Zeitsprung - The Beginning - Judith Hohmann - E-Book

Zeitsprung - The Beginning E-Book

Judith Hohmann

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Beschreibung

Der Wunsch von Susanne, einer jungen Informatikerin, geht in Erfüllung. Seit jeher wünscht sie sich, zu den Sternen zu fliegen. Tatsächlich macht der Sternenkreuzer Centaurius einen Zwischenstopp auf der Erde, nur um sie zu fragen, ob sie mitfliegen möchte. Nach einigen Zweifeln geht sie an Bord. Dort findet sie neue Freunde, erlebt Abenteuer, die sie bisher nur aus Büchern oder Filmen kannte. Und zu guter Letzt findet sie dort ihre große Liebe: eine Liebe gegen jede Norm... Ein SF/Fantasy-Abenteuer mit eigenen Illustrationen

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© 2017 Judith Hohmann

Lektorin: G. Schmitz u.a.

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Taschenbuch:

978-3-7345-8152-6

ISBN Hardcover:

978-3-7345-8153-3

ISBN e-Book:

978-3-7345-8154-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Mama & Polly sowie alle, die an mich glauben...

ZEITSPRUNG

The Beginning

von Judith Hohmann

ZEITSPRUNG

The Beginning

Von Judith Hohmann

Prolog

Als ich vor meinem Elternhaus stand, schlug mir das Herz fast bis zum Hals. Meine Kehle war trocken, und um meine Mundwinkel zuckte es. Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass schon solch eine unendlich lange Zeit vergangen sein mochte.

Mit der rechten Hand war ich durch mein kurzes strubbeliges Haar gefahren.

Ich konnte mich noch genau entsinnen: Es war der 21. Juli 1998. Und seither war eine lange Zeit vergangen. Für mich war es, als wäre es erst gestern gewesen, als ich das Haus verließ.

Ja, es war ein warmer Sommertag wie heute. Und auch heute schien die Sonne, jedoch mit dem Unterschied, dass man sie nicht sehen konnte. Sie lag hinter einer grauen Dunstglocke, die die Stadt bedeckte.

Ich blickte zum Himmel hinauf, und es wurde mir bewusst, dass sich die Menschheit nicht im Geringsten verändert, sich scheinbar nie wirklich für den Klima- und Umweltschutz eingesetzt hatte.

Ich wurde in dieser Ansicht gar noch bestärkt, als ich hinüber zu den Bäumen und Sträuchern sah, die um das Gebäude herum gepflanzt waren. Die Blätter hatten eine merkwürdig gelblich graue Färbung, die auf Krankheit oder Umweltbelastung hinwiesen.

Ich hob resignierend die Schultern und stand nun vor der Haustür.

Ob der Schlüssel wohl noch passen würde, fragte ich mich und blickte auf einen Bund in meiner Hand, den ich gerade aus der Jackentasche zog.

Dann sah ich den Autoschlüssel und erschrak. Schon oft hatte ich an mein rotes Cabriolet denken müssen. Was wohl aus ihm geworden war?

Ich wusste, dass ich all die Antworten auf meine Fragen, die mich mich die ganze Zeit über beschäftigten, in diesem Haus finden würde. In dem Haus, in dem ich einst lebte und schon seit Jahrzehnten nicht mehr gewesen war.

Nach kurzem Zögern schob ich den Schlüssel in das Schlüsselloch und drehte ihn nach links. Ich hatte Angst. Nein, ich hatte nicht nur Angst vor dem, was mich vielleicht drinnen erwartete, sondern vielmehr vor den Menschen, denen ich möglicherweise gegenüberstehen würde. Die Menschen, die ich einst kannte, gar liebte.

Was ich nicht zu glauben wagte, erfüllte sich. Die Haustür schob sich ein Stück nach innen.

Als ich im Eingangsbereich stand, war ich doch ein wenig überrascht, dass sich seither nichts verändert hatte. Jedes Bild, die Möbel, alles war an seinem Platz. Für einen Augenblick kam es mir in der Tat so vor, als wäre die Zeit stehengeblieben und die Vergangenheit würde mich einholen.

Ich hörte auf einmal meine Schwester im Obergeschoss – Elena. Nur zögernd war ich in all die Zimmer getreten, in denen ich einst lebte.

Auf einmal sah ich mein Arbeitszimmer vor mir. Ob es wohl noch existierte wie all die anderen Dinge im Haus?

Um diese Frage beantworten zu können, nahm ich jeweils zwei Treppenstufen auf einmal und stand letztendlich vor der Tür, hinter der sich meine kleine intime Welt befand, die niemand außer mir betreten durfte.

Tatsächlich. Auch hier war alles beim alten geblieben. Selbst der Computer stand noch da, offensichtlich viele Jahre unbenutzt. Der Staub verriet, dass hier seit Jahren nicht mehr sauber gemacht wurde.

Kurzerhand nahm ich das Stromkabel und verband es mit der Steckdose. Dann setzte ich mich auf den Bürostuhl, wischte den Staub vom Bildschirm sowie von der Tastatur und schaltete das Gerät ein.

Es surrte und piepste, bis nach wenigen Sekunden eine Verbindung entstand und das altvertraute Testbild erschien.

„Alles unverändert“, sagte ich leise zu mir und rief die Daten von den Datenträgern ab, die hier noch verstreut herumlagen.

Da war eine Datenbank, die ich damals angelegt hatte. Ferner befanden sich noch Gedichte auf der Festplatte, die ich aus Zeitvertreib verfasste. Aber auch um mich vom Kummer und meinen Sehnsüchten zu befreien, von denen mich jeweils einer dieser beiden einmal pro Woche überkam.

Das war dann einer dieser wenigen Momente, in denen ich eine gute Flasche Wein dazu genoss, um mir einen Schwips anzutrinken.

Irgendwann dann, wenn ich mich daran erinnern wollte, rief ich die Zeilen auf den Bildschirm zurück.

Im Hintergrund lief Musik von der Stereoanlage, die ich zuvor eingeschaltet hatte.

Ich war so in Erinnerungen versunken, dass ich es nicht bemerkte, dass ich von hinten angesprochen wurde.

Erst nach nochmaligem Hinhören vernahm ich die altvertraute Stimme einer Person, die ich früher einmal kannte. Sie klang nur etwas verblasster, älter geworden.

„Was machen Sie hier? Wie sind Sie hier hereingekommen? Keiner, außer mir, war in den vergangenen Jahren in diesem Raum hier.“

„Ich weiß“, erwiderte ich und drehte mich langsam mit meinem Stuhl zu der Person um, die mich zuvor ansprach. „Hallo Elena.“

Alt war sie geworden, alt und grau. Sie musste so um die siebzig Jahre alt sein, dachte ich, sah das eingefallene Gesicht und lächelte.

„Wie geht es dir?“

„Das kann doch nicht möglich sein!“ Elena fuhr erschrocken zusammen. „Das ist unmöglich!“

Ihre Augen weit aufgerissen, lehnte sie an einem Schrank und suchte nervös nach einem Taschentuch in ihrer Rocktasche.

Ich nahm ein Tuch, erhob mich und wollte es ihr reichen, als sie zurückwich und schrie: „Bleib mir vom Leib! Du bist nicht meine Schwester. Du kannst es nicht sein. Du müsstest alt und grau sein, genau wie ich.“

„Doch, ich bin es, deine Schwester Susanne“, sagte ich mit ruhiger Stimme.

Ja, sie hatte recht. Ich konnte ihr nicht mit einem Satz erklären, warum ich so jung geblieben und sie um so viele Jahre gealtert war. Dazu bräuchte ich Stunden, und so viel Zeit hatte ich nicht.

Aber dennoch musste ich sie dazu bewegen, dass sie mir Glauben daran schenkte, dass ich ihre Schwester war.

„Hör mir bitte zu, Elena“, begann ich. „Ich weiß, dass es verrückt klingt, dass ich deine Schwester sein soll. Und ich würde dir auch liebend gern erklären, warum ich so jung geblieben bin, obwohl ich es selbst noch nicht ganz begreife.“

Da sie mich immer noch recht ungläubig ansah, wusste ich mir einfach keinen Rat mehr, als das, was ich plötzlich zu sagen wagte: „Elena, hör auf dein Gefühl. Was sagt es dir? Könnte es denn wirklich nicht möglich sein, dass ICH es bin? Wie viel Dinge auf dieser Welt, die bis heute immer noch als ungeklärte Ereignisse in Büchern wiederzufinden sind, sind doch wahr? Weißt du noch, als ich zu dir sagte, ich würde irgendwann hoch oben zwischen den Sternen reisen? Da hast du mich für verrückt erklärt, doch ich wusste, dass es wahr werden würde. Und es ist Wirklichkeit geworden.“

Noch immer war ich mir im Unklaren darüber, ob sie es mir wirklich glauben würde, was ich hier erzählte. Denn, klang es nicht in der Tat ein wenig paradox? Utopien nannte sie es früher, wenn ich ihr von meinen Wünschen und Tagträumen schilderte, die ich fast täglich hatte.

In der Nacht lag ich oft stundenlang wach und dachte darüber nach, ob es Leben irgendwo auf fernen Planeten jenseits unserer Milchstraße, gar jenseits unserer Vorstellungskraft gab.

Obwohl ich in geordneten Verhältnissen aufwuchs, mein Vater war im Öffentlichen Dienst tätig und meine Mutter ging den Tätigkeiten einer Hausfrau nach, konnte mich nie jemand von meinem Wunsch fortbewegen, einmal zu den Sternen reisen zu wollen.

Mein Vater teilte manchmal meine Ansichten, denn er wünschte sich auch, dass, wenn es wirklich Leben auf fremden Planeten geben würde, diese sich auch uns „Erdlingen“ zu erkennen geben könnten.

Warum sollten nicht auch Zukunftsromane Wirklichkeit werden? Meine Mutter hingegen hielt nicht so viel von unseren Träumereien. Es mochte auch möglich sein, dass es daran lag, dass sie an solche Dinge grundsätzlich nicht glaubte. Vielleicht wollte sie es auch nicht.

Was meine Schwester anging, war ich mir immer sicher, dass sie diese Fantasie für Idiotie hielt, auch wenn ich instinktiv wusste, dass ich ihr eines Tages das Gegenteil beweisen konnte.

Als ich dann Zweiundzwanzig wurde, begann ich das Studium zur Informatikerin. Doch auch hier gab ich meine Sehnsucht nach dem Griff zu den Sternen nicht auf.

Nein, ich verstärkte sie vielmehr. Denn tief im Innern wurde ich das Gefühl nicht los, dass es bald soweit sein müsste, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen würde. Auf welche Art und Weise jedoch, das blieb mir stets im Unterbewusstsein verborgen.

Eines Tages lernte ich dann Florian kennen.

Ich mochte ihn wirklich sehr, doch jedes Mal, wenn er mich drauf ansprach, wann ich ihn endlich heiraten würde, kam es zum Streit, und irgendwann waren wir uns sicher, dass wir nicht zueinander passten.

Am Ende trennten wir uns.

Und so gingen die Jahre ins Land, bis eines Tages Elena und ich eine grauenvolle Nachricht erhielten: Mutter und Vater waren bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen.

So waren wir fortan auf uns allein gestellt, hatten Haus und einige Anwesen geerbt.

Da Elena und ich nicht heiraten wollten, unterhielten wir das Elternhaus gemeinsam. Auch wenn sich einiges geändert hatte, ich verlor nie den Wunsch nach Abenteuern und dem Flug ins All.

Selbst einige Verbindungen, die ich nach Florian einging, gingen schon nach kürzester Zeit in die Brüche. Es mochte durchaus möglich sein, dass es vielleicht sogar an mir lag, aber eines war ich mir sicher: Die Sehnsucht nach Florian und all den anderen verblasste immer mehr, je mehr ich gedanklich nach den Sternen zu greifen versuchte.

Da stand sie nun meine Schwester Elena. Früher eine blühende Schönheit, der die Männer zu Füßen lagen und heute? Heute war sie alt und grau - und gebrechlich.

Wie musste sie gelitten haben, als auch ich nach dem Ableben unserer Eltern verschwand. Ich musste ihr sehr weh getan haben, als ich mich entschied, mit den Fremden, die heute meine besten Freunde sind, von hier fort zu gehen.

Nur recht zögernd griff sie nach meinem Taschentuch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

Waren es Freudentränen oder Tränen der Trauer, die aus ihren Augen rannen?

Ich wusste es nicht genau, aber mit einem Male füllten sich auch meine Augen mit Tränen, und ich spürte, wie sich eine dieser Tränen aus meinem rechten Auge löste und hinab auf meine Jacke fiel.

„Susanne“, sagte sie mit noch etwas zittriger Stimme und hielt mir die Hand entgegen. „Ja, ich weiß, dass du es bist, meine Schwester.“

Sie griff nach meiner Hand und nahm mich in ihre Arme.

Auch sie wusste, dass es nur ein sehr kurzes Wiedersehen werden würde.

Das Feuer im Kamin knisterte, aber es wärmte auch angenehm und gab genügend Licht in den Raum ab.

Ich saß ihr im Sessel gegenüber und nahm einen Schluck des heißen Zitronentees, den sie für uns zubereitet hatte. Er schmeckte wie früher, genauso erfrischend wie wohltuend.

Für einen Moment sahen wir einander nur schweigend an, und ich wünschte mir, dass es noch einmal genauso sein mochte wie früher, so, als seien die Jahre nicht vergangen, wäre es erst gestern gewesen.

Doch ich begriff sehr schnell, dass man Jahre nicht einfach so wegstreichen konnte, so wie ich es gerne getan hätte – jetzt.

Elena blinzelte durch ihre Augengläser zu mir hinüber und sagte fast tonlos: „So gute Augen wie du habe ich leider nicht mehr.“

Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Sag mir, dein Verlangen von damals, einmal ins Weltall zu fliegen, ist in Erfüllung gegangen, nicht wahr?“

Ich nickte. „Weißt du, wenn ich hier nun so vor dir sitze, kann ich nicht glauben, dass so viele Jahre vergangen sein sollen, Elena.“

„Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Aber mir scheint, dass es dir ganz gut bekommen ist dort oben. Du bist viel hübscher geworden. Wie alt bist du jetzt? Ende Zwanzig?“

„Neunundzwanzig“, gab ich zur Antwort.

Sie bemerkte meinen fragenden Blick und lächelte verlegen. „Leider habe ich mich nicht so gut gehalten wie du, Schwesterherz. Ich dagegen bin nun Sechsundsiebzig.“

So alt war sie also. Ich erschrak dabei und hoffte, dass sie meine Betroffenheit nicht bemerkte, die in mir aufkam. Dass es so heftig war, damit hätte ich nicht gerechnet.

„Ja, es ist eine sehr lange Zeit seither vergangen.“ Ihre Stimme klang verbittert. „Weißt du, die ersten Monate habe ich angenommen, dass dir irgend etwas zugestoßen sei. Niemals hätte ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass dein Traum Wirklichkeit geworden sein könnte. Aber als ich mich daran zurückerinnerte, was am darauffolgenden Tag deines Verschwindens noch in der Tagespresse stand, wusste ich, dass es wahr war.“

„Was stand dort?“, wollte ich wissen.

„Sie schrieben einst über ein unbekanntes Flugobjekt, das über der Stadt gesichtet worden war. Ein junger Mann hatte damals dieses UFO von der Innenstadt aus beobachtet und sofort die Polizei informiert. Aber es war sogleich wieder verschwunden, wie es aufgetaucht war. Es muss mit dem Zeitpunkt deines Verschwindens übereingestimmt haben. Die Stadt war in heller Aufregung deswegen. Das mit dir war hingegen nicht so spektakulär.“

„Und dann?“

„Ein paar Tage später ging es durch die Medien, dass sich das UFO als Flugzeug im Tiefflug herausgestellt hätte. Aber du kannst dich ja noch entsinnen, wie schnell so ein Thema beendet wurde, damit die Menschen keine weiteren Fragen stellen.“

Nun war mir einiges klar geworden. Man fand wie immer keine Erklärung für das Auftauchen eines Raumschiffs. Und so musste das Flugobjekt der logischen Erläuterung weichen, dass es sich um ein Flugzeug im Tiefflug gehandelt hatte.

Ein Lächeln huschte dabei über mein Gesicht.

Wie leichtgläubig die Menschheit auf diesem Planeten doch war. Es war immer alles bei uns in bester Ordnung, und zwar so lange, bis man eine logische Erklärung für etwas fand, das für viele unerklärlich erschien.

Plötzlich musste ich wieder an mein Auto denken. Es interessierte mich auch, was aus ihm damals geworden war, und so erkundigte ich mich danach.

„Dein Cabrio?“, ihre Augen verengten sich. „Ich habe es verkauft. Der Wagen erinnerte mich zu sehr an dich, und so habe ich ihn veräußert. Du weißt ja, ich hatte auch nie viel übrig für Sportcabriolets.“

Elena warf mir einen Blick zu, und nach einer kurzen Pause sagte sie: „Sag mal, interessiert es dich überhaupt nicht, was aus Florian geworden ist?“

Ich wusste, dass sie davon anfangen würde. Obwohl ich im Innern die Hoffnung hegte, dass sie diesen Namen nicht nennen, ihn vielleicht sogar ganz vergessen hatte, schien dieser Wunsch, diesen Teil der Erinnerung nicht mehr aufleben zu lassen, nicht in Erfüllung zu gehen.

Es fiel mir schwer, ein freundliches Gesicht zum machen, weil mich der Gedanke an Florian Petersen doch sehr betrübte.

Ich war aufgestanden und ans Fenster herangetreten. Meine Lippen unmerklich zusammengepresst, schaute ich nach draußen.

„Ich habe den Eindruck, dass es dich wirklich nicht interessiert, was aus ihm geworden ist. Hast du dir überhaupt damals die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, was du vielleicht den Menschen hier unten antust, wenn du sie verlässt?“

Elena war von hinten an mich herangetreten.

Sie ließ mich nicht zu Wort kommen, als ich versuchte mich zu verteidigen.

Vielmehr fuhr sie mit ihren Vorwürfen fort, als ich mich umgedreht hatte und ihr direkt ins Gesicht sah. „Zuerst war tiefe Trauer in mir, die nach Monaten sogar manchmal in Hass umschlug. Hass darauf, dass ich dich nicht verstehen konnte, wie du so egoistisch sein konntest, alle hier unten auf der Erde im Stich zu lassen. Denn schon lange war ich mir sicher, dass du irgendwo dort oben herumfliegen würdest, und es dich wahrscheinlich nicht im Geringsten berührte, was aus uns hier unten werden würde. Weißt du, was du damals Florian angetan hast? Er liebte dich immer noch wie zu Anfang, und vielleicht hat er auch daher die Hoffnung nie aufgegeben, dass du eines Tages wieder zu ihm zurückkehren würdest. Mit Dreißig war er dann ein gebrochener Mann.“

Es fiel mir schwer, ihr weiter zuzuhören. Vielleicht hatte sie gar recht, dass ich eine Versagerin, eine Egoistin war. Ich hatte alles hier unten zurückgelassen wie eine sogenannte Aussteigerin, möglicherweise sogar im Stich gelassen. Aber Elena würde auch jetzt nicht verstehen, warum ich dies tat. Ich wäre, wenn ich damals hier geblieben wäre, innerlich zerbrochen.

„Lebt Florian noch?“, fragte ich mit leiser Stimme.

Elena senkte den Blick. „Er ist nur Fünfundvierzig geworden, ehe er an einer tödlichen Infektionskrankheit starb. Ich hätte ihm damals so gerne geholfen, aber das, was ihm fehlte, konnte auch ich ihm nicht geben.“

Sie sah mich für einen Moment vorwurfsvoll an, dann lächelte sie und sagte: „He, ich finde es großartig, dass du zurück gekommen bist, liebe Schwester. Du bist allerdings ein paar Jahrzehnte zu spät aufgetaucht. Aber nun erzähl mal, wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?“

Und so begann ich zu erzählen…

Kapitel 1

Es begann an einem warmen Sommerabend im Juli des Jahres 1998, genauer gesagt am 21. des Monats. Ich hatte gerade einen anstrengenden Tag hinter mir und wollte früh zu Bett gehen, als ich noch einmal auf den Balkon hinaus getreten war, um dort den letzten Abschnitt des Abends zu genießen.

Ein leichter Nordwind blies über mein Gesicht, und für einen Augenblick fühlte ich mich aller Sorgen ledig.

Die Konturen zwischen den Bäumen am Horizont und den Sternen hoch oben am fast wolkenlosen Himmel verrieten ein harmonisches Zusammenspiel.

Ein Nachtvogel flog aus der Spitze einer Tanne, die unweit unseres Hauses stand, und verschwand in der Dunkelheit der bevorstehenden Nacht.

Aufs Neue überkam mich das Gefühl der Trauer. Wenn ich doch nur dort oben sein könnte, dachte ich und sah, wie über dem Wald, hinter den Einfamilienhäusern, eine Sternschnuppe auf die Erde niederging.

Ich schloss die Augen, und tief im Innern war da wieder jener Wunsch, dort oben zu sein, wo vielleicht auch andere Menschen lebten.

Aber warum gerade Menschen? Es war eigenartig, denn auf irgendeine Weise wurde ich das Gefühl nicht los, dass dort oben weitere Menschen sein mussten, obwohl es doch eher der Fall sein könnte, sofern dort noch andere existierten, dass eine andere, möglicherweise intelligentere Spezies, auf einem weit entfernten Planeten, in einem anderen, viel größeren Sonnensystem, leben müsste.

Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich, dass eine weitere Sternschnuppe auf die Erde, diesmal oberhalb des Mehrfamilienhauses, nicht weit von hier, niederging.

Ich machte mir keine weiteren Gedanken darum, dass diese gerade hier zu Boden gingen, und so drehte ich mich um und ging ins Haus zurück.

Aber ich lag noch lange wach, und so zerbrach ich mir den Kopf weiter darüber, warum gerade ich so ein eintöniges Leben führen musste. Mich überkam das Gefühl, dass ich für mehr bestimmt war. Nicht umsonst hatte ich die Hochschulausbildung zur Informatikerin angefangen, das Wissen über die Computerwelt mir zu Eigen gemacht. Da war auch der Drang nach mehr Wissen, nach neueren Technologien, die ich erlernen und kennenlernen wollte.