High Society II - Made in Germany - Judith Hohmann - E-Book

High Society II - Made in Germany E-Book

Judith Hohmann

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Beschreibung

Eine Privatdetektivin, die von so manch einer unangenehmen Situation in die andere stolpert, verursacht nicht nur zuletzt durch ihre etwas zurückhaltende Art, und eine junge Frau, die es mit Charme versteht, an Informationen jeglicher Art heranzukommen sowie ein angesehener Rechtsanwalt, der den Beiden hoch brisante Fälle zukommen lässt, versprechen ein interessantes Team zu werden, das sich in der High Society genauso wie in den tiefsten Schichten der Gesellschaft zum Grundsatz gemacht hat: Kampf dem Verbrechen... Einfach Made in Germany... Der zweite Band in der Reihe von Judith Hohmann

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© 2016 Judith Hohmann

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Taschenbuch:

978-3-7345-7894-6

ISBN Hardcover:

978-3-7345-7895-3

ISBN e-Book:

978-3-7345-7896-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Mama und Polly

...aber auch für alle,

die an mich glauben...

 

Eine Privatdetektivin, die von einer unangenehmen Situation in die andere stolpert, verursacht nicht nur durch ihre etwas zurückhaltende Art, und eine junge Frau, die es mit Charme versteht, an Informationen jeglicher Art heranzukommen sowie ein angesehener Rechtsanwalt, der den Beiden hochbrisante Fälle zukommen lässt, versprechen ein interessantes Team zu werden, das es sich in der High Society genauso wie in den tiefsten Schichten der Gesellschaft zum Grundsatz gemacht hat: Kampf dem Verbrechen...

…Einfach Made in Germany...

Hauptdarsteller:

Kirsten Berger................................. Privatdetektivin

Susanne Marquart..........................Privatdetektivin

Dr. Ulf Reuter.......................................Rechtsanwalt

Teil 1

Lücken der Erinnerung

Kirsten Berger verliert nach einem Autounfall ihr Gedächtnis. Sie erholt sich nach diesem auf einem Gutshof und verliebt sich dort in dessen Besitzer mit seinem Hund Bobby.

Alles gerät mit einem Male außer Kontrolle, als man versucht sie umzubringen. Nur langsam kommt die Erinnerung zurück, aber dennoch weiß sie nicht, wer ihr nach dem Leben trachtet...

 

Lücken der Erinnerung

von Judith Hohmann

Ihr Kopf schmerzte wie verrückt. Kein Wunder, wenn sie überlegte, mit welcher Geschwindigkeit der Kleinwagen von der Straße abgekommen, die Böschung hinunter gerast, sich überschlagen und irgendwo weit unten im Feld zum Stehen gekommen war.

Qualm stieg vorn aus der verbeulten Motorhaube auf.

Sie konnte sich nicht mehr genau daran entsinnen, wie es zu dem Unfall gekommen war. Noch immer saß sie angeschnallt im Fahrersitz ihres Wagens, die Windschutzscheibe vor ihr voller Risse. Aus der oberen rechten Ecke war ein großes Stück heraus gebrochen und lag nun verstreut im Fußraum des Beifahrers.

Etwa zwei Meter vom Wagen entfernt stand eine imposante, verknöcherte Eiche. Die Jahreszeiten, denen sie schutzlos ausgeliefert war sowie ihr Alter erzählten eine lange und vielleicht traurige Geschichte über sie. Nicht auszudenken, wenn sie mit ihrem Cabrio frontal gegen die Eiche gefahren wäre.

Allmählich trat die Dämmerung ein.

Wie lange sie dort schon im Auto gesessen hatte, ehe sie aus ihrer Ohnmacht erwacht war, wusste sie nicht.

Ein heftiger Schmerz durchdrang auf einmal ihren Brustkorb. Das musste wohl an ihrem Sicherheitsgurt gelegen haben, der sie vor Schlimmeren bewahrt hatte.

Ein Griff mit der rechten Hand zur linken Körperseite hinauf ließ sie einen festen Gegenstand ertasten. Sie griff danach und holte eine halbautomatische Pistole unter der Jacke hervor, die sie in einem Schulterholster trug. Eine Pistole? Sie blickte erschrocken darauf. Die gehörte doch nicht etwa ihr?

Bruchstückhaft kam die Erinnerung zurück. Sie sah diesen Geländewagen, der auf der engen Landstraße direkt auf sie zuhielt. Mit rasantem Tempo. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, wie sie das Lenkrad verriss und kurz darauf wurde es auch schon dunkel um sie herum.

Sie kniff für einen Moment die Augen zusammen. Was, um Himmels Willen, war mit ihr los? Sie konnte sich nur noch kurz den Unfallhergang in Erinnerung rufen, doch was davor war, es war einfach weg - wie ein Filmriss.

Sie wusste weder von der Schusswaffe, die sie bei sich trug, oder kannte ihren Namen. Ein so heftiger Gedächtnisverlust?

Jetzt versuchte sie die Fahrertür zu öffnen. Nach mehrmaligem Dagegenstemmen bewegte sich die Tür unter lautem Knarren nach außen.

„Mein Gott, ist mir übel“, hauchte sie und löste den Sicherheitsgurt. „Mir ist grottenschlecht.“ Sie wollte aus dem Autowrack aussteigen, doch das einzige, was ihr gelang, war, dass sie kopfüber aus dem Wagen fiel.

Augenblicklich musste sie sich übergeben. Aufs Neue wurde es ihr schwarz vor Augen.

Als sie abermals erwachte, war es Nacht. Sternklarer Himmel.

Direkt über ihr Vollmond, der die gesamte Gegend um sie herum erhellte. Sie fröstelte. Kein Wunder, war es doch erst März.

Schwerfällig richtete sie sich auf und kroch in Richtung Straße, von wo sie mit ihrem Cabrio den Hang hinunter geschossen war. Alle Knochen taten ihr weh.

Wie lange sie sich dort unter Schmerzen entlang geschleppt hatte, konnte sie nicht einschätzen. Vielmehr torkelte sie gegenwärtig wie benommen die Straße entlang, von wo sie meinte gekommen zu sein.

Über ihr flog ein Vogel aus der Spitze eines Baumes, der direkt an der Strasse stand, drehte eine Schleife über ihr und entschwand mit Kreischen in die Dunkelheit der Nacht.

Ihr Zeitgefühl war ihr durch den Unfall verloren gegangen.

Nichts. Einfach nichts. Alles war wie ausgelöscht.

Es waren nun die grellen Scheinwerfer eines Autos, die sie extrem geblendet hatten und direkt auf sie zuhielten. Sie riss instinktiv den rechten Arm hoch, um ihre Augen zu schützen.

Der Wagen hielt direkt vor ihr an.

Sie sah, nachdem sich ihr Augenlicht daran gewöhnt hatte, eine Person auf sich zukommen.

„Hallo? Ist alles mit Ihnen in Ordnung?“ Aus dem Auto vernahm die junge Frau zudem ein tiefes Hundegebell.

Ehe sie irgend etwas darauf hätte antworten können, wurde ihr einmal mehr übel und sie fiel in sich zusammen.

Kapitel 1

Ulf Reuter hatte es sich gemütlich gemacht. Der attraktive Rechtsanwalt wollte den anstrengenden Tag, an dem er einer Gerichtsverhandlung beiwohnen musste, einfach nur entspannt ausklingen lassen. Er gehörte noch zu den Menschen, die es liebten, eine Schallplatte aufzulegen. In Zeiten der digitalen Welt, die langsam Einzug hielt, wollte er einfach mal auf eine CD verzichten können.

Und nachdem er nun den Tonarm über der Platte abgesenkt und die Nadel sich langsam in die Rille einfasste, knisterte es leicht über im Raum verteilte Satellitenlautsprecher und Anfänge einer Ouvertüre erfüllten leise den Raum.

Auf der Anrichte stand ein Glas mit exquisitem Rotwein, den er sich zuvor aus dem Weinkeller geholt hatte.

Nun war er mit seinem Glas in der Hand an die große Fensterfront herangetreten und blickte nach draußen.

Im Hintergrund entwickelte sich aus dem bisher so sanften Streichorchester über den Trommelwirbel und den hinzugekommenen weiteren Instrumenten hinaus eine großartige Oper von Giuseppe Verdi, die er über alles liebte.

Am Horizont hinter den gegenüberliegenden Einfamilienhäusern sah er eine Sternschnuppe niedergehen. Obwohl er mit beiden Beinen als Rechtsanwalt fest im Leben stand, war er dennoch ein kleiner Romantiker.

Er schloss die Augen und hoffte auf die Erfüllung seines immerwährenden Wunsches: Kirsten Berger eines Tages doch noch mit einem Happy End in die Arme schließen zu können. Hierbei gab er einen leisen Seufzer von sich, denn er wusste, dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen würde. Eher, so hatte die Detektivin mal zu ihm gesagt, würden die Kontinente Amerika und der Südpol von einem auf den anderen Tag schlagartig zusammenwachsen und zu einem neuen verschmelzen. Mit diesen Worten hatte sie ihn wie üblich stehen gelassen, nachdem er ihr bei einem Dinner nach Abschluss eines Auftrages das Kompliment gemacht hatte, wie toll sie doch aussah. Es war wie immer wahrheitsgemäß, doch die Abfuhr war auf den Fuß gefolgt.

„Träumen wird doch noch erlaubt sein“, sagte er leise vor sich hin, als im Hintergrund das Telefon läutete.

Ob er etwas von Kirsten gehört habe, wollte Susanne wissen. Er konnte es leider nur verneinen, hatte er doch in diesen Tagen keinen Kontakt zu ihr gehabt. Sie und Kirsten hatten sich vor ein paar Stunden in einer Kneipe im Stadtkern verabredet, aber die Detektivin war zu ihrer Verabredung nicht erschienen. Jetzt war es nach Mitternacht und Susanne Marquart war beunruhigt.

„Wer weiß, was ihr dazwischen gekommen ist. Machen Sie sich bitte keine Sorgen. Später wird sich alles aufklären.“

Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, schmeckte ihm der Wein nicht mehr, und er hatte das Glas auf die Anrichte zurückgestellt.

In dieser Nacht fand er irgendwie keinen Schlaf mehr.

Frühmorgens hatte Ulf Reuter sich auf den Weg zur Wohnung von Kirsten aufgemacht, um nach dem Rechten zu sehen.

Nachdem er die letzten Stufen genommen hatte, sah er auch bereits Susanne dort stehen. Sie trug ein mintgrünes Jackenkleid, das ihre Figur untermalte. Die langen Haare fielen locker auf ihre Schultern, und er musste sich gestehen, wie wundervoll die junge Frau aussah.

„Sie ist nicht zu Hause, und das Cabriolet steht auch nicht in der Nebenstraße. Es muss irgend etwas passiert sein“, in Susannes Stimme schwang Besorgnis mit. Sie warf einen Blick auf Kirstens Ersatzwohnungsschlüssel, den sie von ihr bekommen hatte. „Meinen Sie, wir sollten...?“

Ulf nickte und Susanne schloss die Wohnungstüre auf.

Die Beiden fanden die Wohnung in einem strukturiertem Zustand vor, so, wie sie es von Kirsten Berger gewohnt waren. Kirsten war kein unordentlicher Mensch, alles hatte seinen Platz, es war stets sauber, und manchmal hatte man sogar das Gefühl, dass niemand die Wohnung zu bewohnen schien.

Susanne betätigte den Anrufbeantworter. Auch hier fand sich nur ihre Nachricht darauf, mit der sie sich sorgenvoll nach Kirstens Verbleiben erkundigte.

„Nicht ein Anhaltspunkt“, sagte Susanne, nachdem sie die Sprachnachrichten beendete. „Sie war nicht hier. Irgend etwas ist geschehen. Ich spüre das.“

Sie warf Ulf einen hilfesuchenden Blick entgegen. „Wir müssen etwas unternehmen.“

Die Türe auf der anderen Seite des großen Raumes wurde geöffnet und ein junger, gutaussehender Mann trat ein.

„Oh, Sie sind wach“, ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Wie geht es Ihnen?“

Er trat an das Bett heran und schaute in das Gesicht der jungen Frau, die er an der Landstraße verletzt aufgefunden hatte. „Ich habe mich gar nicht vorgestellt.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich bin Frank Bernauer.“

Hinter ihm stürmte wedelnd ein wuscheliger Hütehund herein und sprang auf das Krankenbett, worin die junge Frau lag. Er schleckte ihr voller Freude quer übers Gesicht und sprang auf der anderen Seite wieder runter.

„Bobby, du sollst das nicht machen. Diese Hundefreude teilt nicht jeder mit dir, mein Junge.“ Bobby sprang freudestrahlend an ihm hoch und wurde mit einem sanften Streicheln über den Kopf belohnt.

Die junge Frau war total verdutzt, musste jedoch über die Reaktion des Hütehundes schmunzeln. So ein liebenswertes und offenes Tier hatte sie lange nicht mehr erlebt.

Sie war mit ihrer rechten Hand durch ihr kurzes zerzaustes Haar gefahren. „Wo bin ich hier?“, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang ein wenig zittrig.

„Sie sind auf dem Hofgut Bernauer“, Frank hatte sich auf den Bettrand gesetzt und ein Tablett auf dem Beistelltisch abgestellt. Er nahm eine Tasse mit heißer Bouillon und reichte sie ihr. „Trinken Sie. Das wird Ihnen gut tun. Sie müssen wieder zu Kräften kommen.“

Sie nahm einen Schluck davon, und sie spürte wie gut es ihr tat.

„Hofgut Bernauer? Wo ist das?“ In ihrer Stimme konnte man ihre Unsicherheit, aber auch Orientierungslosigkeit heraushören.

„Es ist alles in Ordnung. Doktor Ludwig war da und hat sie verarztet. Ich habe ihn in der Nacht gerufen, und er kam sofort zum Gut raus gefahren. Er sagte, Sie hätten richtig Glück gehabt, dass Ihnen nichts Schlimmeres passiert sei.“

Jetzt kam es ihr wieder. Der Unfall.

Aber immer noch konnte sie sich an nichts erinnern. Namenlos, sie fühlte sich namenlos, und wieso war sie gerade auf der Landstraße unterwegs? Fragen über Fragen, auf die sie keine Antworten wusste.

„Was ist mit meinem Auto?“

Ihr ganzer Oberkörper tat ihr weh. Der linke Arm war bandagiert und mit einem Dreiecktuch um den Hals stabilisiert. Um ihren ganzen Oberkörper befand sich ein weiterer breiter Verband, der ihren Rippen als Stützverband zu dienen schien.

Nachdem sie die Tasse mit der Bouillon auf den Beistelltisch zurückgestellt hatte und an den Verband unterhalb ihrer Brust herumtastete, zuckte sie vor Schmerzen zusammen.

Im gegenüberliegenden Spiegelschrank konnte sie zudem sehen, wie stark verarztet sie war. An ihrer linken Stirnseite war ein breites Pflaster, überall im Gesicht befanden sich kleinere Verletzungen, die geblutet haben mussten, während sie mit ihrem Oberkörper beim Überschlagen immer wieder durchgerüttelt und gegen das Lenkrad geknallt war. Mit dem Kopf musste sie immerzu gegen den Überrollbügel gestoßen sein. Es konnte nur so gewesen sein. Eine andere Erklärung konnte sie für die Verletzungen nicht finden.

Weshalb befand sie sich nun hier und nicht in einem Krankenhaus?

Aber sie fühlte sich zu schwach, um weitere Fragen zu stellen. Selbst das zerstörte Cabriolet war auf einmal belanglos, da sie wieder große Müdigkeit überkam. Sie ließ sich ins Kissen zurücksinken und spürte, wie schwer ihre Augen wurden.

Zwei Tage waren seither vergangen. Von Kirsten Berger weiterhin keine Spur. Susanne Marquart und Ulf Reuter fingen sich an ernsthaft Sorgen um das Verschwinden der Detektivin zu machen. So lange war sie noch niemals zuvor weg geblieben. Sie waren gemeinsam ihr Auftragsbuch durchgegangen; erfolglos. Ulf hatte sogar Kommissarin Renate Schäfer aufgesucht und sie als vermisst gemeldet. Irgend etwas musste geschehen sein, dessen waren sich Beide nun sicher.

Während Ulf und Susanne die Polizeidirektion verließen und in die Limousine von Ulf einstiegen, sagte Susanne beinahe tonlos: „Hoffentlich sehen wir Kirsten lebendig wieder.“

„Machen Sie sich bitte keine Sorgen, Susanne“, versuchte Ulf sie zu beruhigen. „Kirsten ist unverwüstlich. Sie kennen Sie doch. Steht bald vor uns und lacht über uns, weil wir uns so verrückt gemacht haben.“

Ulf konnte seine Worte selbst nicht glauben, die er hier von sich gab. Auch er hatte große Angst, dass der Detektivin etwas zugestoßen war. Es war so gar nicht ihre Art, überhaupt kein Lebenszeichen von sich zu geben. Nicht einmal ein Wort der Streiterei.

Auch wenn er die harten Worte zwischen ihnen beinahe hasste, fehlten sie ihm doch ungemein, sagte er sich, unvorstellbar, wenn dies vorbei sein sollte. Bei diesem Gedanken durchdrang sein Herz ein Stich.

Während Ulf den Wagen startete und los fuhr, sahen sie den Wagen auf der anderen Straßenseite nicht, der sich ebenfalls langsam in Bewegung setzte und ihnen in Abstand folgte.

Kapitel 2

Jahrelang hatte er sich hierauf vorbereitet. Als er vor fünf Jahren vor Gericht wegen dieser grausamen Tat an der vierundsechzigjährigen Olga Petkowa verurteilt wurde, hatte er Kirsten Berger damals grausame Rache geschworen.

Er hatte ihr noch einen kurzen Blick zugeworfen, als man ihn aus dem Gerichtssaal führte. Seine Geste verriet, dass er sie eines Tages wiedersehen und Rache an ihr nehmen würde. Wegen der Schwere der Tat hatte man ihn gleich in die Psychiatrie eingewiesen, ohne Hoffnung vorzeitig entlassen zu werden.

Welcher Hohn, dachte er, und er rückte während der Fahrt seine Sonnenbrille auf der Nase zurecht. Hätte ihm die alte Dame gezeigt, wo sich die Juwelen befanden, hätte sie nicht so leiden müssen.

Im Rückspiegel sah er seine Narbe, die sich diagonal über die gesamte linke Wangenhälfte erstreckte.

Wäre ihm diese dämliche Detektivin nicht in die Quere gekommen, wäre der Verdacht nicht auf ihn gefallen. Das sollte sie ihm büßen. Auch für die Narbe, die sie ihm während eines längeren Zweikampfes zugefügt hatte, sollte sie eine hohe Rechnung bezahlen: mit ihrem Leben...

Anfangs war der Aufenthalt in dieser Einrichtung eine Tortur für ihn. Nachts lag er oft stundenlang wach, dann sah er das Gesicht der Detektivin vor sich. Es war zum Greifen nahe, und doch so unendlich fern.

Und wenn er eingeschlafen war, träumte er davon, sie in seiner Gewalt zu haben und an ihr seine schlimmsten Wünsche ausleben zu können. Er hörte ihre Schreie unter argen Schmerzen, Wimmern, aber auch das Flehen, er solle sie gehen lassen oder rasch töten.

Während der Behandlungen im psychiatrischen Krankenhaus musste er lernen, wie er seinen Hass unsichtbar machen und die Dosierung der Medikamente, die er täglich nehmen musste, so geschickt reduzieren konnte, dass es nicht nur dem geschulten Pflegepersonal entging, sondern auch die Fachärzte hinters Licht führte. Niemand bekam mit, wenn er täglich die Filmtabletten, die ihn ruhig stellen sollten, entsorgte.

Wie er es schaffte, die Ärzte wegen der Medikamentenproben zu täuschen, wusste er nicht. Er hatte vielmehr seinen Körper im Griff, dass er es irgendwie steuern konnte, dass es niemandem auffiel.

Und immer mit den Gedanken an seinen Racheplänen für Kirsten Berger.

Bei der letzten Abholung für die externe Reinigung war niemandem aufgefallen, dass ihm die Flucht gelungen war. Er hatte sich in einen Container mit Bettwäsche verstecken können.

Danach hatte er erst einmal bei einem alten Kumpel Unterschlupf gefunden, der ihm noch einen Gefallen schuldig war und Schusswaffen besorgen konnte. Leider wollte er ihm seinen Geländewagen nicht freiwillig geben. Jetzt hoffte er, dass man die Leiche nicht so rasch finden würde.

Die Anschrift der Detektivin ausfindig zu machen, war daraufhin das kleinere Übel. Seine Kontakte waren in der Verbrecherszene groß, ein paar Scheine, zudem mochten sie einige nicht, und schon hatte er ihre komplette Anschrift ausfindig gemacht.

Seit diesem Augenblick ließ er sie nicht mehr aus den Augen. Er wusste, wann sie frühmorgens das Haus verließ, wo sie sich tagsüber aufhielt, was sie für Aufträge hatte, wann sie nach Hause kam.

Er kannte schon all ihre Gepflogenheiten, welche Weinsorten sie im nahegelegenen Supermarkt einkaufte, er stand sogar einmal mit dem Rücken hinter ihr und beobachtete sie, während sie Schonkaffee und Milch in den Einkaufswagen lud.

Mehrmals hatte er bereits darüber nachgedacht, sich ihrer Kollegin Susanne Marquart anzunehmen, da sie eine sehr hübsche Frau war. Und er hatte schon lange keine Frau mehr gehabt.

Aber er hatte diesen Gedanken wieder verworfen. Darum konnte er sich kümmern, wenn er sich Kirsten entledigt hatte. Und der Rechtsanwalt bereitete ihm auch weniger Sorgen. Den würde er rasch aus dem Weg räumen können.

Während er so durch die fast leeren Straßen der Stadt hinter Ulf Reuter und Susanne Marquart herfuhr, wurden im Radio die Nachrichten übertragen.

Er erhöhte die Lautstärke, als der Nachrichtenmoderator berichtete: „Noch immer befindet der Serienmörder Lars Quadflieg auf der Flucht. Die Polizei kann bislang keine Angaben zum näheren Verbleib des Mannes machen. Wie ihm die Flucht aus der Sicherheitsverwahrung gelang, ist weiterhin ungeklärt. Wir mahnen jedoch zur Vorsicht. Nehmen Sie keine Anhalter mit. Der Dreiundfünfzigjährige ist hoch gefährlich. Erkennungsmerkmal des Mannes ist eine große Narbe auf der linken Gesichtshälfte. Bitte informieren Sie die Polizei, wenn sie ihn sehen sollten. Es folgt der Wetterbericht.“

Lars Quadflieg stellte das Radio aus, und ein breites, fieses Grinsen lag auf seinem Gesicht.

„Ihr werdet mich nicht bekommen“, sagte er mit fester Stimme. Auf dem Beifahrersitz lag eine entsicherte 45er.

Es war für ihn von Anfang an klar, dass er nicht mehr dorthin zurückgehen würde. Er würde sich Kirsten schnappen, und wenn er sie getötet hatte, würde er sich nicht freiwillig ergeben. Er hatte sich sein Ende bereits ausgemalt, bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet zu werden.

Die junge Frau fühlte sich richtig gut, als sie ihre Augen öffnete. Sie hatte lange nicht mehr so gut geschlafen wie in der vergangenen Nacht. Draußen schien die Sonne. Sie sandte ihre ersten wärmenden Strahlen zur Erde; langsam hielt der Frühling Einzug.

Die junge Frau räkelte sich und streckte genüsslich ihren rechten Arm von sich. Um den linken war weiterhin die Bandage gebunden.

Immer noch schmerzte alles.

Ihre innere Leere, der fehlende Name, von woher sie kam, Lücken der Erinnerung waren weiterhin da.

Kurzerhand schob sie die Decke beiseite.

Ganz vorsichtig hatte sie ihre Füße auf den Boden gestellt und richtete sich auf. Noch unsicher auf den Beinen setzte sie einen Fuß vor den anderen. Mit dem rechten, noch intakten Arm versuchte sie sich auszubalancieren, aus Angst zu stürzen.

Mit etwas unsicheren Schritten erreichte sie nach einer Weile das große Fenster auf der linke Seite des Raumes, öffnete es und blickte nach draussen.

Die Märzsonne wärmte ihr Gesicht auf so angenehme Weise, dass sie sich fühlte, als hätte eine zärtliche Hand ihre Haut berührt.

Draußen herrschte reges Vogelgezwitscher und die ersten Frühlingsblumen steckten ihre Köpfe aus der gegenüberliegenden Wiese.

Zwischen den Knospen tollte Bobby umher. Auf tollpatschige Weise trat er einige der Blumen platt, während er freudestrahlend und bellend einer umherfliegenden Biene nachjagte.

Auf der anderen Seite des Geländes befand sich neben einigen Birken ein langgezogener Pferdestall mit mehreren aneinandergereihten Boxen, wovon vereinzelte in der oberen Hälfte geöffnet waren.

Aus der rechten Box steckte ein wunderschönes braunes Pferd seinen Kopf mit langgezogener Blesse heraus. Es hob den Kopf und ein Wiehern drang über die Wiese an ihr Ohr. Es schien, als wolle es die junge Frau auffordern zu ihm zu kommen.

„Du weißt aber, dass du wunderschön bist, nicht wahr?“ Sie streckte ihm die Hand entgegen und strich ihm vorsichtig über seinen Kopf.

Sie bemerkte nicht, wie Frank Bernauer von hinten an sie herangetreten war. „Mensch, es tut gut, Sie hier draußen zu sehen.“

Als sie sich umdrehte, sah sie wieder diese lustigen blauen Auge, in die sie als erstes geblickt hatte, als er ihr die Bouillon gebracht hatte, damit sie wieder zu Kräften kommen konnte.

Neben ihm stand Bobby, der wohl damit aufgehört hatte Jagd auf fliegende Insekten zu machen. Er wedelte und stupste mit seiner feuchten Nase.

Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart.

Leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, und sie spürte auf einmal das Klopfen ihres Herzens. Sie hoffte aber, dass dies alles unbemerkt bliebe.

„Es geht mir schon etwas besser. Dank Ihnen“, stammelte sie und blickte unter sich.

„Wollen wir ein Stück gehen? Ich zeige Ihnen gerne das Anwesen.“ Er machte eine kurze Pause, bemerkte ihre Schwäche, die noch in ihr war, und fügte hinzu: „Jedoch nur, wenn Sie sich körperlich dazu in der Lage fühlen. Wir müssen also nicht weit gehen.“

Er reichte ihr seinen Arm, in den sie sich einhakte.

Während sie langsam über den Hof gingen, sagte sie auf einmal: „Meine Güte, ich kann mich an nichts mehr entsinnen. Es ist alles wie ausgelöscht.“

„Doktor Ludwig äußerte sich bereits, dass Sie unter einer leichten Amnesie leiden. Er ist aber zuversichtlich, dass Ihr Gedächtnis zurückkehren wird.“

Er lächelte ihr zu. Sein Gesicht weich und zärtlich. „Alles braucht seine Zeit. Kommen Sie bitte erst einmal wieder richtig auf die Füße.“

Nach einer Weile waren sie an einer Scheune angelangt. Frank war stehen geblieben und schob nach Öffnen des Tores die rechte Torhälfte nach aussen bis zum Anschlag.

„Mein Auto!“ Ihr Herz pochte auf einmal.

Im Innern der Scheune stand ein rotes, total verbeultes Cabriolet, die Achse gebrochen, das rechte Vorderrad stand nach außen weg, auf der linken Seite war das Fahrzeug runter gebrochen. Die Motorhaube war verzogen, ließ sich nicht mehr schließen, und die Windschutzscheibe war voller Risse. Der Wagen war an der gesamten Außenhaut voller Erde, und man konnte kaum mehr seine Grundfarbe erkennen.

„Totalschaden. Es ist ein Wunder, dass Sie dort lebend raus gekommen sind“, sagte Frank mit leiser, besorgniserregender Stimme und sah sie gerade an.

Die junge Frau senkte traurig ihren Blick. „Mir geht gerade durch den Kopf, dass ich vor diesem Auto schon einmal eines verloren habe. Es ist nur eine vage Erinnerung, mehr nicht. Aber sie ist da. Verbunden mit einer heftigen Detonation. Mehr weiß ich nicht.“

Frank machte einen Schritt nach vorn und stand nun direkt vor ihr. Mit der rechten Hand strich er ihr sanft über die Wange. Wieder war sein Gesicht weich und zärtlich.

Er nahm sie ohne zu zögern in die Arme und strich ihr tröstend mit der rechten Hand über ihren Kopf. „Alles wird gut.“

Während sie ihren Kopf seitlich an seine Schulter gelegt hatte, sah sie plötzlich ein Aufblitzen in den Resten der Windschutzscheibe ihres Cabrios. Sie schreckte zusammen und stieß den jungen Mann geistesgegenwärtig zur Seite.

„Vorsicht!“ Die junge Frau ließ sich neben ihm zu Boden fallen.

Und fast im selben Augenblick ging nach einem lauten Knall unter schrillem Pfeifen ein Schuss an ihnen vorbei und zertrümmerte die Scheibe des Cabrios nun endgültig.