Hochbegabte Kinder - Edward R. Amend - E-Book

Hochbegabte Kinder E-Book

Edward R. Amend

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Beschreibung

Das Leben mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Freude, aber auch eine besondere Herausforderung. Als Eltern, Lehrkraft oder betreuende Person stehen Sie oft vor wichtigen Fragen und Entscheidungen, finden jedoch nur wenig verlässliche Informationen über die Erziehung von hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Die erste und zweite Auflage des vom renommierten Psychologen James T. Webb konzipierten Ratgebers wird in der vorliegenden dritten Auflage von Edward R. Amend, Emily Kircher-Morris und Janet L. Gore fortgeführt. Sie verfügen über viele Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Hochbegabung und bieten umfangreiche, professionelle Hilfestellungen für die unterschiedlichsten Herausforderungen: - Welche Eigenarten hat mein hochbegabtes Kind? - Wie kommuniziere ich mit hochbegabten Kindern richtig? - Welcher Kindergarten und welche Schule sind die richtigen für mein Kind? - Wie plane ich die Ausbildung oder das Studium? - Wie ist die Beziehung zu Freund*innen und Geschwistern? - Wie kann ich mein Kind motivieren und wie gehe ich mit Minderleistung um? - Wie und in welchem Maß setze ich Disziplin um?Die dritte, überarbeitete Auflage enthält die aktuellen Forschungsergebnisse aus Neurowissenschaft, Psychologie und Pädagogik sowie zahlreiche praktische Anregungen für den Alltag. Zudem werden wichtige Themen wie soziale Medien, kulturelle und sprachliche Diversität, Depression, Trauma, Mobbing, aber auch Neurodiversität und LGBTQ+ beleuchtet. Die deutschsprachige Ausgabe wurde ergänzt und herausgegeben von den Expertinnen für Hochbegabung Inga Liebert-Cop und Suzana Zirbes-Domke.

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Edward R. Amend

Emily Kircher-Morris

Janet L. Gore

Hochbegabte Kinder

Das große Handbuch für Eltern

Aus dem amerikanischen Englisch von Cathrine Hornung

Deutschsprachige Ausgabe herausgegeben von Inga Liebert-Cop und Suzana Zirbes-Domke

3., überarbeitete Auflage

Hochbegabte Kinder

Edward R. Amend, Emily Kircher-Morris, Janet L. Gore

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Psychologie:

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich; Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich; Prof. Dr. Björn Rasch, Freiburg i. Üe.; Prof. Dr. Astrid Schütz, Bamberg; Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.; Prof. Dr. Martina Zemp, Wien

Dieses Buch ist den vielen hochbegabten Kindern gewidmet, denen wir sowohl in unseren eigenen Familien als auch weltweit begegnet sind. Diese Kinder und Familien motivieren und inspirieren uns auch weiterhin.

Dipl. Psych., Dipl. Päd. Inga Liebert-Cop

Psychol. Psychotherapeutin

Internationales Centrum für Begabungsforschung (ICBF)

JuniorUni

Georgskommende 33

D-48143 Münster

[email protected]

Dipl.-Psych. Suzana Zirbes-Domke

Gartenholz 109

D-22926 Ahrensburg

www.zirbesdomke.de

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri, Wiebke Erchinger

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/RichVintage

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Das vorliegende Buch ist eine Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch. Der Originaltitel lautet A Parent’s Guide to Gifted Children: A Resource for Caregivers and Advocates, Second edition von Edward R. Amend, Emily Kircher Morris und Janet L. Gore, erschienen bei Great Potential Press/Gifted Unlimited.

Language Translation copyright © 2024 by HOGREFE AG. A PARENT’S GUIDE TO GIFTED CHILDREN © 2007 Great Potential Press/Gifted Unlimited. 2nd Edition © 2023 Edward R. Amend, Psy.D.; Emily Kircher-Morris, LPC; Janet L. Gore, M.Ed. All Rights Reserved.

3., überarbeitete Auflage 2024

© 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

© 2017/2024 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96339-6)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76339-2)

ISBN 978-3-456-86339-9

https://doi.org/10.1024/86339-000

Format: EPUB

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Ein Dank an die Wegbereiter

Anmerkungen

Geleitwort zu dieser Auflage

Vorwort

Einführung

Die Bedeutung der Elternrolle

Ein hochbegabtes Kind zu erziehen, ist eine einsame Erfahrung

Mythen über hochbegabte Kinder

Herausforderungen für hochbegabte Kinder

Praktische Anregungen

1 Hochbegabung definieren

1.1 Was genau ist Hochbegabung?

1.2 Ist Hochbegabung angeboren oder anerzogen?

1.3 Hochbegabung messen

1.4 Merkmale von hochbegabten Kindern

1.5 Persönlichkeitsmerkmale, erhöhte Sensitivität und Hochbegabung

1.5.1 Persönlichkeitsmerkmale: Die „Big Five“

1.5.2 Bereiche der erhöhten Sensitivität

1.6 Mögliche Probleme von hochbegabten Kindern

1.7 Wenn hochbegabte Kinder Traditionen hinterfragen

1.8 Ist mein Kind hochbegabt?

2 Besondere Gruppen von hochbegabten Kindern

2.1 Kulturelle und sprachliche Diversität

2.1.1 Tipps für Eltern von kulturell und sprachlich diversen Schulkindern

2.2 Hochbegabte LGTBQ+-Kinder

2.3 Zweifach außergewöhnliche Kinder

2.4 Neurodiversität und zweifach außergewöhnliche Individuen

2.5 Zweifach außergewöhnliche Kinder identifizieren

2.6 Bereiche, in denen Lernstörungen auftreten können

2.7 Verarbeitungsstörungen

2.8 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

2.9 Autismusspektrum

2.10 Praktische Anregungen

3 Die komplexe Aufgabe, ein hochbegabtes Kind erfolgreich zu erziehen

3.1 Einflüsse auf die moderne Erziehung

3.2 Das Gleichgewicht in der Familie

3.3 Patchworkfamilien und Stiefeltern

3.4 Eltern müssen auch auf sich selbst achtgeben

3.5 Hochbegabte Eltern

4 Kommunikation: Der Schlüssel zu Beziehungen

4.1 Welche Kommunikationsmuster leben Sie Ihrem Kind vor?

4.2 Kommunikation und Gefühle hängen miteinander zusammen

4.3 Gefühle benennen

4.4 Wenn Eltern ihre Kinder für ihre Begabung bestrafen

4.5 Die Medien und andere Technologien, die Kommunikation und Beziehungen behindern

4.6 Weitere Kommunikationshindernisse

4.7 Praktische Anregungen

5 Motivation und Underachievement

5.1 Wie kann Motivation zu einem Problem werden?

5.2 Woran kann es liegen, dass ein hochbegabtes Kind nicht motiviert ist?

5.3 Gemeinsam Motivation aufbauen

5.4 Praktische Anregungen

6 Disziplin und Selbstregulation

6.1 Disziplin und Bestrafung sind nicht dasselbe

6.2 Selbstbestimmung fördern

6.3 Grenzen konsequent durchsetzen

6.4 Gemeinsam Familienregeln aufstellen

6.5 Konsequenzen festlegen

6.6 Machtkämpfe um Disziplin

6.7 Richtig loben und ermutigen

6.8 Bildschirmzeit, Social Media und Disziplin

6.9 Praktische Anregungen

7 Perfektionismus, Stress und Trauma

7.1 Asynchrone Entwicklung

7.2 Perfektionismus

7.3 Arten von Perfektionismus

7.4 Mit Perfektionismus umgehen

7.5 Trauma und Hochbegabung

7.6 Stress und Selbstgespräche

7.7 Gesunde Selbstgespräche fördern

7.8 Stress entsteht im Kopf, wirkt sich aber auf den Körper aus

7.9 Mit Achtsamkeit gegen Stress vorgehen

7.10 Bibliotherapie und Cinematherapie

7.11 Praktische Anregungen

8 Idealismus, Unglücklichsein und Depression

8.1 Wie verbreitet sind Depressionen bei Kindern und Jugendlichen in der Allgemeinbevölkerung?

8.2 Risikofaktoren für Depression bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen

8.2.1 Schlechte Umwelt-Passung

8.2.2 Sozial vorgegebener Perfektionismus

8.2.3 Soziale Isolation

8.2.4 Überengagement und Burnout

8.2.5 Idealismus und Enttäuschung

8.2.6 Existenzielle Betroffenheit

8.2.7 Wenn idealistische hochbegabte Kinder und Jugendliche Traditionen in Frage stellen

8.3 Symptome von Depression

8.4 Selbstverletzung und Suizid

8.5 Praktische Anregungen

9 Freundschaften und Peerbeziehungen

9.1 Wer ist für ein hochbegabtes Kind ein echter Peer?

9.2 Wann fangen die Probleme mit Peers an?

9.3 Wie wichtig ist soziale Kompetenz?

9.4 Freundschaften aufbauen

9.5 Introversion und Alleinzeit

9.6 Peervergleiche und das Hochbegabten-Etikett

9.7 Peerdruck

9.8 Mobbing

9.8.1 Werden hochbegabte Kinder und Jugendliche häufiger gemobbt als andere?

9.8.2 Cybermobbing

9.9 Auch Eltern sind Peerdruck ausgesetzt

9.10 Praktische Anregungen

10 Familienbeziehungen, Geschwister und Einzelkinder

10.1 Einzelkinder

10.2 Rivalität und Kooperation unter Geschwistern

10.3 Geburtsreihenfolge und Rollen in der Familie

10.4 Geschwisterrivalität verstehen

10.5 Ungleiche Fähigkeiten unter Geschwistern

10.6 Rollenvorbilder

10.7 Praktische Anregungen

11 Hochbegabte Kinder in der Schule

11.1 Wie Schulen hochbegabte Kinder identifizieren

11.1.1  Gruppen-Fähigkeitstests

11.1.2 Schulische Leistungstests

11.1.3 Kreativitätstests

11.1.4 Inventare zur Erfassung von Hochbegabungsmerkmalen

11.1.5 Individuelle Tests

11.1.6 Die Verwendung verschiedener Kriterien

11.2 Ist es sinnvoll, das Kind außerhalb der Schule testen zu lassen?

11.3 Ab welchem Alter kann ein Intelligenztest durchgeführt werden?

11.4 Vertrauen Sie Ihren eigenen Beobachtungen

11.5 Unterstützung in der Schule

11.6 Schulische Fördermaßnahmen

11.7 Spezielle Schulen

11.8 Treten Sie für die Rechte Ihres Kindes ein

12 Hilfe und Unterstützung finden

12.1 Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus

12.2 Professionelle Hilfe

12.3 Eine psychologische Beurteilung einholen

12.4 Die richtige Fachperson finden

12.5 Den Samen säen – Wachstum erwarten

Über die Autor*innen und weitere Mitwirkende

Die Autor*innen

Die Herausgeberinnen der deutschen Ausgabe

Die Übersetzerin

Anhang

Liste der Tabellen

Anlaufstellen für Informationen, Beratung und Hilfe rund um das Thema Hochbegabung

Kostenlose Broschüren zum Download

Weiterführende deutschsprachige Literatur

Sachwortverzeichnis

|11|Ein Dank an die Wegbereiter

Jahr für Jahr werden unzählige Bücher veröffentlicht. Manche davon sind bedeutsam, andere nicht. Anfang der 1980er Jahre veränderte ein Buch die Diskussion über hochbegabte Kinder: Guiding the Gifted Child1 von Elizabeth (Betty) Meckstroth, Stephanie Tolan und Dr. James (Jim) Webb. Dieser Ratgeber griff erstmals die Anliegen von Eltern hochbegabter Kinder auf und gab ihnen das Wissen und die Strategien an die Hand, um diese Kinder dabei zu unterstützen, sich voll und ganz zu entfalten.

Ich begegnete Jim Webb zum ersten Mal im Herbst 1990 an der School of Professional Psychology der Wright State University. Jim wurde mein Mentor und Freund, worüber ich an vielen Stellen geschrieben habe. Betty und Stephanie lernte ich einige Jahre später bei verschiedenen Veranstaltungen zum Thema Hochbegabung – den SENG-Tagungen und den NAGC-Kongressen – kennen, und ich habe ihre Arbeit immer bewundert und ihr Engagement für hochbegabte Kinder sehr geschätzt. Sie alle schlugen unterschiedliche Wege ein, um hochbegabten jungen Menschen zu helfen, und jede(r) von ihnen tat das mit Bravour. Sie haben mein Leben und meine Karriere unmittelbar beeinflusst.

Guiding the Gifted Child schuf ein Bewusstsein für die sozialen und emotionalen Bedürfnisse von hochbegabten Kindern, und seit der Veröffentlichung dieses wegweisenden Buches hat sich viel getan. Durch die Arbeit vieler weiterer Forscher wuchs die Wissensbasis über Hochbegabung, das Bewusstsein wurde erweitert und es wurden bessere Umgebungen für hochbegabte Kinder geschaffen. Die Liste all derer, die dazu beigetragen haben, den Bereich der Hochbegabtenpädagogik und -psychologie weiterzuentwickeln, ist viel zu lang, um sie alle zu erwähnen; daher nenne ich hier nur einige wenige, die mich, mein Denken und meine Arbeit in besonderer Weise beeinflusst haben. Dazu gehören Jim Delisle, Sylvia Rimm, George Betts, Julia Roberts, Joy Lawson Davis, Thomas Hebert, Tracy Cross, Maureen Neihart und Sharon Lind. Sie alle haben der Welt der Hochbegabten und mir ihren Stempel aufgedrückt, und dafür danke ich ihnen.

Als Jim Webb mich vor 20 Jahren bat, an einem Buch über Fehldiagnosen bei Hochbegabung mitzuarbeiten, sagte ich gerne zu. Zusammen mit vier anderen Wissenschaftlern haben wir 2004 das Buch Misdiagnosis and Dual Diagnoses of Gifted Children and Adults veröffentlicht (die zweite, überarbeitete deutschsprachige Ausgabe ist 2020 unter dem Titel Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung2 erschienen). Später machten Jim, seine Frau Janet Gore, Arlene DeVries und ich uns daran, einen umfassenden Ratgeber für Eltern, Betreuer und andere Fachpersonen zu schreiben. Im Jahr 2007 veröffentlichten wir A Parent's Guide to Gifted Children|12|(die erste deutschsprachige Ausgabe ist 2012 unter dem Titel Hochbegabte Kinder: Das große Handbuch für Eltern3 erschienen). Jetzt, mehr als 15 Jahre später, ist es Zeit für eine Überarbeitung. Traurigerweise ist Jim 2018 verstorben und konnte nicht mehr an dieser zweiten Auflage mitarbeiten, aber ich weiß, dass er im Geiste bei uns war. Ich kann ihn hören, wie er sagt: „Was ist damit? Vergesst das nicht! Das können wir unmöglich streichen!“ Das bringt mich immer zum Lächeln.

Nachdem sie einen Großteil ihres Lebens der Arbeit mit hochbegabten Kindern gewidmet hat, genießt meine Freundin Arlene DeVries ihren Ruhestand und hat beschlossen, bei dieser Überarbeitung nicht mehr mitzuwirken. Arlene hat sehr viel Wissen in die erste Ausgabe dieses Buches und in das Handbuch Gifted Parent Groups: The SENG Model4 eingebracht. In den vielen Jahren, in denen sie weltweit Vorträge hielt und in Schulen aktiv war, hat sie enorm viel für hochbegabte Kinder und ihre Familien bewirkt.

Für diese neue, überarbeitete Auflage von 2023 habe ich Emily Kircher-Morris – eine angesehene Klinikerin, Referentin und Autorin – ins Boot geholt; außerdem Janet Gore, die schon an der ersten Ausgabe beteiligt war. Zusammen mit Jim hat Janet die ursprüngliche Version dieses Buches zu großen Teilen konzipiert. Gemeinsam haben wir versucht, in die Fußstapfen der vielen Wegbereiter zu treten, um eine aktualisierte Ressource für all jene bereitzustellen, die sich um hochbegabte Kinder kümmern und sie auf ihrem Weg begleiten.

-- Edward R. Amend

Anmerkungen

1

Webb, J. T, Meckstroth, E. A. & Tolan, S. S. (1989) [1982]. Guiding the Gifted Child: A Practical Source for Parents and Teachers. Scottsdale: Great Potential Press.

2

Webb, J. T., Amend, E. R., Beljan, P., Webb, N. E., Kuzujanakis, M., Olenchak, F. R. & Goerss, J. (2020) [2015]. Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung: Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene (2., überarb. Aufl.). Ü: C. Hornung und A. Pfaller. Bern: Hogrefe.

3

Webb, J. T., Gore, J. L., Amend, E. R. & DeVries, A. (2012). Hochbegabte Kinder: Das große Handbuch für Eltern, hrsg. v. I. Liebert-Cop und S. Zirbes-Domke. Ü: C. Hornung. Bern: Hans Huber.

4

DeVries, A. & Webb, J. T. (2007). Gifted Parent Groups: The SENG Model (2. Aufl.). Scottsdale: Great Potential Press.

|13|Geleitwort zu dieser Auflage

Bei der Moderation unzähliger Elterngesprächsgruppen nach dem SENG-Modell (Supporting Emotional Needs of the Gifted) über mehrere Jahrzehnte hinweg habe ich festgestellt, dass Eltern hochbegabter Kinder das Bedürfnis haben, sich mit anderen Betroffenen und Fachpersonen auszutauschen und von ihnen zu lernen. Natürlich wollen alle Eltern das Beste für ihre Kinder, aber Eltern von hochbegabten Kindern sind oft unsicher, ob die üblichen Erziehungsstrategien auch bei ihnen funktionieren. Da hochbegabte Kinder Informationen anders verarbeiten, sind die gängigen Erziehungsratschläge für sie oft unwirksam. Hinzu kommt, dass die Schnelllebigkeit und Komplexität der modernen Gesellschaft neue Ansätze für die Erziehung dieser Kinder erfordert. Anstelle der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie wachsen Kinder heute oft mit einem alleinerziehenden Elternteil, mit Stiefeltern, gleichgeschlechtlichen Eltern oder in Patchworkfamilien auf. Die Rivalität zwischen Geschwistern ist vor allem in Familien mit hochbegabten Kindern ein Problem. Die Schülerschaft ist vielfältiger geworden und die Lehrmethoden ändern sich ständig. Es kann schwierig sein, den Überblick zu behalten und auf dem Laufenden zu bleiben, und eine effektive Kommunikation ist in unserer technologiegesättigten Zeit eine echte Herausforderung.

Die Autor*innen dieser neuen, überarbeiteten Auflage verfügen über jahrzehntelange Erfahrung mit hochbegabten und zweifach außergewöhnlichen Kindern (Kinder mit hoher Intelligenz und einer körperlichen, geistigen oder emotionalen Beeinträchtigung). Sie geben Hilfestellung bei der Bewältigung von Herausforderungen, die mit der Förderung hochbegabter Kinder in der komplexen Welt von heute einhergehen. Sie stellen sicher, dass Hochbegabung bei der Erziehung nicht übersehen wird und konzentrieren sich ganz auf die Bedürfnisse dieser einzigartigen Individuen.

Sie kennen die Probleme, die ich selbst unzählige Male in meinen Gruppen erlebt habe: Schnelle Lerner können, wenn sie nicht gefördert werden, desillusioniert oder deprimiert werden. Ihre ungleichmäßige oder asynchrone Entwicklung kann ihre Selbstwahrnehmung beeinträchtigen. Ihr Idealismus kann zu Perfektionismus und einem Gefühl des Versagens führen, wenn die Ziele, die sie sich selbst, anderen Menschen oder der Gesellschaft setzen, unerreichbar sind. Auf der sozialen Ebene fällt es ihnen oft schwer, sich anzupassen, zugehörig zu fühlen oder geeignete Peers zu finden.

Angesichts der unzähligen Herausforderungen, die hochbegabte Schüler für Eltern und Lehrer darstellen, ist dieses Buch ein „Muss“ für alle Erwachsenen, die |14|mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen umgehen. Die Leser*innen finden hier wertvolle Strategien, um mit hochbegabten Individuen zu kommunizieren, sie zu motivieren und zu disziplinieren. Sie lernen, wie sie bei diesen Kindern einen gesunden Perfektionismus fördern können und wie sie ihnen dabei helfen, ihre Ideale zu verfolgen, ohne ihre wahre Identität aufzugeben, um von anderen akzeptiert zu werden.

Die Schule ist nur ein Aspekt bei der Erziehung Ihres Kindes. Es braucht „ein ganzes Dorf“ von Eltern, Verwandten, Lehrer*innen, Nachbar*innen, Gemeindeorganisationen, Fachleuten und anderen Menschen, die ihr Kind auf seinem Weg begleiten. Dieses Buch wird Sie durch das Labyrinth der Herausforderungen führen.

--Arlene R. DeVries

Mutter

Co-Autorin der ersten Auflage

Hochbegabungsexpertin im Ruhestand

|15|Vorwort

Ein hochbegabtes Kind zu erziehen, ist, als lebe man in einem Themenpark voller Abenteuer und Nervenkitzel. Manchmal lächelt man. Manchmal ringt man nach Luft. Manchmal möchte man schreien. Dann ist einem wieder zum Lachen zumute. Manchmal ist man sprachlos vor Staunen, dann wieder starr vor Schreck. Manchmal ist man stolz. Und manchmal ist die Achterbahnfahrt so nervenaufreibend, dass man nur noch weinen kann.1

-- Carol Strip und Gretchen Hirsch

Eltern eines hochbegabten Kindes zu sein, ist eine Erfahrung, die viel Freude und Lachen mit sich bringt. Diese Kinder sind aufregend und beglückend, und es ist eine wahre Wonne, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie Dinge tun, die einem regelrecht den Atem verschlagen können. Vielen Eltern in unserer Gesellschaft bereitet der Gedanke, dass ihr Kind außergewöhnlich klug, schnell im Lernen oder begabt ist, jedoch Unbehagen oder sogar Angst. Oft haben sie widersprüchliche Gefühle: Einerseits sind sie stolz darauf, dass ihr Kind mit einer raschen Auffassungsgabe gesegnet ist; andererseits macht es ihnen aber auch Sorgen, dass sie nun eine neue, eine andere Verantwortung tragen, denn schließlich wollen sie das Kind so erziehen, dass es seine Fähigkeiten voll entfalten kann. Eltern fühlen sich oft unter Druck gesetzt und befürchten, dass sie es irgendwie vermasseln, denn ein hochbegabtes Kind zu haben, ist komplizierter als man denkt. Hochbegabung kann Kinder und ihre Eltern vor Herausforderungen stellen, die das tägliche Leben erschweren.

Dass viele Eltern verunsichert sind und zwiespältige Gefühle haben, liegt häufig daran, dass sie nicht genau wissen, was „hochbegabt“ eigentlich bedeutet. Möglicherweise haben sie noch nie etwas über Hochbegabung gehört, oder sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass ein hochbegabtes Kind grundsätzlich ein Genie oder ein Wunderkind ist, oder dass es anderen in allen Bereichen haushoch überlegen ist. Viele Eltern wissen nicht, dass ein Kind auch dann hochbegabt sein kann, wenn es „nur“ in einem oder zwei Bereichen weit überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzt. Hochbegabung äußert sich nicht nur in den allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten, sondern auch durch eine besondere akademische Begabung, besondere Fähigkeiten in den bildenden oder darstellerischen Künsten, durch Führungsqualitäten, Kreativität oder besondere berufliche oder technische Fähigkeiten. Ein Talentbereich muss eine Person jedoch nicht definieren, und hochbegabte Kinder haben das Recht auf eine Identität, die über ihr einzigartiges Talent hinausgeht.2

|16|Sind hochbegabte Kinder wie alle anderen Kinder? In mancher Hinsicht schon. Wie alle Kinder wollen sie Freundschaften schließen, Spaß beim Spielen haben, Liebe und Geborgenheit in ihrer Familie finden und neue Fertigkeiten lernen. Aber manche Kinder lernen eindeutig schneller und leichter als andere. Die meisten Kinder brauchen viel Übung und Wiederholungen, um in der Schule eine neue Fertigkeit zu erlernen. Ein hochbegabtes Kind, das rasch lernt und bereits eine Fertigkeit erworben hat oder keine Wiederholungen braucht, um sie zu beherrschen, kann dadurch sehr entmutigt werden; das kann so weit gehen, dass es die Schule nicht mehr mag oder sogar hasst, weil es dort nichts Neues oder Interessantes lernt.

Alle Kinder müssen von Erwachsenen angeleitet und ermutigt werden, um ihr Potenzial auszuschöpfen. Kinder mit großen sportlichen Fähigkeiten werden dazu ermutigt, diese Fähigkeiten durch gezieltes Training und die Mitgliedschaft in Vereinen oder Mannschaften zu entwickeln. Ebenso werden Kinder mit einer musikalischen Begabung dazu ermutigt, Musikstunden zu nehmen und in einer Band oder in einem Orchester zu spielen. Dasselbe gilt für Kinder, die ein hohes akademisches Potenzial haben. Kinder mit besonderen intellektuellen, kreativen, künstlerischen oder anderen Fähigkeiten brauchen ebenfalls Gelegenheiten, um ihre Talente zu entwickeln.

Tatsächlich gehen die Lernbedürfnisse hochbegabter Kinder unmittelbar aus ihren Stärken hervor; gerade weil diese Kinder schnelle und fortgeschrittene Lerner sind, brauchen sie spezielle Lerngelegenheiten. Es sind außergewöhnliche Kinder, und entsprechend brauchen sie außergewöhnliche Maßnahmen, genau wie Kinder mit Lernschwierigkeiten außergewöhnlich sind und besondere Maßnahmen und Aufmerksamkeit benötigen. Und natürlich haben manche hochbegabte Kinder, die wir als zweifach außergewöhnlich bezeichnen, auch Lernschwierigkeiten und benötigen spezielle Fördermaßnahmen, die sowohl auf ihre Stärken als auch auf ihre Schwächen zugeschnitten sind.

Wir glauben, dass es für Eltern und Erzieher wichtig ist, den Lehrplan auf die Fähigkeiten eines Kindes abzustimmen und dafür zu sorgen, dass das Kind Fortschritte macht, anstatt „auf der Stelle zu treten“. Um kontinuierliche Bildungsfortschritte zu gewährleisten, brauchen hochbegabte Kinder eine entsprechende akademische Anleitung und Unterstützung für ihre Begabungen. Leider herrscht eine zunehmende Voreingenommenheit und in manchen Fällen sogar Feindseligkeit gegenüber hochbegabten Kindern und der Begabtenförderung, was dazu führt, dass den Bildungsbedürfnissen nicht entsprochen wird.

Hochbegabte Kinder müssen aber nicht nur in ihren Talentbereichen angeleitet und unterstützt werden, sondern auch im sozialen und emotionalen Bereich. Wie alle Kinder wollen sie Freunde haben und von anderen akzeptiert werden. Dabei |17|kann es zu zwischenmenschlichen Schwierigkeiten kommen; weil sie anders sind, fällt es hochbegabten Kindern möglicherweise schwerer, Freunde zu finden. Manchmal werden sie ungeduldig, wenn andere Kinder nicht so schnell mitkommen. Es kann sein, dass sie von anderen Kindern ausgeschlossen werden, weil sie anspruchsvollere Aktivitäten bevorzugen, die ihre Altersgenossen einfach nicht interessieren. Viele Hochbegabte sind eher introvertiert, was soziale Kontakte erschwert und dazu führt, dass sie sich allein und isoliert fühlen.3

Eltern und Lehrer können hochbegabten Kindern helfen, mit den alltäglichen Hochs und Tiefs umzugehen. Sie können ihnen helfen, zu verstehen, dass Menschen nun mal unterschiedlich sind, und dass diese Vielfalt eine Bereicherung für die Welt ist. Doch einzigartig und anders zu sein und gleichzeitig zu einer Peergruppe und zur Gesellschaft dazugehören zu wollen, kann eine schwierige Aufgabe sein.

Die Linse, durch die hochbegabte Kinder die Welt wahrnehmen, unterscheidet sich grundlegend von der ihrer Peers. Die Hochbegabung ist wesentlich für das Kind. Sie wirkt sich auf alles aus, was es denkt, empfindet, sagt und tut. Sie ist der Schlüssel zu seiner Persönlichkeit. Man kann sie nicht einfach vom Kind trennen und sich nur damit auseinandersetzen, wenn es anderen gerade passt. Hochbegabung lässt sich nicht ignorieren oder herunterspielen, denn hochbegabte Kinder sind grundsätzlich anders. Insgesamt erreichen sie die Meilensteine der Entwicklung früher – manchmal sogar viel früher – und erleben sie intensiver als andere Kinder; sie verarbeiten abstrakte Vorstellungen in einem früheren Alter als andere Kinder;4 und sie reagieren sensibler auf Reize.5

Um hochbegabte Kinder zu unterstützen und ihnen zu helfen, müssen wir zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, dass sie tatsächlich anders sind. Als nächstes müssen wir verstehen, inwiefern sie anders sind; nicht alle hochbegabten Kinder sind gleich. In unserer Eigenschaft als wichtige und einflussreiche Erwachsene in ihrem Leben müssen wir sie anleiten, und zwar nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch im Hinblick auf ihre sozialen, zwischenmenschlichen und Selbstentwicklungsfertigkeiten. Und schließlich müssen wir hochbegabten Menschen helfen, ihre Neurodivergenz und die Auswirkungen dieser Unterschiede zu verstehen, wenn sie sich in der Welt bewegen. Wir müssen hochbegabten Individuen helfen, ihren Platz in einer Welt zu finden, die ihre Talente nicht immer anerkennt oder zu schätzen weiß.

Für hochbegabte Kinder ist es eine wichtige Aufgabe, die richtige Balance zwischen dem Sichanpassen und dem eigenen Weg zu finden. Dieser Balanceakt ist von Person zu Person verschieden. Den eigenen Weg zu gehen, ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden und hat seinen Preis; das zu verstehen, ist wichtig für das Selbstverständnis und letztlich auch für die Selbstverwirklichung.

|18|Wir hoffen, dass dieses Buch Ihnen helfen wird, Ihr hochbegabtes Kind zu verstehen und in jeder Hinsicht zu unterstützen – schulisch, sozial und emotional.

Kein Job ist schwieriger als Eltern zu sein. Und keiner ist so wichtig!6

Anmerkungen

1

Strip, C. A. & Hirsch, G. (2000). Helping Gifted Children Soar: A Practical Resource for Parents and Teachers. Scottsdale: Great Potential Press.

2

Betts, G. (2018). Whole Gifted Child Task Force: National Association for Gifted Children Blog.

3

George, C. (2019). 10 Challenges You May Not Know Your Gifted Child is Facing: National Association for Gifted Children Blog.

4

Stanley, T. (2018). 10 Myths of Gifted Children. GED Circuit.

5

Gottfried, A. W., Gottfried, A. E., Bathurst, K. & Guerin, D. W. (1994). Gifted IQ: Early Developmental Aspects (The Fullerton Longitudinal Study). New York: Plenum Press.

Rinn, A. N. (2020). The Social, Emotional, and Psychosocial Development of Gifted and Talented Individuals. London/New York: Routledge.

Ruf, D. A. (2005). Losing Our Minds: Gifted Children Left Behind. Scottsdale: Great Potential Press.

Silverman, L. K. (1993). Counseling the Gifted and Talented. Denver: Love.

Webb, J. T. & Kleine, P. A. (1993). Assessing gifted and talented children. In J. L. Culbertson & D. J. Willis (Hrsg.), Testing Young Children: A Reference Guide for Developmental, Psychoeducational and Psychosocial Assessments (S. 383–407). Austin: Pro-Ed.

Webb, J. T., Meckstroth, E. A. & Tolan, S. S. (1989) [1982]. Guiding the Gifted Child: A Practical Source for Parents and Teachers. Scottsdale: Great Potential Press.

6

Peters, D. (2016). The Art of Parenting. Dr. Dan’s Blog.

|19|Einführung

Hochbegabte Kinder sind in den meisten Belangen wie andere Kinder auch. Sie brauchen Akzeptanz, Führung, Unterstützung, Respekt, Liebe, Schutz und die Gelegenheit, ihre natürlichen Bedürfnisse zu entwickeln, ohne sie künstlich zu verzerren. […] Sie müssen in einer Erziehungsumgebung aufwachsen, die sie darauf vorbereitet, die Welt zu verstehen, und die ihnen die entsprechenden Mittel an die Hand gibt, um sie zu verändern.1

-- Annemarie Roeper

Die Bedeutung der Elternrolle

Bei ihrer Arbeit mit Hunderten von Familien hat Kathryn Haydon eine grundlegende Erkenntnis gewonnen: „Eltern sind die Experten für ihre eigenen Kinder.“2 Die Eltern spielen eine entscheidende Rolle, vor allem in den frühen Erziehungsjahren eines hochbegabten Kindes. Sie können Kindern klar machen, dass sie mit ihren Fähigkeiten, ihren Sorgen und mit ihrer Art und Weise, die Welt zu sehen, nicht allein sind. Sie können hochbegabten Kindern außerdem helfen, gewöhnliche Dinge und die Menschen, denen sie im Alltag begegnen, schätzen zu lernen und ihnen ein Gefühl des Aufgehobenseins vermitteln. Und was vielleicht am wichtigsten ist: Eltern können aus ihrem Zuhause einen anregenden und sicheren Hafen machen, wo das hochbegabte Kind immer auf Menschen zählen kann, die es lieben, die seine Probleme verstehen und ihm beistehen.

Es ist nie zu früh, die Leidenschaft für das Lernen durch Erkundung, Kreativität und Zusammenarbeit zu wecken.3 Eine stabile Basis zu Hause ist besonders wichtig, wenn hochbegabte Kinder das Gefühl haben, in ihrem Umfeld fehl am Platz zu sein. Das Zuhause kann ein Rückzugsort sein, wo das Kind seine Batterien aufladen kann und wo ihm die Erwachsenen helfen, die vielen verblüffenden Verhaltensweisen in der Welt da draußen zu entwirren und zu begreifen. Wenn das Zuhause solch eine Zufluchtsstätte ist, und wenn ein oder zwei weitere Erwachsene, wie zum Beispiel Lehrer1, Nachbarn oder andere, das Selbstkonzept eines hochbegabten Kindes emo|20|tional unterstützen, überleben diese Kinder in der Regel und blühen sogar auf, trotz mitunter schwieriger oder gar traumatischer Ereignisse. Unterstützung und Ermutigung zu Hause geben dem hochbegabten Kind nicht nur Orientierung, sondern verhelfen ihm auch zu Vorbildern innerer Stärke, auf die es später zurückgreifen kann.

Wir sind davon überzeugt, dass Eltern besonders wichtig sind, was die langfristige Entwicklung des hochbegabten Kindes betrifft. Wenn es an Bildungsgelegenheiten mangelt, können Eltern für eine Bereicherung sorgen und mit der Schule verhandeln, um sicherzustellen, dass das Bildungsprogramm mit den Interessen, Fähigkeiten und der Lernmotivation des Kindes übereinstimmt. Eine gute Erziehungsarbeit, bei der Eltern ihr hochbegabtes Kind verstehen, es fördern und anleiten und sich für seine Belange einsetzen, kann ein oder mehrere Jahre mittelmäßiger oder sogar negativer Schulerfahrungen kompensieren.

Ein hochbegabtes Kind zu erziehen, ist eine einsame Erfahrung

Eltern hochbegabter Kinder stellen häufig ungewöhnliche Verhaltensweisen und Fähigkeiten bei ihren Kindern fest, lange bevor diese in die Schule kommen. Vielleicht fragen sie sich, ob Eigenschaften wie Intensität, Sensibilität oder Perfektionismus für hochbegabte Kinder typisch sind. Diese Eltern wissen, dass ihr Kind anders ist als andere Kinder, aber sie wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen, um gute Informationen und Beratung zu bekommen.

Die Eltern anderer Kinder sind selten unterstützend und zeigen oft kein Verständnis, weil sie denken, dass diese Eltern zu viel Aufhebens um die Leistungen ihres Kindes machen oder es unter Druck setzen, damit es so gute Leistungen erbringt. Möglicherweise sind sie auch neidisch oder verärgert, wenn sie hören, was ein hochbegabtes Kind alles kann. Eltern von hochbegabten Kindern sind meist sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, mit anderen Eltern über Erziehungsprobleme zu sprechen – es sei denn, es sind ebenfalls Eltern hochbegabter Kinder.

Kinderärzte und Fachpersonen anderer Heilberufe sind in der Regel auch keine große Hilfe, weil sie nur selten speziell in diesem Bereich ausgebildet wurden und daher über die Bedürfnisse hochbegabter und talentierter Kinder nicht gut Bescheid wissen. Und obwohl Eltern im Internet zahlreiche Informationen finden, sind diese oft widersprüchlich oder sogar schädlich.

Und schließlich reagieren Eltern selbst oft sehr ambivalent auf die Eigenschaften ihrer hochbegabten Kinder. Einerseits schätzen oder genießen sie sogar die guten Schulnoten und die öffentliche Anerkennung, die mit Hochbegabung einhergehen kann; andererseits beunruhigt es sie, dass ihr Kind möglicherweise stärker im Ram|21|penlicht steht, und sie befürchten, dass es sich wegen seiner Fähigkeiten „anders“ oder „nicht im Gleichklang“ fühlen könnte. Die extreme Sensibilität und Intensität, der Idealismus und der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn des Kindes bereiten ihnen ebenfalls Sorgen, weil sie wissen, dass diese Eigenschaften später zu Schwierigkeiten führen können.

Mythen über hochbegabte Kinder

Warum wird hochbegabten Kindern so wenig Verständnis entgegengebracht? Der Mangel an Informationen und Unterstützung scheint in erster Linie auf die vielen Mythen zurückzugehen, die über hochbegabte Kinder kursieren. Eine Klischeevorstellung, die vor allem unter Lehrern sehr verbreitet ist, kolportiert, dass hochbegabte Kinder keine besondere Unterstützung brauchen: Wenn sie so intelligent sind, können sie ihre Fähigkeiten auch allein entwickeln. Falsch ist auch die Annahme, dass hochbegabte Kinder grundsätzlich gute Schüler sind oder einen bestimmten Talentbereich haben, in dem sie besonders herausragen; damit werden all jene ausgeklammert, die potenziell hochbegabt sind, jedoch nicht die schulischen Leistungen erbringen, die man aufgrund ihrer Fähigkeiten erwarten würde.

Es gibt viele verschiedene Typen hochbegabter Kinder und unterschiedliche Ausprägungen von Hochbegabung. Manche Kinder mit Hochbegabung sind in vielen Bereichen gut, andere wiederum nur in einem oder zwei Bereichen. Es gibt auch hochbegabte Kinder mit einer weiteren Neurodivergenz, zum Beispiel ADHS, Autismus oder Legasthenie (diese Kinder werden als „twice-exceptional“, also in zweifacher Hinsicht außergewöhnlich bezeichnet). Andere wiederum sind zwar erfolgreich, haben aber ihr ganzes Leben lang das Gefühl, irgendwie „anders“ zu sein und nicht dazuzugehören. Manche werden ernsthaft depressiv.

Hier ist eine Liste mit gängigen Mythen über hochbegabte Kinder:

Hochbegabte Kinder sind im Leben grundsätzlich erfolgreich.

Hochbegabte Kinder lieben die Schule und bekommen immer gute Noten.

Hochbegabte Kinder sind in allen Bereichen herausragend.

Hochbegabte Kinder können sich in der Schule nur schwer anpassen; mit ihren Klassenkameraden kommen sie nicht gut zurecht.

Hochbegabte Kinder sind reifer als Gleichaltrige.

Hochbegabte Kinder benehmen sich immer gut und tun das, was man ihnen sagt.

Hochbegabte Kinder sind von Natur aus neugierig und können selbstständig lernen.

Hochbegabte Kinder haben keine Lernstörungen.

|22|Diese und viele weitere Mythen müssen widerlegt werden, da sie das Leben von hochbegabten Kindern und ihren Familien erschweren. Die Verbreitung dieser Mythen und der Mangel an korrekten Informationen über Hochbegabung ist ein Hauptgrund dafür, dass die Bedürfnisse hochbegabter Kinder in unseren Schulen und in unserer Gesellschaft nicht angemessen berücksichtigt oder rundweg ignoriert werden. Diese negativen Botschaften können die Selbstakzeptanz beeinträchtigen. Daher ist es so wichtig, Eltern dabei zu helfen, diese Mythen zu widerlegen. Nur so können wir verhindern, dass hochbegabte Kinder glauben, ihre Andersartigkeit bedeute, dass etwas mit ihnen „nicht stimmt“.

Herausforderungen für hochbegabte Kinder

Kinder mit einem hohen intellektuellen Potenzial haben gewisse Vorteile gegenüber weniger befähigten Kindern. Beispielsweise hilft einem ein hoher IQ dabei, schwierige Lebensumstände zu bewältigen. Das bedeutet aber nicht, dass hochbegabte Kinder von Herausforderungen und Problemen verschont bleiben: Eine große Zahl an intellektuell hochbegabten Kindern und Jugendlichen hat mit Underachievement (Minderleistung), Perfektionismus, Prokrastination (dem Aufschieben von Aufgaben) und Stress zu kämpfen. Viele hochbegabte Kinder haben Probleme mit Gleichaltrigen und Geschwistern. Bestimmte Formen von Depression können bei hochbegabten Personen häufiger auftreten, und die Kinder und Jugendlichen, die davon betroffen sind, tragen – laut manchen Wissenschaftlern – ein höheres Suizidrisiko, wobei die Forschungslage nicht eindeutig ist. Kliniker, die auf hochbegabte und zweifach außergewöhnliche Kinder spezialisiert sind, weisen zwar darauf hin, dass die Häufigkeit der psychischen Probleme bei diesen Kindern noch nicht vollständig erforscht wurde, aber es besteht kein Zweifel daran, dass Hochbegabung bei bestimmten psychischen Problemen eine Rolle spielt und auch bei der Art der Unterstützung, die Betroffene benötigen, berücksichtigt werden muss.

Zu lernen, Geduld aufzubringen, ist für Kinder mit hohem intellektuellem Niveau eine wichtige und meist sehr große Herausforderung. Hochbegabte Kinder berichten, wie frustrierend es ist, immer auf die anderen warten zu müssen, wenn es darum geht, Dinge zu begreifen, die für sie ganz selbstverständlich sind. Es ist keineswegs leicht für Hochbegabte, Freude am Lernen mit anderen zu haben und zu tolerieren, dass sie nicht so rasch und intensiv lernen wie sie selbst. Darüber hinaus sind hochbegabte Kinder oft auch mit sich selbst ungeduldig. Sie setzen sich selbst sehr hohe Standards, sind perfektionistisch und tief enttäuscht, gestresst oder wütend, wenn sie den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden.

|23|Eltern und Lehrer stehen ebenfalls vor einer Herausforderung. Sie müssen dem Kind vermitteln, dass sie es nicht nur seiner Leistungen wegen schätzen, sondern weil es ein wertvoller Mensch ist. Wir müssen hochbegabten Kindern helfen zu verstehen, in welcher Weise sie sich von anderen unterscheiden, und dafür sorgen, dass sie Toleranz und Verständnis für andere entwickeln. Hochbegabung bedeutet nicht, dass man „besser“ ist als andere; vielmehr macht sie einen zu einem „schnelleren Lerner“ oder bewirkt, dass man „in manchen Dingen besser ist als andere“. Diese Erklärung kann hochbegabten Kindern helfen, andere zu verstehen und zu akzeptieren, ohne sich ihnen gegenüber negativ, herablassend oder elitär zu verhalten.

Wir wollen, dass hochbegabte Kinder sich wertgeschätzt fühlen und verstehen, dass sie trotz ihrer Besonderheit sehr wohl dazugehören und viel mit anderen gemein haben. In manchen Dingen unterscheiden sie sich von anderen Kindern, aber in vielen Dingen sind sie wie alle anderen auch. Weil hochbegabte Kinder die Unterschiede intensiver empfinden, ist ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Respekt und emotionaler Sicherheit ausgeprägter als bei anderen Kindern. Auch ist der Druck, zu einer Gruppe zu gehören, sehr groß. Eltern können ihren hochbegabten Kindern dabei helfen, nach und nach die Balance zu finden zwischen ihrer Individualität und dem Sich Einfügen in eine Gruppe, und zwar so, wie es für diese Kinder am besten ist.

Praktische Anregungen

Das Ziel, das wir mit diesem Buch verfolgen, besteht darin, hochbegabten und talentierten jungen Menschen dabei zu helfen, sich gut zu entwickeln – und nicht einfach nur zu überleben –, indem wir ihnen das, was wir im Laufe der Jahre herausgefunden haben, mit auf den Weg geben. Unsere Erkenntnisse stützen sich größtenteils auf eigene Erfahrungen, die wir im Rahmen unserer Arbeit mit Eltern, Lehrern und hochbegabten Kindern und Jugendlichen über Jahrzehnte hinweg gesammelt haben. Wir haben aber auch Informationen mit einbezogen, die aus Forschungen anderer Fachleute stammen. Außerdem haben wir Anregungen zusammengetragen, die andere Eltern hilfreich und nützlich gefunden haben.

Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass die Eltern hochbegabter Kinder in der Regel ebenso intensiv – und mitunter ebenso ungeduldig – sind wie ihre Kinder. Bestimmt gibt es Eltern, die dieses Buch in einem Zug lesen und sofort versuchen, sämtliche darin enthaltenen Erziehungsratschläge umzusetzen. Egal, ob Sie das ganze Buch auf einmal lesen oder zwischen den Kapiteln Pausen einlegen: Bitte versuchen Sie nicht, alle Themenbereiche gleichzeitig anzugehen! Lassen Sie sich Zeit und denken Sie in Ruhe über die einzelnen Ideen und Konzepte nach, die Sie in diesem Buch finden, bevor Sie versuchen, sie umzusetzen. Beginnen Sie mit einer neuen |24|Fertigkeit und gehen Sie erst zur nächsten über, wenn Sie sie beherrschen. Auf diese Weise können Sie Schritt für Schritt auf Ihrem Erfolg aufbauen. Sie könnten sich zum Beispiel vornehmen, pro Woche eine oder zwei dieser Anregungen konsequent umzusetzen. Wenn Sie in Ihrer Familie etwas Neues ausprobieren, wird es mehrere Tage – wenn nicht Wochen – dauern, bis Sie erste Ergebnisse sehen. Es wird viel Übung erfordern. Außerdem braucht es Zeit, um zu erkennen, ob eine bestimmte Strategie weitere Anpassungen und Verbesserungen benötigt.

Einige unserer Vorschläge sind schlichtweg gute allgemeine Erziehungstipps, die bei vielen Kindern funktionieren. Eine gute Erziehung ist wichtig, egal ob ein Kind hochbegabt ist oder nicht. Andere Empfehlungen sind dagegen auf bestimmte Merkmale und Verhaltensweisen zugeschnitten, die unter hochbegabten Kindern besonders verbreitet sind, und die Ihnen helfen, die Fähigkeiten Ihres Kindes zu fördern anstatt sie zu hemmen.

Dieses Buch bietet Eltern, Lehrern und anderen Personen, die mit hochbegabten Kindern arbeiten, einen Bezugsrahmen, um die emotionalen und zwischenmenschlichen Bedürfnisse dieser Kinder besser zu verstehen. Für das Verständnis des emotionalen Wohlbefindens des Kindes muss seine Familie als Ganzes mit einbezogen werden, und die Familie wiederum kann nur dann gut funktionieren, wenn die emotionalen Bedürfnisse des hochbegabten Kindes berücksichtigt und verstanden werden. Daher betont unser Buch die Familie und die Beziehungen in der Familie. Wir möchten Sie auch darauf hinweisen, dass das, was wir über hochbegabte Kinder schreiben, größtenteils auch auf hochbegabte Erwachsene zutrifft. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, heißt es, und viele Eltern, die dieses Buch lesen, waren selbst hochbegabte Kinder; sie kennen die Situationen und Probleme, die wir in den folgenden Kapiteln beschreiben. Vielleicht ertappen Sie sich bei dem Gedanken: „Ich wünschte, jemand hätte dies getan oder jenes erkannt, als ich klein war!“ Zum Glück ist es nie zu spät, Selbsterkenntnis und wertvolle Einblicke zu erlangen, und es kann sogar eine Erleichterung sein, zu erkennen, dass so manche Schwierigkeit, mit der Sie zu kämpfen hatten, mit Ihrer eigenen Hochbegabung zusammenhing.

Wir möchten Ihnen Ratschläge und Handlungshilfen geben, die in erster Linie praktisch und nicht theoretisch sind. Sie sollen Ihnen helfen, Ihre Beziehung zu Ihrem hochbegabten Kind weiterzuentwickeln; und sie sollen dazu beitragen, dass junge hochbegabte Menschen sich selbst und andere verstehen lernen und Erfüllung finden, wenn sie danach streben, ihr Potenzial umzusetzen. Wir hoffen, dass diese Strategien Zuwendung, Mut und Kreativität und zugleich die intellektuellen, schulischen und künstlerischen Talente sowie die Führungsqualitäten Ihres Kindes fördern.

1

Hinweis: Bei geschlechtsunspezifischen Personengruppen wird in der deutschen Ausgabe das generische Maskulinum oder eine neutrale Sprachform verwendet, die alle biologischen und sozialen Geschlechter einschließt.

Anmerkungen

1

Roeper, A. (1995). Selected Writings and Speeches (S. 142). Minneapolis: Free Spirit Press.

2

Haydon, K. P. (2016). The importance of parent intuition and observation in recognizing highly creative children. Parenting for High Potential, 5 (3), p. 16–18.

3

Glynn, J. (2020). Cooke-ing Excellence Through Research. Jack Kent Cooke Foundation, National Asssociation for Gifted Children Blog. Verfügbar unter http://nagc.org.442elmp01.blackmesh.com/blog/cooke-ing-excellence-through-research [Stand: September 2023].

|27|1  Hochbegabung definieren

Der 10-jährige Ethan ist eifrig in eines seiner unzähligen Rechenrätsel vertieft, von denen er gar nicht genug kriegen kann, weil sie für ihn und für andere eine Herausforderung darstellen. Der 6-jährige Brandon verbringt Stunden damit, seine Phantasiewelt mit Stofftieren aufzubauen. Darin gibt es nicht nur politische Parteien, sondern auch eine Firma. Wenn man die 6-jährige Rosa fragt, was Züge und Flugzeuge gemein haben, antwortet sie: „Beides sind öffentliche Transportmittel.“ Shamika, 9 Jahre alt, ist ganz hingerissen von Musik und summt eine komplizierte Melodie vor sich hin. Der 4-jährige Sanjay beschäftigt sich intensiv mit seinen Bastelmaterialien, während er versucht, ein kompliziertes Muster zu bilden, das er vor seinem geistigen Auge sieht. Außerdem kann er sämtliche amerikanischen Bundesstaaten und ihre Hauptstädte aufzählen. Lamont ist 5 und behauptet, er könne nicht lesen. „Ich weiß nur, welche Wörter die Buchstaben ergeben“, sagt er. Mit ihren 2 Jahren unterscheidet Mika Farben wie Grau und Schwarz, singt ein ABC-Lied und kann die meisten Buchstaben des Alphabets identifizieren. Der 15-jährige Rolando besucht eine High School auf dem Land und hat bereits das gesamte Mathematik-Programm durchgearbeitet, das die Schule zu bieten hat; jetzt fragt er sich, womit er sich als Nächstes beschäftigen soll. Seine 11-jährige Schwester diskutiert mit ihren Spielkameraden eifrig darüber, wie merkwürdig es ist, dass jemand, der einen Menschen umbringt, als Mörder bezeichnet wird, während ein General, der den Abwurf von Bomben befiehlt und feindliche Soldaten töten lässt, ein Kriegsheld ist.

Kinder wie diese denken und verhalten sich anders als Gleichaltrige: sie sind anderen Kindern ihres Alters voraus. Wir bezeichnen diese Kinder als „hochbegabt“, „talentiert“ oder „kreativ“ – alles ungenaue Begriffe. Niemand bestreitet, dass es solche Kinder gibt, aber viele Menschen denken, dass wirklich hochbegabte Kinder recht selten sind. Tatsächlich gibt es jedoch mehr hochbegabte Kinder als die meisten Menschen glauben. Fast in jeder Schule und in jedem Wohnviertel gibt es sie. Womöglich weiß es niemand, aber sie sind da.

Warum weiß niemand, dass sie da sind? Lehrer wissen nicht immer, wie sie solche Kinder erkennen sollen. Oft herrscht Uneinigkeit darüber, wie man sie am besten identifiziert, wie man sie nennen soll („hochbegabt“, „talentiert“, „fähige Lerner“ oder gar „Wunderkinder“?) oder inwieweit sie tatsächlich andere (Lern-)Bedürfnisse haben, die spezielle Angebote oder Anpassungen seitens der Schule erfordern.

|28|1.1  Was genau ist Hochbegabung?

Wodurch zeichnet sich ein hochbegabtes Kind aus? Welche Arten von Hochbegabung gibt es? Haben hochbegabte Kinder in allen Bereichen hohe Fähigkeiten? Wie werden hochbegabte Kinder in den Schulen erkannt? Sind alle hochbegabten Kinder kreativ? Kann ein Kind hochbegabt sein und gleichzeitig ADHS oder eine Lernstörung oder Autismus haben? Das alles sind wichtige Fragen für Eltern, die gerade erst anfangen, sich mit Hochbegabung auseinanderzusetzen.

In den USA variieren die Definitionen und Kriterien für Hochbegabung je nach Bundesstaat. Die meisten Definitionen sind darauf angelegt, die begabtesten 3 bis 5 Prozent der Kinder zu erfassen. Sie stammen aus dem Marland-Report (1972) des US-Kultusministeriums. Die im Marland-Report enthaltene Definition (mitunter auch als „Bundesdefinition“ bezeichnet) umfasst verschiedene Bereiche, in denen eine Person hochbegabt sein kann:

Hochbegabte und talentierte Kinder sind jene von qualifizierten Fachpersonen identifizierten Kinder, die aufgrund herausragender Fähigkeiten zu hohen Leistungen fähig sind. Diese Kinder brauchen differenzierte Bildungs- und Förderprogramme, die über die regulären Schulprogramme hinausgehen, damit sie ihr Potenzial für sich selbst entfalten und in die Gesellschaft einbringen können. Zu den Kindern, die zu hohen Leistungen fähig sind, gehören jene, die Leistung und/oder Potenzial in einem oder mehreren der folgenden Bereiche zeigen: Allgemeine intellektuelle Begabung, spezifische akademische Begabung, kreatives oder produktives Denken, Führungsqualität, bildende oder darstellende Künste sowie psychomotorische Fähigkeiten.

Die National Association for Gifted Children (NAGC) bietet eine aktualisierte Definition, die die unterschiedlichen Bedürfnisse hochbegabter und talentierter Kinder berücksichtigt:

Hochbegabte und talentierte Schülerinnen und Schüler sind in einem oder mehreren Bereichen leistungsfähiger – oder potenziell leistungsfähiger – als andere Schülerinnen und Schüler desselben Alters, sozialen Hintergrunds und Umfelds. Sie benötigen Anpassungen ihrer Bildungserfahrung(en), um zu lernen und ihr Potenzial auszuschöpfen. Hochbegabte und talentierte Schülerinnen und Schüler

kommen aus allen ethnischen und kulturellen Bevölkerungsgruppen sowie aus allen sozialen Schichten;

benötigen ausreichenden Zugang zu geeigneten Lernmöglichkeiten, um ihr Potenzial auszuschöpfen;

|29|können Lern- und Verarbeitungsstörungen haben, die besondere Maßnahmen und Anpassungen erfordern;

brauchen Unterstützung und Anleitung, um sich sozial und emotional sowie in ihren Begabungsbereichen zu entwickeln.

benötigen verschiedene Hilfestellungen, die ihren wechselnden Bedürfnissen gerecht werden.1

Die Marland-Definition deckt ein breites Spektrum an Fähigkeiten ab, das über die einfache akademische Intelligenz hinausreicht. Sie weist darauf hin, dass ein Kind in einem oder auch in mehreren Bereichen hochbegabt sein kann. In der Praxis konzentrieren sich die meisten Schulen jedoch ausschließlich auf intellektuelle Fähigkeiten und spezifische akademische Eignung. „Hochbegabung“ wird in der Regel mit den erreichten Punktzahlen bei Intelligenz- und Leistungstests oder mit Schulleistungen gleichgesetzt.

1.2  Ist Hochbegabung angeboren oder anerzogen?

Eltern fragen sich oft, ob ihr Kind mit einem außergewöhnlichen Potenzial zur Welt gekommen ist, oder ob seine Fähigkeiten das Ergebnis ihrer Erziehung sind. Studien von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart haben eineiige Zwillinge verglichen, die gleich nach der Geburt getrennt wurden und in verschiedenen Umgebungen aufwuchsen. Bei diesen Zwillingsstudien haben die Forscher – zumindest bei den im Erwachsenenalter gemessenen IQ-Werten – eine große Ähnlichkeit der Intelligenz festgestellt, was auf eine stark erbliche Komponente hindeutet, die zu ungefähr 80 Prozent für die Übereinstimmung beim Intelligenzquotienten verantwortlich ist, wobei die Umwelt vor allem auf junge Kinder einen direkten Einfluss hat.2 Manche dieser Zwillingsstudien lassen außerdem erkennen, dass Persönlichkeitsmerkmale und Temperament eine erbliche Komponente haben; möglicherweise beeinflussen sie den Antrieb und die Motivation, die häufig mit hoher Intelligenz einhergehen.3 In manchen Fällen lebten die Zwillinge weit voneinander entfernt und kannten sich nicht; trotzdem wählten sie den gleichen Berufsweg und sogar ähnliche Typen von Ehepartnern.

Die Umwelt spielt aber ebenfalls eine große Rolle. Genau wie andere Kinder können sich hochbegabte Kinder in einer unterstützenden Umgebung besser entwickeln als in einer Umgebung, in der sie vernachlässigt werden. Sozioökonomische Faktoren beeinflussen die Entwicklung von Talenten, was wahrscheinlich mit den gebotenen Bildungsmöglichkeiten zusammenhängt. So weisen beispielsweise Kinder, die aus einem Arbeiterhaushalt in einen Mittelschichthaushalt adoptiert |30|werden, einen IQ-Anstieg von 12 bis 18 Punkten auf. Auch die Sozialisationserwartungen an das Geschlecht beeinflussen die Ausprägung der Intelligenz. Darüber hinaus haben Stress und Traumata nachweislich negative Auswirkungen auf die Gesamt-IQ-Werte.4

1.3  Hochbegabung messen

Die oben angeführten Definitionen beziehen auch hochbegabte Kinder mit ein, die zwar ein entsprechendes Potenzial zeigen, ihre Talente – aus welchen Gründen auch immer – jedoch nicht zur Geltung bringen; das heißt, die Definitionen ziehen auch die Möglichkeit von Underachievement oder Benachteiligung in Betracht. Hochbegabung ist daher nicht auf jene beschränkt, die bereits Erstaunliches geleistet haben, sondern schließt auch diejenigen mit ein, die möglicherweise Leistungen auf sehr hohem Niveau erbringen könnten, wenn sie die richtige Förderung und die entsprechenden Gelegenheiten bekämen. Bei manchen Individuen kristallisiert sich die Hochbegabung erst mit zunehmender Reife heraus oder wenn sie die Möglichkeit bekommen, ihre Hochbegabung zu entfalten. Ein Beispiel: Wenn eine Dreijährige sagt, dass sie lesen kann, ihre Erzieherin im Kindergarten jedoch behauptet, das sei „Unsinn. Dreijährige können nicht lesen!“, bekommt sie womöglich nie die Gelegenheit, ihre Hochbegabung zu zeigen.

Das Messen von Begabung, ob anhand von IQ-Werten, Schulleistung oder anderen Maßen, wird immer unvollkommene und ungenaue Techniken und Instrumente beinhalten. Intelligenz und Begabung sind keine einfachen Konzepte, die sich leicht definieren lassen; ihre Bedeutung entwickelt sich ständig weiter, je mehr wir darüber wissen. Im frühen 20. Jahrhundert wurde Intelligenz noch hauptsächlich über den Intelligenzquotienten (IQ) definiert; dieser wird mithilfe eines standardisierten Tests ermittelt, bei dem vor allem verbale und akademische Problemlösungsfertigkeiten gemessen werden. Inzwischen wurde das Konzept von Intelligenz jedoch erweitert und umfasst nun viele weitere Bereiche, etwa Verarbeitungsgeschwindigkeit, Konzentration, Gedächtnis oder verbale und nonverbale Fertigkeiten. Psychologen entwickeln immer wieder neue Tests, um verschiedene geistige Fähigkeiten genauer zu messen und wiederzugeben, aber Pädagogen, Psychologen, Neuropsychologen und andere Berufsgruppen verwenden nach wie vor Maße von Intelligenz und kognitiven Fähigkeiten.

Wo Fachleute die Grenze zwischen Normalbegabung und Hochbegabung ziehen, kann zu ernsthaften Auseinandersetzungen führen. Tatsächlich gelten in den einzelnen US-Bundesstaaten unterschiedliche Kriterien für die Einschätzung von Hochbegabung. Die uneinheitlichen Definitionen, die verschiedenen Arten von |31|Hochbegabung und die unterschiedlichen Methoden, die eingesetzt werden, um Hochbegabte zu ermitteln, machen die Identifizierung von hochbegabten Kindern so schwierig und behindern die Forschung, die notwendig wäre, um diese wesentlichen Faktoren zu untersuchen.

Die meisten Intelligenztests messen IQ-Werte von bis zu vier Standardabweichungen über dem Mittelwert (also IQ-Werte von 150 bis 160). In den meisten US-Bundesstaaten wird ein IQ-Wert von mindestens 125 bis 130 verlangt (das entspricht den oberen 5 Prozent bei einem Test mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15), damit ein Kind vom Schulsystem als hochbegabt eingestuft wird. Obwohl die Tests je nach Staat und Schulsystem variieren, gelten bei standardisierten Überprüfungen von Fähigkeit oder Schulleistung fast überall die gleichen Punktwerte. In Deutschland gelten in der Regel 2 Prozent der Kinder eines Jahrgangs als hochbegabt, – bei einem Gesamt-IQ von 130, d. h. zwei Standardabweichungen über dem Mittelwert (Anm. d. Hrsg.). Bei korrekter Handhabung können Tests, die die kognitiven Fähigkeiten messen, wertvolle Informationen über die Stärken und Schwächen von Schülern liefern, und IQ-Werte sind tatsächlich eine Möglichkeit, um einige grundlegende Aspekte von Hochbegabung zu beschreiben.

Angesichts der beträchtlichen Fächerung unter hochbegabten Kindern kann die Bezeichnung „hochbegabt“ den höchst bemerkenswerten Fertigkeiten und Talenten, die innerhalb dieser Gruppe auftreten, gar nicht gerecht werden, und sie macht die Herausforderungen im Hinblick auf die Erziehung und das Unterrichten dieser Kinder deutlich: Wegen der erheblichen Bandbreite an Fähigkeiten, die in die Kategorie „Hochbegabung“ fallen, sind einige Pädagogen und Psychologen inzwischen dazu übergegangen, verschiedene Ausprägungen von Hochbegabung zu unterscheiden und durch Begriffe wie „leichte“, „mittlere“ oder „außerordentliche“ Hochbegabung kenntlich zu machen.

Testwerte ergeben jedoch kein vollständiges Bild. Hochbegabung lässt sich nicht nur über die Punktwerte eines IQ-Tests definieren. Die Verhaltensweisen hochbegabter Kinder sind ebenfalls sehr wichtig und geben Aufschluss über ihre hohe Befähigung. Hochbegabte Kinder entwickeln sich nicht in allen Fertigkeitsbereichen gleich oder gleich schnell. Sie können zum Beispiel sehr gut im Lesen, aber schlecht im Rechnen sein; oder sie sind anderen in bestimmten Aktivitäten voraus – zum Beispiel bei Puzzeln oder bei der Bedienung von Geräten –, zeigen jedoch bei der verbalen Entwicklung lediglich durchschnittliche Fähigkeiten. Manchmal sind hochbegabte Kinder ihrem Alter weit voraus, was ihre intellektuellen Fähigkeiten betrifft, aber in den motorischen und sozialen Fähigkeiten entsprechen sie der Altersnorm. Oder sie sind in ihrem Faktenwissen voraus, liegen jedoch in ihrem sozialen Urteilsvermögen – beispielsweise Taktgefühl – weit hinter anderen zurück. Dieses unausgewogene Verhaltensmuster wird als asynchrone Entwicklungbezeichnet. Unter |32|hochbegabten Kindern ist dieses Muster stark verbreitet, wobei die Entwicklung bei Höchstbegabung und außerordentlicher Hochbegabung asynchroner verläuft als bei leichter und mittlerer Hochbegabung.

Angesichts ihrer asynchronen Entwicklung stellen hochbegabte Kinder eine weniger homogene Gruppe dar als durchschnittliche Kinder. Das sollte nicht verwunderlich sein. Eltern und Fachleute erkennen leicht die Unterschiede zwischen Kindern am unteren intellektuellen Spektrum. Diesen Kindern wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf und entsprechende Förderpläne zugestanden, um ihren Besonderheiten Rechnung zu tragen. Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie groß die Unterschiede in einzelnen Bereichen nicht nur bei Kindern mit Entwicklungsverzögerungen, sondern auch bei hochbegabten Kindern sind, ist die innere Asynchronie, die mit Hochbegabung einhergeht, leicht zu verstehen. Je stärker die Hochbegabung ausgeprägt ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind innerlich nicht im „Gleichklang“ ist und große Diskrepanzen zwischen Bereichen der Stärke und Bereichen der relativen Schwäche aufweist. Es ist daher keineswegs ungewöhnlich, dass ein 7-jähriges hochbegabtes Kind wie ein Sechstklässler liest und mühelos Rechenaufgaben aus der vierten Klasse löst, seine feinmotorischen Fertigkeiten aber noch auf dem Niveau eines Zweitklässlers liegen, was seinem chronologischen Alter entspricht. Die breite Fähigkeits- und Fertigkeitsspanne dieses Kindes hat natürlich Auswirkungen auf den Lehrplan und die Klasseneinstufung. Ein solch asynchrones Kind braucht ungeachtet seiner Hochbegabung einen Förderplan, der auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Hochbegabung zeichnet sich durch Fähigkeit, Potenzial und Asynchronie aus. Sowohl die Vererbung als auch die Umwelt spielen bei ihrer Ausprägung eine Rolle. So wie sich Sportler mit entsprechendem Training und Unterstützung entwickeln, benötigen auch hochbegabte Kinder Anleitung, Unterstützung und geeignete Bildungsmöglichkeiten, um sich zu entfalten. Unabhängig davon, wie sie definiert, gemessen oder identifiziert wird, erfordert Hochbegabung von Eltern und Lehrern verschiedene Ansätze, um die Entwicklung der Kinder zu fördern.

1.4  Merkmale von hochbegabten Kindern

Tests sind eine Möglichkeit, um ein hochbegabtes Kind zu identifizieren, Verhaltensmerkmale eine andere. Obwohl hochbegabte Kinder eine so vielfältige Gruppe bilden, weisen sie gemeinsame Merkmale auf – wobei nicht alle Kinder zu jedem Zeitpunkt sämtliche Merkmale zeigen. Die in Tabelle 1-1 aufgeführten Merkmale wurden aus zahlreichen Büchern aus vielen Jahrzehnten zusammengestellt. Sie können sich ein Leben lang auf das Leben begabter Kinder und ihrer Familien auswirken.

|33|Tabelle 1-1:  Typische Merkmale von hochbegabten Kindern

Rasche Auffassungsgabe/schnelle Lerner; können Gedanken rasch miteinander verknüpfen.

Können sich viele Informationen merken; haben ein ausgesprochen gutes Gedächtnis.

Für ihr Alter verfügen sie über einen außerordentlich großen Wortschatz und können ungewöhnlich komplexe Sätze bilden.

Können Feinheiten von Sprache, Metaphern und abstrakte Begriffe besser erfassen als andere Kinder ihres Alters.

Lösen gerne Aufgaben mit Zahlen oder beschäftigen sich mit Puzzles.

Verfügen bereits im Vorschulalter über Lese- und Schreibfertigkeiten.

Zeigen schon früh eine ungewöhnliche emotionale Tiefe, intensive Gefühle und Reaktionen.

Ihr Denken ist abstrakt, komplex, logisch und einsichtig.

Hoch entwickelter Idealismus und Gerechtigkeitssinn.

Längere Aufmerksamkeitsspanne, Ausdauer und intensive Konzentration, wenn sie herausgefordert werden und engagiert sind.

Sind ungeduldig, wenn sie selbst oder andere etwas nicht hinbekommen oder langsam sind.

Lernen Grundfertigkeiten schneller und brauchen dazu weniger Übung.

Stellen bohrende Fragen und wollen den Dingen auf den Grund gehen.

Hochentwickelte Neugierde und unerschöpfliches Fragenreservoir.

Interesse am Experimentieren und daran, Dinge anders zu tun.

Neigen dazu, Ideen oder Dinge in einer Weise miteinander zu verknüpfen, die ungewöhnlich ist oder nicht auf der Hand liegt (divergentes Denken).

Ausgeprägter und mitunter ungewöhnlicher Sinn für Humor, insbesondere bei Wortspielen.

Haben das Bedürfnis, Dinge und Personen durch komplexe Spiele oder nach bestimmten Schemata anzuordnen.

Imaginäre Spielkameraden (im Vorschulalter); lebhafte Fantasie.

1.5  Persönlichkeitsmerkmale, erhöhte Sensitivität und Hochbegabung

Wie wirkt sich die Persönlichkeit auf die Begabung aus? Und wie wirkt sich Hochbegabung darauf aus, wie Menschen mit der Welt interagieren? Psychologen, die sich mit den Merkmalen von Menschen mit hoher Intelligenz befassen, versuchen zu verstehen, wie diese Merkmale die Entwicklung von Hochbegabten beeinflussen. Die Erforschung der Persönlichkeitsentwicklung hat bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen einige Erkenntnisse gebracht. Um zu verstehen, wie sich Persönlich|34|keitsmerkmale auf die Intelligenz auswirken und umgekehrt, hat sich das „Big Five“-Persönlichkeitsmodell als nützlich erwiesen. Dabrowskis Theorie der positiven Desintegration und sein Konzept der „overexitabilities“, der erhöhten Sensitivität, geben den Erfahrungen von Hochbegabten ebenfalls einen theoretischen Rahmen.

Fünf-Faktoren-Modell. Eines der etabliertesten Persönlichkeitsmodelle in der Psychologie ist das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit. Dieses Modell besteht aus fünf Persönlichkeitsmerkmalen, die kulturübergreifende Universalität aufweisen. Die „Big Five“ werden häufig verwendet, um zu beschreiben, wie sich Persönlichkeitsmerkmale auf das Verhalten, die Beziehungen und die Lebensumstände von Menschen auswirken. Die fünf Faktoren sind auf einem Kontinuum angelegt und werden mit dem Akronym OCEAN umschrieben: Openness (Offenheit), Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit), Extraversion (Extraversion), Agreeableness (Verträglichkeit) und Neuroticism (Neurotizismus).

1.5.1  Persönlichkeitsmerkmale: Die „Big Five“

Offenheit. Dieses Persönlichkeitsmerkmal, das auch als „Offenheit für Erfahrungen“ bezeichnet wird, umfasst Merkmale wie Vorstellungskraft, Neugierde und Emotionen. Menschen mit hohen Werten in diesem Bereich sind bereit, ihre Überzeugungen und Vorurteile zu hinterfragen, und sie suchen nach Herausforderungen und neuen Lernerfahrungen.

Gewissenhaftigkeit. Personen mit hohen Gewissenhaftigkeitswerten handeln organisiert, sorgfältig und überlegt. Personen mit niedrigeren Werten in diesem Bereich neigen zu Impulsivität, Ungenauigkeit und Nachlässigkeit.

Extraversion. Extravertierte Personen sind kontaktfreudig, gesellig, gesprächig und selbstbewusst. Introvertierte Personen sind lieber allein und bei sozialen Interaktionen eher ruhig und zurückhaltend.

Verträglichkeit. Kooperative, einfühlsame und altruistische Personen erzielen hohe Werte auf dieser Skala. Personen mit niedrigen Verträglichkeitswerten sind eher skeptisch, egozentrisch und neidisch gegenüber anderen Menschen.

Neurotizismus. Personen mit hohen Werten auf dieser Skala neigen zu Ängsten, Sorgen, negativen Emotionen und emotionalem Aufruhr. Niedrige Werte auf dieser Skala deuten auf jemanden hin, der eher entspannt, sicher und zuversichtlich ist.

Untersuchungen zeigen, dass Offenheit für Erfahrungenpositiv mit dem Intelligenzniveau korreliert.5 Es gibt sechs Facetten oder Merkmale, die im Rahmen dieser Eigenschaft gemessen werden: |35|

1)

Offenheit für Ideen/intellektuelle Neugier

2)

Vorstellungsvermögen/Fantasie

3)

Sinn für Ästhetik (Kunst, Musik, Dichtung)

4)

Wahrnehmung von Emotionen (bei sich selbst und bei anderen)

5)

Vorliebe für Neues und Abwechslung

6)

Aufgeschlossenheit für Werte/Hinterfragen von Autoritäten und Konventionen.

Die Offenheit für Ideen/intellektuelle Neugierde spiegelt die Tendenz wider, abstrakte Informationen durch logisches Denken zu erforschen.6 Sie korreliert am stärksten mit kognitiver Hochbegabung.

Dabrowskis Theorie der positiven Desintegration (TPD). Die von Kazimierz Dabrowski entwickelte Theorie der positiven Desintegration ist eine Entwicklungstheorie, die häufig zur Konzeptualisierung von Hochbegabungsmerkmalen verwendet wird. Obwohl die TPD unter Psychologen weniger bekannt ist als die „Big Five“, wird sie in der Hochbegabtenpädagogik häufig herangezogen. Teil dieser Theorie ist das Konzept der erhöhten Sensitivität. Diese wird definiert als „eine gesteigerte und intensivere geistige Aktivität, deren charakteristischen Ausdrucksformen oberhalb der Norm und dem Durchschnitt liegen“.7 Diese gesteigerte Reaktion auf Reize wird umgangssprachlich oft als „Intensität“ bezeichnet. Dabrowski beschreibt eine erhöhte Sensitivität im intellektuellen, emotionalen, imaginären, sensorischen und psychomotorischen Bereich.

1.5.2  Bereiche der erhöhten Sensitivität

Erhöhte intellektuelle Sensitivität.Intellektuell hochsensitive Personen sind geistig außergewöhnlich rege; sie sind begierig darauf, neue Inhalte zu lernen und streben nach tieferem Verständnis. Intellektuell hochsensitive Individuen befassen sich auch häufig mit moralischen Fragen und Gerechtigkeit.

Erhöhte emotionale Sensitivität. Hochbegabte Individuen mit einer erhöhten emotionalen Sensitivität erleben intensive Emotionen und reagieren auf Ereignisse in einer Weise, die anderen unverhältnismäßig erscheint. Außerdem entwickeln sie eine starke emotionale Verbundenheit mit Menschen, Orten und Dingen.

Erhöhte imaginäre Sensitivität.Eine reiche Vorstellungskraft und eine Vorliebe für fantasievolle, kreative Abläufe sind für Individuen mit erhöhter imaginärer Sensitivität kennzeichnend.

Erhöhte sensorische Sensitivität.Bei sensorisch hochsensitiven Personen sind die Sinneswahrnehmungen – Sehen, Riechen, Schmecken, Berühren, Hören – viel stärker ausgeprägt als bei anderen. Hinzu kommt ein ausgeprägter Sinn für Kunst, Musik oder Poesie, aber auch eine erhöhte Sensitivität gegenüber Licht, |36|Geräuschen oder Berührungen, welche bis zu Unwohlsein oder Schmerzen reichen kann.

Erhöhte psychomotorische Sensitivität.Hochbegabte Individuen mit einer erhöhten psychomotorischen Sensitivität lieben Bewegung und haben ein erhöhtes Bedürfnis nach Aktivität. Sie sind energiegeladen und häufig impulsiv.

Eltern hochbegabter Kinder beschreiben diese Merkmale häufig, und Kliniker berichten, dass der Wunsch der Eltern, Verhaltensweisen im Zusammenhang mit erhöhter Sensitivität zu verstehen, zu steuern oder zu kontrollieren, ein häufiger Grund dafür ist, dass hochbegabte Kinder zur Therapie oder Evaluation vorgestellt werden. Die Forschung zu erhöhter Sensitivität zeigt eine leichte Korrelation von erhöhter intellektueller und imaginärer Sensitivität mit dem Intelligenzniveau, während die Korrelation von emotionaler und sensorischer Sensitivität bei kognitiv hochbegabten Personen nur leicht über dem Durchschnitt liegt. Es gibt derzeit keinen Forschungsnachweis für eine erhöhte psychomotorische Sensitivität in Abhängigkeit vom Intelligenzniveau,8 obwohl es Beobachtungen und signifikante klinische Hinweise darauf gibt, dass eine solche Sensitivität bei hochbegabten Kindern eine Rolle spielt.

Offenheit für Erfahrungen vs. erhöhte Sensitivität. Manche Forscher sind der Ansicht, erhöhte Sensitivität sei ein Konstrukt, das der „Offenheit für Erfahrungen“ ähnelt. Mehrere Facetten des „Big-Five“-Persönlichkeitsmodells scheinen sich mit den verschiedenen Bereichen erhöhter Sensitivität zu überschneiden. Obwohl beide bei hochbegabten Kindern beschrieben werden, ist weder das Persönlichkeitsmerkmal der „Offenheit für Erfahrungen“ noch das Vorhandensein von erhöhter Sensitivität allein ein Beleg dafür, dass ein Kind kognitiv hochbegabt ist. Zwar korreliert die „Offenheit für Erfahrungen“ mit der Intelligenz; aber viele normalbegabte Menschen weisen dieses Persönlichkeitsmerkmal ebenfalls auf. Obwohl vermutet wird, dass eine erhöhte Sensitivität bei hochbegabten Kindern häufiger vorkommt, ist sie kein „Alleinstellungsmerkmal“ von Hochbegabten; Kinder aller Fähigkeitsniveaus weisen unterschiedliche Grade von erhöhter Sensitivität auf.

Während eine erhöhte Sensitivität von manchen Eltern und Therapeuten als negativ angesehen oder beschrieben wird (z. B. „zu sensibel“ oder „fragt mir Löcher in den Bauch“), kann sie auch als Erklärung für die Empfindsamkeit, die Intensität, das Einfühlungsvermögen und die Neugier von Hochbegabten dienen. Eine erhöhte Sensitivität, egal in welchem Bereich, sollte nicht ignoriert oder heruntergespielt werden. Die Auswirkungen können zwar frustrierend sein, sollten aber nicht lähmend wirken. Eine erhöhte emotionale Sensitivität führt bei Kindern nicht zu häufigen und ausgeprägten emotionalen Zusammenbrüchen. Wenn eine erhöhte psychomotorische Sensitivität erhebliche Probleme in der Schule oder im häusli|37|chen Umfeld verursacht, darf sie nicht als „Bewegungsdrang“ abgetan werden. Eine erhöhte sensorische Sensitivität sollte Alltagsaktivitäten nicht beeinträchtigen. Wenn doch, sollte eine Fachperson aufgesucht werden, auch um auszuschließen, dass ein hochbegabtes Kind zweifach außergewöhnlich ist (siehe Kapitel 2). Obgleich eine erhöhte Sensitivität