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Wenn ein Familienmitglied dement wird, stellt das den gewohnten Alltag auf den Kopf. In diesem kompakten Ratgeber beantwortet Uli Zeller die wichtigsten Fragen rund um das Thema Demenz und gibt viele wertvolle Tipps aus seiner beruflichen Praxis: Wie lässt sich die gemeinsame Zeit sinnvoll füllen? Wie reagiert man auf herausforderndes Verhalten? Wie kann man mit dementen Menschen beten? Wo gibt es Hilfe und Unterstützung im Alltag? Wie schafft man es, Zeit für sich selbst freizuhalten?
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2016
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4., überarbeitete Nachauflage 2025
© 2016 Brunnen Verlag GmbH
Gottlieb-Daimler-Str. 22, 35398 Gießen
Die Nutzung von Bild-, Sprach- und Textdaten für sog. KI-Training und ähnliche Zwecke ist nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung erlaubt.
Lektorat: Eva-Maria Busch, Überarbeitungen: Alena Dörr
Umschlagfoto: Adobe Stock
Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger
Satz: DTP Brunnen
ISBN Buch 978-3-7655-2062-4
ISBN E-Book 978-3-7655-7447-4
www.brunnen-verlag.de
Zu Beginn: Fünf Punkte
Ansichtssache: Halb voll oder halb leer?
Teil 1 Häufige Fragen über Demenz
Warum bleibt Altbekanntes länger im Gedächtnis?
Sind Demenz und Alzheimer das Gleiche?
Wie kann ich einer Demenz vorbeugen und wie erkenne ich eine Demenz?
Teil 2 Umgang mit Menschen mit Demenz
Vom Umgang mit der Wahrheit: „Wo ist denn meine Mutti?“
Die drei Phasen einer Demenz
Checklisten für die schnelle Hilfe
Tipps, um die Kommunikation zu erleichtern
Teil 3 Gemeinsame Zeit sinnvoll gestalten
Teil 4 Gute Nachricht für Menschen mit Demenz
Kann man dementen Menschen noch etwas weitergeben?
Alle Sinne nutzen
Mit dementen Menschen beten
Biblische Geschichten erzählen
Teil 5 Tipps von Angehörigen für Angehörige
Als Zugabe ein Beitrag meines Blogs: „Mit 5 Mark 60 Jahre zurück: Können Geschichten die Demenz-Wolken bei der 90-jährigen Emilie lichten?“
Nützliche Adressen
Literaturverzeichnis
1. Danke
Ohne die Hilfe vieler Menschen wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Dafür sage ich Danke. Dieses Buch ist aus mehreren Vorträgen und Seminaren entstanden, die ich zu Themen wie „Umgang mit Demenz“ oder „Demenz und Glaube“ gehalten habe. Ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmenden für ihre vielen wichtigen Impulse, die in dieses Buch eingeflossen sind. Vor allem bin ich den dementen Menschen dankbar, mit denen ich zu tun habe. Durch unsere Beziehung haben sie die Neuauflage dieses Ratgebers weiterentwickelt, ohne dies zu wissen.
2. Zu Namen und Anrede
In diesem Ratgeber finden sich viele Beispiele aus der Praxis. Die meisten davon habe ich selbst erlebt. Manche Beispiele stammen aus der Erfahrung anderer. Die Episoden wurden so weit verfremdet, dass keine Rückschlüsse auf Betroffene mehr möglich sind. Auch die Namen wurden verändert. Ich spreche unsere Bewohner im Pflegeheim grundsätzlich per Sie und mit Nachnamen an. Dieser Ratgeber ist aber vor allem für Angehörige geschrieben. Daher beschreibe ich die Praxisbeispiele so, wie wenn ich die Bewohner mit Vornamen ansprechen würde.
3. Die christliche Perspektive
Dies ist ein Ratgeber aus christlicher Sicht. Ich habe ihn für Demenz-Begleiter geschrieben, denen der Glaube selbst viel bedeutet. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, kann Ihnen das Buch bei der Betreuung dementer Angehöriger helfen, die in der christlichen Tradition verwurzelt sind.
4. Rückmeldungen von Lesern
Im Internet finden Sie meinen Blog: www.zeller-geschichten.de
Über diesen Blog können Sie mich auch erreichen und meinen Newsletter bestellen. Aus diesem Blog habe ich einen Beitrag hier mit ins Buch genommen.
Apropos Kontakt. Durch das Internet sind Rückmeldungen von Lesern heute auf eine ganz andere Art möglich als früher. Ich habe viele Anmerkungen berücksichtigt. Durch Rückmeldungen von Lesern bin ich zum Beispiel auf die Idee gekommen, einige Gedanken zum Thema „Essen hält Leib und Seele zusammen“ mit aufzunehmen. Ebenfalls finden Sie in der Neuauflage einige einfache Spiele, die Sie mit Menschen mit Demenz spielen können – und ein paar kleine Checklisten für alle Fälle.
5. Persönliche Weiterentwicklung
Seit der ersten Auflage dieses Buches ist viel in meinem Leben passiert, was Einfluss auf meine Sicht der Dinge hat. Auch dies schlägt sich im Inhalt dieses Buches nieder. Mehr dazu finden Sie zum Beispiel unter der Überschrift „Impulse auf dem Weg zur Charakterstärke“.
Viele Angehörige und Freunde von Menschen mit Demenz sind überfordert. Das ist auch kein Wunder. Schließlich kennen sie den Betroffenen schon lange. Vielleicht geht es sogar um die eigene Mutter oder den Vater, zu dem man stets aufgeschaut hat. Und nun kann die betroffene Person so vieles nicht mehr. Sie bringt Abläufe durcheinander. Oder sie zieht mehrere Blusen übereinander an und vergisst, Socken anzuziehen. Vielleicht kann sie sich nicht einmal mehr an die Namen der Familienmitglieder erinnern.
Sie als Angehörige sehen die demente Person, wie sie jetzt ist. Und Sie vergleichen sie mit dem, was sie einmal war. Das Ergebnis ist zwangsläufig frustrierend: Die nette Amalie von nebenan hat früher stets freundlich gegrüßt. Jetzt schaut sie zur Seite. Der begeisterte Fußballspieler Rudolf weiß nicht mehr, was all die Pokale bedeuten, die in seinem Regal stehen.
Menschen mit Demenz wirken oft wie ein Schatten ihrer früheren Persönlichkeit. Sie kommen einem vor, als würden sie sich selbst karikieren. Das ist sehr traurig; besonders dann, wenn Sie diesen Schatten mit der Person, wie sie früher war, vergleichen. Die Karikatur kann mit dem Wesen von früher nicht mithalten. Kurz gesagt: Wenn jemand seinen dementen Angehörigen beschreibt, hört es sich häufig an, als ob er von einem halb leeren statt einem halb vollen Glas spricht.
Eines Tages lernte ich den Ehepartner einer Frau mit Demenz kennen. Und diese Begegnung war für mich ein Schlüsselerlebnis. Fritz stand mir gegenüber, auf seinen Spazierstock gestützt und mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Neun lange Jahre hatte er seine Frau gepflegt.
Ich fragte ihn: „Wie sind Sie als Partner damit fertiggeworden? Waren Sie nicht zwangsläufig frustriert?“
Einen Augenblick lang wurde der Blick von Fritz ernst. Dann erklärte er: „Anfangs, ja. Da war ich frustriert und fühlte mich überlastet. Aber dann habe ich beschlossen: Ich will jetzt nicht mehr den Verfall sehen. Ab heute lerne ich einen neuen Menschen kennen. Einen Menschen mit anderen Charaktereigenschaften und einer neuen Persönlichkeit. Diese Entscheidung habe ich neun Jahre lang getroffen. Tag für Tag.“
Ich bin bis heute von Fritz beeindruckt. Denn ich selbst habe ja nur beruflich mit Menschen mit Demenz zu tun. Am eigenen Leib habe ich nie erlebt, wie es ist, einen dementen Angehörigen zu versorgen und dabei womöglich noch im selben Haushalt zu leben. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Mutter einen nicht mehr mit Namen kennt. Mit den Betroffenen komme ich häufig erst dann in Kontakt, wenn sie schon dement sind.
Emmi etwa kam nach einem Sturz ins Krankenhaus. Schenkelhalsfraktur. Sie war überfordert, als sie von Untersuchung zu Untersuchung gebracht wurde. Danach zog sie ins Pflegeheim. Auch hier machte ihr das neue Umfeld zu schaffen. Sie stand häufig nachts auf und huschte durch die Gänge.
Durch meinen Hintergrund habe ich den Vorteil, dass ich wirklich neue Menschen kennenlerne – und den Menschen nicht mit früher vergleichen muss. Wir fangen im Pflegeheim bei null an. Die Erfahrung von Fritz gebe ich darum gerne an Angehörige weiter. Vielleicht wollen Sie mal versuchen, es so zu machen wie er: Lassen Sie sich darauf ein, einen neuen Menschen kennenzulernen. Eine neue Person mit einer anderen Persönlichkeit. Ein Gegenüber, das in einem neuen Rhythmus lebt und die Welt auf eine andere Art beschreibt. Verlieren können Sie nichts. Vergleichen ist die Wurzel allen Übels. Nicht nur das Vergleichen mit anderen Menschen – auch wenn man einen dementen Menschen mit dem vergleicht, was er früher war. Vielleicht ist das Glas dann nicht immer nur halb leer. Sondern auch mal halb voll.
Wenn in einer Familie die Diagnose „Demenz“ gestellt wird, tauchen viele Fragen auf. Das weiß ich aus meinen Begegnungen mit betroffenen Angehörigen. Häufige Fragen sind:
Ist es nicht kurios, dass Altbekanntes länger in Erinnerung bleibt als kürzlich Erlerntes?
Sind Demenz und Alzheimer das Gleiche?
Wie kann ich einer Demenz vorbeugen und wie erkenne ich eine Demenz?
Ausführliche Antworten finden Sie auf verschiedenen Internetseiten, etwa:
www.alzheimer-forschung.de (Alzheimer Forschung Initiative e. V.)
www.wegweiser-demenz.de (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
www.deutsche-alzheimer.de/ (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V., Selbsthilfe Demenz)
www.alz.ch (Schweizerische Alzheimervereinigung)
Auf diesen Seiten finden Sie auch weitere hilfreiche Informationen.
Besuchen Sie auch meinen Blog im Internet:
www.zeller-geschichten.de
Dort finden Sie regelmäßig neue Beiträge rund um die Themen „Umgang mit Demenz“ sowie „Demenz & Geschichten“. Sie können dort auch meinen Newsletter bestellen – und mich auf weitere Themen rund um Demenz aufmerksam machen, zu denen Sie gerne einmal etwas lesen würden.
Ergänzend zu den Literaturhinweisen möchte ich nun die oben genannten drei Fragen mit einigen praktischen Beispielen beantworten.
Amelie weiß nicht mehr, was sie vor einer Stunde gegessen hat. Und das, obwohl es ihr Lieblingsgericht war: Kaiserschmarren. Aber sie kann sich noch daran erinnern, dass sie am Tag ihrer Einschulung – vor über 80 Jahren – rote Strümpfe anhatte. Wie ist das möglich?
Stellen Sie sich einen Stapel Geldscheine vor. Wie auf einem Stapel häufen sich unsere erworbenen Schätze an: Fähigkeiten, Erlebnisse, Bilder, Begegnungen und Beziehungen türmen sich auf. Von unten nach oben. Unten liegen Scheine aus der frühesten Kindheit: Erfahrungen als Kleinkind mit den Eltern. Darauf liegt die Muttersprache. Das Schulwissen stapelt sich weiter oben. Dann folgen: eine Fremdsprache. Kenntnisse aus dem Beruf. Person und Namen des Ehepartners. Dann die Kinder. Obendrauf die Enkel. Der Stapel mit den erworbenen Scheinen wird im Laufe des Lebens immer höher.
Was passiert nun, wenn ein Mensch dement wird? Eine Demenz fegt wie ein Wirbelwind über diesen Stapel hinweg. Er räumt die Scheine ab. Von oben nach unten. Früher Erworbenes bleibt länger erhalten. Später Gelerntes wird schneller fortgefegt.
Zwei Beispiele:
Gisela hatte eben Besuch von ihrem Sohn. Die Türklinke ist noch warm von seiner Hand. Der Geruch seines Rasierwassers hängt noch in der Luft. Frage ich Gisela, ob ihr Sohn heute da war, antwortet sie im Brustton tiefster Überzeugung: „Nein.“ Sie kann jedoch noch detailliert beschreiben, wie die Fensterläden des Hauses aussahen, in dem sie aufgewachsen ist.
Wilhelmine ist in einem Dorf am Kaiserstuhl aufgewachsen. Als Kind redete sie einen urigen alemannischen Dialekt. Danach hat sie studiert. Sie wurde Lehrerin und unterrichtete an einem anderen Ort. Als Erwachsene hat sie nur noch hochdeutsch geredet. Wilhelmine hat später drei Kinder bekommen. Von frühester Kindheit an hat sie mit ihnen nur hochdeutsch gesprochen. Die Kinder – heute zwischen 55 und 65 Jahre alt – können sich nicht erinnern, dass die Mutter jemals ein Wort im Dialekt geredet hat.
Dann wurde Wilhelmine dement. Der Wind fegte über ihre Scheine hinweg. Und irgendwann waren ihre hochdeutschen Sprachkenntnisse fortgeweht. Mit beinahe neunzig Jahren begann sie, wieder den Dialekt ihrer Kindheit zu sprechen. Das war für die Kinder verblüffend – denn sie kannten diesen Dialekt gar nicht. Erst mithilfe einer Freundin aus Kindertagen konnte einiges von Wilhelmines Sätzen und Wendungen auf Hochdeutsch übersetzt werden.
Demenz verhält sich zu Alzheimer wie Europa zu Deutschland. Demenz ist der Überbegriff, ein ganzer Kontinent. Alzheimer ist ein Land davon – eine Form der Demenz. Die Größenverhältnisse stimmen allerdings nicht. Alzheimer als häufigste Form von Demenz wäre auf einer Europakarte wesentlich größer als Deutschland. Der „Kontinent“ Demenz kann in drei Gruppen („Länder“) unterteilt werden:
Bei Alzheimer und verwandten Formen steht der Abbau des Hirngewebes im Vordergrund.
Manche Demenzen entstehen durch Ablagerungen in den Blutgefäßen (sogenannte „vaskuläre“ Demenzen). Im Volksmund hat man früher oft salopp umschrieben: „Der Opa ist verkalkt.“ Dieses Bild trifft genau zu.
Es gibt auch Demenzen, die auf eine erste andere Erkrankung zurückzuführen sind (sogenannte „sekundäre“ Demenzen). Beispiele für zugrunde liegende andere Erkrankungen sind Diabetes, Multiple Sklerose (MS) oder Vergiftungserscheinungen durch Alkohol oder Medikamente.
Sie können Ihren Hausarzt fragen, welche Form einer Demenz vorliegt. Ist etwa eine zugrunde liegende andere Krankheit bekannt, kann diese behandelt werden. Dadurch lässt sich der Verlauf einer Demenz vielleicht verlangsamen oder gar heilen. Außerdem kann der Arzt vielleicht gezielt Medikamente einsetzen – um die Demenz zu verzögern oder die Begleiterscheinungen zu behandeln.
Einer Demenz können Sie vorbeugen, indem Sie sich geistig fit halten, Beziehungen pflegen, sich gesund ernähren und Sport treiben. Das ist zwar keine Garantie, nicht dement zu werden – aber die Wahrscheinlichkeit, gesund zu bleiben, ist höher.
Geistige Betätigung
Hilfreich ist, sich für sein Umfeld zu interessieren, Bücher und Zeitungen zu lesen, Hobbys zu pflegen. Wer etwa ein Musikinstrument spielt, schult damit Motorik, Gehör und Konzentration. Beim Tanzen von Standardtänzen trainiert man den Körper und fördert Kommunikation, Gehör und Gleichgewicht. Durch gezieltes Gedächtnistraining lässt sich eine Demenz verzögern.
Glück und Freude durch kreative Beschäftigung schiebt eine beginnende Demenz weit fort. Eher schädlich ist es, passiv zu sein – etwa bei hohem Fernsehkonsum.
Christen, die sich für die Bibel interessieren, können Bibelverse auswendig lernen. Vielleicht sogar mit der Stellenangabe. Das ist eine gute Vernetzung zwischen Zahlen und Worten. Dadurch aktivieren Sie verschiedene Regionen im Gehirn. Und Sie steigern so die Allgemeinbildung. Wer sich in der Bibel schon etwas auskennt, für den vernetzt sich dabei sogar noch der Bibelvers mit seinem bisherigen Bibelwissen über das jeweilige biblische Buch.
Weitere Tipps: Sie können viel singen oder Brett- und Gesellschaftsspiele spielen. Am besten tun Sie dies gemeinsam mit anderen Menschen.
Soziale Kontakte
Wer Zeit mit anderen Menschen verbringt und sich auf ein Gegenüber einstellt, beugt einer Demenz aktiv vor. Eine Frau fragte: „Soll ich mir jetzt extra einen Lebenspartner suchen, damit ich keine Demenz bekomme?“ Nein, natürlich nicht. Aber es steht nirgends geschrieben, dass ältere Menschen alleine leben müssen und keine Kontakte mehr pflegen dürfen.
Die ideale Lösung wäre, nicht allein zu leben, etwa mit den Kindern zusammenzuziehen. Oder eine Wohngemeinschaft mit anderen Menschen zu gründen – zusammen mit anderen Senioren oder generationsübergreifend. Solche Wohngemeinschaften haben positive Effekte für alle Beteiligten.
Manchmal ist es nicht möglich, mit anderen Menschen in eine Wohnung zu ziehen. Alleine zu leben, bedeutet aber glücklicherweise nicht zwangsläufig, einsam sein zu müssen. Ich denke hier an eine Frau, die im Alter aus Hamburg in die Nähe ihres Sohnes nach Süddeutschland gezogen ist. Die Dame ist gesellig. Im „betreuten Wohnen“, in dem sie lebt, hat sie gleich verschiedene Runden und Kreise initiiert. Und sie besucht im benachbarten Pflegeheim sogar Bewohner. Darunter auch solche, die ebenfalls aus Norddeutschland stammen. Das sind dann jeweils Begegnungen, in denen das Heimweh ein bisschen geweckt wird – und durch das gemeinsame „Snacken“ (so sagt sie für sprechen, reden) dann aber meist auch wieder erfolgreich vertrieben wird. Ihr neustes Projekt: Einmal pro Woche macht sie eine Hamburger Runde – eine Art Stammtisch, bei der sich Menschen mit Bezug zur norddeutschen Hansestadt treffen. Sie hat dazu sogar schon ein Fischfrühstück organisiert. Sie hat mir gezeigt, dass sich also auch allein lebende Menschen bewusst auf andere Menschen einstellen können. Weitere Beispiele: Sich zu Ausflügen verabreden. Zusammen einen Schrebergarten anlegen. Gemeinsam kochen und essen. Kaffeerunden genießen. Zusammen zum Sport gehen.
Ein gesunder Lebensstil
Natürlich ist grundsätzlich ein gesunder Lebensstil hilfreich: Wer sich gesund ernährt, genügend trinkt und sich ausreichend bewegt, tut sich schon den größten Gefallen. Alkohol sollte nur in kleinen Mengen konsumiert werden. Blutgefäße bleiben geschmeidiger, wenn Sie nicht rauchen und sich salzarm ernähren. Eine Diabetes-Erkrankung sollte gut eingestellt werden. Wer es dann noch schafft, sein Übergewicht zu reduzieren, ist auf einem guten Weg.
Ein gutes Beispiel:
Im Schwimmbad begegne ich häufig einem Rentner. Er zieht dort seine Bahnen. Eines Tages hat er mir erzählt, wie er dabei vorgeht: Er zählt die Längen, die er zurücklegt. Sind es nun 30 oder 40 Längen? Dann rechnet er aus, wie viele Kilometer das ergibt. Wenn er wieder zu Hause ist, steckt er auf einer Landkarte mit Stecknadeln die Strecke ab, die er zum Beispiel im Rhein geschwommen wäre. Anschließend liest er in Reiseführern in der Bibliothek nach, was es in den jeweiligen Orten und Städten zu sehen gibt. Den Rhein hat er übrigens schon längst geschafft. Neulich schmunzelte er, als er mir erklärte: „Jetzt komme ich schon bald in Moskau an.“
Nach dem Gespräch mit diesem Rentner dachte ich: Das ist eine gute Demenz-Vorbeugung, denn da ist fast alles dabei: Sport, Rechnen, soziale Kontakte im Schwimmbad und in der Bibliothek – und die Bereitschaft, Neues zu lernen.
Schwimmen ist nun nicht jedermanns Lieblingssport. Nicht jeder interessiert sich für Flüsse und Erdkunde. Aber Sie können dieses Beispiel auf Ihre eigenen Vorlieben und Hobbys übertragen. Sie können sich über ein bestimmtes Land informieren. Wer gerne schreibt, kann Leserbriefe an die Zeitung schicken. Und mancher Kindergarten wäre vielleicht froh, wenn eine Vorlese-Oma bei ihnen zu regelmäßigen Geschichten-Runden vorbeikäme.
Die andere Teilfrage lautet: Wie kann ich eine Demenz erkennen? Wenn Sie unsicher sind, empfehle ich auf jeden Fall, den Hausarzt einzubeziehen. Er kann den Betroffenen zu einem Facharzt überweisen. Mit entsprechenden Tests kann dieser eine Demenz ausschließen oder diagnostizieren – und gangbare Wege aufzeigen.
Zur ersten Orientierung empfehle ich das Buch „Hilfe, ich werde vergesslich. Was Sie für Ihr Gedächtnis tun können und wie man eine Demenz erkennt“ von Britta Wiegele und Sophia Poulaki.
Ein angenehmer „Fall“ werden
Hauptrisikofaktor für eine Demenz ist das Alter. Ein etwas sarkastischer Spruch heißt: Jeder Mensch wird dement – er muss nur alt genug werden. Bei einem Seminar hat mich eine Frau tatsächlich gefragt: „Was kann ich tun, damit ich später einmal ein angenehmer Demenz-Fall werde?“
Ähnlich wie bei der Vorbeugung einer Demenz gilt auch hier: Ein angenehmes Wesen entwickeln Sie, wenn Sie in Beziehungen leben.
Aber: Sie sind mehr als ein Fall!