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"Karl Mays Humoresken und historische Erzählungen" sind kürzere Texte aus Karl Mays Frühwerk. Über die historische Persönlichkeit Leopold I. von Anhalt-Dessau, bekannt als "der Alte Dessauer", verfasste May eine Reihe historischer Erzählungen als Militärhumoresken.
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Inhaltsverzeichnis
Die Kriegskasse
1. Die beiden Müller
2. Der entgangne Fang
3. Ein Soldat der großen Armee
4. Überrumpelt
5. Das befreite Vaterland
Am Ernstthaler Stammtisch
Der Wollteufel
Der Fischer Jakob und das Wasserfaß
Professor Vitzliputzli
1. Ein Buch und ein Sonderling
2. Eine Ziege, eine Katze und eine Haushälterin
3. Ein Schrank, eine Hirschhaut und ein Hering
4. Ein Lebenszweck und sein Schicksal
Ein Stücklein vom alten Dessauer
Die Falschen Exzellenzen
1. Beim Schwanenwirt
2. Beim Lindenwirt
3. Der Gang zum Gericht
Die beiden Nachtwächter
Die verhexte Ziege
Die Erben wider Willen
1. August und Auguste
2. Christian und Christine
3. Paul und Pauline
Pankraz der Ehestifter
1. Pankraz als ›Schützenhauptmann‹
2. Pankraz auf dem Birnbaum
3. Pankraz der Schelm
Wie dem Stadtrat Epperlein aus der Klemme geholfen wurde
Die Kriegskasse
1. Die beiden Müller
Der Obermüller konnte den Niedermüller nicht leiden, und der Niedermüller war dem Obermüller nicht gewogen. Das hatte seine Gründe. Die Obermühle war bis vor zehn Jahren die einzige Mühle im Tal gewesen, und ihr Besitzer hatte sich recht gut dabei gestanden; da war der jetzige Niedermüller gekommen, hatte seine neumodische Klapper an den Bach gesetzt und dem Nachbar die Mahlgäste weggenommen. Der Obermüller hielt das für eine teuflische Konkurrenz, zumal er den teuren Prozeß verlor, den er anstrengte, um sich seines Wettbewerbers zu erwehren. Dieser aber war ein durchtriebner Pfiffikus, lachte sich eins ins Fäustchen und hatte seine Freude über den Ärger seines nun mehr und mehr verarmenden Berufsgenossen.
Doch die zwischen den beiden Männern herrschende Abneigung hatte noch einen andern Grund. Der Obermüller war nämlich ein echtes, braves Rheinlandskind und konnte es nicht verwinden, daß das schone deutsche Vaterland am Rhein unter dem Druck der rücksichtslosen französischen Herrschaft schmachtete. Der Niedermüller aber, der von der Obermoseler Gegend herabgekommen war, pflegte heimlich nach Frankreich hinüberzuschielen und kannte keinen andern Herrgott als den großen Bonaparte, der den Mut gehabt hatte, seine gewaltige Hand nach ganz Europa auszustrecken. Nun hatte der Niedermüller eine Tochter, der wegen ihrer Schönheit, Sittsamkeit und Herzensgüte, vielleicht auch wegen des zu erwartenden Erbes die Jungburschen alle im Weg herumliefen. Aber das machte doch die Sache nicht anders, vielmehr steigerte sich die Abneigung des Obermüllers ganz bedeutend, als er bemerkte, daß sie es seinem Franz auch angetan hatte, der des Abends um die Niedermühle strich und am Tag vor lauter Zerstreuung statt des zu mahlenden Getreides einen Kartoffelsack in den »Rumpf« ausleerte.
Auch heut hatte er allerlei Ungebührlichkeiten, die sonst gar nicht in seiner Art lagen, begangen, und als es nun Abend geworden war, fuhr er mit den Armen in das Sonntagsnachmittagswams und schickte sich zum Fortgehn an.
»Wohin willst du, Franz?« fragte der Vater mit jenem unzufriednen Ton, der jetzt öfters bei ihm zu hören war.
»Hinunter ins Dorf; es gibt heut Tanz.«
»Wirst aber wohl nicht ganz hinkommen, weil dir die Niedermühle im Weg liegt!«
»So geh ich an ihr vorbei.«
»Oder bleibst ein wenig stehn, bis die Anna herauskommt.«
Franz errötete. »Soll ich denn etwa vor ihr ausreißen, Vater?«
»Nein, das ist nicht notwendig; aber du weißt, daß ich das fremde Volk da unten nicht leiden mag. Der Niedermüller ist ein Franzosenfreund; er hat uns um unser Brot gebracht und ist schuld, daß wir Tag für Tag unser Leben wagen müssen, wenn wir nicht verhungern wollen. Die Anna mag gut sein, aber du kannst schon noch eine andre bekommen!«
»Aber ich mag keine andre, Vater! Wir haben uns lieb, und du würdest ihr gewiß auch gut sein, wenn du sie so kenntest wie ich. Sie spricht gar herzig von dir und der Mutter und möchte gern an euch gutmachen, was ihr Vater Ungutes an euch getan hat.«
»So!« meinte der Obermüller nachdenklich und seine Stimme klang beträchtlich milder. »Sie hat mich zwar immer freundlich gegrüßt, wenn ich ihr begegnet bin, weiter aber kenne ich sie nicht. Was sagt denn ihr Vater dazu?«
»Der weiß noch nichts davon. Er will, sie soll den Zolloffizier Jambrieu nehmen, den französischen Gecken, der in St. Goar angestellt ist.«
»Siehst du! Wenn die Anna so denkt, wie du sagst, so möcht es meinetwegen möglich sein, daß ich einmal ja sage, aber der Alte wird es nimmermehr zugeben, daß sie den Sohn seines Todfeindes heiratet. Such dir also eine andre! Du bist durch ganz Deutschland gewandert und auch mehrere Jahre in Frankreich gewesen, und wer so viel gesehn und gelernt hat, der bekommt schon eine tüchtige Frau.«
Der Sohn antwortete nicht, sondern nahm die Mütze zur Hand und schritt nach der Tür. Er hatte sie schon geöffnet, als hinter ihm die Weisung ertönte:
»Punkt elf bist du wieder daheim! Es gibt heut ein gutes Geschäft, und um zwölf müssen wir über das Wasser sein. Wir haben Neumond, so daß uns nicht leicht jemand sehn wird. Wenn uns der Zufall nicht die ganze Zollwache auf den Hals führt, so stecken wir ein schönes Geld in die Tasche. Mit einem oder einigen nehmen wir es schon auf.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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