundigte er sich.
»Es war ganz angenehm. Und du, mein Lieber, machst du heute blau? Wo ist denn eure Erzieherin?«, erkundigte sie sich dann bei den Zwillingen.
»Papa hat sie gefeuert«, kicherte Katharina.
»Und sie war ganz schön sauer«, setzte Robert hinzu.
»Was sind denn das für Ausdrücke?«, rügte die Fürstin scherzhaft. »Die habt ihr aber nicht von mir, nein?«
»Komm erst einmal herein, Mutter. Martha hat ein wundervolles Frühstück gezaubert.«
»So, Martha ist noch da, ja?«, bemerkte sie etwas ironisch. »Da bin ich aber froh, dass du nicht das ganze Personal auswechselst. Ich glaube, Marthas Kochkünste würden mir doch sehr fehlen.«
»Also wirklich Mutter, was soll das?«, protestierte der Graf. »Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass du von vornherein gegen Frau Greitemeier warst.«
»Und ich habe recht gehabt, mein Junge. Aber darauf will ich jetzt gar nicht herumreiten. Ich nehme an, du brauchst schnell eine neue Erzieherin, und ich soll dir helfen?« Ihre Augen funkelten vor Vergnügen dies war ein Auftrag nach ihrem Herzen.
Graf Markus druckste plötzlich ein wenig verlegen herum. »Ich hatte eigentlich gehofft, dass du auf jeden Fall bleibst, bis jemand Neues da ist.«
Die Fürstin drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. »So etwas nenne ich ausnutzen verwandtschaftlicher Beziehungen, mein Junge. Aber nun gut, ich bleibe gerne.«
Die Kinder brachen in lauten Jubel aus, und Graf Markus seufzte zufrieden.
Nach einem herzhaften Frühstück verschwanden die beiden widerspruchslos eine Weile in ihren Zimmern. So hatte der Graf die Gelegenheit, ein paar Worte mit seiner Schwiegermutter zu wechseln, ohne dass die neugierigen Ohren der Zwillinge dabei waren.
»Stell dir vor, Mutter, Frau Greitemeier wollte die Kinder zu vornehmer Zurückhaltung erziehen. Dabei haben die beiden regelrechte Angst vor ihr und auch vor mir entwickelt. So konnte es einfach nicht weitergehen.«
»Es wundert mich, dass du es bemerkt hast«, stellte die Fürstin fest. »Aber vielleicht bist du jetzt bereit, auf meinen Ratschlag zu hören.«
Graf Markus kratzte sich am Kopf, etwas verlegen, wie es schien. »Weißt du, ich glaube, das Beste für die Kinder und für uns alle - ich meine ...«
»Verstehe ich dich richtig«, lachte die Fürstin, »dass es dir sehr recht wäre, wenn ich eine neue Kraft aussuche und einstelle?«
»Das hätte ich nicht besser ausdrücken können, Mutter.«
Katharina von Mettenheim legte ihrem Schwiegersohn die Hand auf den Arm. »Meinst du nicht, dass es vielleicht das Allerbeste wäre, wenn du eine neue Frau findest? Ich sehe doch, wie verbittert und einsam du bist. Und denke auch mal an die Kinder.«
»Ja, glaubst du denn, ich könnte Regina so einfach vergessen?«, brach es aus ihm heraus.
»Niemand verlangt oder erwartet von dir, dass du Regina vergisst. Das würde ich dir sogar sehr übel nehmen. Aber sieh mal, das Leben geht weiter. Du kannst dich nicht dein Leben lang in deiner Arbeit verkriechen. Bisher scheint sie aber jedenfalls dein Ein und Alles zu sein. Du nimmst den Kindern einen liebevollen Vater, und du nimmst dir selbst ein glückliches, erfülltes Leben.«
Die Fürstin war wohl die Einzige, die in diesem Ton mit, dem Grafen reden konnte. Er wandte sich aber bei den Worten seiner Schwiegermutter ab. Doch sie blieb beharrlich.
»Mutter, wie könnte ich eine Frau lieben - nach Regina?«
Sie tätschelte ihm beruhigend die Hand. »Du kannst, mein Junge. Du kannst und du wirst - eines Tages.«
Das Telefon klingelte, und Graf Markus, erleichtert über die Störung, lief rasch hin. Er meldete sich und hörte eine Weile zu, dann runzelte er verärgert die Stirn.
»Nun, wenn es unbedingt sein muss, dann treffen wir uns am Freitag. Im Übrigen schätze ich es nicht, auf diese Weise daheim überfallen zu werden.« Abrupt legte er den Hörer wieder auf. Die Fürstin schaute ihn fragend an.
»Ärger?«
»Ach, das war nur jemand von der Werbeagentur, die die neue Kampagne starten soll. Es gibt jetzt Rückfragen, nachdem der bisherige Sachbearbeiter durch einen plötzlichen Unfall ausgeschieden ist. Frau Jessica Vandenberg, die neue Sachbearbeitern, wollte mich regelrecht überfahren und gleich herkommen. Aber das wird sich schon noch alles regeln. Nun, das ist jetzt unwichtig und gehört nicht hierher. Auf jeden Fall freue ich mich, dass du da bist, Mutter. Und ich verspreche es dir, ich lasse dir freie Hand bei der Suche nach einer neuen Erzieherin.«
Die Fürstin lächelte zufrieden. »Du tust gut daran, mein Junge.«
Fürstin Katharina kümmerte sich an diesem Tag selbst um die Kinder. Sie las, lernte und spielte mit ihnen und vergaß bei alldem doch nicht, bei einer bekannten und renommierten Vermittlungsagentur anzurufen, um einige Bewerberinnen als qualifizierte Fachkraft als Erzieherin zu bestellen. Der Leiter der Agentur sagte zu, ihr mindestens drei Damen zu schicken, damit sie sich vorstellen konnten. Kosten spielten dabei keine Rolle. So war es denn auch eine Selbstverständlichkeit, unter den besten Bewerberinnen wählen zu können. Die Ansprüche der Fürstin waren extrem hoch, und sie hatte ihren Schwiegersohn gar nicht verstanden, als er ohne lange zu suchen oder auszuwählen auf Anneliese Greitemeier verfallen war.
An diesem Nachmittag beschlagnahmte Fürstin Katharina das Arbeitszimmer von Graf Markus, der sich ja ohnehin in seinem Büro befand. Sie ließ die Zwillinge auf zwei Sesseln Platz nehmen und setzte sich selbst hinter den Schreibtisch. Die drei Damen waren pünktlich eingetroffen; und der Butler würde sie nacheinander hineinführen.
Die erste Bewerberin schien den Kindern auf Anhieb unsympathisch, sobald sie ihrer nur ansichtig wurden. Katharina zog daraufhin eine Flunsch, und Robert spielte gelangweilt mit seinen Schuhbändern. Die Fürstin lächelte. Natürlich war das jetzt eine Provokation der Kinder, und sie war gespannt, wie die Bewerberin darauf reagieren würde. Doch die Frau beachtete die Kinder zunächst gar nicht. Sie legte ihre Mappe mit den Zeugnissen und Empfehlungsschreiben auf den Schreibtisch vor die Fürstin hin und richtete ihre volle Aufmerksamkeit auf Katharina von Linie auf ihre Menschenkenntnis, erst in zweiter auf Aussagen anderer Leute. Und hier wusste sie, dass die Kinder diese Frau nicht einfach akzeptieren würden.
Die Bewerberin war ungefähr Mitte dreißig, hatte kluge, sehr wachsame Augen, trug gepflegte, geschmackvolle Kleidung, beachtete aber die Kinder immer noch nicht.
»Ich bin Ricarda von Weissenhaupt und freue mich, Sie kennenlernen zu dürfen, Fürstin. Ich habe bisher nur in den besten Häusern gearbeitet, wie Sie aus meinen Unterlagen entnehmen können. Und ich hoffe ...«
»Spielen Sie Verstecken mit uns?«, fragte Katharina respektlos dazwischen.
Zum ersten Mal richtete sich der Blick Ricardas auf die Kinder, und sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Verstecken spielen einen erzieherischen Wert hat. Es gibt eine Menge Spiele, die interessant sind und euch auf das Leben vorbereiten.«
»Aber die sind ziemlich langweilig, nicht?«, warf das Mädchen altklug ein.
Ricarda wandte sich wieder der Fürstin zu. »Sie gehen doch sicher mit mir einer Meinung, dass es dem Kind nicht zusteht, meine Erziehungs- und Lehrmethoden zu kritisieren. Das ist doch auch in Ihrem Sinn, oder?«
Katharina von Mettenheim lächelte fein und stand auf.
»Das Kind heißt Katharina und ist meine Enkelin. Sie hätten von vornherein Wert darauf legen müssen, ihr und ihrem Bruder zu gefallen, Frau von Weissenhaupt. Ich glaube, damit haben Sie die Prüfung nicht bestanden.«
Empörung malte sich im Gesicht der Frau. »Ich muss schon sagen, ich finde Ihre Methoden äußerst merkwürdig, Fürstin. Und ich glaube nicht, dass ich unter solchen Bedingungen hier arbeiten kann.«
»Wie schön, dann sind wir uns ja einig«, stellte Katharina von Mettenheim zufrieden fest. »Denn wir hätten Sie auch nicht eingestellt. Guten Tag.«
Ricarda rauschte mit hocherhobenem Kopf hinaus.
Aber auch die zweite Bewerberin entsprach ganz und gar nicht den Vorstellungen, die die Fürstin und die Kinder hatten. Als auch sie gegangen war, seufzte Katharina die Kleine, abgrundtief auf. »Sag mal, Oma, sind alle Erwachsenen so komisch?«
»Nein, ganz sicher nicht, mein Kind, aber manchmal muss man eben lange suchen, um ein Juwel zu finden.«
»Ich habe keine Lust mehr«, verkündete Robert gelangweilt.
»Nun, warte noch etwas ab, mein Junge. Wir haben noch eine Dame, und die wollen wir doch jetzt nicht warten lassen.«
»Na gut, aber dann will ich spielen.«
Fürstin Katharina lächelte: Sie wusste, dass man nicht immer auf Anhieb das Richtige fand. Aber ein inneres Gefühl verriet ihr, dass sie jetzt wohl doch Glück haben würde, als die letzte Bewerberin hereinkam. Die Frau schien noch relativ jung, aber ein Blick in die braunen Augen sagte der Fürstin, dass hier jemand mehr erlebt hatte, als er nach außen hin bereit war zuzugeben.
Die Kleidung der Frau war von hervorragendem Zuschnitt in einfacher Eleganz, nicht zu teuer, aber geschmackvoll. Die braunen Haare waren in einer praktischen schulterlangen Frisur gebändigt, und das hübsche Gesicht hatte sich zu einem reizenden Lächeln verzogen.
»Ich bin Teresa von Gehlenrath. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.« Sie hielt sich aber nicht lange mit der Vorstellung auf, sondern ging auf die Kinder zu, beugte sich vor und gab beiden die Hand. »Ich bin Teresa, oder auch Tessa, wie ihr wollt. Und wie heißt ihr?«
Ein Leuchten flog über das Gesicht der kleinen Katharina, hier hatte jemand ihr Herz im Sturm erobert, und auch Robert blickte interessiert auf. Das Mädchen besann sich jetzt auf ihre guten Manieren. Artig rutschte sie von ihrem Stuhl herunter und reichte der Frau die Hand.
»Ich bin Katharina von Erftingen, und das ist mein Bruder Robert. Hätten Sie Lust, unsere neue Erzieherin zu sein?«
Ein zufriedenes Lächeln glitt über die Züge der Fürstin, als sie die kleine Szene beobachtete. Das war der Volltreffer.
Teresa von Gehlenrath lachte leise auf. »Wenn ihr beide mit mir einverstanden seid, will ich gern eure Erzieherin sein. Aber ich denke doch, das letzte Wort haben euer Vater und eure Oma.«
»Nun«, erklärte die kleine Katharina altklug, »wenn Sie sich nicht von unseren Streichen ein schüchtern lassen, dann geht das wohl in Ordnung. Nicht wahr, Oma?« Sie warf einen fragenden Blick zur Fürstin hinüber, die daraufhin nur noch zustimmend lächelte.
»Es ist vielleicht eine ungewöhnliche Art, jemanden einzustellen, aber Sie können die Stelle haben, Frau von Gehlenrath. Meine Enkel scheinen Sie zu akzeptieren.«
Graf Markus war ausgesprochen ungehalten. Gerade hatte ihm seine Sekretärin mitgeteilt, dass die Vertreterin der Werbeagentur draußen im Vorzimmer saß.
»Ich habe ihr ausdrücklich gesagt, dass wir einen Termin für Freitag einrichten«, beharrte der Graf unwillig. »Wie kommt sie nur dazu, sich jetzt aufzudrängen?«
Britta Korder, die Privatsekretärin des Grafen, lächelte fein. Sie hatte schon für den Vater des Grafen gearbeitet, und es gab kaum noch etwas, was sie überraschen konnte. Aber die Hartnäckigkeit der jungen Frau, die draußen wartete, imponierte ihr. Augenscheinlich ließ sie sich nicht davon beeindrucken, dass der Graf den Termin immer weiter hinausschieben wollte. Natürlich stimmte es schon, der Graf war ein vielbeschäftigter Mann. Aber Britta Korder war sicher, dass in der Werbeagentur auch nicht geklüngelt wurde. Also musste auch jemand wie Graf Markus Zugeständnisse machen. Die Sekretärin kannte den Terminkalender des Grafen in- und auswendig und wusste, dass er im Augenblick sehr wohl einige Minuten erübrigen konnte. Das sagte sie ihm auch.
»Also gut, dann lassen Sie in Gottes Namen diese Frau herein«, gab Graf Markus schließlich nach.
Auf den Anblick der jungen Frau, die zielbewusst und selbstsicher hereinkam, war er denn doch nicht gefasst.
Sie mochte Ende zwanzig sein, trug ihr dunkles schulterlanges Haar in einer einfachen und doch raffinierten Frisur und verhüllte ihre Figur in einem fantastisch sitzenden Kostüm. Aber der Blick, der den Grafen aus dunkelbraunen Augen traf, war geschäftsmäßig, ebenso wie das Lächeln der jungen Frau. Kühl reichte sie ihm die Hand und stellte sich vor.
»Ich bin Jessica Vandenberg, Graf. Und es tut mir leid, dass ich auf diesem kurzfristigen Termin bestehen musste. Meine Zeit ist mindestens ebenso kostbar wie die Ihre. Und dieses Gespräch sollte in Ihrem Interesse sein, denn Sie zahlen meiner Agentur eine ziemliche Menge Geld und erwarten dafür auch eine ordentliche Arbeit. Die kann ich aber nur ausführen, wenn wir miteinander reden. Woher sollte ich sonst Ihre Wünsche und Vorstellungen kennen? Da mein Kollege der Agentur durch seinen Unfall nicht zur Verfügung steht, ist es also unumgänglich, dass wir alle Probleme und Vorschläge der anstehenden Werbekampagne durchsprechen.«
Graf Markus war regelrecht sprachlos, was äußerst selten vorkam. Diese Frau verwirrte ihn. Auf der einen Seite äußerst kühl und geschäftsmäßig, auf der anderen Seite schien sie mit jedem Wort und jeder Bewegung Erotik zu versprühen, obwohl ihr das selbst gar nicht bewusst war.
Wider Willen zollte der Graf dieser Frau Bewunderung. Sie verstand es auf jeden Fall, sich durchzusetzen.
»Und nun, nachdem Sie mir Ihren Standpunkt sehr deutlich gemacht haben - wollen Sie nicht Platz nehmen«, schlug der Graf leicht ironisch vor.
Nun war es an der Frau, verwirrt zu sein. Jessica Vandenberg war es gewohnt, sich in einer harten Männerwelt zu behaupten, und sie hatte gelernt, dass sie in ihrem Beruf immer eine gewisse Aggressivität brauchte, um überhaupt ernst genommen zu werden. Die meisten Männer sahen in ihr nur eine hübsche Larve, die von der harten Arbeit in einer Werbeagentur keine Ahnung hatte, quasi so, als stehe sie auf der falschen Seite der Kamera. So war sie nun doch angenehm überrascht über das geschäftsmäßige Gebaren des Grafen. Er hatte ihren versteckten Tadel hingenommen, ohne verärgert oder gar wütend drauf zu reagieren.
Zwei Stunden und einen abgesagten Termin später war Graf Markus vollends davon überzeugt, dass er in Jessica Vandenberg eine kompetente Partnerin in der Werbeagentur hatte.
Und Jessica war davon überzeugt, dass Graf Markus unter seiner abweisenden Miene ein durchaus charmanter Mann sein konnte. Auch wenn das gar nichts mit ihrer Arbeit zu tun hatte.
Fröhliches, fast ausgelassenes Gelächter klang bis zum Hausportal, als Graf Markus an diesem Abend nach Hause kam. Er schmunzelte. Wahrscheinlich tobte seine Schwiegermutter mit den Kindern herum, sie konnte selbst so ausgelassen sein wie ein Kind; so dachte er liebevoll. Doch kaum hatte er die Eingangshalle betreten, als die Zwillinge wie ein Wirbelwind an ihm vorbeirannten, dichtauf gefolgt von einer jungen, hübschen Frau, die er nicht kannte, und die ihn fast umgerannt hätte. Mit einem raschen Griff hielt er sie fest und bewahrte sie dadurch vor einem Sturz. Wohlgefällig betrachtete er sie. Das musste die neue Erzieherin sein. Seine Schwiegermutter hatte wohl schon ganze Arbeit geleistet. Das dunkle, schulterlange Haar hatte sich aus der Frisur gelöst und lag jetzt lockig und ein wenig verstrubbelt um den schön geformten Kopf. Aber im Gesicht der jungen Frau zeigte, sich jetzt plötzlich flammende Röte.
»Ich ... oh ... Verzeihung«, stotterte die Fremde und versuchte, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien.
Die Kinder kamen zurück von ihrer wilden Jagd und stürmten auf ihren Vater los, dabei wild durcheinander redend.
»Das ist unsere Neue. Tessa heißt sie. Ist sie nicht klasse?«
»Sie hat Oma beim Damespielen geschlagen. Und dabei schummelt sie gar nicht.«
Graf Markus konnte nicht anders als laut aufzulachen. Er reichte der jungen Frau die Hand und stellte sich vor.
»Nun, Sie scheinen ja die Herzen meiner Kinder im Sturm erobert zu haben. Ich freue mich, dass Sie jetzt bei uns sind.«
Die Röte auf Tessas Wangen vertiefte sich womöglich noch, als sie bewusst die Hand des Grafen in der ihren spürte. Verwirrt stellte sie sich selbst vor.
Graf Markus könnte es nicht einmal ahnen, aber Tessa hatte sich auf den ersten Blick in ihren neuen Arbeitgeber verliebt. Seine Berührung, als er sie vor dem Sturz bewahrte, brannte noch immer wie Feuer auf der Haut, aber es war ein so angenehmes Brennen, dass sie sich mehr davon wünschte.
Immerhin besaß sie genug Geistesgegenwart, sich ihre aufkommenden Gefühle nicht anmerken zu lassen und sich sofort auf sicheren Abstand zurückzuziehen.
Nun kam auch die Fürstin heran, und ihr Gesicht zeigte Zufriedenheit.
»Ich hoffe doch sehr, dass du mit unserer Wahl einverstanden bist«, schmunzelte sie.
»Hätte es denn irgendeinen Sinn, wenn ich nein sagen würde? Ihr habt mich doch sowieso überstimmt. Auf jeden Fall: Herzlich willkommen, Frau von Gehlenrath. Ich hoffe, die Kinder werden es Ihnen nicht zu schwer machen.«
»Oh, ich bin ganz sicher, dass wir gut miteinander auskommen. Die beiden brauchen nur etwas Anleitung«, erwiderte Teresa rasch.
Graf Markus schaute seine Kinder an und war fast geneigt der jungen Frau zuzustimmen. Die Augen der beiden Kinder leuchteten wie schon lange nicht mehr, und irgendwie fühlte sich der Graf durch die fröhliche Stimmung angesteckt. Seine düsteren Gedanken schoben sich beiseite. Fröhliches Lachen würde sicher auch in Zukunft dafür sorgen, dass er nicht immer in trübsinnige Stimmung verfiel. Seine Schwiegermutter war wirklich eine kluge Frau, das hatte sie nun einmal mehr unter Beweis gestellt.
Es war schon seltsam. Jessica Vandenberg ging dem Mann nicht mehr aus dem Kopf. War es ihre unbestreitbare Anziehungskraft, ihre eigentlich eher abweisende Art oder ganz einfach ihre Kompetenz? Nun, das Letzte konnte es wohl kaum sein, denn das besaßen viele andere Frauen auch. Nein, Jessica musste irgendetwas an sich haben, das ihn wie ein Magnet anzog. Jedenfalls ertappte er sich dabei, wie während einer Besprechung seine Gedanken einfach abschweiften. Er sah plötzlich ihre unergründlichen braunen Augen vor sich, und die vollen roten Lippen, und er wünschte sich, diese Lippen küssen zu dürfen.
Du bist ein verrückter alter Narr, warf er sich selbst vor und verbannte jeden Gedanken an Jessica Vandenberg aus seinem Kopf. Aber das war leichter gedacht als getan. Immer wieder schlich sie sich in seine Gedanken, und schließlich suchte der Mann verzweifelt nach einem Grund sie wiederzusehen. Natürlich war es irgendwie völlig verrückt, und doch sehnte Graf Markus sich nach dem Anblick der jungen Frau. Seit er damals seine Regina kennengelernt hatte, war es ihm nie wieder so ergangen. Und jetzt sollte er vielleicht doch auch vorsichtig sein, denn was wusste er schon von Jessica? Hatte sie einen Freund, einen Ehemann vielleicht sogar? Und würde sie seine Gefühle erwidern, falls sie frei wäre?
Graf Markus versuchte, seine Gefühle nüchtern zu analysieren. Sollte er sich so Hals über Kopf verliebt haben? Eigentlich völlig unmöglich. Und doch war da dieses Gefühl in ihm, eine Art Sehnsucht. Er schalt sich selbst noch einmal einen Narren, griff dann aber doch zum Telefon und rief in der Agentur an, nur um gleich darauf feststellen zu müssen dass Jessica Vandenberg nicht zu sprechen war.
Enttäuscht legte er auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Umso erstaunter war er wenig später, als das Telefon klingelte und die schon so vertraute Stimme Jessicas sich meldete.
Die schulischen Leistungen der Zwillinge verbesserten sich rapide. Fast von einem Tag auf den anderen hatten sie plötzlich den Spaß am Lernen entdeckt. Fürstin Katharina, die Teresa und ihre Enkel aufmerksam beobachtete, war zufrieden - bis auf einen einzigen Punkt. Sie war sich nicht hundertprozentig sicher, aber jedes Mal, wenn das Gespräch auf Graf Markus kam oder sie ihn unvermutet sah, zog eine verräterische Röte über Tessas hübsches Gesicht. Die junge Frau würde sich doch nicht etwa in den Grafen verliebt haben?
Natürlich wäre das im Grunde nicht so schlimm. Sie kam aus guter, wenn auch verarmter Familie, besaß Manieren, Verstand und Intelligenz, aber es war ganz eindeutig, dass Graf Markus kein Interesse an ihr hatte. Für ihn war sie nicht viel mehr als ein Dekorationsstück, das zufälligerweise lebte. Im Übrigen schien er im Augenblick wirklich jemanden gefunden zu haben, dem sein Herz zuflog. Denn seine Laune hatte sich radikal geändert, und ab und zu starrte er versonnen und träumerisch aus dem Fenster, weit der Wirklichkeit entrückt.
Die Fürstin bemerkte das mit Wohlwollen, auch wenn sie ihn im Augenblick noch nicht darauf ansprechen würde. Es war noch zu früh, um darüber zu reden, als kluge Frau wusste sie, wann sie schweigen musste. Sie wollte nichts zerstören, was noch im Aufbau begriffen war.
Für die Kinder schien es augenblicklich das Paradies zu sein. Die Großmutter auf unbestimmte, aber längere Zeit im Haus, eine neue Erzieherin, die rund um die Uhr für sie da war, obwohl der Vertrag das so nicht unbedingt vorsah, und ihr Vater, den sie zärtlich liebten, und der jetzt plötzlich neuen Lebensmut geschöpft zu haben schien. Und so war es kein Wunder, dass die Zwillinge, praktisch und neugierig, wie Kinder nun einmal sind, Tessa ausfragten, wie es in ihrem Privatleben aussah. Keines der Kinder konnte wissen, dass Graf Markus sich gerade in eine andere Frau verliebt hatte. Sie hielten die gute Laune ihres Vaters für eine Reaktion auf die gut aussehende Erzieherin. Und wenn Tessa ihnen beiden schon so gut gefiel, dann konnte ihr Vater sie ja auch gleich heiraten.
Mit kindlicher Logik begannen die beiden ein Netz zu knüpfen, in dem sich ihr Vater fangen sollte, damit sie bald eine neue Mutter hatten.
Teresa hatte sich wirklich ernsthaft in Graf Markus verliebt, trotzdem mied sie seine Nähe, um sich nicht selbst zu verraten. Sie konnte ja nicht wissen, dass die klugen Augen der Fürstin längst alles gesehen hatten und dass es für die junge Frau zurzeit keine Hoffnung gab. Denn augenscheinlich hatte der Graf woanders eine neue Liebe gefunden, die er jedoch vorläufig noch geheim halten wollte. Einen ersten Anhaltspunkt darauf gab es allerdings, als Graf Markus seine Schwiegermutter darauf vorbereitete, dass er am Sonntag jemanden zum Essen mitbringen würde. Die Augen der Fürstin blitzten auf. Hatte sie doch recht vermutet! Sie würde es ihrem Schwiegersohn so sehr gönnen, dass er noch einmal das große Glück fand, und sie nahm sich vor, die junge Frau wohlwollend unter die Lupe zu nehmen und gut aufzupassen, ob sie nicht vielleicht nur hinter dem Geld des Grafen her war.
»Ich ... ich möchte gern, dass ihr euch kennenlernt«, erklärte Graf Markus etwas verlegen, als er das verständnisvolle Lächeln seiner Schwiegermutter sah.
»Wer ist sie denn? Erzähl mir ein bisschen von ihr«, forderte die Fürstin.
»Sie ist etwas Besonderes, weißt du. So, wie es Regina auch war. Und sie arbeitet hart in einem Männerberuf. Zuerst hat mich ihre Art, so kühl, geschäftsmäßig und distanziert zu sein, fast verrückt gemacht. Aber unter dieser Maske steckt eine empfindsame Frau voller Humor, die sich ganz einfach gegen Vorurteile und Anfeindungen wehren muss. Und gerade dabei hat sie sich ihren gesunden Sinn für Humor bewahrt. Wir können herzhaft zusammen lachen, und in vielen Dingen haben wir den gleichen Geschmack und die gleichen Interessen. Und manchmal gibt es ganz einfach nur heiße Diskussionen. Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst, Mutter, aber es ist fast wie ein neues Leben für mich. Ich werde Regina ganz sicher nicht vergessen, sie wird immer in meinem Herzen ruhen. Aber da ist auch noch Platz ...«
»Ich verstehe dich schon, mein Junge, natürlich. Schließlich habe, ich dir oft und lange genug gepredigt, du sollst dir etwas Neues suchen. Und ich will sie ganz herzlich willkommen heißen.«
Graf Markus nahm seine Schwiegermutter in die Arme und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange.
»Du bist einfach die Beste von allen. Aber was meinst du, soll ich es den Kindern schon sagen?«
Fürstin Katharina schüttelte energisch den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Ich wäre dafür, dass die Kinder deine Freundin erst einmal kennenlernen und dass sie behutsam versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen - erst einmal nur als Freundin des Hauses. Wenn es denn wirklich weitergehen und so weit kommen sollte, dass ihr euch eines Tages verloben wollt, dann wäre es gut, wenn die Kinder sie bereits akzeptieren. Es ist zwar dein Leben, Markus, und du sollst auch wieder glücklich werden, aber es ist auf jeden Fall gut, wenn du behutsam vorgehst. Und nun freue ich mich darauf, deine Jessica kennenzulernen.«
Insgeheim nahm Katharina von Mettenheim sich aber vor, gut aufzupassen, ob diese Frau auch zu Markus passte, und auch darauf zu achten, wie Teresa mit der Situation fertig wurde, denn sie war absolut sicher, dass die junge Erzieherin sich in Graf Markus verliebt hatte.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, meine Liebe«, sagte Fürstin Katharina charmant und reichte Jessica die Hand. Auf den ersten Blick war sie positiv von der jungen Frau angetan. Jessica war unbestreitbar eine hübsche Frau, die jetzt etwas schüchtern den Händedruck erwiderte. Nun kamen aber auch schon die Zwillinge herangestürmt, und die junge Katharina stellte sich und ihren Bruder formvollendet vor.
»Und Sie arbeiten mit Papa zusammen?«, fragte die Kleine dann neugierig.
Jessica machte nicht den Fehler, das Mädchen von oben herab zu behandeln. Stattdessen ging sie in die Hocke, sodass sich ihr Gesicht in der Höhe der Kinder befand.
»Ich mache die Werbung für ihn und seine Firma«, erklärte sie dann ernsthaft.
»Macht das Spaß?«, erkundigte sich Robert.
»Ja, eine Menge sogar. Aber nicht immer. Nicht alle meine Kunden sind so nett wie euer Vater«, erklärte Jessica.
Graf Markus lachte auf. »Kann ich das als Kompliment verbuchen?«, fragte er gutgelaunt und warf ihr einen fast zärtlichen Blick zu.
»Ja, eigentlich schon«, lachte Jessica. »Denn ich habe viele Kunden, die sehr genau wissen, was sie nicht wollen, aber keine Vorstellung davon haben, was möglich und sinnvoll ist.«
»Ich finde Ihren Beruf hoch interessant«, stellte jetzt auch die Fürstin fest. »Und ich würde mich freuen, wenn Sie mir mehr darüber erzählen.«
Teresa von Gehlenrath beobachtete mit brennenden Augen die fremde Frau, die sie automatisch als Konkurrentin eingestuft hatte. Warum sonst sollte der Graf sie zum Essen einladen, wenn nicht, um sie seiner Familie vorzustellen. Und er schien sie ja förmlich anzuhimmeln. Dabei benahm sich Jessica Vandenberg den Kindern gegenüber fast vertraulich. Ein brennender Stich von Eifersucht machte sich in Teresa breit. Diese Frau verkörperte all das, was Teresa in ihrem Leben nicht geschafft zu haben glaubte. Sie sah gut aus, war erfolgreich in ihrem Beruf und besaß einen stilsicheren Geschmack. Und außerdem schien sie das Herz des Grafen im Sturm erobert zu haben, was der jungen Erzieherin ganz besonders weh tat.
»He, schläfst du?«, fragte Katharina und stupste ihre Erzieherin an, die, völlig in Gedanken versunken, die Aufforderung zu Tisch überhört hatte. Sie riss sich zusammen. Wenn sie Graf Markus erobern wollte, dann würde sie es sicherlich nicht mit einer ungerechtfertigten Eifersuchtsszene schaffen. Das musste sie anders anfangen. Jessica Vandenberg war eine Konkurrentin, die sie mit viel List aus dem Feld zu schlagen hatte. Denn so einfach würde die Frau den Grafen sicher nicht aufgeben. Teresa würde sehr vorsichtig sein müssen.
Zunächst einmal musste sie dafür sorgen, dass die Kinder sie nicht mochten.
Die Kinder benahmen sich an diesem Abend außerordentlich wohlerzogen. Jessica erzählte humorvolle Anekdoten von ihrer Arbeit, Fürstin Katharina stellte interessierte Nachfragen, und auch Graf Markus taute auf und lachte herzlich mit. Die Zwillinge waren einfach nur begeistert. So schön konnte das Familienleben wieder sein, wobei die Kinder überhaupt nicht darüber nachdachten, dass Jessica eventuell in eine ernstere Beziehung zu ihrem Vater treten könnte. Bis jetzt war sie ganz einfach eine gute Freundin des Hauses.
Nur Teresa war relativ still. Es war eine Qual, diesem lustigen ausgelassenen Gespräch zuzuhören, in der Nähe des Grafen zu sein, und ihn doch nicht berühren, mit ihm reden zu können, wie sie es gern wollte. Mit Erleichterung registrierte sie irgendwann, dass es Zeit war, die Kinder zu Bett zu bringen. Aber gerade, als sie sich für diesen Abend endgültig verabschieden wollte, schaute Graf Markus auf.
»Vielleicht möchten Sie sich doch gleich noch zu uns setzen, Teresa. Dieser Abend ist so schön, dass wir ihn alle gemeinsam verbringen sollten.«
Auch die Fürstin nickte lächelnd dazu, doch ihre wachsamen Augen beobachteten alles. Und so sah sie auch die verborgene Qual in der Erzieherin, vertraute allerdings darauf, dass die Frau genügend Anstand besaß, sich von ihren inneren Gefühlen nie etwas anmerken zu lassen.
Für Teresa gab es keinen ehrenvollen Ausweg aus dieser Situation, und so nickte sie langsam.
»Gern. Ich komme gleich, wenn die Kinder versorgt sind.«
Graf Markus wäre erstaunt gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Teresa gerade innerlich aufschrie. Musste sie diese Qual doch noch weiter durchstehen und zu allem auch noch ein möglichst freundliches Gesicht machen.
Aber Teresa von Gehlenrath war eine wirklich starke Frau. Sie verschloss ihre Gefühle ganz tief in ihrem Herzen, lauschte dem noch immer aufgeregten Plappern der Kinder und gab fast mechanisch die passenden Antworten. Und schließlich ging sie wieder hinunter, ein fast eingefrorenes Lächeln auf dem Gesicht und innerlich tief verzweifelt.
Trotzdem nahm der Abend einen erfreulichen Verlauf. Die Gespräche drehten sich um viele allgemeine Dinge, wobei sich herausstellte, dass Jessica recht kluge Ansichten vertrat, was die Fürstin lobend anerkannte. Und Teresa beteiligte sich an den Diskussionen, wobei sie ebenfalls kluge Argumente ins Feld führte, sodass die Diskussionen lebhaft waren.
Über all den Gesprächen war es doch recht spät geworden, und Fürstin Katharina erhob sich.
»Es war ein wundervoll anregender Abend«, stellte sie fest. »Aber jetzt bin ich müde. Verzeiht einer alten Frau, die nur noch den Wunsch hat, ins Bett zu gehen.«
Jessica schaute erstaunt auf die Uhr. »Was denn, so spät ist es schon?«
Graf Markus sprang galant auf. »Ich werde dich nach Haus bringen, wenn du möchtest. Du kannst allerdings auch hier im Gästezimmer übernachten.«
Jessica schüttelte lachend den Kopf. »Nein, vielen Dank. Aber ich bin eine notorische Frühaufsteherin und erledige einen Großteil meiner Arbeit zu einer Zeit, da andere Leute noch schlafen.« Sie reichte der Fürstin die Hand.
»Ich danke Ihnen vielmals für diesen wundervollen Abend.«
»Aber nicht doch, junge Frau«, wehrte Katharina von Mettenheim lächelnd ab. »Ich habe zu danken. Seit langer Zeit hat mir ein Abend nicht mehr so viel Freude bereitet. Und ich hoffe, ich werde Sie hier öfter wiedersehen.«
Jessica strahlte. »Es wird mir eine Ehre und eine Freude sein.«
Teresa verschluckte sich fast an ihrem plötzlich aufkommenden Zorn. Nein, es war blanker Hass auf Jessica Vandenberg, die das Herz der Fürstin so mühelos erobert hatte, während sie selbst wie ein Nichts dastand.
Aber Jessica reichte ihr ebenfalls freundlich die Hand. »Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Frau von Gehlenrath. Sie sind eine außergewöhnliche Frau, und Markus kann sich glücklich schätzen, jemanden wie Sie für die Kinder gefunden zu haben.«
Für die Kinder!, hämmerte es in Teresas Kopf. Sie war also nur jemand für die Kinder. Als Mensch wurde sie hier scheinbar weder wahr- noch ernst genommen.
Teresa erkannte nicht, dass Jessica ein großes Kompliment ausgesprochen hatte. Sie war vergiftet von Eifersucht und Hass. Und doch musste sie höflich lächelnd ihre Konkurrentin verabschieden.
Graf Markus brachte Jessica heil nach Hause und bedankte sich bei ihr noch einmal für den wunderschönen Tag. Er war glücklich, dass seine Kinder Jessica erst einmal zu akzeptieren schienen, und auch die Fürstin war angetan von der jungen Frau. Also stand einer näheren Beziehung wirklich nichts mehr im Wege.
Aber noch wollte er Jessica nicht drängen. Es war ja wirklich noch so viel Zeit, und sie beide mussten sich erst noch besser kennenlernen. Trotzdem verabschiedete er sich mit einem Kuss von ihr, in dem das Versprechen auf mehr lag.
Es war eine wundervolle Nacht, in welcher der Graf jetzt zurückfuhr. Der Mond stand strahlend hell am Himmel, und ihn überkam das seltsame Verlangen auszusteigen und einen Spaziergang zu machen. Kurz entschlossen hielt er den Wagen an einem Waldstück an, stieg aus und genoss diese wundervolle, wie verzauberte Nacht. Er hatte das Gefühl, sein Glück kaum fassen zu können und hätte am liebsten vor Freude laut in den Wald hineingerufen. Aber dann lächelte er über sich selbst und ließ es doch lieber.
Dieser nächtliche Waldspaziergang tat dem Grafen ungeheuer gut.Völlig klar sah er den weiteren Weg vor sich. Eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, würde er Jessica heiraten, nach Regina war sie wirklich das Beste, was er bekommen konnte, und er freute sich auf das Leben mit ihr zusammen. An Teresa verschwendete er nicht einen Gedanken, aber warum sollte er das auch tun? Sie war für ihn eine wertvolle Angestellte, die er nicht mehr missen mochte, aber weitergehende Gefühle hegte er für sie nicht. Und er wäre erstaunt gewesen, wenn ihm jemand gesagt hätte, dass Teresa hoffnungslos in ihn verliebt war.
So war der Graf schon sehr erstaunt, als er viel später nach Hause kam und Teresa noch wach in der Bücherei sitzend antraf.
»Sind Sie gar nicht müde?«, fragte er verwundert.
Teresa lächelte. »Es war so ein wunderschöner Abend, den möchte ich gern noch in Ruhe ausklingen lassen. Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten?«
Das war dreist, immerhin war sie nur eine Angestellte in diesem Hause. Aber Graf Markus sah das alles nicht so streng. Er stellte gerade fest, dass er zum ersten Mal mit Teresa zu einem Gespräch unter vier Augen allein war. Und dass er über diese Frau, die seine Kinder betreute und aufzog, fast gar nichts wusste.
»Erzählen Sie mir etwas von sich«, sagte er also und ließ sich in einem bequemen Sessel nieder.
Teresa glaubte, ihr Glück fast gar nicht zu fassen. Sie saß mit dem Mann, den sie über alles liebte, allein zusammen, und plötzlich fehlten ihr die Worte.
»Was wollen Sie denn von mir wissen?«, fragte sie schüchtern.
»Nun, aus Ihren Papieren kenne ich Ihren beruflichen Werdegang; Sie sind ja eigentlich Lehrerin. Welche Richtung haben Sie studiert?«
»Kunsterziehung und Geschichte.«
»Und warum sind Sie dann, verzeihen Sie den Ausdruck, nur Erzieherin geworden? Als Lehrerin hätten Sie ...«
»Was hätte ich?«, unterbrach sie ihn brüsk. »Eine schlecht bezahlte öffentliche Stelle annehmen können, mich den Sachzwängen und Anweisungen von Bürokratie zu beugen, und mich mit dreißig oder mehr Kindern in meiner Klasse herumzuärgern, von denen nicht einmal zehn Prozent ein echtes Interesse haben, etwas zu lernen? Die Kinder auf der Strecke zu lassen, weil einfach nicht genügend Zeit für eine richtige Betreuung ist? Nein, Graf, das kann es nicht sein, was ich mir wünsche. Ich liebe Kinder, Graf Markus, aber ich will auch die Möglichkeit haben, ihnen etwas zu vermitteln, und auch, ihnen meine Gefühle zu zeigen. In einer diesen großen, fast unpersönlichen Klassen in der Schule geht das nicht. Nein, ich wünsche mir etwas Erfolg zu sehen, ich wünsche mir, mit den Kindern intensiv zu arbeiten, die mir anvertraut sind. Und so bleibt keine andere Möglichkeit als die, als Erzieherin zu arbeiten. Das ist sicher nicht das Schlechteste.«
»Gott bewahre, das habe ich nicht gemeint«; protestierte er sanft. »Verzeihen Sie bitte, wenn meine Worte überheblich klangen.«
Nun wurde Teresa unwillkürlich rot. »Ich wollte Sie auch nicht kritisieren«, sagte sie leise.
Graf Markus schüttelte unwillig den Kopf. »Teresa, könnten wir uns darauf einigen, dass wir wie zwei vernünftige Menschen miteinander reden? Sie sind zwar meine Angestellte, aber Sie haben durchaus das Recht auf eine eigene freie Meinung. Und wenn Sie glauben, dass es einen Grund gibt, mich zu kritisieren, dann können Sie das auch tun. Schließlich bin ich nicht unfehlbar. Und mit Kritik kann ich im Allgemeinen umgehen.«
Ein schüchternes Lächeln stahl sich in das hübsche Gesicht der Erzieherin. »Wenn Sie meinen, Graf, ich wollte nur nicht despektierlich sein.«
»Geschenkt«, winkte er ab. »Sehen Sie, Teresa, ich schätze es, mich mit gebildeten Menschen zu unterhalten, und ich mag heiße Diskussionen, auch alleine um der Diskussion willen. Aber wenn Sie glauben, sich für jedes harte Wort entschuldigen zu müssen, hört der Spaß auf.«
Teresa wusste gar nicht, wie ihr geschah. Das erschien ihr alles so unwirklich. Sie saß hier mit dem Mann, den sie insgeheim liebte, und unterhielt sich mit ihm, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Und dabei pochte ihr das Herz immer noch bis zum Hälse.
»Haben Sie eigentlich einen Freund?«, fragte Graf Markus jetzt ohne besondere Betonung.
Teresa wurde vor Verlegenheit puterrot, als sie stumm den Kopf schüttelte. Graf Markus legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
»Ich wollte mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten mischen, Frau von Gehlenrath«, sagte er jetzt förmlich. »Und Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass es mich nichts angeht. Aber ich dachte, man könnte in einem solchen Fall etwas Rücksicht nehmen auf die Einteilung Ihrer Freizeit. Es ist mir wohl aufgefallen, dass Sie sich sehr intensiv um die Kinder kümmern. Aber dabei dürfen Ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen.«
»Ich ... ich habe eigentlich keinen großen Bedarf an Freizeit. Ich meine ...«, Teresa fehlten nun wirklich die Worte. Die Hand des Mannes auf ihrem Arm brannte wie Feuer. Und am liebsten hätte sie sich einfach in seine Arme geworfen. Aber so kostete es sie die letzten Reste ihrer Beherrschung, ganz ruhig sitzen zu bleiben und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Dabei war sie jetzt endgültig so verlegen, dass sie nicht mehr wusste, was sie noch tun sollte.
Abrupt sprang sie auf und lief zur Tür wie von Furien gehetzt. Graf Markus schaute ihr erstaunt und fast ein bisschen verstört hinterher. Noch in der Tür drehte die Frau sich um.
»Ich bin jetzt wirklich sehr müde, Graf, und möchte schlafen gehen.« Selbst in ihren Ohren klang diese Ausrede schal und unglaubwürdig. Aber sie hielt es ganz einfach keinen Augenblick mehr länger bei ihm aus. Dieser Mann beunruhigte sie zutiefst.
Noch immer wie gehetzt lief sie die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer.
Graf Markus blieb in der Bibliothek zurück und starrte ihr verwundert nach. Hatte er etwas gesagt oder getan, womit er sie verletzt hatte? Warum sagte sie es ihm dann nicht? Dieses komische Verhalten, einfach davonzulaufen, kränkte ihn, weil er den Grund nicht einsehen konnte.
Der Graf schüttelte den Kopf, löschte das Licht in der Bibliothek und ging ebenfalls schlafen.
»Und du bist sicher, dass wir ein ganzes Wochenende beide ohne unsere täglichen Verpflichtungen aushalten?«, fragte Jessica ein wenig spöttisch. Sie und der Graf saßen in seinem Sportwagen, hatten ihre Koffer in den Kofferraum gepackt, und machten sich jetzt auf den Weg zum Flughafen. Sie wollten mit einer der kleinen Fluggesellschaften vom Regionalflughafen nach London fliegen, dort würde es anschließend mit einem Mietwagen weitergehen zu einem Hotel, reizend und abgelegen, welches der Graf schon vor Jahren entdeckt hatte. Es handelte sich dabei um eine alte umgebaute Mühle, sehr rustikal, doch nach dem Umbau mit allem nötigen Komfort ausgestattet.
»Ich bin überzeugt davon, dass wir uns auch ohne Arbeit nicht langweilen werden«, versicherte er nun.
»Aber einfach so, ganz spontan nach England zu reisen, das habe ich noch nie gemacht«, erklärte Jessica lächelnd. »Das ist eine total verrückte Idee, weißt du das?«
»Kann schon sein, dass das verrückt ist. Aber wer sollte uns daran hindern?«
»Wir benehmen uns wie zwei Kinder, die der Mutter ausgebüxt sind«, erklärte sie spitzbübisch, und Graf Markus grinste plötzlich über das ganze Gesicht. »Hoffentlich sucht sie nicht nach uns.«
Jessica lachte laut und fröhlich auf.
Die Reise nach London verlief angenehm und harmonisch. Die beiden benahmen sich wirklich wie zwei ausgelassene Kinder, die die Welt mit jedem Schritt neu entdeckten. Der Graf hatte alles gut organisiert, die Anschlüsse passten, und in London auf dem Flughafen stand ein Mietwagen bereit, und nach einem hervorragenden Essen in einem kleinen Lokal in der Nähe des Flughafens ging es dann weiter.
Jessica war überrascht und entzückt, als sie am Ziel ankamen. Die alte Mühle, wie Markus es genannt hatte, stand sehr malerisch an einem kleinen Fluss, und das große knarrende Holzrad schöpfte das Wasser wie schon vor zweihundert Jahren. Das Gebäude selbst war innen und außen komplett renoviert und modernisiert worden, wobei die Besitzer jedoch darauf geachtet hatten, die rustikale Struktur der Mauern zu erhalten. Und so hatte man auch in den Räumen die Wände nicht verputzt, sondern nur gekalkt, und alles mit schönen alten Möbeln ausgestattet.
Jessica fand das alles sehr romantisch, vor allem, als sie herausfand, dass sie in einem riesigen Himmelbett schlafen würden.
»Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Hausgeist«, stellte sie lachend fest.
»Ach, ich wusste doch, dass ich etwas vergessen hatte«, stöhnte Graf Markus gespielt und lachte ebenfalls. Dann zog er Jessica fest an sich und küsste sie zärtlich.
»Dies ist eigentlich der richtige Rahmen, um dir romantische Anträge zu machen«, murmelte er und vergrub sein Gesicht in ihrem weichen, duftigen Haar.
»Sei vorsichtig«, warnte sie nicht ganz ernsthaft. »Ich könnte solche Anträge annehmen.«
»So viel Glück könnte ich ja gar nicht haben«, stellte der Graf fest.
Das Abendessen nahmen die beiden im Speisesaal ein, der sich im gleichen Raum wie das alte Mahlwerk der Mühle befand, das heute natürlich nicht mehr in Betrieb war. Aber allein schon das Mahlwerk als Dekoration, so viele alte Utensilien und Säcke bildeten die wundervolle romantische Dekoration, in der die Gäste nach Belieben speisen konnten.
»Das ist einfach fantastisch«, beteuerte Jessica immer wieder, während sie dem vorzüglichen Essen zusprach.
Obwohl das Paar nach der anstrengenden Reise rechtschaffen müde war, unternahmen die zwei nach dem Essen doch noch einen Spaziergang. Die Luft war mild und weich, das leise Plätschern des Flusses begleitete ihre Schritte, und außer den Tieren des Waldes war sonst kein Geräusch zu hören. Da die Mühle etwas abseits von der Straße lag und kein Autolärm herüberdrang, konnte man sich wirklich ins Mittelalter versetzt fühlen.
Hand in Hand gingen die beiden, ergriffen von der seltsamen Stimmung, wortlos durch die Nacht und genossen jeden einzelnen Moment.
Graf Markus wurde durch ein ungewöhnliches Geräusch geweckt. Es war noch dunkel, aber von irgendwoher kam ein schwacher Lichtschein. Er tastet in dem breiten Bett neben sich herum, aber Jessica war nicht da. Nun, vielleicht hatte sie mal eben ins Bad gemusst. Aber dann ertönte das Geräusch wieder, und gleich darauf erklang ein unterdrücktes Schimpfen. Noch ein wenig schlaftrunken stand Markus auf und tastete nach seinem Morgenrock, der am Fußende des Bettes lag. Er tappte barfüßig durch den Raum, zu Jessica hinüber, die am Tisch saß, der direkt am Fenster stand. Eine kleine Lampe spendete schwaches Licht, und im Näherkommen konnte Graf Markus erkennen, dass Jessica wirklich und wahrhaftig arbeitete. Oder vielmehr, sie hatte vor zu arbeiten. Aber ihre Kaffeetasse, der Himmel mochte wissen, woher sie um diese Zeit schon Kaffee hatte, war umgekippt und hatte die braune heiße Flüssigkeit großzügig über den ganzen Tisch verteilt. Jessica war eifrig dabei mit Papiertüchern und einem Handtuch aus dem Bad die ganze Bescherung wieder aufzuwischen. Dabei schimpfte sie immer noch leise vor sich hin.
»Was, um alles in der Welt, machst du hier?«, fragte Graf Markus verwundert.
Die Frau wirbelte erschreckt herum. »Oh, entschuldige. Habe ich dich aufgeweckt? Das wollte ich nicht.«
»Ist ja nicht so schlimm. War ja nur mein Schönheitsschlaf«, grinste er. »Aber nun erzähl mir doch endlich, was du hier zu nächtlicher Zeit tust. Außer Kaffee aufwischen, meine ich. Hast du mal auf die Uhr gesehen? Es ist gerade fünf Uhr in der Früh.«
Jessica zuckte mit den Schultern und putzte ungerührt weiter. »Das weiß ich. Aber ich habe dir doch gesagt, ich bin ein Frühaufsteher.«
Graf Markus fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Fünf Uhr?«, fragte er mit allen Anzeichen des Entsetzens. »Das ist doch noch mitten in der Nacht. Und außerdem haben wir dieses Wochenende Urlaub - von allem.«
»Ich hatte auch nicht vor, tagsüber daran zu arbeiten. Aber da du um diese Zeit eigentlich noch schläfst, kann es dir doch eigentlich egal sein.«
Der Graf schüttelte fassungslos den Kopf, griff nach den verschmutzten Papiertüchern und warf sie in den Abfallkorb. Dann zog er Jessica an sich.
»Dieses Wochenende gehört nur uns beiden, und zum Teufel mit der Arbeit und diesen Entwürfen. Dafür hast du am Montag wieder jede Menge Zeit. Wo, bei allen guten Geistern, hast du um diese Zeit überhaupt schon Kaffee herbekommen?«
»Aus der Küche natürlich. Auch hier fängt man früh an«, erklärte sie trocken.
»Du bist unmöglich«, stellte er lächelnd fest. »Aber trotzdem einfach nur fantastisch.«
Jedes weitere Wort wurde mit Küssen erstickt.
Teresa hatte dem abfahrenden Wagen mit brennenden Augen hinterhergesehen. Ein ganzes Wochenende würden die beiden in England verbringen, einfach so. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als an Jessicas Stelle zu sein, aber das war reines Wunschdenken. Und für langes Herumgrübeln blieb ihr nun auch keine Zeit, die Kinder verlangten ihr Recht. Doch sie blieb seltsam still an diesem Tag.
»Bist du traurig?«, fragte Katharina mitfühlend irgendwann.
»Nein, warum sollte ich?«, gab sie leichthin zurück, doch leichte Röte färbte ihre Wangen.
»Du hast Papa so lange hinterhergesehen. Möchtest du auch gern verreisen?«
»Wir könnten ja mal einen Ausflug machen«, schlug Robert praktisch vor.
Teresa zwang sich zu einem Lächeln. »Das ist eine gute Idee. Wenn euer Vater wieder zurück ist, werde ich ihn fragen, ob er es erlaubt.«
»Magst du Jessica?«, fragte Katharina plötzlich mit mehr als kindlicher Neugier.
»Sie ist sicher sehr nett«, antwortete Teresa vorsichtig.
»Aber magst du sie?«, beharrte das Mädchen.
Teresa schüttelte unwillig den Kopf. »Dafür kenne ich sie doch gar nicht gut genug. Und was spielt das auch für eine Rolle?«
»Ich glaube, Papa mag sie sehr gern«, stellte Katharina beharrlich fest.
»Will er sie dann heiraten?«, fragte Robert.
»Das weiß ich nicht«, sagte Teresa unwillig.
»Ich würde es besser finden, wenn er dich heiratet«, trumpfte Katharina auf. »Weil - dann könntest du weiter auf uns aufpassen und mit uns spielen und uns etwas beibringen. Aber vielleicht mag er dich ja nicht küssen«, gab sie dann zu bedenken.
Teresa wurde puterrot. »Wie meinst du das, Kind?«
»Na ja, erwachsene Leute küssen sich doch - so ganz komisch mit offenen Mund. Und dann sind die Küsse doch nass.« Die Kleine zog eine Flunsch dazu. Sie mochte keine nassen Küsse, und Teresa musste unwillkürlich lachen über diese kindliche Logik.
»Ich glaube, dieses Thema haben wir jetzt erschöpfend besprochen«, bestimmte die Erzieherin dann.
Aber Robert war noch nicht davon abzubringen.
»Wenn du Jessica nicht magst, dann magst du aber vielleicht unseren Papa? Den kennst du doch jetzt bestimmt besser.«
»Jetzt ist es aber wirklich genug, Kinder. Auf was für verrückte Ideen ihr kommt«, schimpfte Teresa liebevoll. »Natürlich mag ich euren Vater. Aber euch zwei mag ich viel lieber, und deswegen bin ich ja auch hier. Und jetzt sollten wir mal ganz ernsthaft den Versuch unternehmen, etwas zu lernen.«
Fürstin Katharina hatte unbemerkt in der Tür gestanden und das ganze Gespräch mit verfolgt. Sie war überrascht, wie gut Teresa sich aus der Affäre und den Fangfragen der Kinder gezogen hatte. Die Zwillinge waren nicht direkt gegen Jessica eingestellt, aber ganz sicher würde es Kämpfe geben, wenn Markus sich allzu früh dazu entschließen sollte, die Frau zu heiraten. Katharina von Mettenheim waren auch die Blicke nicht entgangen, mit denen Teresa dem Wagen hinterhergesehen hatte. Hoffentlich steigerte sich die junge Frau nicht in diese unglückliche Liebe hinein, die nur in Eifersucht und Hass enden konnte. Sie würde auch weiterhin ein Auge auf Teresa haben. Im Übrigen freute sie sich sehr darüber, dass es Graf Markus mit seiner neuen Liebe augenscheinlich gutging.