Ich geh nach Hause! - Uli Zeller - E-Book

Ich geh nach Hause! E-Book

Uli Zeller

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Beschreibung

Handlicher Ratgeber mit vielen Praxistipps zum richtigen Umgang mit Menschen mit Demenz für Pflege- und Betreuungskräfte in der Altenpflege sowie für pflegende Angehörige zu Hause +++ Pflege- und Betreuungskräfte wie auch pflegende Angehörige sind oft im Stress und müssen sich vielen Herausforderungen stellen. Dieser kleine Praxishelfer für die Altenpflege gibt Ihnen kompetenten Rat zum Umgang mit Menschen mit Demenz. Dabei beschränkt er sich ganz bewusst aufs Wesentliche – kurz, knapp, klar verständlich und mit maximalem Praxisnutzen für Ihren Betreuungs- und Pflegealltag. Typische Fallbeispiele und Situationen, in denen Sie sich bestimmt sofort wiederfinden, sowie humorvolle Cartoons bilden den Einstieg in jedes Kapitel. In den kurzweiligen, kompakten Kolumnen finden Sie dann Antworten zu allen Fragen und viele konkrete Tipps zum schnellen Nachlesen und Umsetzen. Der richtige Umgang bei herausforderndem Verhalten und mit Senioren, die die Pflege und Betreuung verweigern ("Ich bin nicht schwerhörig und nicht doof!"); die richtige Kommunikation bei Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen und Angehörigen; Tipps für die Beschäftigung und das Wecken von Erinnerungen bei Senioren mit Demenz; bis hin zu den sensiblen Themen Sterben und Tod: Das kompakte (Basis-)Wissen für die Altenpflege begleitet Sie zuverlässig durch alle Situationen und rüstet Sie für alle erdenklichen Szenarien. Das handliche Taschenbuch ist ein echter "Rat-Geber" – für einen wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz, der Ihre Kräfte schont und allen ganz viel gibt.

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Seitenzahl: 93

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Impressum

Titel

Kleine Helfer für die Altenpflege

Ich geh nach Hause!

111 Tipps zum Umgang mit Menschen mit Demenz

Autor

Uli Zeller

Titelbildmotive

© alison1414 (Dame) – Fotolia.com; © Olga Kovalenko (Hintergrund Wand), © annagolant (Button), © Elaelo (Hand) © KatyaKatya (Muster „Pinselstrich“) – alle stock.adobe.com

Illustrationen im Innenteil

Kapiteldeckblätter: © Norbert Höveler; Tipp-Glühbirne: © Verlag an der Ruhr

E-Book-Herstellung und Auslieferung

readbox publishing, Dortmund www.readbox.net

Verlag an der Ruhr

Mülheim an der Ruhr

www.verlagruhr.de

Urheberrechtlicher Hinweis

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Der Verlag untersagt ausdrücklich das Herstellen von digitalen Kopien, das digitale Speichern und Zurverfügungstellen dieser Materialien in Netzwerken (das gilt auch für Intranets von Pflege- und Altersheimen sowie Bildungseinrichtungen), per E-Mail, Internet oder sonstigen elektronischen Medien außerhalb der gesetzlichen Grenzen. Keine gewerbliche Nutzung.

Soweit in diesem Produkt Personen fotografisch abgebildet sind und ihnen von der Redaktion fiktive Namen, Berufe, Dialoge u. Ä. zugeordnet oder diese Personen in bestimmte Kontexte gesetzt werden, dienen diese Zuordnungen und Darstellungen ausschließlich der Veranschaulichung und dem besseren Verständnis des Inhalts.

© Verlag an der Ruhr 2019,Version 2021

E-Book ISBN 978-3-8346-4244-8

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Meine Rolle

Bewohner verweigert Aktivierung

Was mache ich, wenn ich scheitere?

Bevor ich mich aufreg, ist’s mir lieber egal

Drei Fehler in 33 Sekunden

Machen Sie bloß die Charts aus!

Eigentlich bin ich der Beschenkte

Wofür stehe ich eigentlich?

Viel Grund zum Danken

Erinnerungen wecken

Poesiealbum: „Froh zu sein, bedarf es wenig …“

Fotos: „Schauen Sie mal. Da war ich noch ein Kind …“

Zeitgeschichte: „Das waren meine 50er-Jahre …“

Bauernregeln: „Kräht der Hahn auf dem Mist …“

Sprichwörter und Redewendungen: „Jeder ist seines Glückes Schmied“

Singen: „Wo man singt, lass dich ruhig nieder“

Vorlesen: „Erzählen Sie mir eine Geschichte“

Kommunikation

Die kriegen ja nichts mehr mit

Kommen Sie mir nah – bleiben Sie weg

Du, Frau Berger

Ich bin nicht schwerhörig und nicht doof

Gute Tipps für die Kommunikation

(Herausforderndes) Verhalten

Jetzt gibt’s gleich ’ne Ohrfeige

Ich geh nach Hause!

Gehen Sie weg von mir!

Einfache Lösungen sind oft die besten

Drei Tipps bei herausforderndem Verhalten

Humor

Unfreiwillig komische Situationen

Humorvolle Geschichten für Menschen mit Demenz

Verschiedene Sichtweisen: schwierige Angehörige und Kollegen

Konflikte sind Gratis-Weiterbildungen

Schwierige Angehörige – und jetzt?

Hab ich richtig gehört?

Erst mal Luft holen

Worum geht es eigentlich?

Durch das Jahr

Frühling: „Wie viel wiegt der Spargel?“

Sommer: „Einmal kühlen, bitte!“

Herbst: „Wir spielen mit Kastanien“

Winter: „Viel Spaß mit wenig Schnee“

Sterben

Der eine kann’s, der andere nicht

Frau Möllers Tod geht mir nahe

Meine Mutter hat ihren eigenen Kopf

Wer stirbt als Nächster?

Da kommt der Leichenwagen

Vorwort

Präsenzkraft Petra erzählt: „Neulich war ich bei Herrn Ludwig im Zimmer. Ich habe ihm beim Waschen geholfen. Dann saß Herr Ludwig im Badezimmer. Er ließ den Kopf hängen. ‚Ich habe so viel vergessen‘, klagte er. So kann er sich nicht mehr daran erinnern, dass ich ihm eben die Haare gekämmt habe. Aber er weiß noch genau, dass er am Tag seiner Hochzeit eine Fliege getragen hat. An diesem Morgen sagte Herr Ludwig zu mir: ‚Wissen Sie was, Schwester? Früher war ich auch mal wer!‘ Ich hatte noch viel Arbeit und kümmerte mich um die anderen Bewohner – aber immer wieder kam mir Herr Ludwig in den Sinn. Schließlich ging ich noch einmal in sein Zimmer und sagte: ‚Wissen Sie was, Herr Ludwig? Sie sind heute auch noch wer!‘“ Soweit Präsenzkraft Petra.

Ja, Herr Ludwig ist auch heute noch wer – obwohl ihm der Vorhang Demenz den Blick versperrt.

Demenz gleicht tatsächlich einem Vorhang: Häufig ist er zugezogen und versperrt so den Blick auf die eigene Vergangenheit. Das möchte ich mit folgender Geschichte erklären: Neulich war Herr Wagner auf der Autobahn unterwegs. Er fuhr zu einer Hochzeit. Deshalb baumelte sein Anzug hinter ihm an der Halteschlaufe vor dem Fenster des Rücksitzes. Der Anzug versperrte also etwas ungeschickt den Blick durchs hintere Fenster. Vor Herrn Wagner fuhr ein Lastwagen. Er schaute in den Rückspiegel und zur Seite und setzte den Blinker nach links. Da der Anzug im Weg hing, sah er beim Blick über die Schulter kein Hindernis und wollte auf die Überholspur ziehen. Da blendete es ihm 3-mal aus dem Rückspiegel entgegen – Lichthupe. Dann hörte Herr Wagner es hupen und ein blauer Audi rauschte auf der Überholspur an ihm vorbei.

Demenz – das äußert sich ein bisschen wie dieser Anzug, der im Weg hängt. Demenz ist wie ein Vorhang, der den Blick versperrt. Manches ist dadurch nicht sichtbar. Manches wird nicht erkannt. Oft klappt der Blick über die Schulter noch ohne Probleme. Das, was vor langer Zeit war, sieht man noch deutlich. Aber die jüngste Vergangenheit ist verloren gegangen. Herr Ludwig sieht sich noch als junger Mann am Tag seiner Hochzeit. Aber er kann sich nicht mehr daran erinnern, dass Petra ihm vor ein paar Minuten die Haare gekämmt hat. Der Blick zur Seite ist nicht mehr möglich. Der Vorhang Demenz hängt im Weg. Im Laufe einer Demenz wird dieser Vorhang immer mehr Teile der Vergangenheit verdecken. Der Blick in alle Richtungen wird zunehmend versperrt. Dennoch kann es sein, dass der Vorhang an einer Stelle auch wieder zur Seite rutscht und ein Blick auf Dinge möglich wird, die zuvor verborgen waren. Ganz unabhängig davon, welche Teile eines Lebens vom Vorhang Demenz gerade freigegeben werden und welche Teile verhängt sind: Herr Ludwig und alle anderen Menschen mit Demenz sind auch heute noch wer. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf schreibe ich dieses Buch. Ich erzähle von meinem Alltag in der Betreuung im Altenheim und lade Sie dazu ein, mich zu begleiten. Dabei werde ich 111 Tipps formulieren und selber wohl am meisten lernen. Und vielleicht hilft mein ein oder anderes Aha-Erlebnis auch Ihnen weiter.

Jede einzelne Kolumne in diesem Buch ist für sich alleine lesbar. Ebenso kann man nur einzelne Tipps lesen. Aber natürlich ergänzen sich die Kolumnen und Tipps gegenseitig und beleuchten den Umgang mit Menschen mit Demenz aus unterschiedlichen Perspektiven.

Weitere Kolumnen von mir, mit Tipps und Gedanken zum Thema „Demenz“, finden Sie jede Woche neu unter dem Titel „Uli & die Demenz“ auf der Internetseite von .

Ihr Uli Zeller

Logo: © Fromm Blumenröder Sudahl GbR

Bevor ich mich mit anderen Menschen auseinandersetze, scheint es mir wichtig zu sein, zuerst meine eigene Rolle zu klären. Wer bin ich? Wo befinde ich mich im System? Was sind eigentlich meine Erwartungen? Wie gehe ich damit um, wenn ich scheitere?

Bewohner verweigert Aktivierung

„Das Wetter ist schön und ideal für einen Spaziergang. Kommen Sie auch mit, Herr Schäfer?“, frage ich. „Nein, danke“, antwortet Herr Schäfer. In Ordnung. Dann eben nicht. Dann nutze ich das schöne Wetter eben aus und spaziere mit denen, die gern an die frische Luft möchten …

Kurz vor Feierabend sitze ich für die Dokumentation am Computer. Ich klicke das Profil von Herrn Schäfer an und tippe ein: „Bewohner verweigert Aktivierung“.

Einige Tage später lese ich die Dokumentation über Frau Bauer. Meine Kollegin Janine hat Bingo angeboten und Frau Bauer hatte kein Interesse an dem Angebot. Deshalb hat Janine geschrieben: „Bewohnerin lehnt Aktivierung ab“.

Hm, denke ich, „ablehnen“ klingt schöner als „verweigern“. Ich surfe im Internet und suche nach der Bedeutung von „verweigern“. Auf der Internetseite von Duden werde ich fündig: „Verweigern“ bedeutet „sich verschließen“ oder „sich unzugänglich für etwas zeigen“. Naja, überlege ich, Herr Schäfer war schon zugänglich. Nur, er hatte halt gerade keine Lust auf einen Spaziergang … Nun gebe ich „ablehnen“ auf der Duden-Seite ein. Da steht: „nicht annehmen“. Mit anderen Worten: Wenn ich bei Herrn Schäfer dokumentiere, dass er eine Aktivierung verweigert, tue ich so, als ob er sich mir unterordnen müsse. Meine Kollegin Janine dagegen hat geschrieben: „Frau Bauer lehnt ab.“ Hoppla – da schwingt ja ein ganz anderes Bild vom Menschen mit:

Der Senior darf auch Nein sagen.

Janine räumt ihm das Recht ein, so viel wie möglich selbst zu entscheiden.

Selbst wenn er sich gegen ihre Angebote entscheidet: Er darf das.

Niemand muss an Janines Angeboten teilnehmen.

„Verweigern“ oder „ablehnen“ – was ein Wort alles verdeutlicht. Seit diesem Tag habe ich in diesem Zusammenhang übrigens nie wieder das Wort „verweigern“ benutzt. Danke, Janine!

Tipp 1: Akzeptieren Sie das Nein des Seniors.

Nicht der Senior ist dafür da, dass sich die Betreuungskräfte gut fühlen. Im Gegenteil, die Betreuungskräfte sind für das Wohlbefinden der Senioren verantwortlich.

Tipp 2: Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn ein Senior ein Angebot ablehnt.

Wahrscheinlich hat er gar nichts gegen Sie als Betreuungskraft. Vielleicht überfordert ihn die Situation, er mag diese Form der Aktivierung nicht oder er hat einfach keine Lust.

Was mache ich, wenn ich scheitere?

Ich blättere in einem Buch und suche Aktivierungsideen. Ah, eine tolle Idee: Wir könnten eine Vogelfutter-Station bauen! Ziemlich einfach und ziemlich genial:

Kokosfett erhitzen,

heißes Fett in eine alte Tasse füllen,

Vogelfutter in das Fett mengen,

einen Schaschlik-Spieß als Sitzgelegenheit für die Vögel in die Tasse stecken,

abkühlen lassen,

die Tasse mit einem Band am Henkel verbinden und an einen Baum hängen,

Vögel beobachten und sich daran erfreuen.*

Ich überlege: Was muss ich beachten? Was kann bei diesem Angebot alles schieflaufen? Die Bewohner können sich mit Fett verbrennen. Wenn ich nicht aufpasse, könnte jemand versehentlich Vogelfutter essen. Vielleicht sind einige Bewohner der Aufgabe nicht gewachsen und ich übersehe sie in der Betreuung. Es könnte auch sein, dass niemand teilnehmen will. Oder dass ich den Arbeitsplatz danach nicht sauber genug hinterlasse und sich meine Kolleginnen Sieglinde und Monika über mich ärgern müssen.

Aber: Es ist normal, dass Dinge schieflaufen, und Scheitern gehört zum Leben – frei nach dem Motto „Gescheit, gescheiter – gescheitert“. Doch wie gehe ich damit um, wenn etwas schiefläuft?

Tipp 3: Machen Sie sich bewusst, dass immer etwas schieflaufen kann.

Auch wenn Sie eine Betreuungsrunde sorgfältig und bedacht vorbereitet haben, kann etwas schiefgehen. Nehmen Sie sich selbst den Druck und gestehen sich Fehler zu. Mit Menschen zu arbeiten, bedeutet eben auch, dass unplanmäßige Situationen entstehen können. In diesen Situationen sind Kreativität und Improvisationstalent gefragt: Kein Senior möchte mitbasteln? Dann haben Sie zumindest schon mal das Thema „Vögel“ gewählt. Assoziieren Sie, welche Aktivierungen Sie zu diesem Thema spontan anbieten können, z. B. Vogelarten von A-Z sammeln oder Vögel beobachten und bestimmen.

Tipp 4: Denken Sie nach der Durchführung des Angebotes darüber nach, was nicht so optimal lief und was Sie nächstes Mal anders machen können.

Denn: Nur wer scheitert, wird gescheiter.

Außerdem hilft mir mein eigenes Scheitern, barmherziger mit anderen Menschen zu sein. Ich mache Fehler und andere Menschen haben Verständnis dafür. Genauso kann ich anderen zugestehen, Fehler zu machen, denn sie sind ebenso wenig perfekt wie ich.

* Diese und weitere Bastelideen finden Sie in: „Das große Bastelbuch für Senioren. 52 jahreszeitliche Ideen für die Betreuung“ vom Verlag an der Ruhr.

Bevor ich mich aufreg, ist’s mir lieber egal