Heute selbstständig, morgen reich! - Frank Günther - E-Book

Heute selbstständig, morgen reich! E-Book

Frank Günther

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Beschreibung

Als Frank Günther 1994 seine Firma Elektrotechnik Frank Günther gründete, war er plötzlich alles in einer Person: Geschäftsführer, Einkäufer, Verkäufer, Monteur, Marketingleiter und Sekretärin. "Viel Erfolg mit deiner Selbstständigkeit", klopfte sein Bruder ihm noch auf die Schulter, und Günthers Selbstständigkeit nahm Fahrt auf. Mit Beginn des Jahres 2020 übergab der Unternehmer seine Firma mit mehr als hundert Beschäftigten an seinen ersten Gesellen und seinen ersten Azubi und machte sich als Unternehmensberater ein zweites Mal selbstständig.

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Seitenzahl: 151

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Vorwort

Ich bin kein Autor, kein Philosoph, habe nicht studiert und war in meiner Schulzeit anerkannter Legastheniker. Auch habe ich in meinem bisherigen Leben sehr wenige Bücher gelesen – erlebt und getan jedoch habe ich allerlei. Oft im Trubel des Alltags leichtfertig daher gesagt: „Darüber könnte ich ein Buch schreiben.“

Viele meiner Mitarbeiter kannten diesen Ausspruch von mir. Stichelten mich manchmal, wann es denn so weit sei, wann mein „Bestseller“ endlich erscheine? Zum 25. Jubiläum der von mir gegründeten Firma „Elektrotechnik Frank Günther“ ließen meine damaligen Partner, Volker Bethien und Stefan Zimmermann, mich nicht mehr mit Ausflüchten davonkommen. Vielmehr überreichten sie mir unter Applaus der Belegschaft ein mehr als besonderes Geschenk: „Herzlichen Glückwunsch, Frank, wir schenken dir einen Schriftsteller. Gemeinsam habt ihr Großes vor.“

Dies „Große“ haltet ihr nun in Händen. Mein Buch: „Heute selbstständig, morgen reich!“

Lange schon trieb dieser Titel mich um, war bereits gesetzt, bevor die ersten Zeilen dieses Buches entstanden. „Heute selbstständig, morgen reich!“ – trifft das zu, wenn ich eine Firma gründe? Oder ist der Ausspruch einer jener vielen Mythen, die sich um das Unternehmertum ranken? „Papa“, fragte etwa einst mein Sohn Philipp. „Sind wir eigentlich reich?“ Seine Mitschüler hatten das wissen wollen, weil wir so viele der roten Firmenwagen besaßen.

Reich an Erfahrungen bin ich allemal – als Familienvater, sozial engagierter Mensch, Freund, Musiker, Firmengründer und Unternehmer. In meinem Buch erzähle ich von den Erfahrungen, die ich bisher machen durfte, lasse euch teilhaben an prägenden Momenten meines Lebens, meiner Kindheit in Schwarzenbek, dem für mich so wichtigen Austauschjahr in den USA, der Gründung meiner Firma sowie den Strömungen und Stürmen, die ich als Unternehmer durchschifft habe.

Mehr als zwanzig Jahre habe ich Azubis ausgebildet, den Wandel von Lehre, Motivation und Work-Life-Balance verfolgen dürfen. Was ich selbst bei all dem lernte, wurde zu einer Vision, die ich in diesem Buch entfalte: „Wir bauen eine Schule!“

Mit Beginn des Jahres 2020 legte ich die Zukunft von EFG in die Hände meines einst ersten Gesellen und ersten Azubis. Welch großartigen Weg sind Volker Bethien, Stefan Zimmermann und so viele mir am Herzen liegende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens mit mir und meiner Frau Britta gegangen. Wie dankbar bin ich dafür. Erzähle davon, wie ich mit einem kleinen Team begann, wir gemeinsam die Firma aufbauten und zu dem machten, was EFG heute ist.

Als Unternehmensberater teile ich heute mein Wissen und meinen Erfahrungsschatz mit dem Nachwuchs. Jungunternehmer und die Selbstständigen von morgen werden eine Vielzahl von Anregungen in diesem Buch finden. Sicher kann ich „Euch“ vor einigen bitteren Momenten der Selbstständigkeit bewahren. Eine Frage indes muss jeder selbst beantworten: „Heute selbstständig, morgen reich“?

Viel Freude beim Lesen wünscht

Euer Frank Günther

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Geschichten aus meinem Leben - was mich prägte und beflügelte

Die beste Firma der Welt

Der Weihnachtsmann weiß alles

Ein Fußballer beim Handball

Ferien!

Meine Mutter

Ein Verstärker muss her

Die Schulzeit

Britta

Meine Ausbildung

Frank, allein in New York

Claremore, Oklahoma

Weihnachten bei den Rosenbauers

Norfolk, Connecticut

Zurück in Schwarzenbek

„Mensch, Frank, ich bin jetzt selbstständig.”

Mein Vater

Zweiter Teil

Heute selbstständig, morgen reich!

Die Firmengründung und die ersten Jahre

Mein erster Geselle

Mein erster Azubi

„Der größte Auftrag meiner Geschichte“

Wir wachsen!

Abgründe

25 Jahre EFG

Die Übergabe meiner Firma im Jahr 2020

Was ist für ein Unternehmen wichtig?

Die Familie

Die Mitarbeiter

Die Kunden

Unsere Weihnachtsbriefe

Dritter Teil

Von Azubis und Visionen

Wir können mehr als nur „Durchschnitt“

Einstellungsgespräche

Vier „Azubigeschichten“

Warum wir die Ausbildung neu strukturieren sollten

Ist das noch meisterhaft?

Wie schleift man einen Bohrer an?

„Wir bauen eine Schule”

Vierter Teil

Meine zweite Selbstständigkeit als Unternehmensberater

„Jetzt bist Du alles!“

Das Bild des Unternehmers

Wird mein Unternehmen erfolgreich sein?

Einige Themen der Unternehmensberatung

Fünfter Teil

Meine Familie & Freunde

Erster Teil

Geschichten aus meinem Leben - was mich prägte und beflügelte

Die beste Firma der Welt

Rockstar würde ich werden. Das war beschlossene Sache. Also wuchtete ich als Fünfzehnjähriger meinen Gitarrenverstärker auf unseren Bollerwagen und kutschierte das Ding mit stolzgeschwellter Brust quer durch Schwarzenbek zum Proberaum. Verstärker ein, Lautstärke rauf, die erste Rückkopplung – sicher würde unsere Band gleich in den Rock-Olymp abheben. Wir Jungs waren begeistert, auch wenn die Karriere dann doch nicht so gut anrollte wie der Bollerwagen.

Heute brauche ich so ein Gefährt nicht mehr. Ist unser Proberaum doch gleich dort unten, nur wenige Schritte von meinem Büro im Gebäude der „EFG Elektrotechnik Frank Günther GmbH & Co. KG“ entfernt, jener Firma, die ich vor fünfundzwanzig Jahren gegründet und deren Zukunft zum Jahresbeginn 2020 in die Hände meiner beiden Geschäftspartner, Volker Bethien und Stefan Zimmermann, gelegt habe.

„Papa, ich werde mich selbstständig machen.“

Kurz vor dessen Tod hatte ich meinem schwerkranken Vater damals noch von dem Vorhaben berichten können. Er schenkte mir ein Lächeln. Wohl gefiel ihm, was ich umzusetzen gedachte. Ich glaube, eine Selbstständigkeit war einst auch sein Traum gewesen. Hatte mein am 2. Dezember 1932 als einer von elf Geschwistern geborener Vater Reinhardt Günther doch beruflich einen ehrgeizigen und erfolgreichen Weg genommen. Einst Anstreicher von Schiffsrümpfen im Hamburger Hafen und auf einer Art Schaukel stundenlang bei Wind und Wetter mit Pinsel und Farbeimer über Bord hängend, zwang eine Bleikrankheit ihn zum Berufswechsel. Als Fräser fing mein Vater in einer Schlosserei an und fand Gefallen an der Arbeit und bereitete sich an den Feierabenden ehrgeizig auf eine Gesellenprüfung vor. Kurzerhand bestand er sie, wollte höher hinaus als alle Schiffsrümpfe ihn jemals getragen hätten, besuchte die Abendschule, war nun Maschinenbautechniker und krönte seinen Werdegang mit der Meisterprüfung. Wie bedauerlich ist es, dass den meisten Hauptschülern derartige Wege in ihrem Berufsleben heute verwehrt sind. Oft zu komplex und anspruchsvoll, warten etliche Ausbildungen im Handwerk mit Einstiegshürden auf, die von den meisten Hauptschülern nicht überwunden werden können. Womöglich wäre vielen von ihnen ein ebenso erfreulicher Werdegang – wie jener meines Vaters – vergönnt.

Wie ein Magnet zog das gewaltige Industrieunternehmen Fette zur Fertigung von Tablettenpressen in den 1960er Jahren Arbeitnehmer aus der gesamten Region nach Schwarzenbek. Mein Vater war einer von ihnen, wir zogen 1964 in die dortige Allensteiner Straße 5 ein. Wenige Monate nach meiner Geburt am 30. April 1964 betrat er selbst als Fräser die beeindruckenden Fertigungshallen der Firma Fette. Für uns drei Jungs, so sollte sich herausstellen, hatte unser Vater die beste Firma der Welt als Arbeitgeber gewählt. Die riesigen Werkshallen, eine betriebseigene Malerei, eine Schlosserei und die mit ihren Holzarbeiten mich überaus beeindruckende Tischlerei waren großartig. Noch mehr begeisterte meine Brüder und mich allerdings, was sich an die Hallen anschloss und das Firmengelände nach Feierabend und an den Wochenenden zu einem familiären Ausflugsziel erster Güte werden ließ. Der von betriebseigenen Mannschaften zum Leben erweckte Sportplatz war für uns drei Fußballer nicht weniger als ein Paradies. Daneben erstreckte sich eine Weitsprunganlage und in zahlreichen, über das Gelände verteilten Picknicknischen lockten die auf Decken ausgebreiteten Köstlichkeiten. Weiter hinten auf dem Gelände und im Sommer vollkommen unschlagbar: Ein Schwimmbecken.

Außerdem war – wenn auch von mir nicht besucht – ein betriebseigener Kindergarten Teil einer unglaublichen, vom Unternehmen nicht nur propagierten, sondern wahrlich zum Leben erweckten Work-Life-Balance, von der nach Jahren des Outsourcings und Abbaus familiärer Strukturen Betriebe heute wieder zu träumen wagen. Verbrachten doch nahezu alle Familien der Belegschaft ihre wertvolle Freizeit dort, wo es offenbar am schönsten war – im Betrieb.

Auch unsere Familie war Teil dieser unglaublichen Unternehmenswelt und verbrachte nicht nur die Feierabende, sondern besonders während der Sommermonate zahllose Wochenenden auf dem Sportplatz und im Schwimmbad. Umschichtig übernahmen die Beschäftigten den Bademeisterdienst und noch heute sehe ich in Schwarzenbek manchmal jenen ehemaligen Lohnbuchhalter der Firma, einen Herrn Bohl, der mir zum Lebensretter wurde.

„Du, Mama, Frank ist schon im Wasser“, zappelte mein Bruder Bernd damals aufgeregt neben unserer, soeben die Badedecke ausbreitenden Mutter Elsa herum.

„Ja, aber das ist er doch immer“, antwortete sie in fröhlicher Sommerstimmung, bis mein Bruder ihr den Ernst der Lage nahezubringen verstand.

„Ja, das stimmt, Mama. Heute hat Frank aber keine Schwimmflügel an.“

Meine Mutter stürzte zum Schwimmbad und Herr Bohl sich im selben Moment kopfüber ins Becken, um mich aus jener Situation zu retten, die mir noch heute als auf und nieder schwappendes Wasser vor Augen steht. Rauf und runter ging es vor meinem Gesicht, und noch etwas höher, während ich hilflos mit den Beinen strampelte und weiter in die Tiefe gezogen wurde. Plötzlich packten mich zwei Hände: Der Lohnbuchhalter. Mein Lebensretter hob mich aus dem Wasser und geradewegs in die Arme meiner Mutter.

Verleiden tat mein beinahes Ertrinken mir das Firmenschwimmbad keineswegs. Wie oft sollte ich während der folgenden Jahre mit meinen Freunden vor dem Firmentor auf das Läuten der Werksirene warten. Der Feierabend stand bevor. Eine gute Nachricht. Noch viel besser jedoch war, dass mit selbigem Läuten auch die Tür zum Schwimmbad aufgesperrt wurde. Schon schallte es über den Hof, und unter wehenden Handtüchern waren wir Jungs nicht mehr zu bremsen.

Der Weihnachtsmann weiß alles

Verließen wir nach einem der Ausflüge das Firmengelände und schlugen als Familie den Weg zur unserer nur wenige Kilometer entfernten Wohnung im Hochparterre des Hauses an der Allensteiner Straße ein, begegneten wir denselben Menschen wie zuvor im Betrieb. Nahezu jeder unserer Nachbarn und Bewohner der anliegenden Straßen und Viertel gehörte zur Belegschaft. Schloss der Betrieb im Sommer für drei Wochen seine Tore, war Schwarzenbek kaum mehr als eine Totenstadt.

Auch wir drei Jungs saßen dann auf dem Rücksitz unseres Opel Sprint und Vater chauffierte unsere glückliche Familie nach Dänemark. Endlich Ferien! Und kein Chef konnte einem mit E-Mails oder penetranten Kurzmitteilungen noch während des Urlaubs in den Burnout treiben. Erstens existierten diese Techniken noch nicht. Außerdem waren sämtliche Führungskräfte zur selben Zeit mit ihren Familien in den Betriebsferien.

Weit über die Arbeitszeiten von 7 Uhr bis 16 Uhr hinaus wurden in diesem, mir im weiteren Leben zunehmend als vorbildlich erscheinenden Betrieb das Wohlergehen der Belegschaft, deren Sorgen und Nöte ernst genommen und geholfen, wo immer dies möglich war. Brauchte jemand eine neue Wohnung. Der Chef besorgte sie einem schon. Beinahe wie der Weihnachtsmann. Dabei gab es den natürlich auch. Und er wusste „alles“, wie ich als Junge bald feststellen sollte.

„Na, Frank“, brummte mir aus dem Bart des korpulenten Weihnachtsmannes, auf dessen Schoß ich saß, eine Bassstimme entgegen. „Und du holst immer fleißig die Brötchen und bringst deinem Papa die Zeitung mit?“

Eifrig nickte ich und löste meinen Blick verwirrt von den großen Weihnachtsmannaugen. Es stimmte tatsächlich, was er da sagte. Ich holte am Wochenende die Brötchen und brachte meinem Vater auch die Zeitung mit. Woher aber wusste der Weihnachtsmann das?

Unruhig ließ ich meinen Blick von der Bühne durch den riesigen Saal der Firma Fette schweifen. Bis auf den letzten Platz waren die Bankreihen mit von der Weihnachtsfeier beglückten Kindern besetzt. Allesamt schauten sie zur Bühne, wo der Weihnachtsmann mich soeben mit den Brötchen verwirrt hatte. Gleich würden die Geschenke hereingebracht werden. Das spürten wir alle.

Was hatten wir Kinder in der Vorweihnachtszeit darauf hingefiebert, dass unsere Väter aus dem Betrieb heimkommen und uns die ersehnte Geschenkeliste überreichen würden. Sofort fiel mir auf, wie großartig sie war. Spielzeugautos, Action-Figuren, Bücher, Plastikschwerter und allerlei Schätze mehr waren aufgelistet. Daneben ließ sich jeweils ein Kreuz setzen. Und schon fand ich die richtige Stelle, sah die vier Buchstaben vor mir, die mich während so vieler Jahre meiner Kindheit glücklich machten, und machte mein Kreuz hinter dem Wort „Lego“.

Etwas Besseres gab es nicht, da konnte ich die Liste noch so oft durchgehen. Alljährlich wünschte ich mir Lego, verbrachte endlose Stunden zwischen den bunten Steinen. Lag mit unserem Vater und meinen Brüdern im Kinderzimmer, während neben uns der Hamburger Hafen entstand. Und da kamen die Sattelschlepper aus Lego schon angerollt. Beladen mit kleinen, ebenfalls aus den bunten Steinen gesteckten Karussells manövrierten sie quer durchs Kinderzimmer und die Wohnstube, um schließlich bei den Anlegern mit ihren Kranen und Frachtschiffen halt zu machen. Unser Hamburger Hafen – das Tor zur Welt. „Habe mir Lego ausgesucht“, drückte ich meinen Vater den Wunschzettel zur Weitergabe an den Betrieb in die Hand und ahnte damals nicht, welch logistisch meisterhaftes Räderwerk die anderen Kinder und ich mit ihren Geschenkelisten in Fahrt brachten. Denn kaum lagen alle Wunschzettel vor, setzte sich eine Weihnachtsabordnung der Firma Fette in Bewegung, klopfte wie vereinbart nach Ladenschluss bei Karstadt an die Glastüren, wurde eingelassen und brachte eine gewaltige Sammelbestellung mit. Jedem Kind wurde der angekreuzte, zehn bis fünfzehn DM wertige Wunsch erfüllt. Wer auf der Liste nichts gefunden hatte, durfte in zwei leeren dafür vorgesehenen Zeilen am unteren Seitenrand eintragen, was begehrt wurde. Hunderte Geschenke stellten die Mitarbeiter von Karstadt zusammen. Großzügig von der Firma Fette bezahlt, wurden sie allesamt eingepackt, mit Namen versehen und auf dutzende, den Tischreihen zugeordnete Wäschekörbe verteilt.

Diese wurden nun hereingetragen. Weihnachtslieder erklangen und die Stimmung hätte nicht festlicher sein können. Vor mir auf dem Tisch stand, neben dem Teller mit den Kuchenkrümeln, mein leerer Kakaobecher. In weiser Voraussicht schob ich beides ein wenig zur Seite und machte Platz für …

„Frank Günther?“, lächelte eine junge Dame aus der Belegschaft mich an und schob im selben Moment ein Geschenk unter meine Nase. „Das ist doch sicher für dich!“

Es war für mich. Mein Name stand darauf. Dankend nahm ich das Päckchen entgegen und schüttelte es sogleich. Das Geräusch war perfekt. Sie hatten es wieder ganz und gar richtig gemacht. Lego. Es konnte nur Lego darin sein. Unser Hamburger Hafen würde weiter ausgebaut werden können.

Mit meinem Geschenk unter dem Arm stand ich am Abend glücklich, wenn auch in anhaltender Verwirrung meinen Eltern gegenüber. „Der Weihnachtsmann“, schoss es aus mir heraus, „weiß wirklich alles. Dass ich Brötchen hole und die Zeitung ...“ Meine Eltern lächelten. Unser mit Bart und Umhang versehener Nachbar Heinz Fürus war der Weihnachtsmann gewesen.

Selbstverständlich war auch er bei Fette tätig. Viele Jahre. Irgendwann wechselte er doch einmal den Arbeitsplatz und der Weihnachtsmann wurde für eine Weile mein Vorgesetzter.

Ein Fußballer beim Handball

Unsere Mutter wusste genau, was geschehen würde, wenn wir drei Jungs ohne Aufsicht daheimblieben: Mord & Totschlag. Grundsätzlich nur Sekunden nachdem die Tür hinter unserer Mutter ins Schloss gefallen war, streute einer von uns Ärger und Sticheleien, die Sache kochte hoch und zack.

Wir drei Jungs waren und sind die großartigsten Brüder, dennoch schäumte die Energie in der Kindheit regelmäßig über und Rangeleien gehörten zum Tagesgeschäft. Auch stundenlanges Auspowern auf Fußballplätzen half da nichts. Kaum fünf, ließen meine Eltern die ersten Fußballschuhe an den Schnürbändern vor meiner Nase herumbaumeln und eines stand nun fest: Ich werde Fußballstar.

Und – selbstverständlich – reich & berühmt. Genau wie Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß oder Günter Netzer. Die Helden einer Zeit eben, in der alle Jungs nach der Schule auf die Rasenflächen und Fußballplätze strömten. Was gab es auch sonst schon? Außer Handball vielleicht. Der Sport jedoch war, aus unserem Fußballerhaushalt betrachtet, heidnisches Terrain.

Schließlich waren alle fünf Günthers fußballbegeistert. Wir drei Jungs kickten uns zum großen oder kleinen Ruhm. Unser Vater, als stolzer Besitzer eines Opel Sprint, kutschierte nicht nur uns, sondern ganze Teams zu den Punktspielen. Waren diese nicht zur selben Zeit oder auf demselben Rasen, fuhr er eben dreimal und war bei jedem Spiel lange genug anwesend, auf dass wir Jungs uns stolz und schweißtreibend ins Zeug legten.

Unsere Mutter konnte, nachdem sie am Spielfeldrand Kuchen und Brötchen verkauft hatte, später zum Rhythmus der Waschmaschine ein Lied davon singen. War sie es doch, die in unvorstellbarer Weise während der Woche gnadenlos alle abgekämpften Trikots der A-Jugend bis F-Jugend wusch, trocknete und für die Trainer und Kapitäne zur Abholung bereithielt. Wäscheleinen mit Fußballtrikots durchzogen unseren Keller. Womöglich war es dort, wo erst Verwirrung und dann ein abstruser Wunsch in mir aufstiegen.

„Ich möchte Handball spielen!“

Mein Vater war entsetzt. Überzog mich, nachdem ich tatsächlich beim Handballtraining gewesen war, mit verachtenden Blicken und einem, von mir nicht zu brechenden Schweigen.

Der Handball fühlte sich trotzdem gut an. Beim nächsten Punktspiel gesellte ich mich zur Mannschaft und wurde prompt nicht aufgestellt. Stinksauer kam ich heim. Vaters Blicke und sein Schweigen kochten mich endgültig weich und nach nur einem Handballtraining ließ ich die Finger von diesem heidnischen Sport.

Ferien!

Auf ging es an den Hennestrand in Dänemark. Für ganze drei Wochen. Jedes Jahr durften wir uns wieder darauf freuen – auf die allerschönste Zeit, die eine Familie nur haben kann. Und auch schon vor meiner Geburt waren meine Eltern nach Dänemark gebraust. Hatten meine älteren Geschwister samt Zelt im Beiwagen eines Motorrads platziert, und los ging es.

Das Haus Vesta, das meinen Brüdern und mir nach vielen dortigen Ferien der Inbegriff des Familienurlaubs ist, hieß uns beim ersten Besuch noch gänzlich ohne Strom willkommen. Abends saßen wir als Familie im Schein der Petroleumlampen beisammen und spielten Gesellschaftsspiele. Tags am Strand ging natürlich nichts ohne Fußball. Unsere Mutter kickte ebenso mit uns wie unser Vater. Regelmäßig bildeten wir kleine Teams und spielten Turniere. Einst standen mein Vater und ich „kleiner Drops“ meinen Brüdern gegenüber. Der Ball war auf das Härteste umkämpft. Und auch unser Vater ließ es sich nicht nehmen, meine Brüder mit ordentlich Körpereinsatz von weiteren Toren abzuhalten, grätschte deutlich übermotiviert von hinten zwischen Jens’ Beine und brachte ihn zu Fall.

„FAUL! Voll unfair!“, kreischte mein Bruder umgehend und wand sich im Sand. Gebannt verharrten wir. Drehten unsere Köpfe rüber zu Onkel Dieter, den wir als Schiedsrichter eingespannt hatten. Sein gellender Pfiff ertönte. Entsetzt sah Jens unseren Onkel an. Dieter jedoch schüttelte lediglich den Kopf und sagte, was das Spiel umgehend sprengen würde.

„Das war nix. Einwurf!“

Mit diesen Worten war das Turnier beendet. Stinksauer dampfte Jens ab. Eine ganze Weile hörten wir noch seine Flüche: „Voll gemein. Das war ein FAUUUUUUUUL!“