I´M DREAMING of You (Erotischer Liebesroman) - Claire O'Donoghue - E-Book

I´M DREAMING of You (Erotischer Liebesroman) E-Book

Claire O´Donoghue

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Beschreibung

Die 13-jährige Kathlyn Miller hat unter ihrem brutalen, alkoholsüchtigen Stiefvater zu leiden. Immer wieder misshandelt er sie und schlägt sie krankenhausreif. Eines Tages liegt sie fast bewusstlos in der Notaufnahme, als sie unvermittelt einem jungen Arzt in die Augen sieht, in Augen voller Wärme und dem Versprechen nach mehr – viel mehr! Ein kurzer Blick, der ihr Leben für immer verändern sollte. Zehn Jahre später findet Kate Max, den Mann ihrer Teenager-Träume, wieder, doch er scheint unerreichbar zu sein … Ein Kampf um Liebe und Vertrauen beginnt. Wird Kate ihr Glück finden und den Fängen ihrer Vergangenheit entrinnen können? Ein spannendes und gefühlvolles Buch über die größte Sehnsucht unseres Lebens … *** Enthält erotische Szenen. *** Dieser Roman ist der erste Teil einer Serie. Die Bücher sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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CLAIRE O´DONOGHUE

 

I´M DREAMING

 

 

Erotischer Liebesroman

 

Mai 2015

 

Copyright © by Claire O´Donoghue

All rights reserved.

ISBN: 978-3-7393-0489-2

 

I´M DREAMING

 

 

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und unbeabsichtigt.

 

© by Claire O´Donoghue

E-Mail: [email protected]

Facebook: www.facebook.com/Claire.O.Donoghue77

 

 

Cover-Picture by Alexis Art Book Covers

www.alexisarthbookcovers.com

 

Cover-Design: Claire O´Donoghue

 

Kapitelübersicht

 

I´M DREAMING

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Leseprobe: I´M FIGHTING for you

Danksagung

Weitere Romane der Reihe

Über die Autorin

Impressum

 

Prolog

 

 

Strahlend lief ich auf ihn zu und ließ mich übermütig in seine Arme fallen. Ich warf laut lachend den Kopf in den Nacken, als er sich wie wild mit mir im Kreis zu drehen begann.

Es war ein wundervoller Frühlingstag im Park. Der kalte Winter hatte sich endlich verabschiedet, und die Natur schien wieder aus ihrem langen Winterschlaf zu erwachen.

Diese angenehmen Temperaturen hatten auch uns an diesem herrlichen Wochenende in den Park gelockt. Ich liebte es, die wenige gemeinsame Zeit allein mit ihm zu genießen. Zufrieden schmiegte ich meinen Kopf an seine breite Brust und sog tief seinen herben, unverwechselbaren Duft ein.

Behutsam stellte er mich wieder auf die Füße, hielt mich aber weiterhin in einer festen Umarmung gefangen. Zärtlich hauchte er mir einen Kuss mitten auf die Stirn. Ich fühlte mich beschützt und geborgen. Er war mein Held.

»Na, Prinzessin? Bereit, den großen Drachen steigen zu lassen?«

Glücklich strahlte ich meinen Dad an. Er hatte sein Versprechen eingehalten, das er mir vor einem Monat im Krankenhaus gegeben hatte:

 

»Kate, wenn ich hier bald wieder rauskomme, dann basteln wir einen wunderschönen Drachen und lassen ihn gemeinsam im Park in den Himmel steigen.

Versprich mir, tapfer zu sein, Prinzessin, und deiner Mum mit Colin zu helfen. Ich werde bald wieder bei euch sein ... versprochen.«

 

Und er hatte mich nicht enttäuscht. Die letzten gemeinsamen Stunden mit meinem Dad im Park würde ich nie in meinem Leben vergessen.

Als er kurze Zeit später starb, sollte nichts mehr so sein, wie es war …

 

Kapitel 1

 

 

Vor zehn Jahren …

 

Ich schlug die Augen auf und blinzelte. Verschlafen rieb ich mir über das Gesicht, streckte mich und gähnte herzhaft. Colin lag immer noch neben mir auf unserem alten Schlafsofa, eingekuschelt unter seiner Decke. Fest hielt er seinen abgenutzten Stoffbären an sich gedrückt.

Mit seinen entspannten Gesichtszügen wirkte er fast schon wie ein ganz normaler sechsjähriger kleiner Junge. Langsam ließ ich den Blick über den winzigen Wohnraum schweifen.

Neben unserem alten Schlafsofa stand ein abgewetzter dunkelgrüner Ohrensessel. Der Stoff schimmerte an der einen oder anderen Stelle bereits durch, sodass die darunterliegende Füllung zu erkennen war.

Die restlichen Möbelstücke bestanden aus einem wackeligen Couchtisch, einer dunkelbraunen abgelebten Kommode, bei der sich die Schubladen nicht mehr richtig öffnen ließen, und einem alten Farbfernseher, den wir für wenig Geld auf dem Flohmarkt erstanden hatten.

Ich mochte diese Zeit am Morgen, in der alles noch so friedlich und still war. Dieser traumähnliche Zustand zwischen Schlaf und Erwachen, in dem ich meiner Fantasie freien Lauf lassen und meine Träume bis ins kleinste Detail beeinflussen konnte.

Dann stellte ich mir vor, dass wir immer noch in dem weißen hübschen Haus mit dem kleinen, gepflegten Garten und den netten Nachbarn wohnten – in diesem idyllischen Vorort. Anstatt in diesem stinkenden, heruntergekommenen Rattenloch in dem noch ätzenderen Wohnblock im Arbeiterviertel.

In meinem Traum gab es lediglich Mum, Dad, Colin und mich. So etwas wie Alkohol, Prügel und Demütigungen existierten hier nicht. Er existierte hier nicht. Denn in meiner Traumwelt hatte so jemand wie er, „das Monster“, nichts zu suchen.

Lächelnd kuschelte ich mich wieder tief in mein Kissen und ließ meine Gedanken weiter schweifen. Erinnerte mich an die Zeit, als meine Mum noch fröhlich und ausgelassen lachen konnte. Ich sah sie vor mir, wie sie damals in unserer Küche stand und für uns alle kochte, in unserem schönen Haus, in dem wir gewohnt hatten, bis das mit Dad geschah.

Sie hatten sich im letzten Jahr auf der Highschool kennengelernt. Bei ihr war es Liebe auf den ersten Blick.

Auch Jahre später wirkten sie noch genauso verliebt wie am ersten Tag. Die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit als glückliche Familie schienen immer noch greifbar nah.

Bilder blitzten vor meinem inneren Auge auf. Dad, der lächelnd hinter meine Mum trat und sie in eine zärtliche Umarmung zog. Meine Schulaufführung, bei der Mum und Dad voller Stolz applaudierten, als ich in einer kleinen Nebenrolle auftrat. Das Kindergartenfest, auf dem Colin und Dad gemeinsam beim Sackhüpfen den zweiten Platz belegten und sogar eine Medaille gewannen.

Damals war es mir nicht bewusst gewesen, aber unser Leben war perfekt.

Doch dann ging alles ganz schnell, und meine heile Welt zerbrach in tausend kleine Stücke.

Eines Tages klagte Dad über starke Kopfschmerzen. Als er dann auf unser Drängen hin endlich zum Arzt ging, war der Tumor bereits so groß, dass sie nicht mehr viel für ihn tun konnten. Die Behandlungen waren sehr teuer. Abends hörte ich Mum oft heimlich in der Küche weinen. Sie wusste nicht mehr, wie sie die ganzen Rechnungen und Medikamente bezahlen sollte.

Wir hatten nur das Haus und ein paar unbedeutende Wertsachen. Alles mussten wir verkaufen.

Und dann starb Dad.

An diesem Tag hatte meine Mum sich verändert.

Colin und ich verloren nicht nur unseren Vater, sondern auch gleichzeitig unsere Mutter. Wir verloren alles!

 

Colin wurde langsam unruhig neben mir und wälzte sich von einer auf die andere Seite. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es allmählich Zeit wurde.

»Hey, mein Großer«, weckte ich ihn sanft. »Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät zur Schule.«

In einer liebevollen Geste zerzauste ich sein feuerrotes Haar.

»Kate, lass das«, nuschelte er ganz verschlafen in seinen Teddy hinein und zog sich mit seiner freien Hand die Decke wieder über den Kopf.

»Okay. Noch eine Minute kuscheln, dann ist es aber wirklich Zeit.«

Ich legte mich dicht hinter ihn und drückte ihn ganz fest an meine Brust. Colin schmiegte sich zufrieden in meine Umarmung.

In solchen Momenten fühlte ich mich nicht wie seine 13-jährige Schwester, sondern vielmehr wie seine Mum. Doch er kannte es ja nicht anders. Colin war noch viel zu jung gewesen, als unser Dad starb.

Er konnte sich kaum noch an die bezaubernde, lebensfrohe Mum von damals erinnern. Nein, Colin kannte nur noch die Mutter, die ein Schatten ihrer selbst war. Die Version, die er, unser Stiefvater, innerhalb kürzester Zeit aus ihr gemacht hatte.

Ja! Ich war wütend auf sie. Warum tat sie uns das an? Und warum verließ sie ihn nicht?

Sie war einfach zu schwach, ohne einen Hauch von Mut und Hoffnung. Leider war ich das auch.

Schwach.

»Komm, Colin, wir müssen jetzt wirklich los.«

Langsam setzte er sich auf. Mit verschlafenen Augen sah er mich an.

»Denkst du, er wird wiederkommen?«, flüsterte er fast schon etwas ängstlich und drückte dabei krampfhaft den Bären an sich.

»Ich weiß es nicht … ich weiß es leider wirklich nicht«, antwortete ich mit Bedauern in der Stimme.

Als ich aus dem Bett kletterte, zog ich mir schnell einen Pullover über den Kopf.

Verdammte Kälte. Aber wir mussten ja sparen.

Die Heizkörper blieben die meiste Zeit des Jahres abgedreht. Frierend versuchte ich, mir umständlich ein paar dicke Wollsocken an die Füße zu ziehen.

»Mann, Colin, komm endlich in die Gänge.«

Total zerstrubbelt, saß er immer noch in haargenau der gleichen Position, wie eben, da und starrte vor sich hin. »Ich wünschte nur, er würde nie wieder zurückkommen.«

Zögernd ließ ich mich zu ihm zurück auf das Sofa gleiten und strich ihm eine Strähne aus seinem traurigen Gesicht. Ihn so zu sehen, brach mir fast das Herz.

»Ich auch …«, wisperte ich, »ich auch, Colin.«

Neil, unser Stiefvater, war bekannt dafür, dass er einfach von einem auf den anderen Tag auf Sauftour ging und dann tagelang wie vom Erdboden verschluckt war. Doch dann tauchte er urplötzlich, wie aus dem Nichts und ohne Vorwarnung, wieder auf.

Meistens hatte er es auf mich abgesehen. Colin schien er lediglich mit offensichtlichem Desinteresse bestrafen zu wollen. Bei mir hatte es mit kleinen verbalen Kränkungen angefangen: Er warf mir Beleidigungen an den Kopf.

Irgendwann rutschte ihm dann auch zum ersten Mal die Hand aus. Diese Grenzüberschreitung ließ wohl auch noch seine letzten Hemmungen fallen, denn seit dieser Zeit brach hier für mich die Hölle aus.

Ich lebte in ständiger Angst, bewegte mich auf dünnem Eis. Am liebsten wäre ich einfach unsichtbar gewesen.

Übelkeit stieg in mir auf, als ich daran dachte, wie er mich beim letzten Mal sogar brutal mit einem Messer gequält und vor seinem Freund gedemütigt hatte.

Unbewusst griff ich nach der hässlichen Narbe auf meinem Rücken. Mittlerweile verursachte sie mir in körperlicher Hinsicht kaum noch Schmerzen, doch seelisch hatte sie viel mehr Schaden angerichtet als auf meiner Haut.

Mit viel Mühe konnte ich in letzter Sekunde die aufsteigenden Tränen zurückdrängen.

Denk an Colin! Reiß dich zusammen, Kate.

Ich wünschte, meine Mutter würde endlich aufwachen und sehen, was sie uns eigentlich damit antat. Sie lebte zurückgezogen in ihrer eigenen kaputten Welt voller Trauer und Leid und nahm ihre Umwelt kaum noch wahr.

Mit dem Trinken hatte sie kurz nach Dads Tod angefangen. Vermutlich, um den Schmerz zu verdrängen. Doch als sie dann später Neil kennenlernte, wurde das mit dem Trinken noch schlimmer.

Für mich fühlte es sich so an, als ob sie damals einfach mit unserem Dad gestorben wäre. Eigentlich existierte nur noch ihre körperliche Hülle, der Rest von ihr war verschwunden.

Täglich schleppte sie sich unter enormer Anstrengung in die nächste Kneipe, bis sie ihren gewohnten Pegel erreicht hatte, um dann wieder zurück in ihr Bett zu fallen, wo sie ihren Rausch ausschlief.

Seit es schlimmer geworden war, übernahm ich ihre Rolle, in dem Versuch, für Colin und mich ein einigermaßen normales Leben aufrechtzuerhalten. Gemeinsam gingen wir zur Schule, ich erledigte den Haushalt, beschaffte uns etwas zu essen und versuchte, mich mit Colin zu beschäftigen.

Das alles war nicht einfach. Aber die Gewissheit, dass mein Bruder sonst niemanden mehr hatte, ließ mich, auch wenn ich zeitweise am Ende meiner Kräfte war, über mich hinauswachsen. Nein. Ich führte nicht mehr das Leben einer normalen 13-Jährigen.

Für Freundinnen fehlte mir schlichtweg die Zeit. Außerdem, wem könnte ich denn zumuten, zu mir nach Hause zu kommen? Ich schämte mich für mein Zuhause, für meine Mutter. Ja, ich schämte mich für mein ganzes verdammtes Leben.

 

Kapitel 2

 

 

Als ich die Wohnungstür aufschloss, bemerkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Mit einer Hand Colins zierlichen Arm, mit der anderen die schwere Einkaufstüte fest umklammert, begann ich, mich zögerlich durch den kurzen Flur in Richtung Wohnzimmer zu bewegen.

Mein kleiner Bruder, der mittlerweile sehr sensible Antennen für solche Situationen entwickelt hatte, tat es mir sofort gleich.

Der beißende Gestank von altem Männerschweiß sowie die üblen Ausdünstungen von zu viel Alkohol waren kaum zu ignorieren.

Angewidert blieb ich auf der Stelle stehen, als ich unseren Stiefvater, mit offenem Mund schnarchend und quer über Colins und meinem Schlafsofa ausgestreckt, vorfand. Der Geruch war so penetrant, dass ich große Mühe hatte, mich vor lauter Ekel nicht gleich hier auf dem Fußboden übergeben zu müssen.

Schon fast resigniert, betrachtete ich unseren einzigen Rückzugsort, den dieser blöde Arsch jetzt auch noch beschmutzt hatte.

Es würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Bettwäsche später abzuziehen und zu waschen. Es stand absolut außer Frage, dass Colin und ich uns wieder in dieses von ihm verschmutzte Bett legen würden. Lautlos gab ich meinem Bruder ein Zeichen und führte den ausgestreckten Zeigefinger zu meinen Lippen. Er verstand sofort und nickte mir bestätigend zu.

Auf leisen Sohlen schlichen wir uns zur Küche und gaben uns dabei die größte Mühe, die gekauften Lebensmittel möglichst geräuschlos in den Schränken zu verstauen.

Colin, der eifrig mithalf, übersah in der ganzen Eile das benutzte Wasserglas auf der Arbeitsplatte. Und so brach innerhalb kürzester Zeit die Hölle los. In der Sekunde, in der Colin mit dem Arm versehentlich das Glas von der Arbeitsplatte fegte und es mit einem lauten Knall in tausend Einzelteile zersprang, schlug Neil wütend die Augen auf.

Starr vor Angst blieb Colin regungslos neben mir stehen. Er zitterte am ganzen Körper. Beschämt blickte er langsam an sich herab und begann auch schon, fürchterlich zu schluchzen. Ich folgte seinem Blick und erkannte sofort, was geschehen war.

Colin hatte sich vor lauter Angst eingenässt. Schützend zog ich ihn hinter mich und stand wie ein lebender Schutzschild vor ihm. Ich versuchte nach außen hin, meine schreckliche Angst vor unserem Stiefvater, so gut es eben ging, zu verbergen.

Aber in mir sah es ganz anders aus. Meine Beine zitterten wie Espenlaub, und mein Herz raste wie nach einem 1000-Meter-Sprint. Die Atmung ging viel zu schnell, und vor meinen Augen begann bereits alles, zu verschwimmen. Ich musste das schnellstmöglich unter Kontrolle bringen, sonst würde ich wieder hyperventilieren und in Ohnmacht fallen.

Atme, Kate. Atme. Ein – aus – ein – aus …

Langsam verzog sich der Nebel, sodass ich wieder in der Lage war, klar zu sehen. Zwischenzeitlich war Neil aufgesprungen und wankte bedrohlich auf uns zu.

»Was ist das hier für eine Sauerei, hä?«, brüllte er in einer Lautstärke, dass mir die Ohren klingelten.

»Wie oft soll ich dir kleinem dreckigem Miststück noch sagen, dass du gefälligst aufpassen sollst? Du bist ja noch zu blöd, um …«

Mitten in seiner Schimpftirade hielt er plötzlich inne, und sein Blick fiel auf die kleine verräterische Pfütze auf dem Boden. »Was … was zur Hölle …?«

Colin, der die ganze Szene hinter meinem Rücken verfolgt hatte, wimmerte vor Anspannung.

Mist.

Neil war nicht dumm. Natürlich konnte er eins und eins zusammenzählen. Noch nie zuvor hatte er seine Aggressionen an Colin ausgelassen. Normalerweise reichte ich ihm als Blitzableiter völlig aus. Aber es war auch so bereits schlimm genug für meinen kleinen Bruder. Es musste schrecklich für ihn sein, hilflos mit anzusehen, wenn unser Stiefvater mich demütigte und brutal zusammenschlug.

Danach saß er oft tagelang verstört mit seinem Teddy in der Ecke und redete kein Wort mehr. Doch diesmal sah ich mit einem Blick, dass es anders war. Zum ersten Mal hatte Neil nicht mich im Visier. Alle Alarmglocken fingen bei mir zu schrillen an, als er noch einen weiteren Schritt auf uns zu machte und wie von Sinnen zu brüllen begann.

»Du elender kleiner Pisser. Es ist an der Zeit, dir auch mal etwas Anstand in deinen kleinen, verkrüppelten Leib hineinzuprügeln.«

Panisch versuchte ich, Colins klammernde Finger aus meinem Sweatshirt zu lösen, um ihn dann mit einem stummen Flehen darum zu bitten, schnellstmöglich aus der Schusslinie zu verschwinden.

Nach kurzem anfänglichem Zögern fasste er nun doch all seinen Mut zusammen und rannte los. Noch bevor er die rettende Wohnungstür erreichen konnte, packte Neil ihn grob an seinem Shirt und riss ihn brutal zurück. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Brust, und mir stockte vor Schreck der Atem, als ich sah, wie er bereits mit geballter Faust zum ersten Schlag ausholte.

Mit einem unmenschlichen Schrei stürmte ich einfach auf ihn zu – ohne auch nur eine Sekunde über die Konsequenzen nachzudenken. Gott sei Dank, ich war schnell genug. Denn die Faust, die eigentlich für Colin bestimmt war, traf mich mit voller Wucht unter meinem rechten Auge.

Seltsamerweise fühlte ich zuerst eine Art Erleichterung, es rechtzeitig geschafft zu haben, bevor der Schmerz in meinem Kopf explodierte.

Der Schlag war diesmal so heftig gewesen, dass ich mich nicht mehr in der Lage dazu fühlte, mich auf den Beinen zu halten. Ich verlor das Gleichgewicht.

Während ich stürzte, registrierte ich unbewusst, dass mein Oberkörper gegen die kleine Kommode im Flur knallte und dabei etwas fürchterlich knackte. Schmerz schoss durch meinen Körper und nahm mir die Luft zum Atmen.

Dann flog ich mit einem lauten Rums gegen die Wand und rutschte wie ein nasser Lappen an ihr entlang, um reglos auf dem Fußboden liegen zu bleiben.

»Kate … oh, Kate«, hörte ich in der Ferne meinen kleinen Bruder mit tränenerstickter Stimme schluchzen. Zu gerne hätte ich ihn tröstend in meine Arme gezogen. Doch ich konnte mich nicht mehr bewegen.

Bei jedem Atemzug hatte ich das Gefühl, von einem Dolch durchbohrt zu werden. Regungslos, die offenen Augen starr zur Decke gerichtet, versuchte ich, mich krampfhaft auf jeden einzelnen Atemzug zu konzentrieren. Auf einmal schob sich Neils wutverzerrte Fratze in mein Sichtfeld.

Oh nein.

Hilflos wie ein in die Enge getriebenes, verletztes Tier machte ich mich auf seinen letzten, vernichtenden Schlag gefasst.

»Du nichtsnutziges kleines Miststück wirst deine dreckige Schnauze halten. Hast du mich verstanden? Sonst mache ich euch alle kalt. Du bist nur über deine eigenen tollpatschigen Füße gestolpert … ist das klar?«

Um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, holte er noch einmal aus und trat mir mit voller Wucht in meine bereits schmerzende Seite. Ich hätte schwören können, dass dabei eine weitere Rippe brach.

Dann kam endlich die erlösende Schwärze über mich.

 

Kapitel 3

 

 

Noch mehr Koffein. Ich brauchte definitiv mehr Kaffee.

Entnervt drückte ich ein weiteres Mal den kleinen grauen Knopf, der dieses Monstrum von Kaffeeautomat in Gang setzen sollte. Müde strubbelte ich mir mit der Hand durch mein kurzes Haar, das postkoital zu allen Seiten von meinem Kopf abstand.

Ein lautes Gähnen konnte ich gerade noch unterdrücken, als ein älterer Kollege erschöpft den Pausenraum der Notaufnahme betrat. Er musterte mich wissend, bevor er an mir vorbei zu dem kleinen, abgenutzten blauen Sofa schlurfte, wobei er sich nicht verkneifen konnte, mir zweimal kräftig aufmunternd auf die Schulter zu klopfen.

»Du gewöhnst dich schon noch daran, mein Junge.«

Ächzend streckte er seine Beine aus, nachdem er nicht weniger geräuschvoll Platz genommen hatte. Mit geschlossenen Augen legte er seinen Kopf in den Nacken, um ihn in einer bequemeren Position auf der Rückenlehne abzulegen.

»Hm«, gab ich leicht genervt von mir, während ich bei jedem Schluck von diesem heißen, widerlichen Gesöff hoffte, dass die Wirkung gleich einsetzen würde.

Wie mich dieses blöde Gequatsche ankotzte. Als ob mir nicht bewusst wäre, dass sich hier niemand daran gewöhnen konnte. Wenn das tatsächlich so einfach wäre, warum suchten sie dann ständig händeringend nach neuem Personal?

Ich selbst arbeitete hier auch nur, weil ich es musste, weil es Teil meiner Ausbildung war und ich verdammt nochmal meinem besserwisserischen Vater beweisen wollte, dass ich es auch ohne ihn und seine dämlichen Beziehungen schaffen konnte. Immer noch verfolgten mich die endlosen Diskussionen und unzähligen Belehrungen.

Oft genug hatte er mir klargemacht, was er von mir hielt. Für ihn war ich nicht mehr als ein nichtsnutziger Versager. Ständig setzte er mich unter Druck. Nur weil ich das Pech hatte, privilegiert geboren worden zu sein, und er einer der besten Chirurgen des gesamten Bundesstaates war, hieß das noch lange nicht, dass ich perfekt sein musste.

Ob in der Highschool, auf dem College oder auch jetzt, in der Zeit als Assistenzarzt, nie konnte ich seine hohen Erwartungen an mich wirklich erfüllen. Aus lauter Trotz war ich nun hier gelandet, in der Notaufnahme des „Santa Anna Hospitals“, wo er mir ausnahmsweise mal nichts zu sagen hatte.

Vor fast drei Wochen stellte ich ihn vor vollendete Tatsachen, dass ich meine Zeit als Assistenzarzt nicht unter seiner Fuchtel im „St. Andrews Hospital“ antreten würde. Diese Nachricht ließ sein Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate annehmen. Ich befürchtete damals, er würde gleich vor meinen Augen auf seinem heiß geliebten Perserteppich einen grandiosen Abgang hinlegen.

»Geh mir aus den Augen … du … du …«, schrie er, während ihm unkontrolliert einzelne Speichelfäden aus dem Mund spritzten.

»Arschloch, blöder Wichser, undankbare Missgeburt«, hätte ich ihm liebend gern auf die Sprünge geholfen.

Aber er war sich tatsächlich noch zu fein dafür, seinem abtrünnigen Sohn mal so richtig die Meinung zu geigen. Nachdem ich mich versichert hatte, dass es sein derzeitiger Zustand zuließ, ergriff ich die Flucht und verließ eilig seine protzige Villa.

Meine Erinnerung wurde unsanft durch den nervigen Ton des Pagers unterbrochen.

Mist. Doch kein Koffein mehr.

Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte meinen Verdacht. Seit über zwanzig Stunden war ich schon auf den Beinen. Den halbvollen Kaffeebecher schüttete ich schnell in den Ausguss und eilte in großen Schritten den Gang entlang in Richtung Behandlungsraum Nummer 3.

Vor der Tür erwartete mich Lucy, die diensthabende Krankenschwester der Notaufnahme. Von Weitem konnte ich bereits ihren gierigen Blick auf mir spüren. Ihre Augen verweilten ein wenig zu lange auf meiner Körpermitte.

Das Befeuchten ihrer vollen Lippen und das erotisch gehauchte »Hi« bestätigte meinen Verdacht.

Sie wollte mich.

»Hi! Was gibt´s?«, fragte ich in einem sachlichen Ton, ohne jedoch den Blickkontakt zu unterbrechen.

So nah konnte ich jetzt sogar die Erregung in ihren Augen sehen. Ein kurzer kalkulierter Augenaufschlag, und sie überreichte mir mit leicht rosigen Wangen die Patientenakte.

»Einlieferung eines 13-jährigen weißen Mädchens. Ist laut dem Rettungssanitäter seit Längerem ohne Bewusstsein. Große blutende Platzwunde an der rechten Kopfseite, Hämatom unter dem rechten Auge. Mehrere Rippenbrüche, da sie wahrscheinlich bei dem Sturz ungebremst auf einem Möbelstück aufschlug, bevor sie mit dem Kopf gegen die Wand prallte«, berichtete sie dann wieder ganz Profi. »Soll ja, wenn man dem Stiefvater glauben will, ein unglücklicher Unfall gewesen sein, aber wirf mal einen Blick auf ihre Krankengeschichte.«

Lucy tippte mit dem Finger auf die Einträge der vergangenen Monate und zog dabei vielsagend ihre Augenbraue in die Höhe.

Wie zufällig streiften ihre schlanken Finger meinen Arm entlang, bevor sie auf meinem Bizeps zu liegen kamen. Ihre Lippen näherten sich langsam meinem Ohr.

»Sehen wir uns später noch?«, hauchte sie zärtlich.

Scheiße.

 

***

 

Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen, als ich vorgestern mit ihr in dem verdammten Ruheraum verschwunden war, um sie dort so richtig durchzuvögeln. Wie sagte mein fünf Jahre jüngerer Bruder Josh immer so treffend: »Mal wieder nur mit deinem Schwanz gedacht, Alter?«

Ja! Wie blöd konnte ich eigentlich sein? Schließlich war ich bereits 25 Jahre alt und kein pubertierender Teenager mehr, der seine Hormone nicht unter Kontrolle halten konnte. Die ganze Zeit über hatte sie mich schon angemacht: Sie verschaffte mir tiefe Einblicke in ihr üppiges Dekolleté, klimperte mit ihren langen Wimpern und tatschte mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit an.

Aber mit dem Thema Beziehungen war ich momentan komplett durch, nachdem meine langjährige Freundin mich vor Kurzem so eiskalt abserviert hatte. Gnadenlos wurde ich durch so einen „Juppifuzzi“, mit noch dickerem Bankkonto, ersetzt.

So ging mir die holde Weiblichkeit derzeit ziemlich am Arsch vorbei. Denn Alexa, meine Ex, hatte mir nicht nur mein Herz gebrochen, … nein … schlimmer, … sie hat es mir aus meinem verdammten Leib herausgerissen, als ich sie mit diesem Börsenmaklerarsch unter unserer neuen Regendusche in flagranti erwischt hatte.

Immer noch zogen sich meine Magensäfte zusammen, den Anblick seines nackten, behaarten Arschs vor Augen.

Ich musste gegen den starken Drang ankämpfen, mir nicht gleich wieder die gesamten Eingeweide aus dem Leib zu kotzen. Das Bild, wie er meine Alexa dort grunzend gegen die Duschwand nagelte und sie sich ihm dabei auch noch stöhnend, voller Lust hingab, hatte sich wohl für immer in meine Netzhaut eingebrannt.

Nein. So etwas würde mir bei Gott nie wieder passieren. Meine Lust stillte ich jetzt an den Körpern williger Frauen. Schande über mein Haupt.

Da ich von Natur aus – für einen Mann mit meinen Modelmaßen – weit über dem Durchschnitt lag und meine Bauchmuskeln aussahen, als wären sie gerade „gephotoshopt“ worden, gestaltete es sich nicht sonderlich schwierig, täglich neue „Opfer“ zu finden. Die wirkliche Herausforderung bestand eher darin, diese anhänglichen Weiber danach, ohne großes Drama, wieder loszuwerden.

Zwar stellte ich von Anfang an klar, dass es hier lediglich um Sex nach meinen Bedingungen ging, merkte dann allerdings schnell an den gekränkten Blicken oder den feuchten Augen, dass die Damenwelt sich weitaus mehr erhofft hatte.

Und Lucy gehörte wohl auch zu dieser Kategorie Frau.

Der Fick mit ihr war noch nicht einmal etwas Besonderes gewesen. Mit ihren blonden Haaren, ihrer mehr als knackigen Figur und einem üppigen D-Körbchen erfüllte sie jede meiner perversen Männerfantasien – mehr aber auch nicht. Dieses gekünstelte Gestöhne, bei dem selbst ein Profi Erektionsstörungen bekommen hätte, ging gar nicht. Obwohl wir noch nicht mal richtig angefangen hatten, gab sie ständig diese nervig quiekenden Laute von sich, als ob ich einem armen Tier bei lebendigem Leib die Gurgel umdrehen würde.

Beinahe wäre es fast noch richtig peinlich geworden. Mein bestes Stück hatte doch tatsächlich gedroht, schlapp zu machen. Schnell hatte ich die Taktik geändert, sie mit dem Kopf nach unten gedrückt und angedeutet, was ich von ihr erwartete. Im ersten Moment sah „Barbie“ etwas verwirrt aus, als ich auf meinen zu erschlaffen drohenden Schwanz deutete und zu ihr sagte: »Du wirst ihm wohl etwas auf die Sprünge helfen müssen, Schätzchen!«

Gott sei Dank, kapierte sie schnell. Ganz langsam ging sie vor mir auf die Knie und blickte verrucht zu mir auf. Ich packte sie am Kopf und zeigte ihr genau, wie ich es haben wollte.

In schnellen rhythmischen Bewegungen stieß ich tief in ihren heißen Mund. Genüsslich schloss ich die Augen und stellte mir dabei Alexa vor.

Mit diesem Bild vor Augen spürte ich, wie sich der Druck aufbaute. Deshalb zog ich „Barbie“ zur Pritsche neben der Tür, schob sie darauf und drängte mich zwischen ihre bereits weit gespreizten Beine.

In aller Eile zog ich mir ein Kondom über. Mit einem Ruck riss ich ihre Hose runter, zerfetzte ihren kleinen String und schob mich hart in sie hinein.

Erst schrie „Barbie“ leise auf, doch dann fing sie auch schon vor lauter Lust zu wimmern an. Ich gab ihr einen kurzen Moment, um sich an meine Größe zu gewöhnen.

Dann fickte ich sie schnell und hart, genau so, wie sie es von mir erwartete. Da ich kein zu großes Arschloch sein wollte, ließ ich meine Hand langsam zwischen Ihre Beine gleiten und verwöhnte ihre kleine Perle, sodass sie ebenfalls zum Orgasmus kommen konnte.

Als auch ich dann endlich die Erlösung fand, war es nicht besonders befriedigend für mich. Kein Vergleich zum Sex mit meiner verdammten Ex.

 

***

 

Nach wie vor stand Lucy vor Behandlungsraum Nummer 3 und wartete gespannt auf eine Reaktion von mir.

»Also letztens«, fing ich an, »war es wirklich sehr nett mit dir, aber … du weißt schon, dass ich an keiner festen Beziehung mit dir interessiert bin, oder?«

Im ersten Moment wirkte sie etwas blass um die Nase.

Mist.

Den Schock schien sie jedoch recht schnell überwunden zu haben.

»Ja klar, wusste ich das«, versuchte sie, sich betont lässig zu geben. »Kein Problem für mich. Ich bin nicht so eine, die dir gleich nach dem ersten Fick einen Ring an den Finger stecken möchte.«

Wer´s glaubt!

Sichtlich angepisst, drehte sie sich um und verschwand, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ganz toll, Max. Das lief ja wirklich super!

 

Kapitel 4

 

 

Stimmen. Alles war verschwommen. Langsam löste sich der dunstige Nebel, als ich versuchte, eines meiner Augen zu öffnen.

Nein. Ich konnte noch nicht zurück. Es war zu schmerzhaft.

Erschöpft ließ ich mich wieder in den sicheren Dämmerzustand zurückgleiten. Da …, erneut dieses Stimmengewirr.

Ja. Eindeutig Stimmen und ein fürchterliches, nervtötendes Piepen: piep – piep – piep …

Bei meinem ersten Versuch, tief durchzuatmen, schmerzte mein Brustkorb so sehr, dass jeder einzelne Atemzug für mich zur Qual wurde.

»Ich glaube, sie kommt zu sich«, sagte auf einmal ein Mann an meiner rechten Seite. »Hallo? Kannst du mich hören, Kleines?«

Kurz verkrampfte ich mich, aber es war nicht das „Monster“.

Gott sei Dank. Nein.

Diese Stimme war ganz anders. Sie klang angenehm warm, tief und sehr selbstsicher. Nicht aggressiv, dröhnend oder gar verletzend. So absurd es auch sein mochte, mich überkam plötzlich ein tiefes Gefühl von Sicherheit.

»Hallo?«, hörte ich ihn abermals rufen.

Wieder bei klarem Verstand, wollte ich ihm gerne antworten, doch ich schaffte es einfach nicht.

»Sie muss große Schmerzen haben«, sprach er weiter, »sie hat mehrere Rippenbrüche. Ausreichend Schmerzmittel habe ich ihr bereits intravenös verabreicht. Die Kopfwunde wurde geklammert. Ich mache mir noch etwas Sorgen, da sie doch eine recht lange Zeit ohne Bewusstsein war. Um tief greifendere Verletzungen des Schädels ausschließen zu können, sollte heute Nachmittag noch ein MRT zur ergänzenden Diagnostik erfolgen. Aber sie scheint jetzt allmählich wieder zu sich zu kommen.«

Kurz darauf hörte ich einen weiteren Mann sprechen.

»Gut gemacht, Dr. Gregory. Ich werde Sie gleich ablösen. Sie sind bereits seit über 24 Stunden auf den Beinen. Ich rede noch schnell mit den Beamten, und dann können Sie nach Hause.«

Über was zur Hölle redeten die hier eigentlich? Etwa über mich? Wo war ich? Was war denn nur passiert?

Panik machte sich in mir breit. Ich rang krampfhaft nach Atem. Wieder schoss dieser fürchterliche Schmerz durch meine Brust. Mir wurde übel.

Jetzt bloß nicht kotzen!

Ich ballte die Hände zu Fäusten und konzentrierte mich darauf, nicht zu tief einzuatmen.

Ein – aus – ein – aus … Okay, ich konnte das. Einfach ruhig bleiben, Kate!

Plötzlich fiel mir wieder alles ein. Seine Faust, die mich mit voller Wucht traf und mich gegen die Wand schleuderte, bei meinem Versuch, Colin zur Hilfe zu eilen. Dabei muss ich wohl mit dem Oberkörper die verdammte Kommode gestreift haben, was auch erklären würde, weshalb meine Rippen und mein gesamter Brustkorb so höllisch schmerzten.

Natürlich erinnerte ich mich jetzt auch an seine letzten Worte, bevor ich in die erlösende Schwärze abtauchen konnte: Du nichtsnutziges, kleines Miststück wirst deine dreckige Schnauze halten. Hast du mich verstanden? Sonst mache ich euch alle kalt. Du bist nur über deine eigenen tollpatschigen Füße gestolpert … ist das klar?

Atme, Kate.

Mit meiner ganzen Willenskraft versuchte ich noch einmal, die Augen zu öffnen. Das rechte schien verletzt zu sein, es fühlte sich irgendwie geschwollen an.

Das linke Auge hingegen war okay. Vorsichtig bemühte ich mich, das gesunde Auge zu öffnen, doch das Licht blendete mich. Alles war furchtbar hell. Gegen den Reflex ankämpfend, das Auge gleich wieder zu schließen, zwang ich mich, meine Umgebung genauer wahrzunehmen.

Oh nein. Das durfte doch nicht wahr sein. Und jetzt?

Ich befand mich eindeutig in einem Krankenhaus. Um genau zu sein, in der Notaufnahme, da war ich mir ganz sicher. Das letzte Mal war ich hier, als er mir vor nicht allzu langer Zeit den Arm gebrochen hatte. Nun kamen auch schon die Tränen, ohne dass ich irgendetwas dagegen tun konnte.

Jetzt würden erneut die ganzen Fragen und misstrauischen Blicke beginnen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich ihnen dieses Mal meine schweren Verletzungen erklären sollte. Wie aus dem Nichts strich plötzlich eine Hand sanft über meine Wange. Die Berührung tat unendlich gut und fühlte sich sehr tröstlich an.

»Alles wird gut, Kleines. Hab keine Angst«, sagte er ruhig.

Unter Schmerzen drehte ich zögerlich den Kopf in Richtung dieser Stimme und schmiegte mich dabei, wie ein kleines Kätzchen, in seine großen behütenden Hände. Ich öffnete die Augen und sah ihn zum ersten Mal. Den Mann, dessen Stimme mir das Gefühl gab, mich beschützt und geborgen fühlen zu können.

Er war groß. Mindestens 1,90 Meter, dunkles, zerzaustes Haar und stahlblaue Augen.

Diese Augen. Sie erinnerten mich an einen tiefen, klaren Bergsee.

Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter. Der Blick des Arztes wurde auf einmal so intensiv, dass ich das Gefühl hatte, er könnte bis in mein Innerstes blicken.

Das war zu viel.

Doch er hob wissend eine Augenbraue, und mir wurde klar, dass er mich bereits durchschaut hatte. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und wartete ängstlich, was er als Nächstes tun würde. Sein Blick wurde sanfter, und er sah mich auffordernd an. Gerne würde ich ihm alles erzählen, diesem fremden jungen Arzt mit den durchdringenden Augen, die alles zu wissen schienen.

Aber … ich konnte nicht … ich durfte nicht! Das Monster würde uns alle töten!

Ich schmeckte Blut, so fest hatte ich mir auf die Lippe gebissen. Wie in Zeitlupe ließ ich sie zwischen meinen Zähnen hinausgleiten, und sofort fing sie unkontrolliert zu zittern an. Tränen sammelten sich erneut in meinen Augenwinkeln, und ich schluchzte laut auf.

»Bitte, sag mir, was wirklich passiert ist«, drängte der junge Arzt mich sanft.

Nein.

Seine Hand lag immer noch auf meiner Wange. Mit seinem Daumen wischte er eine einzelne verirrte Träne aus meinem zerschundenen Gesicht.

Zitternd rang ich nach Atem. Dann wollte ich es ihm einfach sagen. Wollte hinausschreien, was dieser Arsch uns jeden Tag antat, wie er mich mit seinen Worten und seinen brutalen Schlägen jeden Tag aufs Neue verletzte.

Jetzt.

Ermutigend nickte er mir zu und streichelte mir dabei unablässig über die Wange. Auf einmal wurde es hektisch, vor der Tür entstand ein riesen Tumult.

Er war da. Ich konnte ihn hören. Die Tür wurde aufgerissen. Neil und meine verheulte Mutter betraten, dicht gefolgt von zwei bulligen Polizisten, den Behandlungsraum. Schnell blickte ich zu dem jungen Arzt, der in diesem furchtbaren Augenblick so unwirklich schön zu sein schien.

Er glich dem Prinzen aus meinen Fantasy-Romanen. Da rettete der Prinz die Prinzessin, und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.

Doch dies war keiner dieser Romane … nein … nur mein eigenes verdammtes Leben.

Ich war gerade mal 13 Jahre alt. Der Held rettete immer schöne, junge Prinzessinnen, keine unscheinbaren kleinen Mädchen.

Unsere Blicke waren noch weiterhin fest ineinander verhakt. Sofort erkannte ich den Moment, in dem meinem Arzt bewusst wurde, dass ich ihm mein Geheimnis doch nicht anvertrauen konnte.

»Nein«, hörte ich mich selbst flüstern, »es tut mir leid.«

Kurz flackerte Enttäuschung in seinem Gesicht auf. Der magische Moment war verflogen.

Mein Prinz ließ seine Hand von meiner Wange gleiten, und augenblicklich verschwand das Gefühl von Wärme und Sicherheit, so als ob es nie dagewesen wäre.

Ruckartig erhob sich der junge Arzt von der Liege und verließ, ohne einen letzten Blick zurück, das Behandlungszimmer.

»Nein! Bleib! Lass mich nicht mit ihnen zurück!«

Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Ich hatte furchtbare Angst, wieder allein mit ihm zu sein.

 

***

 

Die Augen meines Stiefvaters fixierten mich, doch dann löste er abrupt seinen Blick und wiederholte noch einmal, an die Polizisten gewandt, seine erfundene Version der Geschichte, wobei er sehr überzeugend den besorgten und fürsorglichen Vater spielte.

»Meine Tochter braucht zuerst einmal Ruhe«, meinte er scheinheilig. »Morgen können Sie gerne selbst mit ihr über den Unfall sprechen. Sehen Sie denn nicht, wie erschöpft sie immer noch ist?«

Scheinbar voller Sorge legte er seine Hand auf meinen Oberarm und drückte unbemerkt zu. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich beobachten, wie meine Mutter die beiden Beamten vor die Tür begleitete.

»Lass mich!«, wisperte ich hilflos und wand mich unter seinem unnachgiebigen Griff.

Verzweifelt versuchte ich, seine grobe Hand abzuschütteln, doch seine Finger spannten sich fest wie ein Schraubstock um meinen Arm.

»Ich werde es dir nur einmal sagen, du kleines Miststück«, knurrte er hinter zusammengebissenen Zähnen. »Glaube nicht, dass es jetzt vorbei ist. Nein, Schätzchen! Es fängt gerade erst an!«

 

Kapitel 5

 

 

Zehn Jahre später …

 

Für einen Frühlingsmorgen empfand ich es heute verdammt kühl. Ärgerlich zog ich die Enden meiner dünnen Jacke auf der Vorderseite enger zusammen.

Wenn doch nur dieser blöde Reißverschluss funktionieren würde.

Nach zwei weiteren Fehlversuchen gab ich schließlich resigniert auf. Es hatte ja eh keinen Zweck. Die Jacke hatte ihre beste Zeit schon längst hinter sich. Mit dem lausigen Gehalt vom Diner kam so ein Luxus wie trendige neue Klamotten wirklich nicht infrage. Also musste ich wohl oder übel die Zähne zusammenbeißen und den Weg bis zum Diner frierend hinter mich bringen.

Ich bog um die Ecke, als mir „Mr. T“, völlig zugedröhnt von seinem nächtlichen Ausflug, entgegenkam.

Oh nein, das hatte mir gerade noch gefehlt.

Nicht, dass „Mr. T“, wie er sich lächerlicherweise selbst nannte, gefährlich für mich gewesen wäre. Nein. Ich empfand ihn nur als äußerst nervigen Jungen, der gut daran täte, sein Leben endlich einmal selbst in die Hand zu nehmen, anstatt hier nur nutzlos rumzuhängen und sich mit irgendwelchen Drogen vollzupumpen.

Es war mir sowieso schleierhaft, wo diese Kids das ganze Geld dafür herbekamen. Nein, eigentlich konnte ich mir denken, wie sie an das Geld kamen, aber um ehrlich zu sein, wollte ich es lieber nicht so genau wissen.

Glücklicherweise war es mir vor ein paar Jahren gelungen, Colin aus der Schusslinie von Neil und diesem kriminellen Wohnviertel zu holen. Ich mochte mir gar nicht erst vorstellen, welchen schlechten Einfluss diese Umgebung für einen 16-jährigen pubertierenden Teenager gehabt hätte.

Colin hasste mich zwar damals dafür, dass ich ihn bei unserer einzigen entfernten Verwandten untergebracht hatte, aber mittlerweile konnte er diese Entscheidung besser nachvollziehen, obwohl er immer noch alles andere als glücklich darüber war, dass ich mich weiterhin dieser Hölle aussetzte.

Wenn ich zu erklären versuchte, dass doch schließlich einer von uns weiterhin ein Auge auf unsere Mum haben musste, reagierte er oft sehr ungehalten. Doch was hatte ich denn schon für eine Wahl? Für uns zwei wäre bei Tante May einfach nicht genug Platz gewesen. Sie war sowieso nicht mehr die Jüngste, und mit ihrer kleinen Rente schaffte sie es kaum, sich selbst über Wasser zu halten.

Ich ließ ihr, seitdem sie Colin bei sich aufgenommen hatte, einen monatlichen Scheck zukommen. Viel war es zwar nicht, aber es reichte, um den beiden ein einigermaßen passables Leben zu ermöglichen. Der Rest meines armseligen Einkommens ging für die Miete und Lebensmittel drauf. Glücklicherweise konnten sich die Trinkgelder im Diner sehen lassen, die mir bereits das eine oder andere Mal aus der Patsche geholfen hatten.

Seit einem Jahr hatte ich zusätzlich verschiedene Putzstellen angenommen, mit denen ich mein Taschengeld aufzubessern versuchte.

»Na, Süße … «, riss mich „Mr. T“ mit seiner krächzenden Stimme aus den Gedanken.

»Na, ‚Mr. T‘«, entgegnete ich knapp und bemühte mich, zügig weiterzugehen, in der Hoffnung, seinem blöden Gequatsche entkommen zu können.

»Hey, wo willst du denn so schnell hin, Süße?« Er drehte sich um und joggte mir hinterher.

Scheiße.

Genervt drehte ich mich zu ihm um.

»Bin auf dem Weg zur Arbeit. Ich bin spät an!«

Zur Verdeutlichung meiner Antwort, tippte ich vielsagend mit dem Finger auf meine Uhr.

»Es ist doch noch mitten in der Nacht. Wer arbeitet denn schon um diese Zeit?«

Lachend schlug er sich wie der letzte Vollidiot mit der flachen Hand gegen die Stirn, als hätte er einen ganz tollen Witz gemacht.

»‚Mr. T‘, wir haben fünf Uhr morgens und nicht mitten in der Nacht. Ich würde glatt behaupten, dass viele berufstätige Menschen jetzt schon auf den Beinen sind und einer geregelten Arbeit nachgehen«, antwortete ich entnervt.

»Hä?« Verwirrt kratzte er sich am Kopf.

So langsam verlor ich die Geduld mit diesem Vollpfosten. Die ganzen Drogen hatten wohl bereits mehr Schaden bei ihm angerichtet, als ich bisher vermutet hatte.

»Du, ich muss jetzt wirklich los. Wir reden ein anderes Mal darüber, okay?«

»Okay … cool.«

Zufrieden drehte er sich um und schlenderte davon.

Oh, Mist. Ich musste mich wirklich sputen, sonst würde ich den nächsten Anpfiff meines mürrischen Chefs kassieren.

 

 

„Joe´s Diner“ war eines der besten Schnellrestaurants, in denen ich bis jetzt arbeiten durfte. Vor Kurzem hatte ich meiner alten Heimatstadt den Rücken zugekehrt, um in das kleine Appartement meiner Grandma zu ziehen, das sie mir nach ihrem Tod vererbt hatte. Sie war, nach dem Unfalltod meiner Eltern sowie meiner jüngeren Schwester, die einzige noch lebende Verwandte gewesen.

Als auch sie plötzlich verstarb, traf mich die Nachricht umso härter. Glücklicherweise fand ich gleich nach meinem Umzug einen Job in diesem angesagten Diner.

Hier fühlte man sich wie in eine andere Zeit versetzt. Sowohl innen als auch außen lebte der Stil der 50er- und 60er-Jahre wieder auf. Das Restaurant wurde einem alten Speisewagen nachempfunden. Seine Form war schmal und länglich. Im Innenbereich dominierte die riesige Bedienungstheke, und dahinter befand sich der doch recht kleine Küchenbereich, in der einfache und schnelle Gerichte zubereitet wurden.

Entlang der Vorderseite des Tresens standen zahlreiche hohe Lederstühle für die Gäste bereit. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine Reihe von Tischen mit roten Ledersitzbänken.

Fast rund um die Uhr hatte man hier alle Hände voll zu tun. Ich sah hinüber zur anderen Seite der Theke. Kate balancierte gerade gekonnt mehrere Teller gleichzeitig zu einem der Tische.

Sie war eine richtige Schönheit, mit langen schwarzen Haaren, die ihr offen knapp bis über den Po reichten. Ihre zierliche Figur zog alle Blicke auf sich. Von Weitem konnte ich beobachten, wie einer der Typen sie plötzlich grob am Handgelenk packte und sie festhielt.

»Hey, Süße!«, tönte er lautstark vor seinen Kumpels und ließ dabei gierig seine glasigen Augen über ihren Körper gleiten.

»Bitte, lass das!« Kate begann, sich zu winden und versuchte, sich vergeblich aus seinem Griff zu befreien.

»Was bist du denn so prüde, Kleines? Ich will doch nur deine Nummer, dann können meine Kumpels und ich nachher mit dir ein wenig Spaß haben«, prahlte er weiter.

Starr ihre Augen auf den umklammerten Arm gerichtet, wurde sie ganz blass im Gesicht. Sie war mit der Situation sichtlich überfordert.

Was sollte das werden? Jetzt reichte es aber.

Wütend ging ich am Tresen entlang und blieb direkt vor diesem Arschgesicht stehen.

»Lass sie sofort los!«, zischte ich durch meine zusammengebissenen Zähne.

Erschrocken über meinen rauen, bestimmenden Ton löste er seine Hände und zog sie in einer beschwichtigenden Geste zurück.

»Schon gut. Reg dich ab! Ich wollte doch nur die Nummer von der Süßen haben.«

Ärgerlich schnaubte ich auf. »Falls es dir entgangen sein sollte, befinden wir uns hier in einem Schnellrestaurant und nicht auf einer Kontaktbörse. Also iss deine Eier, und lass sie gefälligst in Ruhe ihre Arbeit machen.«

Ich hasste es, wenn solche Typen uns als Freiwild betrachteten. Natürlich entging mir nicht, dass Kate neben mir zu zittern begonnen hatte und krampfhaft versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen.

»Komm! Wir machen eine kurze Pause.«

Aufmunternd lächelte ich ihr zu und gab ihr ein Zeichen, mir in den Pausenraum zu folgen. Gerne hätte ich sie kurz in eine Umarmung gezogen, sie an mich gedrückt und beteuert, dass alles nur halb so schlimm sei. Aber ich konnte es nicht. Und ich hasste mich dafür.

 

 

Durch den Vorfall immer noch völlig aufgelöst, ging ich mit Trish rüber zu unserem Pausenraum.

Unendlich dankbar, dass sie mich aus dieser unangenehmen Situation gerettet hatte, lächelte ich sie an. Doch Trish reagierte überhaupt nicht darauf, sie schien weiterhin ziemlich aufgebracht zu sein.

Wütend stapfte sie hin und her, wobei ihre langen, blonden Korkenzieherlocken fröhlich auf und ab wippten. Ihre großen türkisfarbenen Augen sprühten Funken. Ihren tollen Kussmund hatte sie zu einer schmalen Linie fest zusammengepresst.

Mit gerade mal 1,53 Metern sah sie wie ein kleiner Racheengel aus. Ich mochte sie, schoss es mir durch den Kopf.

»Danke«, sagte ich nun laut, damit Trish es auch hören konnte. »Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Wenn … mich jemand unvermittelt so hart anpackt, bin ich wie erstarrt und kann mich kaum noch rühren. Ich bekomme keine Luft mehr, und mein Herz beginnt, zu rasen. Ich weiß nicht, wie ich dir das anders erklären soll?!«

Trish blieb stehen und blickte bei meinen Worten stumm zu Boden. Meine sonst so taffe Kollegin kämpfte doch nicht etwa mit den Tränen? Beschämt wendete sich Trish ab, in der Hoffnung, dass ich nichts davon bemerken würde.

Ich ging auf sie zu, um sie in meine Arme zu schließen, da ich auf einmal das eigenartige Gefühl hatte, sie trösten zu müssen. Mit beiden Armen umschlang ich sie von hinten und zog sie liebevoll an mich heran. Bei der ersten Berührung zuckte sie heftig zusammen.

»Nein! Nicht anfassen!«, zischte sie mich an.

Warum?

Ich wich ein paar Schritte zurück, um wieder mehr Distanz zwischen uns zu bringen.

»Trish, ich … wollte dich doch nur in den Arm nehmen. Habe ich irgendetwas falsch gemacht«, fragte ich ehrlich besorgt.

»Nein«, flüsterte sie kaum hörbar, »es liegt nicht an dir, sondern an mir. Aber das ist eine andere Geschichte.«

Ich beschloss, nicht weiter nachzubohren, und betrachtete nachdenklich die zierliche junge Frau.

Obwohl ich Trish noch nicht lange kannte, hatte ich sie in dieser kurzen Zeit bereits in mein Herz geschlossen. Ich konnte es ganz deutlich spüren. Es gab ein unsichtbares Band, das uns auf unerwartete Weise zusammenschweißte. Denn beide hüteten wir offensichtlich ein dunkles Geheimnis.

 

Kapitel 6

 

 

So ein Mist.

In aller Herrgottsfrühe musste ich in dieser Woche bereits zum zweiten Mal zur Baustelle ausrücken. Durch die spärlichen Informationen meines Bauleiters wusste ich, dass mehrere Elemente für die geplante riesige Glasfront in der Eingangshalle zum wiederholten Male in der falschen Größe geliefert worden waren. Als Architekt und Projektleiter trug ich die Hauptverantwortung für den Bau des neuen Fünf-Sterne-Hotels. Heute würde ich mit dem Bauleiter und dem ersten Vorarbeiter das weitere Vorgehen besprechen.

Der Termin für die Fertigstellung rückte unerbittlich näher. Wir mussten entscheiden, welche Arbeiten am besten vorgezogen werden könnten, damit nicht noch mehr unnötige Zeit verloren ging. Eine erneute Verzögerung würde den geplanten Fertigstellungstermin extrem gefährden.

Die Nichteinhaltung hätte eine hohe Vertragsstrafe zur Folge.

Schöne Scheiße! Als ob ich nicht schon genügend andere Probleme um die Ohren hätte.

Mein neustes großes Projekt, der Bau eines Casinos in Vegas, stand bereits in den Startlöchern. Demnächst würde ich mich selbst auf den Weg in die Wüstenstadt begeben müssen, um mir direkt vor Ort einen ersten Eindruck von den dortigen Gegebenheiten zu verschaffen.

Erfreulicherweise nahm der Termin an der Baustelle nicht so viel Zeit in Anspruch, wie gedacht, sodass mir jetzt noch eine Stunde bis zu meinem nächsten Meeting blieb. Es lohnte sich nicht, nach Hause zu fahren, und hungrig war ich auch.

Kurzer Hand hielt ich nach einem Café Ausschau. Eine Straße weiter wurde ich bereits fündig. In großen Lettern prangte das Schild „Joe´s Diner“ über der Tür.

Schon von Weitem konnte ich sehen, dass es sich hier um eines dieser originellen Diners im Stil eines alten Eisenbahnwagons handelte.

Neugierig blickte ich durchs Fenster. Ein nostalgisches Gefühl machte sich in mir breit. Die schwarz-weiß karierten Bodenfliesen, die alten roten Lederhocker an der Theke und die obligatorische Jukebox verliehen auch diesem hier eine ganz besondere Note.

Beim Betreten schlug mir direkt der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee entgegen.

Hm.

Trotz dieser unchristlichen Zeit, war hier bereits jede Menge los. Ich nahm auf einem der freien Sitzbänke am Fenster Platz und griff nach der Speisekarte. Während ich mich immer noch nicht so recht zwischen den Pancakes, dem Rührei und den Donuts entscheiden konnte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass sich eine Bedienung meinem Tisch näherte.

»Einen Kaffee?«, fragte mich eine freundliche Stimme.

Mein Blick löste sich von der Speisekarte. Im ersten Moment verschlug es mir die Sprache.

Fuck.

Vor mir stand mit Abstand das bezauberndste Wesen, das mir in meinem bisherigen Leben begegnet war. Normalerweise war ich nicht der Typ für irgendwelche Gefühlsduseleien, aber bei diesem Anblick bekam selbst so ein harter Kerl wie ich vor Aufregung Herzklopfen und feuchte Hände.

»Ja. Sehr gerne«, gab ich lächelnd zurück, nachdem ich endlich meine Sprache wiedergefunden hatte.

Sie füllte mir die leere Tasse mit heißem, dampfendem Kaffee, und ich nutzte die Gelegenheit, um das Mädchen noch einmal genauer zu betrachten. Sie trug die für Kellnerinnen im Diner typische Uniform. An sich wäre das ja nichts Besonderes gewesen, wenn die Kleine, die in diesem Outfit steckte, nicht so eine hammergeile Figur gehabt hätte.

Das war noch nicht das Beste an ihr. Ihre Haare gehörten eigentlich verboten. Hiermit konnte sie vermutlich jedes männliche Wesen in den Wahnsinn treiben. Ich konnte mir jetzt schon bildlich vorstellen, wie ich in ihr langes, dunkles Haar griff und ihren Kopf nach hinten zog, während ich sie von hinten …

Stopp. Kopfkino.

Ich musste mich sofort zusammenreißen und auf andere Gedanken bringen. Dabei hatte ich nur den großen Fehler begangen, in ihr bezauberndes Gesicht zu blicken. Als sie dann auch noch diesen herrlichen, erotischen Mund mit ihren prallen Lippen öffnete, um mich zu fragen, ob sie sonst noch etwas für mich tun könnte, fielen mir lediglich jede Menge unanständige Sachen ein.

Froh darüber, dass mein Schwanz für sie nicht sichtbar unter dem Tisch versteckt war, atmete ich zuerst einmal tief durch. Nachdem ich wieder einen einigermaßen klaren Gedanken fassen konnte, gab ich meine Bestellung auf.

»Ich nehme die Eier mit Speck.«

Angestrengt dachte ich darüber nach, was ich sonst noch Schlaues von mir geben könnte, aber mein Hirn schien wie leergefegt.

Verdammt!

In der Zwischenzeit brachte sie meine Bestellung zur Küche. Mit offenem Mund glotzte ich ihr auf den Hintern.

Fehlte nur noch, dass ich zu sabbern anfing.

Kurz darauf servierte sie mir gekonnt, mit einem atemberaubenden Lächeln, einen riesigen Teller Rührei mit Speck.

»Darf es sonst noch was sein?«

Aufmerksam sah sie mich an und wartete auf eine Antwort.

»Ja«, rutschte es mir bereits, ohne großartig darüber nachzudenken, heraus.

Mist.

Abwartend stand die kleine Kellnerin mit hochgezogener Augenbraue vor mir.

Na, schöne Scheiße. Denk nach, Josh.

»Also …«, stammelte ich verlegen vor mich hin und strich mir nervös mit der Hand über den Nacken, »… hättest du vielleicht Lust, mir kurz Gesellschaft zu leisten? Ich frühstücke nicht gerne alleine. Natürlich nur, wenn du möchtest und keinen Ärger mit deinem Chef bekommst?!«

Irritiert starrte sie mich einen Augenblick lang an.

Oh Mann, ich war solch ein Idiot. Ich könnte mich glatt selbst ohrfeigen. Ich hatte es total vermasselt.

»Äh, es tut mir leid, vergiss es einfach.«

Peinlich berührt senkte ich den Blick auf mein Essen und stocherte verlegen mit der Gabel darin herum. Immer noch regungslos stand sie an meinem Tisch und machte keinerlei Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen.

»Okay, ein paar Minuten habe ich Zeit. Ich hätte eh gleich Pause«, sprach sie mehr zu sich selbst.

Was?

Sie setzte sich tatsächlich an meinen Tisch und goss sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein. Zaghaft belud ich meine Gabel mit einem Stück Ei, steckte es mir in den Mund und versuchte dabei, ihrem bohrenden Blick auszuweichen. Krampfhaft suchte ich nach einem unverfänglichen Gesprächsthema, aber mir fiel absolut nichts Passendes ein. Da war nur gähnende Leere. Bevor es noch peinlicher werden konnte, räusperte sie sich und fing an, zu sprechen.

»Soll ich doch lieber wieder gehen?«

Ich löste die Aufmerksamkeit von meinem Teller und sah in ihre atemberaubenden Augen. Verlegen neigte sie den Kopf zur Seite.

Wie süß.

»Nein. Bleib, bitte!«

Nach einer kurzen Pause nahm ich all meinen Mut zusammen und gestand ihr einfach, wie es war.

---ENDE DER LESEPROBE---